Emanuel Geibel
Vermischte Gedichte
Emanuel Geibel

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Die Türkenkugel.

Auf der Höh' am Felsenkirchlein.,
Rings vom Türkenheer umschlossen,
Liegt ein Häuflein tapfrer Griechen
Von des Bozzaris Genossen.

Achtmal hat die Schaar dort oben
Schon begrüßt den Strahl der Sonnen;
Achtmal schon ergrimmten Muthes
Hat der Feind den Sturm begonnen.

Doch vergeblich in den Schluchten
Häuft' er Todte nur zu Todten,
Denn der Fels ist schroff, und sicher
Trifft das Blei der Sulioten.

Drum von fern aus Feuerschlünden
Will er nun Verderben senden:
Kugeln über Kugeln wirft er
Nach den steilen Felsenwänden.

Aber mag sein glühend Eisen
Seltnes Opfer nur erreichen:
Schon beginnt ein andrer Würger
Droben durch die Schaar zu schleichen,

Grauser als von Feindeswaffen
Ist der Tod von Durstes Qualen;
Keinen Brunnen hat der Felsen,
Und geleert sind Schlauch und Schalen.

Und der Himmel blau und ehern
Schaut herab mit Feueraugen:
Ach, nicht reicht's, daß von den Halmen
Sie den Thau der Frühe saugen.

Bleich, mit hohlen Wangen, schwanken
Um das Kirchlein die Gestalten;
Kaum vermag der Arm, entkräftet,
Noch das lange Rohr zu halten.

Dorrend klebt die Zung' am Gaumen,
Fieberglut durchrast die Glieder;
In der Noth des neunten Abends
Werfen sie sich flehend nieder:

»Der du Mosis Stab gesegnet,
Daß er Wasser schuf dem Volke,
Der du auf Elias Rufen
Kamst in schatt'ger Regenwolle,

»Herr, erbarm, erbarm dich unser!
Sieh, wir sind wie trockne Scherben –
Von des Feindes Schwert errettet
Laß uns nicht in Durst verderben!«

Und noch hallt es: »Herr, erbarm dich!«
Da in rothgewölbtem Bogen
Aus dem Türkenlager sausend
Kommt ein Feuerball geflogen.

Dröhnend schlägt er in die Klippe,
Bohrt sich wühlend tief und tiefer,
Horch, da zischt es leis, und silbern
Zuckt es auf im Felsgeschiefer:

Und es blinkt, und rinnt, und rieselt,
Und mit Brausen dann geschossen,
Well' auf Welle, kommt das Wasser,
Dem das Erz die Bahn erschlossen.

O wie lieblich rauscht der Sprudel
In das Ohr der Kriegsgefährten!
O wie schlürfen sie mit Wonnen
Von dem Naß, dem, langentbehrten!

Aber dann zu frommem Danke
Siehst du sie die Hände falten:
»Sei gepriesen, Herr der Gnaden,
Wundervoll ist all dein Wallen.

»Durch die Hand des grimmsten Feindes
Weißt du Trost und Heil zu geben,
Tod gedacht' er uns zu senden,
Doch du wandtest Tod in Leben.«


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