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Es war an einem kalten, unfreundlichen Novembermorgen, als ich mit meinem Begleiter die Wanderung antrat. Mein Gepäck war unbedeutend, die Beine und Füße mit hirschledernen Leggins und Mokassins bekleidet, trotzten den Dornen, und ein dünnes Jagdhemd von leichtem Sommerzeug nebst einer blauen schottischen Mütze machten den übrigen Teil meines Anzuges aus. Das Jagdhemd wurde durch einen breiten ledernen Gürtel zusammengehalten, in dem rechts der Tomahawk, links das breite Jagdmesser stak, und der auch auf dem Rücken noch einen blechernen Becher hielt. In meine wollene Decke, welche ich zusammengerollt über der Schulter trug, hatte ich etwas Pulver und Blei, ein kleines Säckchen mit gebranntem Kaffee, sowie ein reines Hemd eingewickelt, und ein selbstverfertigtes Pulverhorn, von dem Schädel der damals erlegten Büffelkuh abgeschlagen, das an einer kleinen ledernen Kugeltasche hing, vollendete meine Ausrüstung.
Mein Reisegefährte, obgleich auch ein alter Jäger, war nicht so jagdmäßig angezogen, denn da er erst nach Hause wollte, hatte er alle seine Jagdgerätschaften dort gelassen. Wohl aber war er mit anderen Sachen zur Genüge bepackt.
Wie ich schon gesagt habe, hatte er unfern der Mündung des Fourche la fave gewohnt, war jetzt 40–50 Meilen weiter in das Land gezogen und monatelang gequält gewesen, sein Kochgeschirr, Handwerkszeug, seine Betten usw. nach und nach und oft in langen Zwischenräumen zu Pferde nach der neuen Heimat zu schaffen. Dabei hatte er noch Rindvieh und Schweine getrieben und Frau und Kinder fortgebracht.
Wie beschwerlich das Umziehen für den armen Amerikaner sein muß, ist wohl einzusehen, und dennoch kenne ich Familien, die dreimal in einem Jahre solche Touren durchgemacht haben. So mein alter Freund Slowtrap, der sich in dem Aufzuge, in welchem er vor mir herritt, gar herrlich ausnahm.
Er war ungefähr 6 Fuß hoch und so starkknochig gebaut, wie es sich nur irgend mit seiner Figur vertrug. Ein Paar grundehrliche Augen schauten aus dem gutmütigen, vom Wetter hart mitgenommenen Gesichte heraus, die jedoch stets aufmerksam von einem Ort zum andern umherschweiften und dadurch der sonst etwas plumpen Gestalt viel Lebhaftes verliehen.
Niemand hatte ihn noch lachen sehen, obgleich die, welche näher mit ihm bekannt waren, aus einem etwas Breiterwerden des Mundes und einem Zusammenziehen des linken Augenwinkels schließen konnten, daß er sich eben in guter Laune befinde. Ebenso lebte niemand, der ihn je in einer schnelleren Bewegung als in einem scharfen Gange gesehen hatte; er verachtete das Laufen.
Ein schwarzer, sehr abgetragener Frack mit ungeheuer breiten Schößen und noch größeren Taschen darin, der ihm einzig und allein oben auf den Schultern paßte, hing um ihn herum, und ein Paar helle, trotz der etwas rauhen Jahreszeit ziemlich dünne Sommerbeinkleider, die ihm beim Reiten weit genug hinaufgerutscht waren, um seine außerordentlich muskulösen Waden zu zeigen, vollendeten seinen Anzug. Ein Paar sehr kurze Socken und grobe, selbstgemachte Schuhe bedeckten seine Füße, und dazu hing ihm noch ein eingedrückter, einmal schwarz gewesener Filzhut ins Gesicht, der eher jede andere Form hatte als gerade die, welche er haben sollte.
Der Sack aber, der auf dem Pferde lag und auf der einen Seite Salz, auf der andern eine Menge Kleinigkeiten enthielt, wollte, da das Salz viel schwerer als die anderen Sachen war, gar nicht das Gleichgewicht halten, und Slowtrap war des Gleichgewichts wegen genötigt, sich ganz hinüber auf die linke Seite des Pferdes, und zwar auf die leichteren Gegenstände zu setzen, während er den Korb mit der Ente auf die Seite des Sackes stellte, in der sich das Salz befand. Das Pferd kam dadurch gewissermaßen zwischen ihn und den Korb zu gehen, was dem ganzen Zug ein höchst abenteuerliches Aussehen gab. Vorn auf dem Sattelknopfe hatte er noch dabei eine alte ungeladene Flinte liegen, die er irgendwo für eine verjährte Schuld angenommen.
Unser Weg zog sich die sogenannte county-road entlang, und Slowtrap, neben dem ich herging, teilte mir eine Menge seiner drolligen Erzählungen mit, von denen er tausende wußte. Dabei schaute er mich dann und wann so wunderkomisch mit seinen trockenen Gesichtszügen an, daß ich nicht umhin konnte, fast stets auszulachen.
Die county-road ist eine Straße, die der Bezirk (county) aushauen läßt, um einen Fahrweg durch die Wildnis zu bekommen. Soll eine solche Straße ausgeschlagen werden, so wird ein Aufseher oder Direktor ernannt, der dann zur bestimmten Zeit die ganze männliche Bevölkerung des Bezirks vom achtzehnten bis fünfundvierzigsten Jahre zusammenruft. In kurzer Zeit fällen diese kräftigen Waldsöhne die im Wege stehenden Bäume und schaffen sie auf die Seite, so daß ein Wagen sich bequem zwischen ihnen durchwinden kann; denn gerade Richtung nehmen sie nur in den vom Staate ausgehauenen Straßen an, um klugerweise den zu starken Bäumen etwas aus dem Wege zu gehen. Löcher und Unebenheiten werden nicht ausgefüllt oder geebnet, wenn nur die geringste Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, daß ein Wagen dieselben ohne umzuwerfen befahren kann, und es läßt sich etwa denken, welche Bequemlichkeiten für den Reisenden eine solche Straße später bietet.
Wir zogen den Fourche la fave hinauf, doch bekamen wir den Fluß, der sich durch dichte Schilfbrüche oder Rohrdickichte hinschlängelt, sehr selten zu sehen, da wir uns soviel wie möglich an den Hügeln hielten, um trockenen Weg zu haben. Der Hauptkurs desselben ist von West nach Ost, und herrliches Land liegt in dem bottom oder Flußtale an seinen beiden Ufern, das zugleich ausgezeichnete Winterweide für das Vieh bietet. Das niedere Land ist dicht mit dem immergrünen Rohre bedeckt, während die Bergrücken, die sich an beiden Seiten desselben ebenfalls von Westen nach Osten strecken, eine ausgezeichnete Sommerweide bieten. Die Berge sind mit den dichtesten Pechkiefernwäldern bewachsen.
Der Weg war übrigens seit langer Zeit nicht nachgesehen, und eine Masse heruntergebrochener Äste und umgestürzter Bäume lag quer darüber hinweg, so daß das Weiterkommen oft mit großen Schwierigkeiten verknüpft war. Slowtrap sah dies jedoch als etwas ganz dahin Gehöriges an und behauptete steif und fest, daß eine Fichte nicht anders als über den Weg fallen würde, wenn sie ihn nur irgend erreichen könnte, ebenso wie ein »sweet gum« – eine eigene Art Bäume, deren Holz gar nicht zu spalten ist, da es so merkwürdig ineinander verwächst – stets über eine Fenz stürze, wenn er nahe genug stünde.
Unser Weg führte an einer Schule vorbei, doch darf man sich darunter keine Schule denken, die mit denen unseres lieben Vaterlandes die geringste Ähnlichkeit hätte. In der ungefähren Mitte der Ansiedlung und so gelegen, daß die in die Schule zu schickenden Kinder höchstens 3–4 Meilen zu machen haben, wird aus rohen Stämmen ein Blockhaus aufgeschlagen, gedeckt, ein Kamin von Lehm aufgeführt und die Öffnungen oder Spalten zwischen den Stämmen, eine einzige ausgenommen, die sich ungefähr 4 Fuß über der Erde an einer Seite hinzieht, verstopft. Die letztere aber bleibt offen, weil ein langes Brett schräg davor befestigt wird, um von den Kindern als Schreibtisch benutzt zu werden. Die lange Spalte dient später dazu, hinlängliches Licht zu schaffen.
Sonst ist, wie in allen anderen Blockhütten, kein Fenster in dem Schulhause und selten ein Bretterboden gelegt, so daß die Tür Winter und Sommer aufstehen muß. Ist es recht kalt draußen, so erlaubt der Lehrer den Kindern dann und wann ein wenig aufzustehen, um sich am lodernden Kaminfeuer zu erwärmen, an dem er sich selbst auf dem einzigen Stuhle sehr breitbeinig niedergelassen hat.
Die entfernter Wohnenden kommen stets zu Pferde und binden die Tiere während der Schulzeit an die umherstehenden Bäume. Ihr Mittagessen bringen sie sich natürlich mit und treten erst wieder gegen Abend den Heimweg an.
Die gewöhnlichen Waldschulen beschäftigen sich fast ausschließlich mit Buchstabieren, Lesen, Schreiben und Rechnen; selten versteigen sie sich zur Geographie und Geschichte, die sich dann auch auf die der Vereinigten Staaten beschränkt.
Höchst selten ist es, daß die Lehrer selbst mehr als lesen und schreiben können, wobei ihnen dann natürlich nicht viel daran liegt, ihre Schüler gescheiter zu machen, als sie selbst sind. Ich sah sogar einen jungen Mann in den Sümpfen Unterricht im Schreiben geben, dessen Schüler – und er hatte deren bis zu einem Alter von achtzehn und zwanzig Jahren – nicht einmal das lesen konnten, was sie schrieben, sondern nur die Buchstaben ungefähr mit demselben Vorteil für ihre Ausbildung nachmalten, mit dem wir Hieroglyphen zeichnen würden.
Es mochte zwölf Uhr sein, als wir am Schulgebäude vorüberkamen, und Lehrer und Schüler waren gerade eifrig beschäftigt, Ball zu schlagen, was bei schönem Wetter die gewöhnliche Erholung ist. Nachher geht die ganze Gesellschaft – es waren fast lauter erwachsene junge Leute – mit desto größerem Eifer wieder an das Buchstabieren.
Das Wetter hatte sich bis jetzt ziemlich gut erhalten; dunkle Wolken drohten aber eine Änderung, und es dauerte auch gar nicht lange, daß der Regen anfing, mit gutem Willen einzusetzen. Da wir beide in keiner großen Eile waren und Slowtrap mir sagte, daß einer seiner besten Freunde kaum eine halbe Meile vom Wege ab wohne, so schlugen wir uns links und standen bald vor einem kleinen Blockhause, aus dessen Kamin der Rauch lustig emporwirbelte und uns ein gutes Feuer vermuten ließ.
Der alte Behrens, dem der Platz gehörte, war nicht zu Hause, doch seine Söhne, Knaben von zehn und fünfzehn Jahren empfingen uns ganz freundlich. Wir fanden das Zimmer schon durch drei früher gekommene Fremde besetzt; sie machten uns jedoch Platz, und ein flackerndes Feuer erwärmte bald unsere etwas steif gewordenen Glieder.
Zwei der Fremden unterhielten sich sehr angelegentlich von Wettrennen, die in kurzer Zeit dort in der Gegend gehalten werden sollten, und an denen sie, wie es schien, Anteil nehmen wollten. Der dritte mußte sehr ermüdet sein, denn er saß in seinem Stuhle zurückgebeugt und schlief sanft.
Da es aber immer später wurde und noch keine Anstalten zum Abendessen gemacht, auch keine Frauenzimmer im Hause waren, so gingen wir bald mit vereinten Anstrengungen an das Werk, holten einige Maiskolben aus der »corncrib« dem Verschlage, wo der Mais aufbewahrt wird, und mahlten die abgeschälten Körner auf der Stahlmühle zu ziemlich feinem Mehl. Aber was für eine Stahlmühle! Wir leierten und leierten über eine Stunde, bis wir genug für eine kaum hinlängliche Mahlzeit bekommen konnten, feuchteten dann das Mehl mit Wasser an, taten es in eine flache eiserne Pfanne, setzten diese auf Kohlen, bedeckten den Deckel derselben ebenfalls mit Kohlen und ließen es durchbacken. Milch und geräucherte Hirschkeule vollendete unsere Mahlzeit.
Nachdem wir den Eingeschlafenen mit Mühe aus seiner Lethargie aufgeschüttelt, setzten wir uns zusammen nieder, und sehr schnell wurden wir mit den Kleinigkeiten fertig. Selbst unser schläfriger Freund schien auf kurze Zeit allen anderen Gedanken entsagt zu haben, denen ausgenommen, auf welche Art die aufgetragenen Gerichte am besten zu beseitigen seien. Er hatte jedoch kaum den letzten Bissen im Munde, so schloß er schon wieder die Augen, und bald zeigte nur noch die schaukelnde und nickende Bewegung des Kopfes, daß er am Leben sei.
Wir fühlten uns übrigens alle sehr ermüdet, und da keine Betten weiter im Hause waren, breiteten Slowtrap und ich unsere beiden Decken auf die Erde; die Knaben gaben uns noch zwei andere zum Zudecken, und bald lagen wir alle fünf friedlich nebeneinander hingestreckt, einer andren Sonne harrend. Mit Tagesanbruch standen wir auf und machten uns, der Stahlmühle zu entgehen, vor der ich allen Respekt bekommen hatte, noch vor dem Frühstück wieder auf den Weg.
Das Pferd, das sich die Nacht über an einem guten Maisfutter gelabt, wurde wieder aufgezäumt und der Sack mit dem Salz und anderen Sachen oben darauf getan. Mein alter Kamerad kletterte dann hinauf, ich reichte ihm seine Ente und das alte Schießeisen nach, warf meine Decke auf den Rücken, und unseren zwei neuen Bekannten, der dritte schlief noch, die Hand schüttelnd, zogen wir weiter gen Westen, der Wohnung meines Reisegefährten zu.
Das Wetter hatte sich wieder aufgeklärt, und leichten Schrittes wanderten wir den ziemlich betretenen Weg entlang, mein Beargrease (Bärenfett), wie ich meinen Hund genannt hatte, vor uns her, meistens die Nase am Boden die Fährten des Wildes witternd, das in der Nacht über den Weg gezogen war. Jedesmal aber, wenn er an eine frische Fährte kam, blieb er stehen und schaute mich mit bittenden Blicken an, als ob er um Erlaubnis bäte, dem Wilde zu folgen. Es war jedoch nicht unsere Absicht, jetzt die Zeit mit irgendeiner Jagd zu versäumen, und wir zogen fürbaß. Nur einen Truthahn schoß ich unterwegs zum Verspeisen.
Die Straße zog sich etwa eine halbe Meile durch sogenannte mounds oder kleine Erdhügel hin, die besonders in diesem Teile von Arkansas sehr häufig vorkommen und meistens auf niederem Lande stehen. Daß diese Erdhügel in uralten Zeiten einmal von Menschen angelegt wurden, kann wohl keinem Zweifel unterliegen, denn sie sind durchgängig wie regelmäßige Wohnungen in Straßen angelegt. Die Hügel liegen 20–40 Schritt auseinander, sind selten höher als 6–7 Fuß und etwa 12 Schritt im Durchmesser; oft jedoch findet man unter denselben, die sonst alle rund sind, einen von länglicher Form, der wahrscheinlich zu einem öffentlichen Gebäude gedient haben mag, denn dieser liegt fast stets im Mittelpunkt. Ich habe sie häufig 12 bis 20 Reihen stark gefunden, wo in jeder Reihe 10 bis 20, ja 25 Hütten oder Hügel lagen, die sich stets in regelmäßiger Entfernung einer vom andern erhoben. Viele Amerikaner habe ich gesprochen, die, in der Hoffnung verborgene Schätze an das Licht zu fördern, nachgegraben hatten, doch diese haben selten mehr als einige Kohlen, Scherben von irdenen Gefäßen und, sehr selten, Menschenknochen gefunden.
Die mounds sind stets auf dem fruchtbarsten Lande angelegt, die Indianer wissen übrigens nichts von ihnen, weder wer sie gebaut hat, noch wie sie überhaupt dorthin gekommen sind; sie müssen einer längst ausgestorbenen Nation angehören.
Die jetzigen Indianer werfen zwar auch Hügel auf, oft von sehr ansehnlicher Höhe, wie einer bei St.-Louis, ein andrer in Cincinnati steht, und sich mehrere noch an verschiedenen anderen Orten finden, doch dienten diese bloß zu Begräbnisplätzen oder Monumenten; denn ihre Wohnungen sind weit leichterer Art.
Endlich hatten wir die sumpfigen Stellen hinter uns und waren, nachdem wir eine kleine Prärie und die alte Buffalo-Salzecke durchzogen, bald an Slowtraps Wohnung.
Auf einer Spitze des Hügellandes, die in das niedere Talland hinauslief, lag das Haus, das sich nicht wesentlich von all den anderen amerikanischen Blockhütten unterschied. Es war 16 Fuß lang, 56 Fuß breit und 9 bis 50 Fuß hoch, hatte eine Tür in der Fronte, einen ungeheuren Kamin an der rechten Seite, kein Fenster und ein rohes, mit Pfählen beschwertes Dach. Daneben war ein 6–7 Acker großes, mit Mais bepflanztes Feld.
Slowtraps Frau und Kinder standen, als wir ankamen, in der Tür, doch obgleich ich wußte, daß sie einander herzlich lieb hatten, recht glücklich miteinander lebten und der Alte fast drei Wochen entfernt gewesen war, wurde auch nicht das geringste Wort gewechselt, das einer Begrüßungsformel hätte gleichen können.
»Take my saddle in!« sagte Slowtrap zu seinem ältesten Sohne, einem Jungen von etwa acht Jahren, der sich ruhig an die Fenz gelehnt hatte und uns betrachtete, als ob wir ganz wildfremde Menschen wären.
Endlich, nachdem das Pferd besorgt und alles in Ordnung gebracht war, ging Slowtrap in das Haus, setzte sich, nahm das jüngste Kind auf den Schoß und bewies mit einem »How do you do, all of you?«, daß er doch nicht ganz verlernt hatte, den Mund aufzutun.
Das fremde, zurückhaltende Benehmen der Amerikaner, selbst in ihren eigenen Familien, habe ich übrigens fast überall gefunden, und gar oft war es gerade das, was mir mit kalter Hand an das Herz griff und mich die liebe Heimat so viel mehr vermissen ließ. Mann und Frau behandeln sich gewöhnlich so fremd, wenigstens dem Anscheine nach, als ob sie einander zum erstenmal begegneten. Ich habe schon Amerikaner ihr Haus in der Absicht, Monate lang wegzubleiben, verlassen sehen, ohne der Frau beim Abschiede die Hand zu drücken, ja ohne nur ein kaltes »good bye« zu sagen, wie sie es denn eben nicht besser bei ihrer Zurückkunft machen. Ich will übrigens zur Ehre der Amerikaner glauben, daß dies kalte Wesen bloß Angewohnheit und nicht Mangel an Herzlichkeit ist; denn ich habe viele Beispiele gesehen, die eine recht herzinnige Liebe bezeugten, jedoch wird es stets einen gar bösen Eindruck auf den Europäer machen. Ein viel häßlicheres Gefühl aber läßt es zurück, wenn man Deutsche, um den Amerikaner zu spielen, dieses Betragen nachäffen sieht, wie ich es leider oft genug gefunden habe.
Im Hause angekommen, ließ ich meine Augen ein wenig im Zimmer umherwandern, um mir die innere Einrichtung zu betrachten. In zwei Ecken des kleinen Gebäudes standen zwei ungeheure Bettstellen, auf denen gewaltige buntfarbige Steppdecken lagen. Zwischen den Bettstellen war ein kleines Brett, etwa 4 Fuß von der Erde, befestigt, das noch ein Paar eben solcher Decken mit der wenigen Wäsche der Familie trug, die höchst selten aus mehr als drei bis vier Stücken für jede Person besteht. Die Möbel vollendeten noch ein paar sogenannte »gums«, abgesägte Stücke eines hohlen Baumes, ungefähr einen Fuß im Durchmesser, von 2½ bis 3 Fuß Höhe, unter die als Boden ein Stück Brett genagelt ist, und die zu allerlei Zwecken, sehr häufig zu Bienenkörben, verwendet werden. Hier, wie ich später fand, dienten sie dazu, in dem einen Maismehl, in dem andern Salz aufzubewahren.
Über der Tür waren zwei hölzerne Haken angebracht, auf denen die lange Büchse meines Wirtes ruhte, und von einem derselben hing die Kugeltasche mit dem Pulverhorn herunter. Daneben war wieder ein kleines Brett, das etwas Schuhmacherhandwerkszeug, ein dickes medizinisches Buch von Doktor Gun, eine Familienbibel, »The life of Washington, Life of Marion, Essays of Benjamin Franklin« und einen Kalender trug, und oben darauf lag eine etwas abgegriffene Landkarte der Vereinigten Staaten. Über dem Kamin, in den Ritzen der Stämme, aus denen das Haus aufgeführt war, staken verschiedene Ahlen, Feilen, abgebrochene Messer usw., nebst einem Kugellöffel und einer Kugelform, und links vom Kamin waren zwei kurze Bretter übereinander befestigt, die vier Teller, zwei Ober- und drei Untertassen, wie mehrere Blechbecher, nebst einer großen blechernen Kaffeekanne enthielten, was alles sauber und nett gescheuert war.
Neben dem Kamine stand eine eiserne Bratpfanne, mit einem Deckel versehen, um Brot darin zu backen, ein etwas tiefer eiserner Topf, aus dem der Griff mit einem dazugehörigen Stück herausgebrochen war, und ein großes eisernes Gefäß, das zum Waschen, Färben usw. diente.
Über dem Kamin aber, ganz oben unter dem Dache, hingen noch Überreste von geräuchertem Schweinefleisch: ein Seitenteil, zwei Schultern und eine Keule, nebst zwei getrockneten Hirschschinken. Stöcke, die oben angebracht waren, trugen in Streifen geschnittene Kürbisse, zum Trocknen aufgehangen. Diese geben den Winter hindurch ein nahrhaftes und delikates Gemüse, da sie, besonders in den südlichen Staaten, sehr süß und schmackhaft sind, und auch von den Farmern oft in ungeheurer Masse in ihren Maisfeldern gezogen werden.
Der schon erwähnte Knabe, seine etwa zwei Jahre ältere Schwester nebst einem kleinen blauäugigen, blondhaarigen und rotbäckigen Mädchen von ungefähr vier Jahren, das fleißig an einer wilden Weintraube nagte, und das Jüngste, das mein Alter auf dem Schoße hatte, bildeten die kleine Familie, die mich noch etwas scheu betrachtete, obgleich ich vor sechs Monaten schon einmal dagewesen und ihnen daher nicht ganz fremd war.
Wir hatten miteinander nun zwar verabredet, sogleich in die Gebirge aufzubrechen; doch da Slowtrap noch, wie er sich ausdrückte, einige Geschäfte in dortiger Gegend zu besorgen hatte, so wurde es auf nächste Woche verschoben, und ich versuchte mir bis dahin die Zeit so gut als möglich zu vertreiben. Da ich schon früher in der Nachbarschaft gewesen war, nahm ich meine Büchse auf die Schulter und fing an herumzuziehen, um meine alten Bekannten aufzusuchen. Am 12. Dezember jedoch war ich wieder bei Slowtraps, teils der naßkalten Witterung wegen, teils auch, um meine Mokassins auszubessern, an denen die Sohlen bedeutend durch die scharfen Steine der benachbarten Berge gelitten hatten. Mein Alter war ebenfalls beschäftigt, ein Paar Schuhe wieder instand zu setzen.
Die Backwoodsmen machen und flicken überdies ihr Schuhwerk gewöhnlich selbst; daher ist auch dort nichts seltener als ein Schuhmacher, überhaupt haben die Amerikaner, da sie von Jugend an auf sich selber angewiesen sind, eine eigene Fertigkeit, alles, was nur irgend in ihr Fach schlägt, selbst zu machen. Besonders geschickt sind sie in den Arbeiten, zu denen sie eine Axt gebrauchen können, und sie gebrauchen eine Axt fast zu allem.
Natürlich lernen sie dieselbe schon von frühester Jugend an führen, und komisch genug kommt es ihnen dann vor, wenn ein neu angekommener Deutscher dies Instrument in die Hand nimmt und sich gar zu hölzern und ungeschickt dabei anstellt. Ihre Häuser bauen sie mit der Axt, machen Dach und Fußboden, Kamin und Tür mit derselben, ohne auch nur ein anderes Stück Handwerkszeug als vielleicht einen Bohrer zur Tür zu gebrauchen. Ferner machen sie ihre Schuhe selber und verstehen auch gewöhnlich genug von der Gerberei, um das Leder selber zuzubereiten; schäften sich ihre Pflüge und Gewehre, graben sich ihre Brunnen und tun alles, was nur irgend in ihrer Wirtschaft vorkommt, und wofür der Europäer ebenso viele verschiedene Handwerker gebrauchen würde.
Wir setzten uns nun zusammen an den Kamin, unser verschiedenes Schuhwerk ausbessernd, und nicht schwer hielt es dabei, den alten Burschen zum Erzählen früher erlebter Abenteuer zu bringen.
»Kentucky«, fing er an, »war noch eine Wildnis, als mein Vater, mein Onkel und ich dorthin, wo Daniel Boom lebte, kamen. Wir wollten nämlich das Land besehen und einen Fleck ausfinden, der uns gefiele, denn Nord-Carolina, wo wir damals wohnten, fing an, zu dicht angebaut zu werden. Nur um einen erbärmlichen Truthahn zu schießen, denn weiter gab es schon fast gar kein Wild mehr in der dortigen Gegend, wurde man schon todmüde, so viel nichtswürdige Fenzen mußte man ununterbrochen überklettern.
»Ich war damals erst achtzehn Jahre alt, aber stark wie ein vierjähriger Bär, und freute mich auf nichts mehr, als mit den Indianern einmal zusammen zu kommen.
»Es war im Herbst, ungefähr in dieser Zeit, als wir zuerst die Grenze von Kentucky betraten und Wild sahen, daß uns wahrhaftig das Herz im Leibe lachte. Bären, Hirsche und Büffel waren im Überflusse vorhanden, und Truthühner gingen uns kaum aus dem Wege. Zu langweilig wäre es, wollte ich all den Spaß erzählen, den wir auf der Jagd hatten, denn kein Land auf der Welt konnte existieren, wo es mehr Überfluß an Wild gab, wie vor etwa fünfundzwanzig Jahren in Kentucky. Jetzt ist's freilich nicht viel besser dort, als es damals in Nord-Carolina war, und in fünf Jahren wird der, der einen Bären in Arkansas schießen will, auch manche lange Meile umherstiefeln müssen.
»Wir waren gegen Abend an die äußere Grenze eines Rohrdickichts gekommen und beschlossen, da es ein herrlicher Weideplatz für unsere überhaupt ermüdeten Pferde schien, dort die Nacht zu lagern.
»Wir hobbelten die Pferde« (d. i. banden ihnen mit Papao-Rinde die Vorderbeine so zusammen, daß sie nur ganz kurze Schritte machen konnten) »und befestigten eine kleine Glocke um den Hals der Stute, die mein Onkel ritt. Aber dennoch nicht recht sicher, der Aufmerksamkeit der Indianer ganz entgangen zu sein, hielten wir abwechselnd Wache. Übrigens zeigte sich nichts Verdächtiges, außer daß in der Nacht, etwa nach zwölf Uhr, die Glocke des Pferdes aufhörte anzuschlagen. Das fiel mir, da ich damals gerade die Wache hatte, allerdings auf, da sich die Pferde sonst erst gegen Morgen niederzulegen pflegen. Auch waren die Hunde etwas unruhig, und jedesmal, wenn der Wind von jener Seite, wo die Pferde sein mußten, kam, begann ein alter, auf der Bärenjagd ergrauter Hund, den wir bei uns hatten, jämmerlich zu heulen. Ich mochte die beiden Alten nicht wecken, doch verbrachte ich eine unruhige Nacht.
»Gegen Morgen hörte ich die Glocke wieder, aber weit entfernt und mehr zur Rechten.
»Vor Tagesanbruch wachte mein Vater auf, und ich sagte ihm, was mich beunruhigt hatte. Auch ihm schien die Sache nicht zu gefallen, doch meinte er, die Pferde wären wahrscheinlich ein wenig umhergestrichen, um das süßeste Schilf aufzusuchen.
»Wie es Tag wurde, hängte er seinen Zaum um, nahm die Büchse und ging mit dem alten Hunde, der Watch hieß, dem Schalle der Glocken nach, die Pferde zu holen.
»Mein Onkel war unter der Zeit aufgestanden, und wir hatten eben einige delikate Stücke Fleisch ans Feuer gesteckt, an dem ich beschäftigt war, mit einem Stück Baumrinde das herunterträufelnde Fett vom Bärenfleisch aufzufangen und über den Truthahn zu gießen, als mein Vater, und zwar ohne Pferde, zurückkam. Er versicherte dabei, daß er untrügliche indianische Zeichen nahe bei unserem Lager gesehen habe, und sich mit uns beraten wollte, was am besten zu tun sei.
»Mein Onkel verlangte die Zeichen selbst zu untersuchen, und wir schulterten alle unsere Büchsen und gingen dem Platze zu, wo am Abend vorher die Pferde geweidet hatten.
»Dort, auf einem etwas feuchten Fleck, ließ sich sehr deutlich die Spur eines Mokassins erkennen; auch hatte der unvorsichtige Wilde auf einen alten Baumstamm getreten, an dessen faulem Holze der Fuß ein Stück heruntergerutscht war. In dem Augenblicke hörten wir etwa das Rohr niedertreten, und im Nu waren unsere drei Büchsen dem Geräusche zugekehrt, doch drohte uns diesmal keine Gefahr. Es war mein Wallach, der die Ohren aus dem Dickicht steckte und freudig wieherte, als er uns gewahrte.
»Mein Onkel war jetzt kurz entschlossen. Mit den indianischen Listen und Schurkereien am besten bekannt, ließ er sich nicht davon abbringen, die Pferde allein holen zu wollen. Er nahm meines Vaters Zaum, den dieser noch über der Schulter hängen hatte, fing meinen Wallach und saß in wenig Augenblicken auf dem Rücken des Tieres, langsam und sorgfältig die Spuren der Pferde von dort aus verfolgend. Wir verloren ihn bald aus den Augen und gingen zum Lager zurück, um nach unserem Frühstück zu sehen. Fast eine Stunde mochten wir gelegen haben, fortwährend horchend, ob wir die Schelle sich nicht nähern hören könnten, als plötzlich ein Schuß fiel und gleich darauf noch drei, schnell hintereinander.
»Im Augenblick waren wir auf den Füßen und flogen mehr als wir liefen dem Orte zu, von wo der Knall der Gewehre herüberschallte, als wir rasch aufeinanderfolgende Hufschläge hörten. Gleich darauf sprengte mein Onkel in voller Flucht durch das Dickicht. Bei unserem Anblick riß er dem Pferd in die Zügel, daß es bäumte und stand, und eine halbe Minute wohl sah er uns starr mit glanzlosen Augen an. Er war merkwürdig blaß, schwankte im Sattel und fiel in meine ihn auffangenden Arme – ein Glück für uns, daß ihm die Indianer nicht gefolgt waren, wir wären sonst ihre leichte Beute geworden.
»Mein Onkel erholte sich jedoch nach einer Weile wieder und erzählte uns mit schwacher Stimme, daß er den Spuren gefolgt sei und endlich die Glocke seiner Stute deutlich, nicht weit entfernt, gehört habe. Vorsichtig, denn er habe der stillen Ruhe nicht getraut, sei er weiter geritten und habe sie mit meines Vaters Pferd ruhig an einem umgestürzten Baume stehen sehen. Er ritt dann auf sie zu, dennoch sorgfältig überall umherspähend, und faßte sie eben, sich nach ihr hinüberbiegend, in den ledernen Gurt, der die Schelle hielt, um sie herumzuziehen, als nicht 15 Schritt von ihm ein Indianer aus einem Dickicht auftauchte, die Büchse anlegte und auf ihn schoß.
»Er fühlte, daß er getroffen sei, und ließ die Stute los, riß aber die Büchse von der Schulter, seinen Feind niederzuschießen, als sich mit Blitzesschnelle links und rechts dunkle Gestalten aus dem dichten Laube und hinter Baumstämmen hervor erhoben. Sein Pferd herumreißend, stieß er diesem jetzt die Hacken in die Seiten, hinter ihm drein aber krachte die Salve der Feinde.
»Der Blutverlust hatte ihn erschöpft, matt sank er zurück, und das schwarze Blut quoll, als wir ihm die Kleider öffneten, aus ihnen hervor. Drei Kugeln hatten ihn verwundet, zwei tödlich, und er wurde immer schwächer. Nach wenigen Minuten richtete er sich wieder empor, reichte uns die Hände, die wir still drückten, atmete noch einmal tief auf und sank tot zurück.
»Wir begruben ihn an der Stelle, wo er gestorben war, und schwuren furchtbare Rache. – Wir haben sie gehalten; über der frisch aufgeworfenen Erde, die seinen Begräbnisplatz deckte, zerrten wenige Nächte darauf die Wölfe drei erschlagene Indianer umher.«
Mein alter Freund saß, als er geendet hatte, still, den Kopf in die Hand gestützt und der alten, vergangenen Zeiten gedenkend, da. Auch die Frau war, in sich versunken, sanft eingeschlafen; sie mochte die Geschichte wohl schon verschiedene Male gehört haben. Es war unter der Zeit spät geworden, und wir alle suchten die Ruhe.
In der Nacht schlugen die Hunde mehrmals an und machten, besonders anderthalb Stunden vor Tag, einen fürchterlichen Lärm; wir standen daher auf und nahmen, da wir vermuteten, daß es Waschbären seien, unsere Flinten, pfiffen den Hunden und gingen bei einer Finsternis in die schneidend kalte Morgenluft hinaus, daß man die Hand nicht vor den Augen sehen konnte. Dabei machte der feuchte und häufig mit dünnem Eis bedeckte Boden die Jagd keineswegs zu einer angenehmen, besonders da meine Mokassins von dünnem Hirschleder augenblicklich durchnäßten und mir an die Füße froren. Unsere Hunde suchten jedoch brav, und nicht lange, so zeigte ihr Geheul, daß sie irgend etwas auf einen Baum gejagt hatten.
Da es noch viel zu dunkel zum Schießen war und unsere Füße jämmerlich froren, schlugen wir Feuer, und bald loderte unter dem dicken Baume eine freundliche Flamme empor, die uns bald die erstarrten Glieder gar angenehm erwärmte. Auch unsere Hunde schienen sich der behaglichen Glut zu erfreuen, wendeten indes kein Auge von dem Baume, auf dem sich ihre Beute befand, und stießen dann und wann ein kurzes, ungeduldiges Geheul aus. Endlich zeigte sich der erste lichte Schein im Osten. Nach und nach wurde es hell genug, die nächsten Gegenstände zu erkennen, und Slowtraps Büchse brachte bald darauf mit sicherer Kugel den dicht an einen Zweig gedrückten Waschbär herunter und zwischen die Hunde, die lustig über ihn herfielen. Wir gingen jetzt wieder zum Hause zurück und legten uns bis zum Frühstück noch ein wenig aufs Ohr.
Nach dem Frühstück machte ich mich auf, um einen Truthahn zu schießen, die es in Masse dort herum gab, fand aber, als ich in das niedere Flußtal kam, eine solche Menge wilder Weintrauben, sogenannter wintergrapes, daß ich gar nicht weiter ans Jagen dachte, sondern mir eine gehörige Portion zusammensuchte, mich dann unter einen Baum legte und mit einem erstaunenswerten Eifer zu essen anfing.
Unter abwechselndem Essen und Ausruhen mochte ich ein paar Stunden dagelegen haben, als ich plötzlich mehrere Truthühner einander rufen hörte; ich sprang auf, nahm meine Lockpfeife zur Hand und hatte mich kaum hinter einem alten, umgestürzten Stamme hinlänglich verborgen, als zehn oder zwölf der Burschen langsam aus dem Gebüsch geschritten kamen. Ich ließ sie auf 16–20 Schritt herankommen, pfiff, daß sie stehen blieben, und schoß den, der mir der größte zu sein schien. Zufrieden mit meiner Beute, kehrte ich zu Slowtraps Hause zurück, hatte mir aber mit den Weintrauben das Mittagessen total verdorben.
Da das Wetter, um ein Uhr etwa, sehr angenehm und sogar recht warm wurde, so beschlossen wir, in den Wald zu gehen, um einem Schwarm wilder Bienen nachzuforschen, den wir schon vor sechs Monaten vergebens gesucht hatten.
Wir nahmen unsre Lockspeise und gingen nach dem etwa ½ Meile entfernten Platze. Um Bienen aber im Herbste zu bewegen, die Lockspeise anzunehmen und zu arbeiten anzufangen, wählt der Jäger in irgendeiner Gegend, wo er Bienen vermutet, einen kleinen offenen Platz, und wenn der nicht vorhanden ist, haut er mit Messer und Tomahawk schnell einen solchen aus, in dessen Mitte er einen Stock in die Erde schlägt, ein Bündel Blätter darauf steckt, und dann verdünnten Honig darüber hinweg spritzt.
Nicht lange dauert es, so finden die Bienen die süße Lockung, und nachdem sie sich schwer damit beladen haben, steigen sie erst in kleinen, dann größer werdenden Kreisen in die Höhe, und schießen plötzlich in schnurgerader Richtung ihrem Baue zu, um das Gesammelte im allgemeinen Warenhause niederzulegen.
Der Bienenjäger muß nun genau auf die Richtung achten, in der die beladenen Bienen fortziehen, wozu natürlich ein gutes Auge gehört. Dann trägt er seine Lockspeise 2–300 Schritt in der bemerkten Richtung weiter. Bald finden die in der Nähe vorbeistreichenden Bienen auch diese und fangen aufs neue an. Behalten sie noch immer denselben Kurs bei, so ist es ein Zeichen, daß der Baum noch weiter entfernt sei, und immer weiter werden die mit Honig bespritzten Blätter ihnen nachgetragen, bis sie zurückfliegen. Der Jäger weiß nun, daß er am Baume vorbei ist und daß die Bienen sich zwischen seinem jetzigen und seinem letzten Haltpunkte befinden müssen, und nicht schwer fällt es dann, sie aufzufinden. Ist er dicht am Baume und die Bienen arbeiten, so zeigt ihr ungewisses Aufsteigen und Zickzackfliegen die sichere Nähe der Zellen an.
Erst einmal hatten wir unsere Lockspeise vorwärts getragen, als die Bienen schon zurückflogen und wir nun wußten, daß wir uns kaum 100 Schritt vom Baume befinden mußten; wir beobachteten daher nicht weiter die Arbeitenden, sondern fingen an zu suchen; die eintretende Dunkelheit aber verhinderte uns, das Warenhaus der Bienen noch an diesem Abend zu finden.
Den andern Morgen um zehn Uhr, als es anfing, ein wenig warm zu werden, begaben wir uns wieder auf unsern Posten und fanden nach kaum viertelstündigem Suchen schon die Öffnung, wo die kleinen Arbeiter aus- und einschwärmten.
Sie war in einer schon fast ganz verfaulten, nicht übergroßen Krone einer Eichenart, die am liebsten auf feuchtem Boden, oft aber auch auf Bergen wächst und kleine, ziemlich süße Eicheln trägt. Das Holz derselben ist sehr dauerhaft und fault schwer in der Erde.
Ich ritt schnell zum Hause zurück, denn wir hatten das Pferd für diesen Fall mitgenommen, holte einen Eimer, eine Axt, ein Messer und einen Löffel, und beim Baume wieder angelangt, fiel derselbe in kurzer Zeit unter unseren Streichen. Rauch wurde gemacht, die Bienen betäubt, schnell eine Öffnung gehauen, durch die wir den Honig bequem herausnehmen konnten, und der schönste Anblick, den sich ein Bienenjäger nur wünschen kann, eine Unmasse wohlgefüllter Honigwaben, lachte uns entgegen.
Wir füllten den Eimer mit den besten und aßen so viel von dem übrigen, als unsere Magen nur fassen konnten, steckten dann den geplünderten Baum in Brand, daß uns die vertriebenen Bienen beim nächsten Suchen nicht irre machen sollten, und kehrten zum Hause zurück.
Da dort aber mehrere Kleinigkeiten zu besorgen und in stand zu setzen waren, blieben wir und halfen, was wir helfen konnten, schlugen Feuerholz und schleppten es zum Hause, mahlten auf der ausgezeichnet guten Hand-Stahlmühle, die Slowtrap hatte, Mehl usw., und setzten uns, als die Abendschatten anfingen lang zu werden, ans prasselnde Kaminfeuer, wo mein Alter, nach der geglückten Jagd bei Laune, wieder anfing, einige Geschichten zu erzählen.
Wir hatten den Tag über einen Mann mit einer Schrotflinte vorübergehen sehen, und da Schrotgewehre oder glatte Büchsenläufe im westlichen Teile der Vereinigten Staaten wenig gefunden werden, in den »backwoods« aber eine wahre Seltenheit sind, indem fast jeder eine gezogene Büchse trägt, so drehte sich bald das Gespräch auch um diesen Gegenstand.
»Ich hatte«, fing Slowtrap an, »auch einmal so eine Art von Schrotgewehr, so 'ne Muskete, und nicht weit von dem Hause, wo wir damals lebten, war ein kleiner See, wo sich stets eine Unmasse wilder Enten aufhielt. Eines Morgens nahm ich den alten Stößer, denn es stieß fürchterlich, und schlenderte um den See herum, eine Ente zum Schuß zu bekommen. Ich war nicht lange am Ufer hingeschlichen, als ich eine ganze Masse an der andern Seite eines dicken Gebüsches ruhig schwimmen sah. Ein umgestürzter und gerade in den See gefallener Baumstamm schien mir eine herrliche Brücke, leise und nahe zu den keine Gefahr ahnenden Enten hinanzukommen. Endlich, als ich die äußerste Spitze des abgebrochenen Baumes erreicht hatte und ungefähr noch 60 Schritt von den sorglos Schnatternden entfernt sein mochte, hob ich meine alte schwere Muskete auf und fing an zu zielen. Wohl wissend, aber, wie der alte Killdevil ruckte, lehnte ich mich so weit vor, als es nur irgend möglich war, mit der festen Überzeugung, daß mich das Gewehr gerade wieder auf den alten Stamm zurückstoßen würde. Drei von den Enten waren in einer Linie, und dies als den rechten Zeitpunkt betrachtend, drückte ich los, mich im Abdrücken womöglich noch etwas mehr vorlehnend. Da versagte der alte Satan, das erwartete und berechnete Zurückstoßen erfolgte nicht, und kopfüber sah ich mich auf einmal im See, oder sah mich eigentlich nicht, denn ich hatte Augen, Ohren, Maul und Nase voll Wasser. Mit Mühe schaffte ich meinen Leichnam wieder ans User und habe weder Muskete noch Enten je wieder gesehen.«
Er sah mich dabei von der Seite an, zog den linken Mund- und Augenwinkel etwas in die Höhe und machte dadurch ein so ernstkomisches Gesicht, daß ich nicht umhin konnte, in helles Gelächter auszubrechen.
Der Himmel versprach, wenigstens für eine Zeitlang, günstige Witterung, und da noch keine Aussicht war, daß Slowtrap urplötzlich in die Gebirge aufbrechen würde – er war furchtbar langsam mit allem, was er vorhatte – beschloß ich, eine kleine Jagdpartie auf eigene Hand zu unternehmen. Die Jagd auf der Nordseite des Flusses war eben nicht so gut als auf der Südseite, da sich auf dieser weniger Ansiedelungen befanden, und ich beschloß daher, hinüberzugehen und dort mein Glück zu versuchen.
Dicht am Flusse, an der Südseite desselben, wohnte ein junger Mann namens Curly, der zwar in starkem Verdacht wegen Pferdediebstahls stand, jedoch sonst ein herzensguter Kerl und ein sehr guter Jäger war. Der kleine Fehler, daß er Pferdefleisch ein wenig zu sehr liebte, war mir ziemlich gleichgültig; mir stahl er keins. Ich ging an den Fluß, rief ein paarmal mein schallendes Hallo hinüber, und da er ein Kanoe an der andern Seite hatte, kam er bald und setzte mich über.
Leicht war er zu bewegen, ein paar Tage mit auf die Jagd zu gehen, nur wollte er sich noch einige Lebensmittel zurechtmachen und dann sogleich mit mir aufbrechen. Er wohnte in einem kleinen Blockhäuschen gerade am Flusse, rings von Wald umgeben, und lebte, ohne auch nur einen Zoll breit urbar gemachtes Land um sich zu haben, meistenteils von der Jagd. Aber er war erst kürzlich hierher gezogen und bewohnte mit seiner Frau, Mutter und Schwester gemeinschaftlich das kleine Blockhaus.
Da er kein Mehl, um Brot zu backen, vorrätig hatte, mußte er schnell mahlen. Es war aber eine sonderbare Mühle, auf der er anfing zu arbeiten, und sah eher einem Mörser als einer Mühle ähnlich. Leider wird aber diese Art sehr häufig in Arkansas gefunden.
Ein gesunder Baumstumpf, von dem der Stamm etwa 3 Fuß über der Erde abgehauen ist, wird ausgebrannt und mit Feuer, Meißel und Messer inwendig so glatt als nur irgend möglich und so weit ausgearbeitet, daß er fast einen Eimer Wasser hält. Zu dieser Höhlung wird ein mit zwei Handgriffen versehener Stößer von hartem Holz gefertigt, der, an einer schwingenden Stange befestigt, Ähnlichkeit mit unseren Brunnen hat, wie man sie häufig auf den Dörfern findet.
Soll nun der Mais in Mehl verwandelt werden, so faßt der Stoßende die beiden Handgriffe, die sich am Stößer befinden, und fängt an, die Körner zu bearbeiten, wobei er bloß niederzustoßen braucht, da die Stange, an welcher der Stößer befestigt ist, denselben immer wieder in die Höhe zieht. Man kann sich wohl leicht vorstellen, daß dies eine sehr langweilige und ermüdende Arbeit ist, besonders noch, da sie zu jeder Mahlzeit vorgenommen wird und man nur sehr wenig auf einmal stoßen kann. Diejenigen bedienen sich aber auch nur dieses Mittels, Mehl zu bekommen, die zu arm sind, sich eine Stahlmühle zu kaufen.
Endlich hatten wir ungefähr so viel, als wir – im Fall wir nichts schießen würden – in ein oder zwei Tagen zu bedürfen glaubten. Curly wickelte dann alles, was er mitnehmen wollte, in seine wollene Decke, hing seinen Blechbecher und Tomahawk an die Seite, und fröhlich zogen wir hinein in die freie herrliche Gottesnatur, bis wir mit Dunkelwerden einen guten Lagerplatz erreichten.
Am nächsten Morgen, als kaum ein grauer Dämmerstreifen im fernen Osten den nahenden Tag verkündete, verzehrten wir unser Frühstück und fütterten unsere Hunde. Als die umliegenden Gegenstände sich deutlicher dem Auge zeigten, nahmen wir jeder unsere vorherbestimmte Richtung an und glitten in der Dämmerung leise und vorsichtig durch den stillen Wald.
Nichts war zu erspähen, doch hörte ich kurz vor Sonnenaufgang den Krach von Curlys Büchse, nach wenigen Minuten wieder, und nach einem zweiten Zwischenraume zum dritten Male. Ich stand lauschend wohl eine Viertelstunde still, um zu erwarten, ob ein aufgescheuchter Hirsch vielleicht bei mir vorbeifliehen würde, setzte jedoch, da sich nichts regte, meinen Weg wieder fort.
Nicht lange war ich gegangen, als ich, aufmerksam umherspähend, einen majestätischen Bock heranschreiten sah, der auf der Spur einer doe (Hirschkuh) dahinging. Die Brunstzeit hatte begonnen, und die Hirsche zogen unstät im Wald umher. Ich kroch leise in einem rechten Winkel auf seine Marschlinie zu, um ihm den Weg abzuschneiden, und auf 80 Schritt herangekommen, rief ich ihn an. Er stutzte, und meine Kugel saß ihm auf dem Blatt. Nur wenige Sprünge noch, und zuckend lag er auf dem gelben Laube. Mein Hund sprang auf ihn zu, doch da er ihn schon verendet fand, leckte er ihm bloß die Schußwunde und legte sich ruhig neben ihm nieder, seinen Teil der Beute erwartend.
Ich streifte den Hirsch schnell ab, nahm die Keulen, hängte sie an einen Baum und das Fell darüber her, schnitt meinem Hund einige Stücken von dem übrigen herunter und verfolgte, das andere den Aasgeiern und Wölfen überlassend, meinen Weg.
Nicht 100 Schritt vor mir, an der andern Seite eines kleinen Dickichts, fiel jetzt ein Schuß, und ich ging darauf zu, um zu sehen, wer geschossen habe. Es war Curly, der einen Truthahn erlegt hatte; er lag unter einem Baume und erzählte mir mit gar trauriger Miene, daß er einen Bock angeschossen und im Eifer der Verfolgung über die lockeren Steine, die die Hügel bedecken, sich den Fuß dermaßen vertreten habe, daß er kaum von der Stelle könne und das angeschossene Wild seinem Schicksale habe überlassen müssen.
Da wir ziemlich in einem Zirkel gejagt hatten und uns nicht mehr weit von unserem Lagerplatze befanden, half ich ihm, so gut ich konnte, dorthin. Curly war aber die Lust zum Jagen vergangen, und er machte sich mit langsamen Schritten und mit Hilfe eines gewaltigen Stockes auf, sein Haus so bald als möglich wieder zu erreichen, um dort sein Bein zu pflegen.
Ich konnte mich indes noch nicht von meinem neugefundenen Jagdgrunde trennen und beschloß, die Jagd allein fortzusetzen, holte mir die aufgehangenen Keulen mit der Hirschdecke zum Lager, richtete mich dort ordentlich ein, auch schlechterem Wetter ebenfalls Trotz zu bieten, und legte mich dann ruhig zum Schlafen nieder.
Um Mitternacht ungefähr weckte mich ein fürchterlicher Donnerschlag, und gleich darauf begann mein Hund greulich zu heulen; dicht hinter mir stand eine Eiche in hellen Flammen.
Blitz folgte jetzt auf Blitz, Schlag auf Schlag, und der ganze Wald schien in einem schwefelgelben Flammenmeere zu schwimmen. Da entluden sich die Wolken, und herunter stürzte das Wasser in so gewaltigen Strömen, daß in einer halben Stunde der Bach, an dem ich lag, und in dem noch vor kurzer Zeit das Wasser in einzelnen Lachen gestanden hatte, toll und schäumend an mir vorbeibrauste.
Von dem Augenblicke an ließ das Gewitter nach, und ordentlich, als wenn sich der Sturm erschöpft hätte, versank wieder alles in die alte Ruhe und Finsternis; nur schwankten noch die Baumwipfel rauschend aneinander, der Regen fiel stark und gerade herunter, und im Osten blitzte und murmelte es noch immer mit verhaltenem, verbissenem Zorne.
Meine aufgespannte wollene Decke zeigte sich übrigens probat, denn trotz des ziemlich anhaltenden Gießens wurde ich auch nicht im mindesten naß und schlief bald darauf wieder ein.
Gegen Morgen klärte es sich wieder auf, und ich hatte jetzt das herrlichste Jagdwetter, das man sich nur wünschen kann, war auch mit Tagesanbruch auf den Füßen, und um zehn Uhr schon hingen drei von mir erlegte Hirsche aufgebrochen im Walde. Zwei von diesen waren Böcke und das Fleisch, der Brunstzeit wegen, ziemlich schlecht, der dritte aber, eine kleine Doe, war so fett und schmackhaft, als ich je eine gekostet habe.
Die nächste Nacht wurde ich gestört, und zwar durch meines Hundes wiederholtes Bellen und scharfes, ängstliches Geheul. Meine Hand auf ihn legend, brachte ich ihn zum Schweigen, doch standen alle seine Haare wie Borsten in die Höhe. Ich vermutete Wölfe in der Nähe und lauschte aufmerksam, hörte auch endlich deutlich in dem gefrorenen, raschelnden Laube den leisen, behutsamen Tritt eines schweren Tieres.
Ich hatte das Feuer wieder angeschürt und Kien, der in Masse dort herumlag, darauf geworfen, daß es hell aufloderte, und stellte mich nun zwischen das Geräusch der Tritte und das Feuer, um den Schein der Augen meines nächtlichen Besuches zu sehen und danach zu schießen. Dreimal zeigten sich mir zwei glühende Feuerballen, verschwanden jedoch ebenso schnell wieder und überzeugten mich dadurch, daß ich es mit einem Panther zu tun habe.
Er ging mehrere Male um das Feuer herum, doch nie nahe genug, seine Gestalt erkennen zu können, und in der gespanntesten Erwartung brachte ich wohl eine halbe Stunde im Anschlage zu, während mein Hund, dicht an meine Seite geschmiegt, gleich mir mit seinen Augen und allen Sinneswerkzeugen dem Geräusche folgte, das die Tritte des Tieres im raschelnden Laube machten. Jedesmal, wenn der Panther unter den Wind kam, stieß er dabei ein langes, klagendes Geheul aus.
Die Bestie schien nicht Mut genug zu haben, den Angriff zu wagen, und zog sich leise zurück. Ich blieb indessen noch eine gute Viertelstunde auf meinem Posten, bis sich selbst mein Hund überzeugt hatte, daß alles sicher sei, und sich wieder hinlegte. Nun folgte auch ich seinem Beispiele, wickelte mich in meine Decke und war bald, wie er, sanft eingeschlafen.
Es war ein grimmigkalter Morgen, und da ich nichts an den Füßen hatte als ein Paar Mokassins von dünnem Hirschleder, selbst nicht einmal Strümpfe oder Socken, so gedachte ich eines Mittels, das ich einmal von einem alten Jäger gehört hatte. Ich badete nämlich meine Füße in dem eiskalten Wasser des vorbeiströmenden Baches, trocknete sie gut ab und zog die Mokassins darüber. Solche Wirkung aber hatte dies Verfahren, daß sie mir gleich nach dem Bade ordentlich glühten und auch den ganzen Morgen warm blieben.
Mit Tagesanbruch war ich wieder auf und zog an dem kleinen Bache hinunter; das Gebüsch wurde aber immer struppiger und dichter, und schon wollte ich wieder umkehren und über den Hügel hinüber an einem andern Bache hinauf zurückjagen, als ich an meiner rechten Seite einen herrlichen Bock ruhig ins Dickicht schreiten sah.
Um ihm den Weg abzuschneiden, da ich nicht ohne Grund vermutete, daß er auf der andern Seite wieder herauskommen und den Hügel hinaufgehen würde, umschlich ich dasselbe schnell und geräuschlos. In demselben Augenblicke aber hörte ich den Hirsch auf eine herzzerreißende Art klagen.
Mein erstes Gefühl war, vorwärts zu stürzen, und bei der ersten Bewegung, die ich zu diesem Zwecke machte, flog Beargrease in wilder Eile dem Platze zu, ich besann mich aber schnell eines Besseren; ein scharfer Pfiff fesselte meinen gehorsamen Hund an die Stelle, wo er sich gerade befand, ein zweiter, ganz leiser, brachte ihn an meine Seite zurück, und hinter einem dicken Baumstamme verborgen, überlegte ich jetzt, was zu tun sei.
Den Klagelaut konnte dem Hirsche nur ein Panther ausgepreßt haben. Hätte ihn nämlich ein Wolf angefallen, so wäre nicht so plötzlich alles ruhig gewesen, weil dieser unmöglich einen Hirsch so schnell überwältigen kann. Nun hatte ich aber schon oft alte Amerikaner darüber reden hören, wie der Panther sich auf seine Beute stürzt und sie in einem Augenblick erwürgt, sich dann vollfrißt und das übrige verscharrt oder bedeckt und zu seinem Vorrate später zurückkehrt. Ich beschloß also, eine kurze Zeit zu warten, den Panther erst sicher zu machen und dann womöglich an ihn heranzuschleichen. Ich wußte damals noch nicht, wie schwer es sei, einen Panther zu überlisten; doch war das Glück mir günstig.
Eine kleine halbe Stunde mochte ich wohl gestanden haben, ehe ich glaubte, den Versuch wagen zu können, und leise und vorsichtig schlich ich dem Gebüsch zu, mein Hund, wohl wissend, was ich beabsichtigte, ebenso leise hinter mir her. Eben hatte ich den äußeren Rand des Dickichts erreicht und suchte scharf mit den Augen umher, den besten Platz zu finden, ohne viel Geräusch in das buschige Holz eindringen zu können, als ich ein leichtes Rascheln hörte.
Mein Herz fing an zu klopfen, als ob es mir hätte die Brust zerhämmern wollen. In dem Augenblick teilten sich aber auch die Büsche, und die dunklen Augen des Panthers schauten zu mir herüber.
Es war nicht zu verkennen, daß er im ersten Augenblick nicht recht wußte, was er aus mir machen sollte. Doch dauerte die Überraschung nicht lange. Ein Panther hat ein böses Gewissen und vermutet nicht mit Unrecht in jedem lebenden Wesen, das nicht gerade zu seiner Rasse gehört, einen Feind. Daher leise zusammenkriechend, schmiegte er sich, kaum mehr als 15 bis 20 Schritt von mir entfernt, ins gelbe Gras; ich wußte nicht, ob zum Sprunge oder, wie ich wohl vermutete, sich zu verbergen. Doch auch ich war nicht müßig gewesen, und in dem Augenblick, als er sich niederduckte, hatte mein Arm seine ganze Festigkeit erlangt: der Schuß krachte, und hoch aufspringend stürzte das zum Tode getroffene Tier wieder zu Boden.
Beargrease war im Nu auf ihm und schien mit absonderlicher Wollust das Fell seines grimmigsten Feindes zu zerarbeiten; er nahm übrigens, noch manchen sehnsüchtigen Blick auf den toten Gegner zurückwerfend, auf mein Geheiß die Fährte desselben auf, und bald kam ich zu der Stelle, wo der Bock getötet worden war. Der Panther hatte ihn ganz mit Laub bedeckt, doch konnte ich das Fell nicht mehr gebrauchen; es war ganz zerfetzt. Ich streifte jedoch den Panther ab und machte mich auf den Rückweg, mein Lager wieder zu erreichen, entschlossen, jetzt zum alten Slowtrap zurückzukehren und meinen Marsch in die Ozarkgebirge sobald als möglich anzutreten.
Ich schnürte, dort angekommen, meine Felle mit Baumrinde zusammen und hatte, obgleich ich nur sehr wenig vom Fleisch mitnehmen konnte, doch eine ziemliche Last, mit der ich gegen Abend in Curlys Wohnung anlangte. Da es schon zu dämmern anfing und ich nicht Lust hatte, in der Nacht über den Fluß zu gehen, eine halbe Stunde lang im Finstern durch das Rohrdickicht zu kriechen und mir vielleicht die Augen aus dem Kopfe zu stoßen, blieb ich den Abend bei Curlys.
Die kleine Familie wohnte auch in einem sehr kleinen Häuschen, in dem noch überdies zwei mächtig große Bettstellen, ein Tisch und drei Stühle standen. Ein paar Teller und Tassen machten den ganzen Hausrat aus, und ein Loch in der Wand diente einem abwesenden Fenster zur Entschuldigung. Wir verbrachten übrigens den Abend höchst angenehm. Curly wußte eine Masse Lieder, besonders mehrere komische irländische, die er sehr nett sang, und endlich vom Singen und Lachen, wie von der Anstrengung des Tages ermüdet, streckte ich, in meine Decke gehüllt, die matten Glieder am Kamin hin.
Mit Tagesanbruch war ich am nächsten Morgen auf und konnte, da der Fluß bedeutend gefallen war, hindurchwaten, worauf ich bald an Slowtraps kleiner Hütte anlangte und dort meine Felle aufspannte.
Slowtrap war mit der Büchse fortgegangen, um wilde Enten zu schießen, die sich an einem kleinen Flüßchen, das nicht weit von dort in den Fourche la fave mündet, in solcher Menge aufhielten, wie ich sie noch in meinem Leben nicht gesehen habe. Sie bedeckten ordentlich das Wasser, und mit einer guten Doppelflinte hätte man Unmassen erlegen können, da die steilen Ufer das Heranschleichen so sehr begünstigten und niemand auf mehr als 20 bis 30 Schritt zu schießen brauchte.
Meinen Alten nicht weit entfernt glaubend, nahm ich meine Büchse und schlenderte am Rande des Wassers hin. Plötzlich sah ich dicht vor mir, auf höchstens 15 Schritt, eine ganze Kette Enten ruhig schnatternd auf dem Wasser umherschwimmen; sie saßen zu verführerisch nahe, ich hob die Büchse und schoß der größten von ihnen den goldgrün schimmernden Kopf weg, dann lud ich wieder, fischte meine Beute heraus und wollte eben weiter am Flüßchen hinaufgehen, als ich Slowtraps Büchse, wohl eine Meile entfernt, hörte. Das war mir noch zu weit, ich nahm also meinen Enterich beim Kragen und ging heim. –
Heim? Wo hatte ich denn meine Heimat? Dort, wo ich mich den Augenblick befand, wo ich mein Rindendach errichtet, meine Decke ausgespannt und nur mein Feuer angezündet hatte, war meine Heimat; dort, wo mich das gastliche Haus eines Farmers oder Jägers aufnahm, mein Vaterland und Vaterhaus. Weiter hatte ich keins, und schon der nächste Morgen fand mich vielleicht wieder, mit all meinen Habseligkeiten auf dem Rücken – ich hatte wenigstens nicht schwer zu tragen –, einen neuen Jagdgrund und mit ihm eine neue Heimat aufzusuchen.
Ich ging also heim, besserte meine alten Mokassins noch einmal aus und schnitt mir aus einem neuen gegerbten Fell, das ich besaß, zugleich ein Paar neue aus, denn einen langen Marsch würden die alten doch nicht mehr ausgehalten haben. Unter der Zeit wurde es dunkel, und mein Alter kam mit sieben Enten nach Hause, von denen er dreien den Kopf abgeschossen hatte.
Nachdem Slowtrap sich's bequem gemacht, d. h. Hut, Büchse und Kugeltasche abgelegt, Schuhe und Strümpfe, die naß geworden waren, ausgezogen und einige Stücke kalten Truthahns nebst der gehörigen Menge Maisbrot und gekochten Kürbis zu sich genommen hatte, ließ er sich behaglich auf einen Sessel, mit den Füßen gegen das Feuer hin, nieder, und fing an, von seinem Sitze einen Span abschneidend, sich sehr selbstzufrieden die Zähne zu stochern – das sicherste Zeichen auf der Welt, daß er sich behaglich befand.
»Well, what's the news?« waren die ersten Worte, welche er hören ließ, nachdem er schon dreiviertel Stunde in der Stube saß. Da die Antwort nicht sehr befriedigend ausfiel, entstand wieder eine lange Pause, bis es endlich ganz dunkel wurde und ich ein tüchtiges Feuer im Kamin angefacht hatte. Seine Frau brachte uns dann etwas Milch und Brot, von dem er wieder einen ganz anständigen Teil zu sich nahm, und nun endlich begann er aufzutauen und von seinem Jagdglücke zu erzählen, wie er elfmal geschossen und sein Gewehr siebenundzwanzigmal geschnappt hätte – eine Eigenschaft, die der guten, mit einem höchst zweckwidrigen Steinschlosse versehenen Büchse eigentümlich war –; doch hatte er sieben Enten mit nach Hause gebracht und ebenfalls eine frische Pantherfährte gesehen. Der Panther war von einem Baume, wahrscheinlich durch ihn verscheucht, heruntergesprungen und entwischt.
Er besah mein Pantherfell aufmerksam und meinte, daß sich eine Masse der Bestien dort herum aufhielten, daß aber in Kentucky früher doch mehr als noch einmal soviel gehaust hätten.
»Es war im Herbst,« fing er an, indem er seinen ausgekauten Tabak in das Feuer spie und ein neues Stückchen in den Mund schob, »es war im Herbst, in der Brunstzeit, in Kentucky, damals als noch ein Jäger seine fünf bis sechs Hirsche vor dem Frühstück schießen konnte, und ich war vor Tagesanbruch hinausgegangen, hatte zwei herrliche Böcke erlegt und war einem dritten schon über eine halbe Meile nachgeschlichen, als dieser mich plötzlich witterte und sich schleunigst empfahl.
»Von der Anstrengung ermüdet, und da mich ein schändlicher Panther, der immer um mich herum heulte und mehrere Male dem Feuer so nahe kam, daß ich für einen Augenblick die Umrisse seiner Gestalt erkennen konnte, nie aber lange genug hielt, ihm eine Kugel sicher zuzusenden, die vergangene Nacht fast keinen Augenblick hatte schlafen lassen, warf ich mich unter einen Baum, um ein klein wenig zu ruhen und meine Jagd dann weiter fortzusetzen. Gegen meinen Willen fielen mir bald die Augen zu, und ich kann nicht sagen, wie lange ich wohl so gelegen haben mag, als ich, halb im Traume, ein starkes Geräusch in den dürren Blättern, die mich dicht umgaben, hörte und mich gleich darauf von denselben überschüttet fühlte, so daß ich in wenigen Minuten ganz und gar bedeckt war. Überraschung erst, dann Ahnung einer Gefahr, die ich selbst nicht recht begriff, hielten mich bewegungslos am Boden, den Ausgang ruhig abzuwarten. Ehe ich übrigens noch zu einem festen Entschlusse kommen konnte, hörte ich etwas leise davongehen, und vorsichtig den Kopf erhebend, konnte ich gerade noch die Gestalt eines Panthers erkennen, wie er in ein Dickicht hineinschlüpfte.
»Meine erste Bewegung war, aufzuspringen und frisches Pulver auf die Pfanne zu schütten; da ich aber die Bestie nicht mehr sehen konnte, jedoch sicher genug war, daß sie wieder zurückkehren würde, beschloß ich, List mit List zu besiegen. Hatte mich doch die Canaille richtig für ein Stück Proviant angesehen und hier für eine nächste Mahlzeit sauber eingescharrt. Die Idee wollte ich ihm übrigens versalzen. Das Stück eines heruntergebrochenen Astes, das unfern von dort lag, schleppte ich an meiner Statt auf die Stelle, wo ich gelegen hatte, und bedeckte dieses sorgfältig wieder mit dem trockenen Laube. Dann band ich mir meine Büchse auf den Rücken und kletterte eine kleine Eiche hinan, geduldig das Ende des Abenteuers zu erwarten. Meine Büchse war in Ordnung, und mit Herzklopfen sah ich der Rückkehr des Panthers entgegen, der jeden Augenblick erscheinen konnte.
»Ungefähr eine halbe Stunde mochte ich so dagesessen haben, meine Augen fest auf den Platz geheftet, wo er verschwunden war, als sich die Zweige bewegten und der, wie es sich jetzt auswies, weibliche Panther, von zwei Jungen begleitet, zurückkehrte; denn keinem Zweifel war es mehr unterworfen, daß es die alte Pantherkatze gewesen war, die mich dort für ihr Abendessen aufbewahrt hatte.
»Die Rechnung war übrigens ohne den Wirt gemacht worden, und ich wollte nur jetzt gern wissen, was sie wohl angeben würde, blieb daher ruhig und unbeweglich im Baume sitzen, die Büchse jedoch stets im Anschlag haltend.
»Bis auf etwa 15 Schritt von dem Platze, wo sie mich, gut zugedeckt, zurückgelassen hatte, schlich sie mit geräuschlosen Schritten, kauerte sich nieder, die grünen Augen fest auf meinen versteckten, unschuldigen Holzklotz gerichtete, und sich mit gewaltigem Sprunge plötzlich auf ihn stürzend, umklammerte sie denselben, die scharfen Fänge fest in das faule Holz einschlagend.
»Ich ließ sie nicht lange im Zweifel; in dem Augenblick, als sie sich getäuscht sah und ganz verdutzt in derselben Stellung blieb, zerschmetterte meine Kugel ihr das Hirn, und lautlos brach sie auf ihrer vermeintlichen Beute zusammen. Die Jungen erlegte ich dann mit leichter Mühe.«
Er hatte kaum geendet, als die Hunde wie wütend draußen anschlugen, und zu gleicher Zeit sprangen wir beide auf, zu sehen, was es gäbe.
Es war ein Nachbar von der anderen Seite der Berge, namens Collmar, der mit seinem »Hallo!« die Hunde zu überschreien versuchte.
»Begone, begone, damn you!« und einige andere freundliche Redensarten brachten die Hunde endlich zur Ruhe und ein freundliches »Light, light!« den alten Collmar in unsere Mitte an das Feuer.
Ich ging hinaus und nahm den Sattel ab, welchen ich in dem Hause unter das Bett legte, band dann das Pferd mit dem Zügel an einen jungen Baum, schob ihm einen roh ausgehauenen Trog hin, den ich mit Mais füllte, und bald bewies sein herzhaftes Kauen, daß es mit der Behandlung vollkommen einverstanden war.
Collmar war über die Berge gekommen, um uns zum Aufrichten eines neuen Hauses einzuladen. Er hatte die Baumstämme schon alle zum Platze, wo er seine neue Wohnung aufrichten wollte, hingefahren, und rief nun nach amerikanischer Sitte die Nachbarn zur Hilfe, um die schwerem Stämme mitheben zu helfen.
Slowtrap war sein zweitnächster Nachbar, er wohnte 9 Meilen von dort, der nächste war 8 Meilen von ihm entfernt.
Ich versprach auf jeden Fall zu kommen, doch konnte mein Alter es noch nicht recht gewiß versprechen, denn erstens war es gegen seine Grundsätze, bis zum zweiten Tage etwas fest zu bestimmen, und zweitens befanden sich auch seine Frau und das jüngste Kind nicht recht wohl.
Mit verschiedenen Erzählungen und Anekdoten verkürzten wir uns den Abend und warfen uns endlich, schläfrig geworden, auf die Decken. Collmar brach mit früher Dämmerung auf, um noch zum nächsten Tage mehrere Vorbereitungen zu treffen, und ich nahm meine Büchse, einen Truthahn zu schießen, und schlenderte mit meinem Hunde langsam in den Wald. Noch keine halbe Meile vom Hause entfernt, jagte auch schon Beargrease einen Gang in die Bäume; doch war der Wald so dicht und verwachsen, daß, ehe ich hineinlaufen konnte, um zu sehen, in welche Bäume sie geflogen, jene sich schon so an die Zweige und hinter dieselben – eine gewöhnliche List der Truthühner – versteckt hatten, daß auch von keinem mehr die Spur zu erkennen war. Ich pfiff also meinem Hunde und warf mich unter einen Baum, die Zeit abzuwarten, in der sie, sich sicher glaubend, einander locken würden, um wieder zusammenzukommen.
Nicht sehr lange hatte ich gesessen, als überall der Lockton laut wurde und, mir gerade gegenüber, ungefähr 100 Schritt entfernt, sich langsam ein mächtig großer Truthahn auf einem Zweig in die Höhe hob, wo er, von mir unbemerkt, die ganze Zeit gekauert hatte.
Ohne zu versuchen, näher an ihn hinanzuschleichen, erhob ich mich, zielte, und der Truthahn flatterte verwundet vom Baume. Aber solch ein Dickicht war dort, daß ich ihn wohl schwerlich bekommen hätte, wenn sich Beargrease, der mit gespannter Aufmerksamkeit vom Laufe meiner Büchse auf den Vogel und wieder zurückgeschaut, nicht jetzt mit wahrer Todesverachtung in die Dornen und Schlingpflanzen, in die der Verwundete zur Erde fiel, gestürzt hätte. Der Truthahn aber, dessen Sturz durch wilde Weinranken gemildert war, hatte kaum den Boden berührt, als er mit schnellen Schritten in das Rohrdickicht verschwand, aber nicht ohne meinen treuen Hund jauchzend und bellend auf der Fährte zu haben.
Als ich, durch das dichte Rohr, brechend, den Walplatz erreichte, bot sich meinen Blicken ein höchst interessanter Kampf dar. Mein Hund war noch jung, der alte Truthahn aber ein Bursche von 20 bis 22 Pfund, und da Beargrease wußte, daß er ihn nicht beschädigen durfte, so versuchte er, ihn immer nur mit den Pfoten niederzuhalten. Dazu war er aber dem starken Vogel nicht gewachsen; dieser, nur leicht am linken Flügel gestreift, raffte sich immer wieder empor, wurde aber stets wieder im Nu von Beargrease erwischt und niedergeworfen. Nachdem ich lange genug zugesehen, machte ich dem Kampf dadurch ein Ende, daß ich mit meinem schweren Messer den Kopf des Truthahns abschlug und mit ihm heimzog.
Dort angekommen, sattelte ich Slowtraps altes Pony, um noch denselben Abend Collmars Wohnung zu erreichen, und trat, Beargrease zurücklassend, den Weg über die Gebirge an.
Die Berge und Flüsse an der Südseite des Arkansas laufen fast alle von Westen nach Osten, dabei haben die Gebirge, eine ganz eigene Bildung. Die »backbone ridge« oder die Mittelreihe ist die höchste, und gewöhnlich sind noch an jeder Seite zwei bis drei kleinere Bergrücken, die mit der Hauptreihe parallel laufen, sich aber immer mehr und mehr gegen das Tal zu abdachen. Alle die kleinen Flüsse, die sich auf dieser Seite in den Arkansas ergießen, als Petite-Jeanne, Fourche la fave, Washita usw., haben diese Art von Gebirgen zwischen sich.
Aufmerksam nach Wild umberspähend, ritt ich langsam die steilen Abhänge bald hinauf, bald hinunter. Ein scharfer Nordwind hatte sich unter der Zeit erhoben, und da ich in Hemdsärmeln war – ich hatte mein Jagdhemd bei Slowtrap gelassen –, fror mich ein wenig, doch wollte ich meine wollene Decke, die auf dem Sattel lag, immer noch nicht umhängen, als ich plötzlich an der andern, Seite eines kleinen Baches, am Abhange eines Hügels, einen Fuchs bemerkte, der vorsichtig nach mir herübersah. Langsam erhob ich mich im Sattels legte an, und die Kugel pfiff hinüber, doch war ich von der kalten Luft so durchfroren, daß mir die Hand zitterte und ich ihn gänzlich fehlte. Nach dem Knall, und als sich der Rauch verzogen hatte, war der Fuchs verschwunden. Ich sprang vom Pferde und ging dem Platze zu, wo er gestanden hatte, um zu sehen, ob irgendein Zeichen meiner Kugel zu finden sei. Ich konnte aber nichts entdecken, blieb also, die Büchse wieder ladend, auf der Stelle stehen, und kehrte dann langsam zu meinem Pferde zurück, das unter der Zeit ruhig graste. Mit dem linken Fuße in den Steigbügel tretend und das rechts Bein über den Sattel werfend, schaute ich jetzt noch einmal nach der eben verlassenen Stelle zurück; wer beschreibt aber mein Erstaunen, als ich den verwünschten Fuchs wieder auf derselben Stelle stehen sah, und zwar so unbekümmert, als ob gar nichts vorgefallen sei.
Diesmal mußte ich, um schießen zu können, mein Pferd herumreißen, und der Fuchs drehte sich zur Flucht. Ich pfiff stark, und einen Augenblick blieb er stehen, sich umzuschauen, was es gäbe. Ehe ich aber abdrücken konnte, eilte er schon wieder in einem langen Trabe dem Dickicht zu, jedoch nicht schnell genug, daß ihn meine Kugel nicht doch erreicht hatte. Ein Sprung, den er machte, zeigte mir, daß er getroffen sei, und mich rasch vom Pferde werfend, eilte ich ihm nach.
Wie er mich durch die Büsche rascheln hörte, blieb er stehen, um zu horchen, so daß ich dicht an ihn hinankam. Die Kugel hatte seinen linken Hinterlauf zerschmettert, und alles von mir werfend, was mich im Laufen hinderte, blieb ich ihm dicht auf den Fersen. Er rannte, den abgeschossenen Lauf hinterherschleifend, am Hügel hin, und näher und näher kam ich an ihn heran, endlich, als er einsah, daß er mir auf diese Art nicht entgehen konnte, wandte er sich den Hügel hinauf. Mir war aber der Atem unter der Zeit ausgegangen, denn wir mochten wohl eine halbe Meile gelaufen sein, und ich mußte stehen bleiben, worauf ich ihn bald aus den Augen verlor.
Ermüdet und sehr erhitzt, marschierte ich zu meinem Pferde zurück, auf dem Rückwege alle weggeworfenen Gegenstände, als Büchse, Mütze, Kugeltasche und Pulverhorn, wieder sammelnd, lud mein Gewehr, wickelte mich in meine Decke, und den geduldig harrenden Gaul besteigend, war ich bald auf dem höchsten Gipfel des trennenden Bergrückens, der die Wasser des Fourche la fave und seines linken Armes voneinander schied.
An der Südseite des Berges, dem Laufe eines kleinen Baches folgend, ritt ich hinunter und erreichte nach etwa anderthalb Stunden den Bauplatz des alten Collmar, der mit zwei früher Gekommenen beschäftigt war, noch mehr der Stämme zuzuhauen. Der Grund zum Hause war schon gelegt, auch die Dielen behauen, und nach und nach versammelten sich noch einige Nachbarn mit ihren Büchsen und Hunden, so daß in kurzer Zeit der Platz lebendig von Lachenden und Erzählenden war.
Als es dunkel wurde, hobbelten wir unsere Pferde an einem kleinen Schilfbruche aus, schütteten ihnen auf einem trockenen Platze etwas geschälten Mais hin und kehrten zu Collmars Kamp oder Schuppen zurück, in welchem dieser mit seiner Familie wohnte. Es war unterdessen ziemlich dunkel geworden, und als wir in das sonderbare Gebäude eintraten, bot sich unseren Blicken ein gar wildes Gemälde dar.
Das Ganze war eine aus gespaltenen Brettern zusammengenagelte Hütte – dieselbe, in der ich früher einmal zwei Tage krank gelegen –, die in der Mitte durch hölzerne Gabeln gestützt war, und an deren einer Seite drei rohgearbeitete Bettstellen, an der andern ein Webstuhl und zwei Baumwollenspinnräder standen. Das ganze Gebäude mochte ungefähr 50 Fuß lang und 20 Fuß breit sein, hatte aber natürlich keinen andern Fußboden als den, welchen Gott der Herr der umliegenden Gegend ebenfalls gegeben.
Büchsen waren an verschiedenen Orten angebracht, und in einer Ecke lagen mehrere Sättel; drei Paar Hirschschinken zierten den einen Winkel der Wohnung, während getrocknete Kürbisse, auf Stangen gereiht, den Himmel dieses Paradieses bildeten.
In der einen Ecke der wahrhaft charakteristischen Wohnung lagen ungeheure Klötze aufgehäuft, die, in voller Glut stehend, die Flamme fast bis an die glänzend geschwärzten Bretter hinaufsandten und es mehrere Male nötig machten, daß wir einen Eimer Wasser hinaufwarfen, um die glühenden Klötze zu löschen. Das hinaufgegossene Wasser stürzte dann natürlich in das Feuer zurück, den ganzen Raum mit einem feinen Aschenregen füllend.
In der Glut der Flammen standen Bratpfannen, Töpfe und alle möglichen anderen Geschirre, und seitwärts an einer Stange schmorte ein fetter Truthahn, neben dem von der Decke herab an gedrehter Baumrinde ein fettes Opossum hing.
Trotz meines längeren Aufenthaltes aber zwischen Leuten, die leidenschaftlich gern dieses Geschöpf verzehrten, habe ich mich nie mit dem Rattenkopf und Schwanz und seinen mit fast menschlichen Fingern versehenen Klauen befreunden können. Ebensowenig trugen seine sonstigen känguruhartigen Eigenschaften in Hinsicht der Jungen, die es noch lange nach der Geburt in einem Beutel mit sich führt, dazu bei, meinen Appetit auf dieses liebe Tier zu vermehren.
Die Aussichten auf ein Abendessen waren übrigens für solch hungrigen Magen, wie ich hatte, einladend genug, hätte nicht ein anderer, viel interessanterer Gegenstand meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Es war dies der Handel von zwei alten Jägern um eine Kuh. Doch ehe ich auf diesen weiter eingehe, will ich versuchen, die Personen, welche die Hütte erfüllten, etwas näher zu beschreiben.
Collmars Frau, eine große, starke Figur, etwa vierunddreißig Jahre alt, mit ihren zwei Töchtern von zehn und vierzehn Jahren bildeten das weibliche Personal und waren emsig um das Feuer herum beschäftigt, bald mit einem ungeheuer lang bestielten Löffel die Fleischscheiben in den Pfannen umkehrend, bald den Truthahn und das Opossum mit Fett begießend, während vier oder fünf kleine Gestalten mit Blechbechern voll Milch in der einen und einem Stück Maisbrot in der andern Hand sich ziemlich dicht um das Feuer herumdrängten, mit offenen Mäulern die Neuangekommenen anstarrend.
Unsere Wirtin machte uns aber, die Kinder zu Bett schickend, Platz, und bald saßen wir in weitem Kreise behaglich um ein Feuer herum, von dem sich ein Europäer keinen Begriff machen kann, ausgenommen, er denkt sich eine Klafter Buchenholz, in einer Ecke der Stube liegend, in hellen Flammen. Die Töchter waren kleine, gedrungene Gestalten, aber fett und gesund, und eine blühende Gesichtsfarbe ersetzte das, was ihnen sonst vielleicht an Schönheit abging.
Die beiden bei weitem interessantesten Figuren, um die wir uns jetzt herumgelagert hatten – denn es trafen in der letzten halben Stunde wohl noch sechs oder sieben Nachbarn ein –, waren jedoch die beiden alten Ansiedler und Jäger, von denen jeder eine von seinen Kühen gegen die des anderen vertauschen wollte, und die nun, anstatt ihre eigenen Kühe zu loben, um einen guten Handel zu machen, den entgegengesetzten Weg einschlugen und einander ihr gehörntes Eigentum so schlecht machten, daß sich die Kälber hätten schämen müssen.
Die verschiedenen Wendungen, die das Gespräch dabei nahm, um nur immer wieder der andern Kuh neue Schlechtigkeiten nachzusagen und durch die Umhergelagerten zu beweisen, würden einer deutschen Kaffeegesellschaft Ehre gemacht haben.
Nachdem sie sich endlich durch stundenlanges Aufzählen der Mängel und Fehler ihres gehörnten Eigentums die Anklagen, die sie vorbrachten, selbst eingeredet hatten, schwuren sie beide, daß sie des andern Kuh nicht umsonst haben möchten, und gaben sogar nicht undeutlich zu verstehen, daß sie, im Fall eins der guten Tiere krepieren sollte, selbst an der Güte der Haut zweifelten.
Die Frauen, die den roh gearbeiteten Tisch in die Mitte gerückt und Klötze, Sessel und Kasten als Sitze um ihn herumgestellt hatten, machten jetzt dem Handel ein Ende, indem sie das Essen auftrugen, und die längst erwarteten, längst ersehnten Töne »supper is ready« (Abendessen ist angerichtet) schlugen wie Sphärenmusik an unser Ohr. Truthahn-, Hirsch- und Schweinefleisch, Opossum, Maisbrot und das Labsal des westlichen Jägers, Kaffee, machten die Bestandteile des Mahles aus, die sich auch mit ordentlich furchtbarer Schnelle verminderten, bis nur noch von dem Opossum die Knochen, vom Brot die Erinnerung, vom Truthahn das Gerippe und vom Kaffee der Satz übrig war.
Einer nach dem andern stand jetzt gesättigt vom Tische auf, und die Frauen, die klugerweise etwas für sich zurückbehalten hatten, setzten sich nieder.
Dies ist eine der westlichen Sitten, die mir immer mißfallen hat, daß die Frauen nämlich stets nach den Männern, und zwar von den ungewaschenen Tellern derselben essen. Höchstens sitzt die Frau vom Hause, den Kaffee oder Tee einschenkend, mit am Tische.
Eine andere Sitte, die mir aber mehr zusagt, ist die, daß die Amerikaner, ohne die mindeste Rücksicht auf die noch Sitzenbleibenden zu nehmen oder ohne auch nur daran zu denken, das nichtssagende »Gesegnete Mahlzeit« oder »Wünsche wohl gespeist zu haben« herzuplappern, wenn sie gesättigt sind, aufstehen und fortgehen.
Nach dem Essen lagerte sich alles in bunten Gruppen umher, doch machte die Jagd, die Weide, das erst kürzlich in der Gegend vermessene Land und zuletzt gar noch die Religion die Hauptunterhaltung aus, wobei das Gespräch besonders hitzig wurde, da sich einige Methodisten, Baptisten, Presbyterianer und auch mehrere höchst ungläubige Christen dabei befanden.
Glücklicherweise gab noch der Whisky dem Gespräch eine andere Wendung, nach welchem Collmar seinen ältesten Sohn, einen Burschen von etwa fünfzehn Jahren, über die Berge nach einem 10 Meilen entfernten Laden geschickt hatte, und der erst jetzt mit zwei großen Krügen, jeder etwa vier Flaschen enthaltend, zurückkam.
Alte Jagdgeschichten, Gefechte und natürliche Überfälle der Indianer verkürzten uns schnell die Zeit, während der Whisky lustig im Kreise herumging. Besonders amüsierte die alten Bärenjäger die Erzählung eines Mannes, der erst kürzlich von Nordkarolina gekommen war und einen gar traurigen Bericht von der Jagd in diesem Staate gab. Um aber auch dort einmal eine Bärenjagd zu halten, hatten mehrere Farmer vor wenigen Jahren einen zahmen zweijährigen Bären losgelassen, ihm eine halbe Stunde Vorsprung gegeben und waren dann mit Hunden und Pferden hinterhergehetzt.
»Der Bär«, erzählte der Farmer, »nahm richtig seinen Weg in die Gebirge, und mit lautem Hallo folgten wir, bis ihn die Hunde endlich, nach etwa anderthalbstündigem Rennen, einholten und auf einen Baum jagten.
»Es lag nicht in unserem Plane, ihn umzubringen, auch hatte keiner von uns eine Büchse mit; da aber etwa eine halbe Meile von dort entfernt ein Haus war, sprengte ich dahin und holte eine Axt, um den Baum zu fällen und Petzen wiederzubekommen.
»Mit neugierigen Augen beobachtete dieser von oben herab den unten Hauenden, bekam aber erst eine Ahnung seiner Gefahr, als der Baum krachte und mit fürchterlichem Prasseln niederschlug. Wir warfen uns jetzt mit den Hunden auf den halb Betäubten und banden ihn, um ihn wieder zurück zu nehmen. Die Mehrzahl stimmte indes für eine zweite Jagd, die Hunde wurden daher gekoppelt, der Bär wieder losgelassen, und nach einer Weile ging die Hetze von neuem los.
»Diesmal dauerte es länger, da der Bär durch einen kleinen Fluß schwamm, und wir, um nicht naß zu werden, eine Viertelmeile an demselben hinaufreiten mußten, eine kleine Brücke zu erreichen. Dadurch gewann er ein langes Stück Wegs Vorsprung. Endlich jagten ihn die Hunde zum zweitenmal auf eine sehr starke Fichte, und unter dem Baume angekommen, war wirklich guter Rat teuer, denn keiner wußte, wie wir den Bären wieder herunterbekommen sollten.
»Wir waren jetzt mehrere Meilen von irgendeinem Hause entfernt, hatten auch die Axt vergessen mitzunehmen, und gar sicher saß diesmal der schwarze Bursche auf seiner für uns unzugänglichen Höhe. Trotzdem bezeigte er sich aber sehr unruhig und schaute bald auf einer, bald auf der andern Seite die Fichte herunter, die die Hunde winselnd und heulend umsprangen. Das brachte einen alten Virginier, der bei uns war, auf eine neue Idee. Er sprang ein paar Schritte vom Baume hinweg, wo viele »pine knots« (die schweren Kienäste der Fichte, die, wenn auch das übrige Holz um sie herum verfault, doch unversehrt bleiben) lagen, ergriff einen der längsten und schwersten und schlug, zum Baume zurückkehrend, ein paarmal mit aller Gewalt daran.
»Er hatte nicht nötig, seinen Versuch viele Male zu wiederholen, denn schon beim ersten Schlage war der Bär wie elektrisiert zusammengeschreckt, und beim zweiten und dritten kam er mit Blitzesschnelle an der rauhen Rinde der Fichte herunter, mitten zwischen die Hunde hineingefahren, die ihn jauchzend bedeckten. Er glaubte jedenfalls, der Baum werde wieder umfallen, und dachte gar nicht daran, einen zweiten solchen Sturz abzuwarten.
»Wir banden ihn nun wieder und nahmen ihn mit nach Hause, wo er noch ein paar Jahre herumlief, bis er endlich merkwürdig fett geworden war und geschlachtet wurde.«
Der Nordkaroliner endete so seine Erzählung, und viel wurde über die Angst gelacht, die das arme Tier vor einem zweiten Sturze gehabt hatte. Erst spät wickelten wir uns in unsere Decken und schliefen, auf den kalten Boden hingestreckt, sanft und ruhig, um nur dann aufzuwachen, wenn vielleicht einer, um einmal zu trinken, aus dem hintern Raume des Kamp aufstand und über die weiter nach vorn Liegenden hinausstolperte. Man konnte sich gratulieren, wenn der Stolpernde nur Mokassins trug.
Mit Tagesanbruch waren wir auf und rüsteten uns, um den neuen Hausbau zu beginnen. Ein tüchtiges Feuer wurde an Ort und Stelle angemacht, Hände und Füße zu erwärmen, und bald war alles im Gange. An jeder Ecke des aufsteigenden Hauses stand einer der Männer mit einer Axt, um die Endstücken zu beschlagen und aufeinander zu passen, und wir anderen, sieben an der Zahl, mußten die behauenen, aber sehr schweren Fichtenstämme hinaufreichen, was besonders dann, als es höher hinaufging, keine Kleinigkeit war. Doch wissen die Amerikaner bei dieser Arbeit eine solche Menge Handgriffe, daß Schwierigkeiten dabei überwunden wurden, die ich oft für kaum ausführbar hielt.
Gegen Abend hatten wir das Haus bis unter das Dach fertig, und da es ein wenig zu regnen anfing, wodurch die Blöcke zu schlüpfrig wurden, um darauf zu stehen, mußten wir die Beendigung desselben auf trockenes Wetter hinausschieben.
Diese Nacht blieben wir noch bei Collmar, machten uns aber am nächsten Morgen nach einem sehr frugalen Frühstück – wir hatten dem armen Teufel fast alles aufgezehrt – auf den Heimweg über die Berge.
Das Wetter war naßkalt und neblig und ich selber froh, als ich Hozarts Haus an diesem Abende noch erreichte. Am nächsten Tage erst kehrte ich nach Slowtraps Hause zurück, dem ich die Geschichte mit dem Fuchs und das sonderbare Betragen desselben erzählte.
Er lächelte darüber und erzählte mir manche schnurrige Anekdote von Füchsen, ja sogar eine, wo, als er selbst noch ein Kind war, ein Fuchs einst an seiner ältesten Schwester hinaufgesprungen wäre und versucht hätte, sie zu beißen. Doch kommen solche Fälle wohl höchst selten vor, und ich habe nie wieder von einem ähnlichen gehört. Wilde Katzen sind dagegen viel bösartiger und fallen wohl dann und wann einen Menschen an.
Einem alten Manne in den Cashsümpfen namens Mitchell konnte es einmal in dieser Hinsicht sehr schlecht gehen. Er war in der Balzzeit der Truthühner früh hinausgezogen, um einen Hahn zu schießen, und da er nicht weit von sich entfernt einen alten Burschen aus Leibeskräften kullern hörte, so legte er sich hinter einen umgestürzten Baum, und mit seinem Lockknochen die Töne der Henne nachahmend, versuchte er, den Hahn heranzurufen. Eine wilde Katze mußte indessen in einem benachbarten Baum entweder ihr Lager haben oder war auch vielleicht, durch den Lockton verführt, herangeschlichen; denn noch hatte der Jäger gar nicht so lange gelockt, als sie auf den nichts Arges Ahnenden hinabsprang und in voller Wut ihr Bestes versuchte, ihm die Halsadern aufzubeißen. Der zum Tode erschrockene Mann war auch nicht imstande, sie herunter zu ziehen, und mit seinem Skalpiermesser mußte er die Bestie auf dem eigenen Rücken umbringen. Mehrere Wochen lang hatte er nachher das Bett zu hüten, ehe er von den bösartigen Wunden der Katzenkrallen genas.
Das Wetter hatte sich am nächsten Morgen wieder aufgeklärt, Slowtrap war mit seinen Vorbereitungen aber noch immer nicht fertig und schien wirklich meine Geduld auf die äußerste Probe setzen zu wollen. Bei einer solchen Gemütlichkeit vertrödelte er dabei die Zeit, daß man ihm trotz alledem nicht böse werden konnte. Ein Tag verging nach dem andern, und immer noch wurde der langbesprochene und vorbereitete Zug nicht angetreten.
Das in Vorrat gemahlene Mehl war inzwischen auch fast wieder aufgezehrt worden, und wir mußten noch einmal von vorn anfangen zu mahlen.
Slowtraps Frau hatte indessen ebenfalls die notwendig gewordene Wäsche von Tag zu Tag verschoben, um sie erst nach unserer Abreise vorzunehmen, da wir aber eben nicht abreisten, so konnte sie auch nicht mehr länger damit warten, und auf den nächsten Tag wurde die Wäsche festgesetzt. Curlys junge Frau und Schwester wollten Slowtraps Frau bei dieser Arbeit helfen, und mir wurde der ehrenvolle Auftrag zuteil, sie abzuholen.
Ich schnallte eine wollene Decke aufs Pferd und ritt hinüber, doch da wir nicht alle drei zugleich auf demselben sitzen konnten, mußte ich den Weg zweimal machen. Die Amerikanerinnen sind übrigens fast alle beherzte Reiterinnen; leicht schwang sich die junge Frau hinter mich auf den breiten Rücken des Pferdes, sich dort an meinem Gürtel festhaltend, und in vollem Galopp ging's durch den schäumenden, aber nicht tiefen Fluß und dann durch den dichten Wald meines Alten Wohnung zu. Von hier aus galoppierte ich wieder zurück, um das junge Mädchen nachzuholen, und dachte, da ich auch diese an Ort und Stelle abgeliefert hatte, nun auch auf meine eigene Sicherheit. Es fiel mir gar nicht ein, an einem Waschtag allein zwischen drei Frauen auszuhalten.
Ein paar Tage hatten wir jetzt nasses, unangenehmes Wetter und konnten weiter nichts vornehmen als Holz hacken und dasselbe zum Hause schaffen. Als aber die Sonne zum erstenmal wieder durch die grauen, zerrissenen Wolken auf die feuchte, dampfende Erde herunterschaute und Slowtrap noch immer keine Anstalt zum Aufbruch machte, ging ich wieder hinüber zu Curlys, um womöglich, ehe wir abzögen, noch einen Hirsch zu schießen.
Den alten Collmar fand ich auch drüben nebst einem andern jungen Manne namens Martin, der ein Original war.
Etwa fünfundzwanzig Jahre alt, hatte er auch nicht ein einziges Haar mehr auf dem Kopfe. Über die Ursache seiner Glatze wußte er dabei die sonderbarsten Geschichten zu erzählen, verwickelte sich aber dabei stets dermaßen, daß er zuletzt aufsprang, aus der Tür floh und sich den ganzen Tag nicht wieder blicken ließ. Eine Art stiller Wahnsinn trieb ihn zu gleicher Zeit, wenn er auf irgendeinem Platz eine Zeitlang gearbeitet hatte, denselben heimlich zu verlassen und nicht allein seinen Arbeitslohn, sondern auch sehr häufig noch einen Teil seiner Kleider im Stiche zu lassen. Als das erst einmal bekannt war, wurde er natürlich von vielen benutzt, und Martin war überall ein gern gesehener Arbeiter.
Wir hatten ihm so nach und nach weisgemacht, daß er in Illinois geheiratet und eine stelzfüßige Frau dort sitzen gelassen habe. So verächtlich er die Sache im Anfange behandelte, so zweifelhaft wurde er bald nachher, und zuletzt redeten wir ihm den Unsinn dermaßen ein, daß er es selber anfing zu glauben. Wenigstens habe ich einmal gehört, wie er Fremden versicherte, er sei in Illinois verheiratet. Die tollsten Geschichten erzählte er dabei von dem, was er alles erlebt und erfahren habe, aber jedesmal, wenn man ihn darum fragte, anders, wurde jedoch wütend, sobald man nur den geringsten Zweifel aufwarf.
Unter Erzählen und Lachen verging der Nachmittag, als es aber anfing, dunkel zu werden, nahmen Curly und ich unsere Feuerpfannen wieder auf, um unser Glück noch einmal mit der Nachtjagd zu versuchen.
Wir gingen erst südlich von seinem Hause in die Berge und hielten uns dann nach Westen. Die Sterne schienen im Anfange hell, und wir versprachen uns schon eine schöne Nacht, doch lagerte sich nach und nach im Norden ein dunkler Wolkensaum, und es blitzte ein paarmal. Wir zogen in der einmal angenommenen Richtung ruhig weiter, konnten aber keinen Hirsch zu sehen bekommen, und mochten wohl drei Viertelstunden langsam fortgegangen sein, als wir, an einem etwas größeren, offenen Flecke angelangt, um uns zu orientieren, wieder nach den Sternen sehen wollten. Hier fanden wir zu unserem Schrecken, daß eine dichte Wolkenmasse das ganze Firmament verhüllte. Meinen Kompaß hatte ich nicht mitgenommen, und der Wind spielte von allen Seiten, dabei fing es wieder an zu blitzen, und ein schwacher, zwar jetzt noch entfernter, aber doch drohender Donner machte uns ganz freundlich darauf aufmerksam, daß er uns in ganz kurzer Zeit mit einem Gewitter überraschen wolle.
Nichts ist leichter, als sich des Nachts mit der Fackel zu verirren. Der Schein des Feuers beleuchtete nur wenige Schritte weit den Wald und gibt den Bäumen ein ganz eigenes, fremdartiges Ansehen, wogegen dann alles andere, das weiter als 20 Schritt entfernt ist, in völlig schwarzer Finsternis daliegt und sich die vier Weltgegenden so ähnlich sehen wie ein Ei dem andern.
Die Not schärft die Sinne. Ich erinnerte mich jetzt, im Anfange beobachtet zu haben, daß es gerade unter dem Nordstern blitzte, der damals noch nicht von dem düstern Wolkensaume erreicht war, und wir schlossen, daß, wenn sich das Wetter ja nach irgendeiner Himmelsgegend gezogen habe, dies mehr nach Osten geschehen sein müsse. Ein stärkerer Donnerschlag erinnerte uns, daß wir gar keine Zeit mehr zu verlieren hätten, und im Geschwindmarsch traten wir unsern Rückweg an, indem wir die Himmelsgegend, wo es blitzte, auf unserer linken Seite behielten.
Wohl zwei Meilen mochten wir von Curlys Hause entfernt sein, und stärker und leuchtender wurden die Blitze, häufiger und lauter der Donner; aber wie zwei gescheuchte Geister flohen wir mit der wehenden Kienflamme – den Sack mit dem Kien hatten wir schon lange an einen Baum gehängt – dem sichern Obdach zu. Furchtbar grell zuckte ein gewaltiger Blitz jetzt durch die rabenschwarze Nacht, und schon hörten wir im entfernten Rauschen und Prasseln der Bäume das sich reißend schnell nahende Unwetter. Aber Curly hatte jetzt auch im letzten Scheine des Blitzes das Dach seiner Wohnung entdeckt, und so schnell uns die Füße tragen wollten, ging es darauf zu. Wir erreichten das Haus, sprangen hinein und hatten die Tür noch nicht hinter uns zugemacht, als ein solch furchtbar schmetternder Hagel aufs Dach niederdonnerte, daß er die Bretter auf dem Hause zu zerspalten drohte. Wir sahen uns beide einen Augenblick an, dann kam uns aber die Sache so komisch vor, daß wir wie verabredet in ein unmäßiges Gelächter ausbrachen, von dem wir uns fast gar nicht wieder erholen konnten.
Das ganze Völkchen war durch unsern plötzlichen, geräuschvollen Eintritt, das prasselnde Hagelwetter und fürchterliche Lachen wieder munter geworden, und Martin, dem das Tuch, das er sich nachts um den Kopf wand, von der sonst sorgfältig bedeckten Glatze gerutscht war, sah uns mit seinem kahlen Kopfe ganz verdutzt an. Auch der alte Collmar war wieder unter seiner Decke vorgekrochen und wärmte sich an dem frisch auflodernden Feuer die Fußsohlen.
Der Hagel hatte jetzt nachgelassen, und ein furchtbarer Platzregen löste ihn ab; doch geht ja das alte Sprichwort: »Gestrenge Herren regieren nicht lange«, und als wir nach einer Weile hinausschauten, blinkten die lieben Sterne wieder freundlich von oben nieder.
Stürme sind überhaupt etwas sehr Häufiges in Arkansas, besonders die sogenannten »Hurricanes«, die oft Strecken, meilenbreit und Gott weiß wieviel Meilen lang, niederblasen, so daß auch kein Baum stehen bleibt. Ein solch verwüsteter Landstrich, wo die gestürzten Riesen des Waldes haufenweise aufeinander liegen, verwächst mit Brombeerranken und grünen dornigen Schlingpflanzen so, daß er stellenweise ganz undurchdringlich und dann der Lieblingsaufenthalt der Bären wird, die dann nur zu häufig Schutz gegen den sie verfolgenden Jäger finden.
Gnade Gott dem armen Streifschützen aber, der gerade in einem solchen Striche, über den der Hurrikane geht, sein Nachtlager aufgeschlagen hat. Er ist spurlos verschwunden, und nur durch Zufall werden seine Gebeine vielleicht einmal, unter einem umgestürzten Baum hervorragend, wieder aufgefunden.
Die Frauen, die durch das Toben des Sturmes ängstlich geworden waren, warfen uns unser gottloses Lachen und Toben vor, während sich der liebe Gott alle mögliche Mühe gäbe, uns begreiflich zu machen, was wir für Sünder wären. Dadurch aber kam das Gespräch wieder auf Religion, und Collmar sagte, daß er eine recht hübsche Geschichte wisse. Das war uns gerade recht, denn an Schlaf dachte doch jetzt keiner mehr; ich band daher schnell meine Decke auf und breitete sie ans Feuer, schürte dies noch ein wenig auf, und der Alte begann.
»Ihr kennt alle den Curtis drüben auf der andern Seite vom Flusse? Nun, der gehörte früher mit zur Sekte der Methodisten, d. h. er wohnte dicht neben dem »meeting-house« (Versammlungshaus) der Gläubigen, und da er der nächste Nachbar war, zündete er alle Sonntage morgens ein Feuer darin an, stäubte die Bänke ab, kehrte aus und sah auch zugleich danach, daß die Schweine oder das liebe Rindvieh nicht etwa hineinbrachen – ausgenommen Sonntags –, da keine Fenz das Haus umgab.
»Der Bequemlichkeit wegen schloß er sich ebenfalls der Sekte an, obgleich böse Mäuler seiner Frau die Schuld gaben und sagen wollten, daß er bloß religiös geworden sei, um Sonntags eine gute Ausrede zu haben, aus dem Hause zu gehen.
»Sei dem, wie es wolle, die Reden des Priesters mußten nicht so eindringlich gewesen, oder Curtis' Herz so verstockt sein, kurz, anstatt sich in erbaulichen Reden und im Singen zu üben, fluchte und schwor er, stieß einstmals während eines Gewitters gotteslästerliche Reden aus, benutzte heimlicherweise den Zucker, den sich seine Frau mühsam durch Baumwollenspinnen erwarb, ihren Kaffee zu versüßen, benutzte den Zucker, sag' ich, um ihn mit Whisky und Wasser vermischt zu trinken und hatte vor allen Dingen am letzten Sonntag nicht nur allein versäumt, Feuer im Gotteshause anzumachen, noch dazu bei einer zweckwidrigen Kälte, sondern auch die Bänke nicht ab-, die Stube nicht ausgefegt und sogar noch gegen ein Mitglied der christlichen Gemeinde geäußert: »He didn't care a damned« (es wäre ihm verdammt gleichgültig).
»Die Schlußfolge von alledem nun war, daß ihm in einer besonderen Kirchenversammlung, und zwar in einer langen Rede, vorgehalten wurde, wie er, unwürdig, ferner ein Mitglied der gottesfürchtigen Gemeinde zu heißen, überhaupt ein heretic (Ketzer) sei und aus der Gemeinschaft der Methodisten gestrichen werden müsse.
»Der Büßende hatte sein ganzes Sündenregister, die Augen fest auf das große hölzerne Tintenfaß, das mitten auf dem Tisch stand, gerichtet, mit einer lobenswerten Aufmerksamkeit angehört. Beim letzten Wort »heretic« jedoch stutzte er, sah einen nach dem andern in der Versammlung still an, und seinem alten Filzhute mit beiden Fäusten eine womöglich noch schlechtere Form gebend, drückte er denselben sich auf den Kopf und verschwand durch die Tür, den Ältesten der Kirche durch sein unanständiges Betragen ein kleines Ärgernis gebend.
»Ihm aber gingen andere Dinge im Kopfe herum. »Heretic, Heretic? Was war das? Glücklicherweise begegnete ich ihm, und ohne weiter ein Wort zu sagen, faßte er mich mit der Linken bei einem Knopfe, wobei er mir, um mir nicht gerade in die Augen zu sehen, anfing, die Weste auf- und zuzuknöpfen. Dabei fragte er mich mit halb scheuer, halb trotziger Stimme, was ein heretic sei?
»Lange schon hatte ich gehört, daß die Methodisten den Säufer aus ihrer Mitte stoßen wollten, und konnte mir leicht denken, was vorgefallen war. Ich antwortete ihm daher ganz ruhig und ohne eine Miene zu verziehen, daß heretic das lateinische Wort für Pferdedieb sei, und machte ihm das sogleich durch die Übersetzung begreiflich: here - horse (Pferd), tic - thief (Dieb), dann knöpfte ich meine Weste wieder zu, die er wie seinen Mund offen stehen ließ.
»Einen Augenblick stand der arme Tropf da und wußte nicht, was er tun sollte; der Gedanke aber, vor allen Leuten Pferdedieb, und noch dazu auf Lateinisch, genannt zu sein, war doch zu stark. Er ließ meinen Rockknopf fahren und lief mehr als er ging dem Versammlungshause wieder zu.
»Dort hineinspringen, den Rock abwerfen und die Ärmel aufstreifen, war das Werk eines Augenblicks, und mit der geballten Faust auf den Tisch schlagend, daß die Tinte hoch aufspritzte, schwor er zum Entsetzen der acht friedlichen Stellvertreter des Methodismus unter den entsetzlichsten Verwünschungen, daß er eine ganze Stube voll solch erbärmlicher, Kerle zusammenschmeißen könne; nannte sie ›verdammte Lügner‹ und ›hartgesottene Sünder‹, und beteuerte noch zu guter Letzt, daß, wenn noch jemand es wage, ihn heretic zu nennen, ›er ihn einschmieren, die Ohren zurückbinden und ganz hinunterschlucken werde‹. Er wäre kein Pferdedieb, er wäre ein ehrlicher Mann. Zuletzt gab er der ganzen Versammlung mit höchst deutlichen Worten zu verstehen, daß sie ihn alle auf ein andermal besuchen könnten.
»Die acht Schriftgelehrten saßen dort wie vom Donner gerührt; denn sie ahnten nicht, was den Mann so aufgebracht haben konnte. Einer von ihnen stand aber endlich auf und bat ihn, das Haus zu verlassen, da sie sich über heiligere Gegenstände beraten wollten.
»Es war vergebene Mühe, dem Manne jetzt mit ruhigen Worten etwas begreiflich zu machen. Einen Augenblick hörte er wohl ganz ruhig zu, dann aber, zum zweitenmal mit seiner keineswegs unansehnlichen Faust auf den Tisch schmetternd, beteuerte er, daß er verdammt sein wolle, wenn er vom Platze ginge, bis sie ihm bewiesen hätten, daß er ein heretic wäre, und was er mit den Pferden, die er gestohlen haben solle, gemacht habe. Seine Freunde führten ihn endlich hinaus und beruhigten ihn.«
Martin, der natürlich mitgeglaubt hatte, daß heretic ein Pferdedieb sei, war zufrieden, als er hörte, daß der Beleidigte es erfahren habe, und war bald eingeschlafen. Auch wir suchten nun, ermüdet von der gehabten Anstrengung, unser Lager auf.
Nach Slowtraps Hause zurückgekehrt, begann der Alte aber doch am nächsten Morgen ernstliche Vorbereitungen zu dem so lange beratenen und aufgeschobenen Marsche. Wir mahlten noch einmal etwas Mehl, setzten unsere Messer und Büchsen in guten Stand und begannen am 19. Dezember morgens unsere lange besprochene Wanderung.