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Viertes Buch.
Escheberg. St. Goar

1842-1843.


Auf dem Anstand.

An Ernst Curtius.

Grau ist der Morgen, streif'ge Nebel wallen,
Ein leiser Regen spinnt sich trüb und kalt;
Die rothen Blätter seh' ich langsam fallen –
Jagdwetter schien's, drum zogen wir zu Wald.
Schon spürt die Meute fern, sie bellt im Suchen,
Und ihr Gebell verheißt uns gute Pirsch;
Ich steh' im feuchten Herbstlaub an den Buchen,
Gespannt die Büchse pass' ich auf den Hirsch.

Mich fröstelt. – Sollt' in meiner Waidmannstasche
Bei Blei und Pulver nicht Erquickung sein?
Fürwahr, das ist die korbumflochtne Flasche!
Ein tücht'ger Zug! – Ha, das ist Cyperwein!
Heiß rinnt er durch die Adern, durch die Glieder
Floß durch die Wipfel plötzlich Sonnenglanz?
Die griech'sche Feuertraube ruft mir wieder
Im Herzen wach die Bilder Griechenlands.

Zwei Jahre sind's! Ei, wie so anders schaute,
Wie froh der Herbst mir damals in's Gesicht!
Lau war die Luft, der tiefe Himmel blaute,
Die Feige schwoll, die Traub' im Sonnenlicht.
Da ließen, matt noch von des Sommers Gluten,
Mein Ernst, den Ernst wir in Athen zu Haus,
Und zogen durch des Inselmeeres Fluten,
Zwei sel'ge Schwärmer, abenteuernd aus.

Gedenkst du, wie bei Paros durch die Brandung
Das Boot wir zwängten? – dämmernd stieg der Mond –
Und wie so schön uns dann die kühne Landung
Die rebumkränzte Marmorstadt belohnt?
Denkst du der Cithern, die die Nacht durchklangen,
Der Brunnen, die uns in den Schlaf gerauscht,
Und jenes Mädchens, das mit glüh'nden Wangen
Für leichten Schmuck Orangen uns vertauscht?

Denkst du an Naxos noch? Ich seh' sie liegen,
Die Klöster und das Schloß auf hohem Stein,
Den Säulenhof, wo sich die Palmen wiegen,
Die Felswand, übergrünt von eitel Wein,
Das reiche Thal, in dessen bucht'ge Weiten
Ein buntgezäumtes Saumthier leicht uns trug
Da blinkten Becher rings, da klangen Saiten;
Fürwahr, es war ein neuer Bacchuszug!

Und als wir sonnverbrannt mit staub'gen Ballen
Zur Ruh verlangten nach der heißen Fahrt,
Da nahm uns in die kühlen Klosterhallen
Der wackre Pater mit dem langen Bart.
Hoch über'm Meer auf seinem Laubensitze
Wie schollen unsre Lieder da so frisch!
Wie floß der Quell des Nektars und der Witze
So unerschöpft am saubern Abendtisch!

Dort saß der Bischof, dort der Kapuziner,
Wir zwei Poeten lustig mittendrin:
Schlaulächelnd stellte der slavon'sche Diener
Uns beiden stets die vollsten Flaschen hin.
Jubel, wie wir einst im Mönchsvereine
Gezecht, bis jenen die Geduld selbst riß,
Und wie wir dann, noch voll vom süßen Weine,
Verdeutscht das Trinklied des Panyasis!

Doch mußten auf dem Chor die Priester säumen:
Dann suchten wir die Gärten am Gestad;
Schlaftrunken wob's in den Citronenbäumen,
Die stille Felsbucht rief zum lauen Bad;
Dazu ein Trunk, ein Lied. So floß der Morgen,
So kam gestirnt die duft'ge Nacht daher;
Wir lebten, schwärmten – Zwischen unsern Sorgen
Und zwischen unsern Herzen lag das Meer.

Nur einst – ein Sonntag war's, die Glocken gingen
Da dachten wir an Lübecks Glockenklang,
Der Vaterstadt, und an den Wimpern hingen
Uns plötzlich Thränen, und wir schwiegen lang.
Ein Luftschloß baut' ich für mein Zukunftleben;
So golden war's. Die Brust schlug heimatwärts –
Ach, wenig hat die Heimat nun gegeben,
Ein Liederbuch und ein verwundet Herz.

Doch heilt es schon. Die Saiten, die zersprungen,
Zu ew'ger Stummheit sind sie bald gedämpft;
Ich habe mir in Nächten, bang durchrungen,
Das schwere Gut der Heiterkeit erkämpft.
Du sollst es am Gesang aus meinem Munde
Kaum spüren, welche Hoffnung von mir schied;
Und bricht sie einmal auf die alte Wunde.
Laß bluten! Auch der Schmerz will ja sein Lied.

Muth! Muth! Dem Leid, der Lust die Stirn entgegen!
Die Welt ist immer noch des Schönen voll.
Ein kühnes Ringen gilt's auf meinen Wegen,
Ich ward ein Mann und fühle was ich soll.
Ob's wieder Täuschung? – Doch genug! Der Hunde
Gebell klingt nah, der Fels antwortet hohl;
Ein Schuß und wieder einer fällt im Grunde –
Der Hirsch bricht durch die Büsche – Lebewohl!


Wenn sich zwei Herzen scheiden.

Wenn sich zwei Herzen scheiden,
Die sich dereinst geliebt,
Das ist ein großes Leiden,
Wie's größres nimmer giebt.
Es klingt das Wort so traurig gar:
Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar!
Wenn sich zwei Herzen scheiden,
Die sich dereinst geliebt.

Als ich zuerst empfunden,
Daß Liebe brechen mag,
Mir war's als sei verschwunden
Die Sonn' am hellen Tag.
Mir klang's im Ohre wunderbar:
Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar,
Da ich zuerst empfunden,
Daß Liebe brechen mag.

Mein Frühling ging zur Rüste,
Ich weiß es wohl warum;
Die Lippe, die mich küßte,
Ist worden kühl und stumm.
Das Eine Wort nur sprach sie klar:
Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar!
Mein Frühling ging zur Rüste,
Ich weiß es wohl warum.


Rühret nicht daran.

Wo still ein Herz voll Liebe glüht,
O rühret, rühret nicht daran!
Den Gottesfunken löscht nicht aus!
Fürwahr, es ist nicht wohlgethan.

Wenn's irgend auf dem Erdenrund
Ein unentweihtes Plätzchen giebt,
So ist's ein junges Menschenherz,
Das fromm zum erstenmale liebt.

O gönnet ihm den Frühlingstraum,
In dem's voll ros'ger Blüten steht!
Ihr wißt nicht, welch ein Paradies
Mit diesem Traum verloren geht.

Es brach schon manch ein starkes Herz,
Da man sein Lieben ihm entriß,
Und manches duldend wandte sich,
Und ward voll Haß und Finsterniß;

Und manches, das sich blutend schloß,
Schrie laut nach Lust in seiner Noth,
Und warf sich in den Staub der Welt;
Der schöne Gott in ihm war todt.

Dann weint ihr wohl und klagt euch an;
Doch keine Thräne heißer Reu
Macht eine welke Rose blühn,
Erweckt ein todtes Herz auf's neu.


Der junge Tscherkessenfürst.

Sie haben mir gesagt:« Komm her, du Sohn der Steppe!
Komm her, und küss' im Staub des Zaren Purpurschleppe!
Der Lohn ist groß, die That ist klein.
Du sollst geschmückt alsdann dem Herrn zur Linken reiten,
Es soll dein kecker Fuß auf Bauernstirnen schreiten,
Der Höchsten Einer sollst du sein.

Was frommt dir steter Kampf mit ruhelosen Zügen?
Wir lehren dich, wie leicht im wechselnden Vergnügen
Dahin das rasche Leben rollt;
Wir wollen dir ein Haus mit prächt'gen Sälen bauen,
Dein Stall sei voll Gewieh'r, dein Schlafgemach voll Frauen,
Dein straffer Seckel schwer von Gold.

Des Köstlichsten soll nie dein reicher Tisch bedürfen,
Du sollst von Epernay den Schaum der Traube schlürfen
Aus hellgeschliffenem Krystall,
Und wenn der Abend naht, den leichten Rausch zu enden,
So sei sie dir gewährt die Wollust, zu verschwenden
Bei Kartenspiel und Würfelfall.

Du sollst auf prächt'gem Ball, wenn tausend Kerzen funkeln,
Mit deiner reichen Tracht, mit deinem Wuchs verdunkeln
Der Kronbeamten stolzen Schwarm;
Auf Wellen der Musik sollst du dich jauchzend wiegen,
Und sporenklirrend durch den Saal im Tanze fliegen
An einer Kaisertochter Arm.

Beim Lager sollst du schaun, wie sich im Flintenfeuer
Die Regimenter drehn, vielfüßige Ungeheuer,
Auf denen hoch die Fahne schwankt;
Die Trommel wirbelt dumpf, das Feldhorn läßt sich hören,
Die Batterie fällt ein mit ihren Donnerchören,
Daß unter ihr der Boden wankt.

Ja, mehr der Wunder noch! Groß ist die Macht des Zaren;
Du sollst auf einem Schiff mit Doppelrädern fahren,
Von keines Tauwerks Last beschwert;
Dem Strome beut es Trotz und Trotz dem Sturmgeheule,
Wenn drin die Esse glüht, und wenn aus schwarzer Säule
Der Gischt des Dampfes brausend fährt.

Das Alles bieten wir. Nur laß die blutigen Horden,
Laß Steppe, Krieg und Zelt; komm reuig her zum Norden,
Und vor dem Herrscher beuge dich. –
Ich aber wandte mich bei ihrer Worte Hadern,
Es schwoll der rothe Zorn empor in meinen Adern –
Der Zar ist nur ein Fürst wie ich.

Kasan hat seine Frau'n, schneeweiß mit schwarzen Locken,
Moskau hat seinen Kreml und Kiew seine Glocken,
Und Petersburg hat mehr als das,
Doch böten sie mir auch die Wunder aller Fremde:
Nicht käuflich sind mir drum mein schuppig Panzerhemde.
Und meine Freiheit und mein Haß.


In ein Stammbuch.

(Nach Byron.)

Wenn sich auf dieses Blatt dein Auge senkt,
Betracht es still, als wär's mein Leichenstein;
Und mild, wie man der Todten sonst gedenkt,
Gedenke mein!


Lieder eines fahrenden Schülers.

(Zu Volksweisen.)

I.

Kein Tröpflein mehr im Becher!
Kein Geld im Seckel mehr!
Da wird mir armen Zecher
Das Herze gar so schwer.
Das Wandern macht mir Pein,
Weiß nicht, wo aus, noch ein;
Ins Kloster möcht' ich gehen,
Da liegt ein kühler Wein.

Ich zieh' auf dürrem Wege,
Mein Rock ist arg bestaubt,
Weiß nicht, wohin ich lege
In dieser Nacht mein Haupt.
Mein Herberg' ist die Welt,
Mein Dach das Himmelszelt,
Das Bett, darauf ich schlafe,
Das ist das breite Feld.

Ich geh' auf flinken Sohlen,
Doch schneller reit't das Glück;
Ich mag es nicht einholen,
Es läßt mich arg zurück;
Komm' ich an einen Ort,
So war es eben dort,
Da kommt der Wind geflogen,
Der pfeift mich aus sofort.

Ich wollt ich läg' zur Stunde
Am Heidelberger Faß,
Den offnen Mund am Spunde
Und träumt' ich weiß nicht was.
Und wollt ein Dirnlein fein
Mir gar die Schenkin sein:
Mir wär's, als schwämmen Rosen
Wohl auf dem klaren Wein.

Ach wer den Weg doch wüßte
In das Schlaraffenland!
Mir dünket wohl, ich müßte
Dort finden Ehr' und Stand.
Mein Muth ist gar so schlecht,
Daß ich ihn tauschen möcht';
Und so's Dukaten schneite,
Das wär' mir eben recht.


II.

Es fliegt manch Vöglein in das Nest
Und fliegt auch wied'r heraus;
Und bist du 'mal mein Schatz gewest,
So ist die Liebschaft aus.
Du hast mich schlimm betrogen
Um schnöden Geldgewinn –
Viel Glück, viel Glück zum reichen Mann!
Geh' du nur immer hin!

Viel Blümlein stehn im hohen Korn
Von roth und blauer Zier,
Und hast du eins davon verlor'n,
So such ein andres dir.
Glaub' nicht, daß ich mich gräme
Um deinen falschen Sinn –
Ich find' schon einen andern Schatz;
Geh' du nur immer hin!


III.

Herr Schmied, Herr Schmied, beschlagt mir mein Rößlein
Und habt ihr's beschlagen, so macht mir ein Schlößlein,
Ein Schlößlein so fest und ein Schlößlein so fein,
Und muß bei dem Schlößlein ein Schlüssel auch sein.

Das Schlößlein das will ich vor's Herze mir legen,
Und hab' ich's verschlossen mit Kreuz und mit Segen,
So werf in den See ich den Schlüssel hinein,
Darf nimmer ein Wort mehr heraus noch herein.

Denn wer eine selige Liebe will tragen,
Der darf es den alten Jungfern nicht sagen;
Die Dornen, die Disteln, die stechen gar sehr,
Doch stechen die Altjungfernzungen noch mehr.

Sie tragen's zur Bas' hin und zur Frau Gevattern,
Bis daß es die Gäns' auf dem Markte beschnattern,
Bis daß es der Entrich bered't auf dem See,
Und der Kuckuck im Walde, und das thut doch weh.

Und wär' ich der Herrgott, so ließ ich auf Erden
Zu Dornen und Disteln die Klatschzungen werden,
Da fräß' sie der Esel, und hätt's keine Noth,
Und weinte mein Schatz sich die Augen nicht roth.


Waldmärchen.

In einer Waldschlucht finster,
Wo heimlich baut der Fuchs,
Wo Farrenkraut und Ginster
Sich rankt in üpp'gem Wuchs,
Lag ich, vom Grün umwoben,
An einem dunklen Bach;
Es lugte kaum von oben
Die Sonn' ins Laubgemach.

Ich hatte Moos zum Pfühle,
Gestrüpp zur Lagerstatt,
Vom Fels kam eine Kühle
Und ging durch Busch und Blatt;
Und kühle quoll der Sprudel
Und murrt' am schroffen Hang,
Den oft bei Nacht im Rudel
Die Hindin übersprang.

Mit rothem Auge schaute
Vom Baum der Auerhahn,
Es zog mit heis'rem laute
Der Häher seine Bahn;
Dann hämmert' abgebrochen
Der Specht von Zeit zu Zeit –
Mir war's, als hört ich pochen
Das Herz der Einsamkeit.

Da plötzlich sah ich lehnen
Am Stamm ein hohes Weib,
Umwallt von lockigen Strähnen
Den wunderschönen Leib;
Wem ward zum Eigenthume
Je solch ein Goldgewand!
Sie trug eine blaue Blume
In ihrer weißen Hand.

Sie sprach: »Sei mir willkommen!
Du bist ein seltner Gast,
Doch hast du dir zum Frommen
Erkoren hier die Rast;
Von allen Königinnen
Die reichste bin ich bald;
Mein Schloß mit grünen Zinnen
Das ist der lust'ge Wald.

Sonst macht' ich wohl hinunter
Ins offne Land den Ritt,
Und Blumen sproßten munter,
Wohin mein Zelter schritt;
Zu bringen Lust und Minne,
Das war mein fröhlich Recht;
Doch ist von andern Sinne
Das heurige Geschlecht.

Das träumt von Klingenhieben,
Von Schlacht nur und Geschoß;
Da bin ich heimgeblieben
In meinem Zauberschloß.
Nun lehr' ich singend wallen
Den Bach durch Fels und Ried,
Nun lehr' ich die Nachtigallen
Im Lenz ihr süßestes Lied.

Ich weiß, auch du mußt fechten,
Auch du gehörst der Zeit;
So steh' zu deinen Rechten
Und führe wackern Streit!
Doch will dein Arm ermüden,
Bei mir dann kehre du ein,
Im säuselnden Waldfrieden
Sollst du gekräftigt sein.

Da sollst du Frische saugen
Im harz'gen Duft vom Tann,
Da schaut aus Blumenaugen
Das Märchen fromm dich an;
Und macht der Forst dich singen:
Es wird in der Zeiten Gang
Auch solche Weise dringen
Wie grüner Waldhornklang.«

Sie sprach's; ich stand erschrocken
Und wußte nicht ein Wort,
Da schüttelte sie die Locken
Und schwand ins Dickicht fort.
Noch glaubt' ich fern das Wallen
Zu sehn des goldnen Haar's,
Doch in den Buchenhallen
Ein Strahl der Sonne war's.

Und wieder schrie der Häher,
Und wieder quoll die Flut;
Doch mir entzücktem Seher
War groß und still zu Muth.
Und zeihn sie mir's als Sünde:
Ich lasse dich dennoch nie,
O Fey der Waldesgründe,
Sagenpoesie!


Dante.

Einsam durch Verona's Gassen wandelt einst der große Dante,
Jener Florentiner Dichter, den sein Vaterland verbannte.

Da vernahm er, wie ein Mädchen, das ihn sah vorüberschreiten,
Also sprach zur jüngern Schwester, welche saß an ihrer Seiten:

»Siehe, das ist jener Dante, der zur Höll' hinabgestiegen,
Merke nur, wie Zorn und Schwermuth auf der düstern Stirn ihm liegen!

Denn in jener Stadt der Qualen mußt' er solche Dinge schauen,
Daß zu lächeln nimmer wieder er vermag vor innerm Grauen.«

Aber Dante, der es hörte, wandte sich und brach sein Schweigen:
»Um das Lächeln zu verlernen, braucht's nicht dort hinabzusteigen.

Allen Schmerz, den ich gesungen, all die Qualen, Gräu'l und Wunden
Hab' ich schon auf dieser Erden, hab' ich in Florenz gefunden.«


Von des Kaisers Bart.

Im Schank zur goldnen Traube,
Da saßen im Monat Mai
In blühender Rosenlaube
Guter Gesellen drei.

Ein frischer Bursch war jeder,
Der Erst' am Gurt das Horn,
Der Zweit' am Hut die Feder,
Der Dritte mit Roller und Sporn.

Es trug in funkelnden Kannen
Der Wirth den Wein auf den Tisch;
Lustige Reden sie spannen,
Und sangen und tranken frisch.

Da war auch einer drunter,
Der grüne Jägersmann,
Vom Kaiser Rothbart munter
Zu sprechen hub er an:

»Ich habe den Herrn gesehen
Am Rebengestade des Rheins,
Zur Messe wollt er gehen
Wohl in den Dom nach Mainz.

Das war ein Bild, der Alte,
Fürwahr von Kaiserart!
Bis auf die Brust ihm wallte
Der lange braune Bart.«

Ins Wort fiel ihm der Zweite,
Der mit dem Federhut:
»Ei Bursch, bist du gescheidte?
Dein Märlein ist nicht gut.

Auch ich hab' ihn gesehen
Auf seiner Burg im Harz,
Am Söller thät er stehen,
Sein Bart, sein Bart war schwarz.«

Da fuhr vom Sitz der Dritte,
Der Mann mit Koller und Sporn,
Und in der Zänker Mitte
Rief er in hellem Zorn:

»So geht mir doch zur Höllen,
Ihr Lügner! Glück zur Reis'! –
Ich sah den Kaiser zu Köllen,
Sein Bart war weiß, war weiß.«

Das gab ein grimmes Zanken
Um Weiß und Schwarz und Braun,
Es sprangen die Klingen, die blanken,
Und wurde scharf gehau'n.

Verschüttet aus der Kannen
Floß der vieledle Wein,
Blutige Tropfen rannen
Aus leichten Wunden drein.

Und als es kam zum Wandern,
Ging jeder in zornigem Muth,
Sah keiner nach dem andern,
Und waren sich jüngst so gut.

Ihr Brüder lernt das Eine
Aus dieser schlimmen Fahrt:
Zankt, wenn ihr sitzt beim Weine,
Nicht um des Kaisers Bart!


Welt und Einsamkeit.

O rühmet immerhin mir eure lauten Feste,
Zu denen man geschmückt mit prächt'gen Kappen fährt,
Wo stetes Lächeln kränzt die Stirnen aller Gäste,
Als sei der Tod nicht mehr und jedes Leid verklärt,
Wo Scherz und Lüsternheit sich in einander ranken,
So wie der üpp'ge Mohn dem Korn sich lodernd mischt,
Wo Alles blitzt und sprüht, Demanten und Gedanken,
Als gält's ein Feuerwerk, das vor bezahlten Schranken
Vielfarbig auf ins Dunkel zischt.

Und eure Bälle rühmt, wo man in Prunkgemächern
Mit duft'gem Eis euch kühlt und süßen Schaum kredenzt,
Wo reich ein bunt Gewirr von Federn, Blumen, Fächern,
Von Seid' und Goldgeschmeid' aus hundert Spiegeln glänzt,
Wo bei Trompetenklang und bei der Pauke Tosen
Der Reigen hold sich löst, und holder wieder schließt,
Und um der Schönheit Preis die stolzen Frauen losen
Mit jenem weichen Schmelz, der wie ein Duft von Rosen
Um sechzehnjähr'ge Stirnen fließt.

Rühmt alles immerhin, die Pracht, das dunkle Feuer,
Das aus den Augen flammt, die man in Liedern preist.
Die Klugheit, die dies Meer befährt mit sicherm Steuer,
Den leichtbewegten, ach, so oft mißbrauchten Geist;
Rühmt mir den Ambraduft der hohen Teppichzimmer,
Den Silberschmuck, der Glanz der würz'gen Tafel leiht,
Den Wein, der wie Rubin erglüht im Kerzenschimmer,
Der Mädchen süß Geschwätz – ihr lockt, ihr lockt mich nimmer;
Ich wähle dich, o Einsamkeit.

Dich, hohe Zauberin, die wandelt in den Forsten,
Wo kaum ein fleckig Reh durchs Brombeerdickicht rauscht,
Die auf dem Inselfels von fahlen Geierhorsten
Dem ewiggleichen Schlag der Meereswoge lauscht;
Die ihren Wohnsitz hat auf Schlössern, längst verlassen,
Wo Epheulauben sich um Thor und Söller baun,
Und nur bei tiefer Nacht betritt der Städte Gassen,
Um Kirch' und Erkerthurm und düstre Giebelmassen
Im Mondenglanze zu beschaun.

Ich wähle dich, denn du hast mich im Schooß getragen,
Da ich, ein Knabe noch, in Haid' und Tann geschweift;
Hast mich das erste Lied gelehrt in frühen Tagen
Und dann in schwerer Zeit zum Manne mich gereift.
Und wollte mir das Herz vergehn in Angst und Wehe,
Nie kehrt' ich heim von dir, daß ich nicht Trost gefühlt;
Empfinden ließest du mich meines Gottes Nähe
Wie einen Frühlingshauch, der, ob ich ihn nicht sehe,
Mir doch die heiße Stirne fühlt.

Du warst es, göttlich Weib, die mir von alten Zeiten,
Von Hellas Glanz erzählt an Suniums Klippenstrand,
Wenn ich, den Blick gekehrt zu blauen Meeresweiten,
Dort an des Tempelbau's verwaisten Säulen stand.
Die rothe Distel wuchs umher am schroffen Hügel,
Um Schutt und Trümmer kroch ein sonnverbrannt Gerank,
Ein Aar vom Tayget schwang über mir die Flügel,
Indeß mein türkisch Roß mit blankem Schaufelbügel
Aus einem Marmorknaufe trank.

Und o wie wehte sanft dein Hauch durch meine Träume,
Als ich im Waldgebirg an Hessens Marken lag!
Spätsommer war's, ein Duft von Harz durchzog die Bäume,
Aus fernem Grund herauf erscholl des Beiles Schlag;
Ich sah, wie still und schlaff der Eiche Blätter hingen,
Kein Lüftchen! Selbst der Zweig der Espe hatte Ruh;
Und plötzlich dann im Laub ein Rauschen und ein Klingen,
Es kam der Wind: mir war's, als trügen seine Schwingen
Auf dein Geheiß Gesang mir zu.

Fürwahr, du bleibst getreu. Mag alle Welt mir grollen,
Ich flüchte mich zu dir, du hältst mich stark und fest;
Du lehrst mich das Panier der Schönheit hoch entrollen,
Ja, Muse bist du mir, wenn mich die Liebe läßt.
So laß denn fern am Strand, im Wald, auf Burgruinen
All deinen Märchenreiz verströmen in mein Lied,
So wie zur Sommerzeit, sobald die Nacht erschienen,
Der Nelke Duft, vermischt dem Dufte der Jasminen,
Die laue Finsterniß durchzieht.


Meiden.

Es schleicht ein zehrend Feuer
Durch mein Gebein;
Mein Schatt' ist mir nicht treuer,
Wie diese Pein.
Ich höre die Stunden ziehen
Trüben Gesichts;
Sie kommen, weilen, fliehen –
Und ändern nichts.

Der Sommer kommt gegangen,
Mir ist's wie Traum;
Am Busch Wildröslein hangen,
Ich acht' es kaum.
Es schlagen die Nachtigallen
In Wald und Plan,
Laß schallen, laß verhallen!
Was geht's mich an?

Ich fühle nur das Eine
In meinem Sinn:
Daß ich von dir, du Reine,
Geschieden bin.
Mein Schatt' ist mir nicht treuer,
Wie diese Pein;
Und zehrend schleicht das Feuer
Durch mein Gebein.


Im Herbste.

Auf des Gartens Mauerzinne
Bebt noch eine einz'ge Ranke;
Also bebt in meinem Sinne
Schmerzlich nur noch ein Gedanke.

Kaum vermag ich ihn zu fassen,
Aber dennoch von mir lassen
Will er, ach, zu keiner Frist;
Und so denk ich ihn, und trage
Alle Nächte, alle Tage
Mit mir fort die dumpfe Klage,
Daß du mir verloren bist.


Muth.

O Herz, laß, ab zu zagen,
Und von dir wirf das Joch!
Du hast so viel getragen,
Du trägst auch dieses noch.

Tritt auf in blanken Waffen,
Mein Geist, und werde frei!
Es gilt noch mehr zu schaffen,
Als einen Liebesmai.

Und ob die Brust auch blutet,
Nur vorwärts in die Bahn!
Du weißt, am vollsten flutet
Gesang dem wunden Schwan.


Im Grafenschlosse.

I.

Sie waren alle in den Forst hinaus,
Den Hirsch mit Büchs' und Messer zu erlegen;
Ich saß allein im alten Grafenhaus
Und harrt im Saal der Jägerschaar entgegen.
Ein fahles Spätroth floß gedämpften Lichts
Auf Wänd' und Hausrath durch die engen Scheiben,
Rings Todtenstill' umher! Ich hörte nichts,
Als vorn im Hof den Zugwind in den Eiben.

Die Spiegel rings in dumpfes Gold gefaßt,
Das Laubwerk am Gesims, einst vielbewundert,
Die düstern Sammttapeten, halb verblaßt,
Mich mahnt es an ein anderes Jahrhundert.
Die Spieluhr sang ein Lied aus alter Zeit,
Ein Liebeslied – jetzt lange schon vergessen –
Da dacht' ich derer, die in Lust und Leid
Bei diesem Stückchen horchend einst gesessen.

Und mit Gestalten füllt ich mir den Saal,
Die dunkeln Bilder rief ich aus den Rahmen;
Hin durch die Dämm'rung schwebten sie zumal,
Im Festesputz die alten Herrn und Damen.
Ich sah den Reifrock, das Brocatgewand;
Das war ein hastig flüsterndes Bewegen,
Ein Drehn! – Da fühlt' ich plötzlich eine Hand
Sich kalt wie Eis auf meine Schulter legen.

Ich wandte mich – bei Gott, das war kein Wahn!
Da stand ein Weib mit Zügen bleich und steinern,
Mit schwarzverschoss'nem Schleppkleid angethan,
Draus ihre Hand hervorsah elfenbeinern.
Sie sah mich an – O dieser Blick voll Leid!
O dieses Auges halberloschnes Strahlen!
Mir war's, als starrt' ich in die Ewigkeit
Und in den Abgrund bodenloser Qualen.

Sie winkt' und schritt. Nicht hört' ich ihren Fuß,
Nicht ihrer Schleppe Saum den Teppich rühren.
Sie sprach kein Wort, sie sagte keinen Gruß;
Sie winkt', und tonlos sprangen auf die Thüren.
Ich folgte stumm. Sie schwebte vor mir her
Durch Prunkgemächer, Treppen auf und nieder,
Durch Gänge dann und Säle wüst und leer –
Sie schritt, und sah sich um und winkte wieder.

Zum Erkerthurm! Es war ein eng Gemach,
Gewölbt und dumpfig, eine düstre Stätte;
Ein Tischchen hier, drauf alter Goldschmuck lag,
Und hoch und faltig dort ein Himmelbette.
Dort stand sie still, und wies mit weißer Hand
Erst auf den Tisch, dann auf die staub'gen Dielen;
Ich beugte mich – o Gott, mein Sinnen schwand –
Ein Blutfleck war's, worauf die Blicke fielen.

Und schaudernd sah ich auf. Da war sie fort,
Wie Nebel in die leere Luft verschweben;
Ich aber stand gebannt am grausen Ort,
Und starrt' und wagte nicht den Fuß zu heben.
Mein Athem flog, mein Blut gefror zu Eis,
Da – Gott sei Dank – da hört' ich Hornfanfaren,
Gebell und Hufschlag; und in kaltem Schweiß
Stürzt' ich hinunter zu den Jägerschaaren.


II.

Die Nacht war wild. Wir saßen am Kamin,
Der Kastelan und ich, noch spät beisammen;
Wir hörten, wie vom Thurm die Dohlen schrien,
Und dann den Sturm, und schürten in den Flammen.
Da litt mich's nicht, ich mußt es ihm gestehn,
Das düstere Geheimniß, das mich quälte;
Er sagte nur: So habt ihr's auch gesehn?
Und athmend horcht' ich, als er drauf erzählte:

»Sie war ein stolzes Weib, reich, schön und kalt,
Als Kind vermählt dem ungeliebten Gatten,
Von starrem Sinn, wo's Ehr' und Wappen galt,
An ihrem Rufe duldend keinen Schatten.
Ihr Auge gab Gebot dem Dienertroß;
Weh jedem, dem es finster Zorn geflammet!
Sie sang und lachte nie, sie zäumt' ihr Roß,
Und ritt zu Wald im knappen Kleid von Sammet.

Ihr einzig Töchterlein war mildrer Art,
Voll frommen Sinns sich um die Mutter mühend;
In strenger Hut erwuchs sie hold und zart
Wie ein Waldröslein unter Dornen blühend.
Ihr Haar war fließend Gold im Sommerwind,
Ihr Auge blau wie Blumen in den Aehren –
Mein Aeltervater sah sie noch als Kind,
Und nannt' er sie, so war es oft mit Zähren.

Da kam des Pfarrers schöner Sohn ins Schloß
Und anders plötzlich ward des Mädchens Wesen;
Bald war's ihr Glück, wenn sanft die Red' ihm floß,
Im dunkeln Räthsel seines Blicks zu lesen.
Sie liebt und schwieg. Doch als im Mondenlauf
Der Lenz erschien und Veilchen weckt und Blüten,
Da ging die Blüt' auch ihres Herzens auf.
Sie liebt und fiel. – Wer mag die Liebe hüten?

Stumm war der Gräfin Zorn, doch war er schwer.
Der Jüngling bat, die Tochter rang die Hände,
Umsonst! – da stürzt er fort, auf's Roß, zum Heer,
Von Schlacht zu Schlacht, und niemand weiß sein Ende.
Doch als im Herbst am Fels die Traube schwoll,
Verschwand das Mädchen in des Thurms Portale;
Dort floß ihr Leben still geheimnisvoll,
Ein dunkler Bach in sonnenlosem Thale.

Und Winter ward's. Da, einst im Dämmerstrahl,
Ging heimlich Flüstern in den nahen Zimmern,
Ein dumpfes Stöhnen, dann ein Schrei der Qual,
Und drauf ein Laut wie eines Säuglings Wimmern.
Dann schwieg's. Die Gräfin trat aus dem Kloset
Bleich wie der Tod. – O fragt nicht, was geschehen!
Die goldne Nadel auf dem Tisch am Bett,
Den Fleck am Boden habt ihr selbst gesehen.

Die Tochter siech und starb. In düstrer Pracht
Hielt ihr Begängniß man nach alter Weise:
Die Silberampeln flammten durch die Nacht,
Die Glocke scholl, schwarz stand das Volk im Kreise.
Da trat die Mutter vor, ein steinern Bild,
Ihr Auge brannte hohl, ihr Fußtritt irrte:
Sie legte auf des Sarges Wappenschild
Mit schwanker Hand die jungfräuliche Myrte.

Ein Jahr verging, und wieder floß ein Zug
Zur Gruft, im Fackelschein, im düsterrothen:
Die Gräfin war's, die man zur Ruhe trug,
Doch Ruhe fand sie keine bei den Todten.
Denn wenn mit ihrem fahlen Dämmerschein
Im Spätjahr kommt die Zeit der Abendmette,
Da ruft der Blutfleck sie empor vom Schrein,
Und wandeln muß sie zu der Schauerstätte.«

Der Alte schwieg. Kaum wagt' ich aufzusehn
Vom Feuerbrand, in den ich stumm geschauet:
Mir war's, sie müßte wieder vor uns stehn
Mit jenem Blick, davor der Seele grauet.
Da plötzlich draußen schwoll der Sturm mit Macht,
Es pfiff im Rauchfang, rauscht in den Tapeten;
Zur Kerze griff ich: Alter, gute Nacht!
Laßt uns für die verlorne Seele beten!


Der Einsiedler.

Wie ward mir das Gewühle
Der Welt doch gar zur Last!
Es rauscht der Wald so kühle,
Und lockt zu süßer Rast.
Fahrt wohl denn ihr Beschwerden,
Fahr wohl o Lust der Erden!
Ein Siedler will ich werden,
Der Wildniß stiller Gast.

Mein Wamms von Purpursammet,
Ich muß dich von mir thun:
Mein Schwert, hast ausgeflammet,
Ein Grabscheit wirst du nun.
Fleuch auf, mein Falk, mit Schalle!
Trab heim, mein Roß, zum Stalle!
Der Goldsporn bricht, ich walle
Fortan auf Sandelschuh'n.

Ich will ein Haus mir bauen
Hier zwischen Eich' und Tann
Aus Stämmen unbehauen
Mit Moos und Flechten dran:
Ein Kreuzlein will ich schneiden
Aus jenen Hängeweiden,
Und mich in Felle kleiden,
Wie weiland Sankt Johann.

Im hohlen Baum die Waben,
Sie reichen Honig dar;
Nach Wurzeln kann ich graben
Die längste Zeit im Jahr;
Und dort von fels'ger Schwelle
Hüpft braun herab die Quelle,
Wie schimmert ihre Welle
In hohler Hand so klar!

Ein Gärtlein soll umhegen
Die dunkle Siedelei,
Drin will ich Rosen pflegen
Und Rosmarin dabei:
Will aus dem Born sie tränken,
Und wenn sie welk sich senken,
Im Herzen still gedenken,
Daß Lieb' ein Schatten sei.

Und kommt zu meiner Zellen
Ein Reh die grüne Bahn,
Das wähl' ich zum Gesellen,
und zieh' es treu heran:
Auf meinem Bett von Ranken
Da ruh' es seine Flanken:
Es wird mir besser danken,
Als je ein Mensch gethan.

So will ich Umgang pflegen,
Mit Rosen, Reh und Hain,
Gegrüßt auf meinen Wegen
Vom Sonnenstrahl allein;
Und jeden Abend treten
Will ich zum Kreuz und beten
Den Einen Spruch, den steten:
»Herr, nimm zu dir mich ein!«

Und so mich Gott erhöret,
Da sei der Forst mein Grab,
Wo mich kein Reigen störet,
Und keines Rosses Trab.
Wildröslein, roth und bleiche,
Bestatten fromm die Leiche,
Es singt von dunkler Eiche
Die Nachtigall herab.


Gesicht im Walde.

Ich hatte mich verirrt im tiefsten Wald.
Schwarz war die Nacht, unheimlich troff der Regen,
Der Sturm ging in den Wipfeln wild und kalt.

Da sah ich plötzlich unfern meinen Wegen
Durch's feuchte Laub glutrothe Funken sprühn,
Und Hammerschläge dröhnten mir entgegen.

Durch Dornen und durch Buschwerk drang ich kühn;
Und bald gewahrt' ich, rings vom Wald umfangen,
In hoher Wall' ein Schmiedesfeuer glühn.

Drei Riesen waren's, die die Hämmer schwangen,
Berußt, die Augen nur auf's Werk gekehrt,
Dazu sie schauerliche Weisen sangen.

Sie schmiedeten an einem großen Schwert:
Zweischneidig war's, der Griff als Kreuz gestaltet,
Die Kling' ein Strahl, der züngelnd niederfährt.

Und Einer sang in Tönen fast veraltet,
Doch also tief, wie wenn emporgeschwellt
Der mächt'ge Hauch in dumpfer Orgel waltet:

»Es rührt im Birnbaum auf dem Walserfeld
Sich schon der Saft, und seinem Volk zum Heile
Erscheinen wird der langersehnte Held.

Drum rüstig mit dem Hammer, mit der Feile!
Das Schwert, das Königsschwert muß fertig sein,
Und unser Werk hat Eile, Eile, Eile!«

Er schwieg, und singend fiel der Zweite ein
Mit einer Stimm', als wollt er aus den Grüften
Mit Erzposaunenschall die Todten schrei'n:

»Es hat zu Nacht gedonnert in den Klüften
Des alten Bergs, den man Kyffhäuser heißt,
Und einen Adler sah ich in den Lüften.

Wie Sturmesrauschen klingt es, wenn er kreis't,
In seinen Fängen trägt er Blitzeskeile;
Die Rabenbrut entflieht, wo er sich weis't.

Drum rüstig mit dem Hammer, mit der Feile!
Zur rechten Stunde sei das Werk gethan;
Das Kreuzesschwert hat Eile, Eile, Eile!«

Und tief einfallend hub der Dritte an,
Das scholl, wie unterird'sche Donner grollen,
Wenn sich die Lava rühret im Vulkan:

»Die Zeit ist schwanger, aus den dürren Schollen
Wird eisern aufgehn eine Kriegersaat;
Sein rothes Banner wird der Kampf entrollen.

Drum schreiten hohe Geister früh und spat
Durch's deutsche Land und pochen an die Thüren,
Und mahnen laut: der Tag des Schicksals naht!

Viel eitles Blendwerk wird der Feind erküren,
Mit Lächeln locken, dräun mit Blitzgeschoß;
O lasse keiner dann sein Herz verführen!

Denn Füße nur von Thon hat der Koloß,
Und stürzen wird er über kurze Weile,
Im Fall begrabend seiner Knechte Troß.

Drum rüstig mit dem Hammer, mit der Feile!
Ihr Bälge blast, ihr Funken sprüht empor!
Das Schwert des Siegs hat Eile, Eile, Eile!«

So sangen sie. Dann schwieg der dumpfe Chor;
In kaltem Schauer bebten meine Glieder,
Doch wagt' ich nicht mich in der Halle Thor.

Zurück ins schwarze Dickicht floh ich wieder,
Und sah verlöschen bald der Flammen Licht,
Nur bang im Haupt noch summten mir die Lieder.

Kaum weiß ich jetzt, war's Traumbild, war's Gesicht?
Doch mahnt es, daß auch wir das Schwert bereiten,
Das Schwert des Geistes, welches nie zerbricht.

Wachet und betet! Schwer sind diese Zeiten.


Lied.

Ich habe wohl in jungen Tagen
Mich stark in mir geglaubt und fest,
Und keck der Sorgen mich entschlagen,
Sah ich den Vogel bau'n sein Nest.
Doch kommt die Zeit, wo auch den Sänger
Die Sehnsucht fasset bang und bänger,
Und wo das müde Herz nicht länger
Sich um sein Recht betrügen läßt.

Nun blüht um mich das Land der Reben,
Und Burgen winken über'm Rhein;
Mich trägt der Kahn mit leisem Schweben
Das Thal entlang im Abendschein.
Der Festtag ruft mit hellen Geigen
Die Winzer von den Felsensteigen,
Der Becher schäumt, es klingt der Reigen;
Was kümmert's mich? – ich bin allein.

O dürft' ich nicht mehr suchend schweifen
Von Ort zu Ort, ein fremder Gast!
Dürft' ich mein stilles Theil ergreifen,
Mein Theil der Lust, mein Theil der Last!
Schlüg' endlich mir ein Herz entgegen,
Die heißen Schläfe dran zu legen!
Denn nur von innen kommt der Segen,
Und nur die Liebe bringet Rast.


Sanssouci.

Dies ist der Königspark. Rings Bäume, Blumen, Vasen;
Sieh, wie ins Muschelhorn die Steintritonen blasen!
Die Nymphe spiegelt klar sich in des Beckens Schooß;
Sieh hier der Flora Bild in hoher Rosen Mitten,
Die Laubengänge sieh, so regelrecht geschnitten,
Als wären's Verse Boileau's!

Vorbei am luft'gen Haus voll fremder Vögelstimmen
Laß uns den Hang empor zu den Terrassen klimmen,
Die der Orange Wuchs umkränzt mit falbem Grün!
Dort oben ragt, wo frisch sich Tann' und Buche mischen,
Das schmucklos heitre Schloß mit breiten Fensternischen,
Darin des Abends Feuer glühn.

Dort lehnt ein Mann im Stuhl: sein Haupt ist vorgesunken,
Sein blaues Auge sinnt, und oft in hellen Funken
Entzündet sich's; so sprüht aus dunkler Luft ein Blitz,
Ein dreigespitzter Hut bedeckt der Schläfe Weichen,
Sein Krückstock irrt im Sand und schreibt verworr'ne Zeichen –
Nicht irrst du, das ist König Fritz.

Er sitzt und sinnt und schreibt. Kannst du sein Brüten deuten?
Denkt er an Kunersdorf, an Roßbach oder Leuthen,
An Hochkirchs Nacht, durchglüht von Flammen hundertfach?
Wie dort im rothen Qualm gegrollt die Feldkanonen,
Indeß die Reiterei mit rasselnden Schwadronen
Der Grenadiere Viereck brach.

Schwebt ein Gesetz ihm vor, mit dem er weis' und milde
Sein schlachterstarktes Volk zu schöner Menschheit bilde,
Ein Friedensgruß, wo jüngst die Kriegespauke scholl?
Ersinnt er einen Rein, der seinen Sieg verkläre,
Oder ein Epigramm, mit dem bei Tisch Voltaire,
Der Schalk, gezüchtigt werden soll?

Vielleicht auch treten ihm die Bilder nah, die alten,
Da er im Mondenlicht in seines Schlafrocks Falten
Die sanfte Flöt' ergriff, des Vaters Aergerniß;
Des treuen Freundes Geist will er heraufbeschwören,
Dem – ach, um ihn – das Blei aus sieben Feuerröhren
Die kühne Jünglingsbrust zerriß.

Träumt in die Zukunft er? Zeigt ihm den immer vollern,
Den immer kühnern Flug des Aars von Hohenzollern,
Der schon den Doppelaar gebändigt, ein Gesicht?
Gedenkt er, wie dereinst ganz Deutschland hoffend lausche
Und bangend, wenn daher sein schwarzer Fittich rausche? –
O nein, das Alles ist es nicht.

Er murrt: »O Schmerz, als Held gesandt sein einem Volke,
Dem nie der Muse Bild erschien auf goldner Wolke!
August sein auf dem Thron, wenn kein Horaz ihn singt!
Was hilft's, vom fremden Schwan die weißen Federn borgen!
Und doch, was bleibt uns sonst? – Erschein', erschein', o Morgen,
Der uns den Götterliebling bringt!«

Er spricht's und ahnet nicht, daß jene Morgenröthe
Den Horizont schon küßt, daß schon der junge Goethe
Mit seiner Rechten fast den vollen Kranz berührt,
Er, der das scheue Kind, noch roth von süßem Schrecken,
Die deutsche Poesie aus welschen Taxushecken
Zum freien Dichterwalde führt.


Barbarossa's Erwachen.

Jüngling.

Durch den Wald, durch den Wald,
Den Felsenspalt
Klimm' ich hinunter,
Alter Kaiser, zu dir,
Und rufe dich munter.
O nimm von mir
Die Last, den Kummer!

Kaiser.

Was störst du mich aus hundertjähr'gem Schlummer?
Rede, Geselle!

Jüngling.

Draußen toset die Brandung der Zeit.
Sie warf mich wie die sterbende Welle
Hier aus in deine Einsamkeit.
O, eh' ich mich wieder hinunterwage,
Sag' wie ich's trage!
Gieb Rath, gieb Weisheit!

Kaiser.

Was fandest du?

Jüngling.

Nirgends Ruh!
Ueberall ein Stürmen, ein Drängen
In den Herzen, in den Gesängen.
Nirgends mehr ein sicheres Bildnis,
Alle Farben fließend verwischt,
Und in sündlicher Wildniß
Nacht und Klarheit,
Lüg' und Wahrheit,
Recht und Frevel zusammengemischt.

Kaiser.

Und im Volke die Alten?

Jüngling.

Die stützen und halten,
Halten das Gute, halten das Schlimme.
Sie hören nicht die Gottesstimme,
Die nächtlich durch das Land sich schwingt,
Und leise lockend, leise,
Wie eine Frühlingsweise
Von einer reichen Zukunft singt.
Der Lenz ist ihnen zu grün,
Zu hell die Sonne,
Der Jugend schwellende Wonne
Zu stolz, zu kühn.
Sie zertrümmern feindlich die Flasche
Voll feurig gährenden Weins,
Und wissen nur Eins:
Die Flamm' ist gefährlicher als die Asche.

Kaiser.

Aber die Jungen?

Jüngling.

Die schelten und meistern mit kecken Zungen;
Nichts ist ihnen recht,
Alles soll anders werden
Im Himmel und auf Erden,
Und wer nicht mitschreit, heißt ein Knecht.
Sie möchten das Höchste zu unterst kehren,
Um selbst zu herrschen nach eignem Begehren;
Der Glaub' ist ihnen ein Fastnachtsscherz,
Eine Thorheit das Herz.
Ach, und so viele
Treiben's zum Spiele!
Nach Freiheit rufen sie männiglich,
Und sind der eigenen Lüfte Knechte;
Sie reden vom ewigen Menschenrechte,
Und meinen doch nur ihr kleines Ich.
Sie wollen der Wahrheit Schlachten schlagen
Und die Lüg' ist ihr Schwert,
Wollen die Welt auf den Schultern tragen
Und ordnen kaum den eignen Herd.

Kaiser.

Thoren! Sie schießen nach den Sternen,
Doch sie werden das Treffen nicht lernen.
Die Welten wandeln ihren Gang
Ruhig entlang,
Und lächeln auf die Knaben herunter.

Jüngling.

Aber es sind auch andre drunter,
Ein welfisch ehrenwerth Geschlecht;
Sie klagen um zertretnes Recht.
Sie haben geredet, gerufen
Vor den Hallen, an den Stufen,
Sie haben geläutet unverdrossen
Im Trauergewand, in der Flehenden Kleid,
Aber es blieb vor ihnen verschlossen
Die Pforte der Gerechtigkeit.
Gilt es nicht da, das Schwert zu schleifen?

Kaiser.

Laß reifen, laß reifen!
Tändle nicht mit tödtlichen Waffen!
Im Alles verwettenden Spiele
Was magst du schaffen?
Denn wenn der Würfel nun anders fiele,
Als du gedacht?
Wenn unter des Fremdlings Sichelschneide
Die junge Saat hinsänke mit Leide,
Kaum zur grünen Hoffnung erwacht?
Harre, doch sei nicht angstbeklommen.
Der Lenz wird kommen
Plötzlich geboren über Nacht.

Jüngling.

Wie lange wird er noch verziehn!
Oft will die Last mich niederpressen –

Kaiser.

Wirf deine Sorgen all' auf ihn,
Der droben auf ewigem Stuhl ist gesessen!
Er hat auch euer nicht vergessen.
Die Stunde kennt er, die Wege.
Du aber pflege
Der Gabe, die er dir gnädig beschied,
In That und Lied.
Schaue fest auf das Ziel deiner Reise!
Der ist der Weise,
Der es nimmer vergaß;
Wirke treu im befriedeten Kreise,
Und halte Maß.


Minnelied.

Es giebt wohl Manches, was entzücket,
Es giebt wohl Vieles, was gefällt;
Der Mai, der sich mit Blumen schmücket,
Die güldne Sonn' im blauen Zelt.
Doch weiß ich Eins, das schafft mehr Wonne,
Als jeder Glanz der Morgensonne,
Als Rosenblüt' und Lilienreis;
Das ist, getreu im tiefsten Sinne
Zu tragen eine fromme Minne,
Davon nur Gott im Himmel weiß.

Wem er ein solches Gut beschieden,
Der freue sich und sei getrost!
Ihm ward ein wunderbarer Frieden,
Wie wild des Lebens Brandung tost.
Mag alles Leiden auf ihn schlagen:
Sie lehrt ihn nimmermehr verzagen,
Sie ist ihm Hort und sichrer Thurm;
Sie bleibt im Labyrinth der Schmerzen
Die Fackelträgerin dem Herzen,
Bleibt Lenz im Winter, Ruh im Sturm.

Doch suchst umsonst auf irrem Pfade
Die Liebe du im Drang der Welt;
Denn Lieb' ist Wunder, Lieb' ist Gnade,
Die wie der Thau vom Himmel fällt.
Sie kommt wie Nelkenduft im Winde,
Sie kommt, wie durch die Nacht gelinde
Aus Wolken fließt des Mondes Schein;
Da gilt kein Ringen, kein Verlangen,
In Demuth magst du sie empfangen,
Als kehrt' ein Engel bei dir ein.

Und mit ihr kommt ein Bangen, Zagen,
Ein Träumen aller Welt versteckt;
Mit Freuden mußt du Leide tragen,
Bis aus dem Leid ihr Kuß dich weckt;
Dann ist dein Leben ein geweihtes,
In deinem Wesen blüht ein zweites,
Ein reineres voll Licht und Ruh;
Und todesfroh in raschem Fluten
Fühlst du das eigne Ich verbluten,
Weil du nur wohnen magst im Du.

Das ist die köstlichste der Gaben,
Die Gott dem Menschenherzen giebt,
Die eitle Selbstsucht zu begraben,
Indem die Seele glüht und liebt.
O süß Empfangen, sel'ges Geben!
O schönes Ineinanderweben!
Hier heißt Gewinn, was sonst Verlust.
Je mehr du schenkst, je froher scheinst du,
Je mehr du nimmst, je sel'ger weinst du –
O gieb das Herz aus deiner Brust!

In ihremAuge deineThränen,
IhrLächeln sanft um deinenMund,
Und all dein Denken, Träumen, Sehnen,
Ob's dein, ob's ihr, dir ist's nicht kund.
Wie wenn zwei Büsche sich verschlingen,
Aus denen junge Rosen springen,
Die weiß, die andern roth erglüht,
Und keiner merkt, aus wessen Zweigen
Die hellen und die dunkeln steigen:
So ist's; du fühlest nur: es blüht.

Es blüht; es ist ein Lenz tiefinnen,
Ein Geisteslenz für immerdar;
Du fühlst in dir die Ströme rinnen
Der ew'gen Jugend wunderbar.
Die Flammen, die in dir frohlocken,
Sind stärker als die Aschenflocken,
Mit denen Alter droht und Zeit;
Es leert umsonst der Tod den Köcher,
So trinkst du aus der Liebe Becher
Den süßen Wein: Unsterblichkeit.

Spät ist es – hinter dunkeln Gipfeln
Färbt golden sich der Wolken Flaum;
Tiefröthlich steigt aus Buchenwipfeln
Der Mond empor am Himmelssaum.
Der Wind fährt auf in Sprüngen, losen,
Und spielet mit den weißen Rosen,
Die rankend blühn am Fenster mir.
O säuselt, säuselt fort, ihr Lüfte,
Und tragt getaucht in Blumendüfte
Dies Lied und meinen Gruß zu ihr!



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