Salomon Geßner
Neue Idyllen
Salomon Geßner

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Daphnis.

In stiller Nacht hatte Daphnis sich zu seines Mädgens Hütte geschlichen; denn die Liebe macht schlaflos. Hell schimmerten die Sterne durch den ganzen Himmel gesäet; sanft glänzte der Mond durch die schwarzen Schatten der Bäume; still und düstern war alles; jede Geschäftigkeit schlief, und jedes Licht war erloschen. Nur Funken vom Mondschein hüpften auf rieselndem Wasser, oder ein seltenes Würmgen leuchtete im tiefesten Dunkel. Da saß er der Hütte gegenüber in schwermüthiger Entzückung, und sah nur mit vestgeheftetem Blick das Fenster der Kammer wo sein Mädgen schlief. Halb geöffnet wars den kühlen Winden und des Mondes sanftem Licht. Mit sanfter Stimme hub' er jetzt diesen Gesang an:

Süß sey dein Schlummer, du meine Geliebte! Erquickend wie der Morgenthau! Sanft und ruhig liege dort, wie ein Tropfe Thau im Lilienblatt, wenn die Blumen kein Hauch bewegt; denn sollte reine Unschuld nicht ruhig schlummern? Nur süsse frohe Träume sollen um sie schweben. Steigt herunter süsse Träume, auf den Stralen des Mondes steigt zu ihr herunter! Nur frohe Triften soll sie sehn, ;wo milchweisse Schafe weiden; oder ihr solls dünken, sie höre den Gesang sanfter Flöten, schön wie Apoll sie spielt, durchs einsame Thal tönen. Oder laßt ihr seyn, sie bade in einer reinen Quelle sich, und Myrthen- und Rosenstauden wölben sich um sie her; von niemandem gesehn, als den kleinen Vögelgen, die ihr von jedem Ästgen singen. Oder ihr dünke, als spielte sie mit den Huldgöttinnen; und sie nennen sie Geliebte und Schwester; und sie brechen Blumen in der schönsten Flur; die Kränze, die sie flicht, gehören den Huldgöttinnen; die jene flechten, gehören ihr. Oder laßt sie im Schatten von Bäumen durch balsamdüftende Blumen irren: Laßt kleine Liebesgötter wie Bienen schwärmen, sich fliehn und sich haschen; zehn fliegen mit der Last eines duftenden Apfels her; ein andrer Schwarm bringt eine reife Traube; die andern schwärmen in Blumen und jagen ihr Gerüche zu. Dann komme im Schatten ihr Amor entgegen, doch ohne Bogen und Pfeile, daß sie nicht schüchtern wird; aber mit jeder süssesten Anmuth des Liebreitzes geschmückt. Auch laßt mein Bild ihr erscheinen, wie ich schmachtend vor ihr steh, erröthend niederblicke, und mit Seufzen unterbrochen ihr sage, daß ich vor Liebe verschmachte. Noch durft ichs ihr nicht sagen. O möchte bey diesem Traum ein Seufzer ihren Busen schwellen! Möchte schlafend sie sanft lächeln und erröthen! O möcht ich schön seyn, wie Apoll da er die Heerden weidete; möchten meine Lieder süß tönen, wie die Lieder der Nachtigall; möchte jede Tugend mich schmücken, daß ichs werth wäre von ihr geliebt zu seyn!

So sang er; und dann gieng er im Mondschein nach seiner Hütte zurück. Hoffnungsvolle Träume versüsseten ihm die übrigen Stunden der Nacht. Früh am Morgen trieb er seine Heerde den Hügel hinan, wo seines Mädgens Hütte am Wege steht. Langsam giengen seine Schafe, und weideten zu beyden Seiten des Bordes. Graset ihr Schafe, ihr Lämmer; nirgend ist bessere Weide! Wo sie hinblickt blühet alles schöner; wo sie wandelt wachsen Blumen. So sagt' er, als sein Mädgen ans Fenster stand. Die Morgensonne beschien ihr schönes Gesicht: Deutlich sah ers, daß sie lächelnd ihn anblickte, und daß ein höheres Roth auf ihre Wangen stieg. Langsam mit pochendem Herzen gieng er vorüber: Holdselig grüßt sie ihn, und holdselig blickt sie ihm nach; denn sie hatte seinen nächtlichen Gesang behorcht.


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