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Lieder als Intermezzo.


I.

Wenn die Sonne hoch und heiter
Lächelt, wenn der Tag sich neigt,
Liebe bleibt die goldne Leiter,
Drauf das Herz zum Himmel steigt;

Ob der Jüngling sie empfinde,
Den es zur Geliebten zieht,
Ob die Mutter sie dem Kinde
Sing' als süßes Wiegenlied,

Ob der Freund dem Freund sie spende,
Den er fest im Arme hält,
Ob der hohe Greis sie wende
Auf den weiten Kreis der Welt,

Ob der Heimath sie der Streiter
Zolle, wenn er wund sich neigt:
Liebe bleibt die goldne Leiter,
Drauf das Herz zum Himmel steigt.


II.

Und als ich aufstand früh am Tag
Und meinte, daß es noch Winter sei,
Da jauchzte schon mit lustigen Schlag
Die Lerch' an meinem Fenster frei:
Tirili, tirili! Vom blöden Traum,
Langschläfer, bist du endlich erwacht?
Du schliefst und merktest das Süße kaum,
Denn sacht, denn sacht
Ist kommen der Frühling über Nacht.

Und als ich schaute zum Himmelsraum,
Da war er so blau, da war er so weit;
Und als ich blickt' auf Strauch und Baum,
Da trugen sie all ein grünes Kleid.
Und als ich sah in die eigene Brust,
Da saß die Liebe darin und sang
Was selber so süß ich nimmer gewußt;
Das klang, das klang,
Und soll nun klingen mein Leben lang.


III.

Sind die Sterne fromme Lämmer,
Die, wenn fern die Sonne scheidet,
Auf den blauen Himmelsfluren
Still die Nacht, die Hirtin, weidet?

Oder sind es Silberlilien,
Die den reinen Kelch erschließen
Und des Schlummerduftes Wogen
Durch die müde Welt ergießen?

Oder sind es lichte Kerzen,
Die am Hochaltare funkeln,
Wenn der weite Dom der Lüfte
Sich erfüllt mit heil'gen Dunkeln?

Nein! es sind die Silberlettern,
Drin ein Engel uns vom Lieben
In das blaue Buch des Himmels
Tausend Lieder aufgeschrieben.


IV.

Herab von den Bergen zum Thale,
Vom Thal zu den Höhen hinan,
So zieh' ich wohl tausendmale,
Der Frühling zieht mir voran.

Der Strom im Morgenrothe
Lockt blinkend das Ufer entlang;
Der Mond, der Friedensbote,
Geht mit mir am Himmel den Gang,

Und alle die Vögel die singen
Im Walde so wundervoll
Von tausend herrlichen Dingen,
Die ich noch finden soll.

Sie singen: Wohl weit in der Ferne
Da rauschet ein waldiger Grund,
Drin glänzen zwei selige Sterne,
Drin blüht ein vielrosiger Mund.

Die Sterne, die sollen dich grüßen
So fromm, wie sie einem gethan,
Den Mund, den Mund sollst du küssen,
Du glücklicher Wandersmann


V.

Gebt mir vom Becher nur den Schaum,
Den leichten Schaum der Reben!
Gebt nur einen flüchtigen Liebestraum
Mir für dies flüchtige Leben!

Den vollen Zug, das sichre Gut,
Ich gönn' es jedem Andern,
Der fest am eignen Herde ruht;
Ich aber muß schweifen und wandern,

Muß schweifen und wandern hin und her
Auf allen Pfaden und Wegen,
Wohl über die Lande, wohl über das Meer,
Dem ewigen Lenz entgegen.

Und wo ein Blick mir freundlich glänzt,
Und wo auf meiner Reise
Ein Gastfreund mir den Wein kredenzt,
Da sing' ich die alte Weise:

Gebt mir vom Becher nur den Schaum,
Den leichten Schaum der Reben!
Gebt nur einen flüchtigen Liebestraum
Mir für dies flüchtige Leben!


VI.

Wenn die Reb' im Safte schwillt
Kommt die Schwalbe geflogen,
Wenn das Aug' in Thränen quillt,
Kommt die Liebe gezogen.

Blume, Laub und weiße Blüt'
Muß sich rasch entfalten.
Schwarzbraun Kind, dein Herz behüt,
Wirst es nicht behalten.


VII.

Der Frühling ist ein starker Held,
Ein Ritter sonder Gleichen,
Die rothe Ros' im grünen Feld
Das ist sein Wappen und Zeichen.
Sein Schwert von Sonnenglanze schwang
Er kühn und unermüdet,
Bis hell der silberne Panzer sprang,
Den sich der Winter geschmiedet.

Und nun mit triumphirendem Schall
Durchzieht er Land und Wogen;
Als Herold kommt die Nachtigall
vor ihm daher geflogen.

Und rings erschallt an jedes Herz
Sein Aufruf aller Orten,
Und hüllt es sich in dreifach Erz,
Es muß ihm öffnen die Pforten;

Es muß ihm öffnen die Pforten dicht,
Und darf sich nimmer entschuld'gen,
Und muß der Königin, die er verficht,
Der Königin Minne huld'gen.


VIII.

Die Liebe gleicht dem April:
Bald Frost, bald fröhliche Strahlen,
Bald Blüten in Herzen und Thalen,
Bald stürmisch und bald still,
Bald heimliches Ringen und Dehnen,
Bald Wolken, Regen und Thränen –
Im ewigen Schwanken und Sehnen
Wer weiß, was werden will!


IX.

Die stille Wasserrose
Steigt aus dem blauen See,
Die feuchten Blätter zittern,
Der Kelch ist weiß wie Schnee.

Da gießt der Mond vom Himmel
All seinen goldnen Schein,
Gießt alle seine Strahlen
In ihren Schooß hinein.

Im Wasser um die Blume
Streifet ein weißer Schwan:
Er singt so süß, so leise,
Und schaut die Blume an.

Er singt so süß, so leise,
Und will im Singen vergehn –
O Blume, weiße Blume,
Kannst du das Lied verstehn?


X.

Ich bin die Rose auf der Au,
Die still in Düften leuchtet;
Doch du, o Liebe, bist der Thau,
Der nährend sie befeuchtet.

Ich bin der dunkle Edelstein,
Aus tiefem Schacht gewühlet;
Du aber bist der Sonnenschein,
Darin er Farben spielet.

Ich bin der Becher von Krystall,
Aus dem der König trinket;
Du bist des Weines süßer Schwall,
Der purpurn ihn durchblinket.

Ich bin die trübe Wolkenwand,
Am Himmel aufgezogen;
Doch du bist klar auf mich gespannt
Als bunter Regenbogen.

Ich bin der Memnon stumm und todt,
Von Wüstennacht bedecket;
Du hast den Klang als Morgenroth
In meiner Brust erwecket.

Ich bin der Mensch, der vielbewegt
Durchirrt das Thal der Mängel;
Du aber bist's, die stark mich trägt,
Ein lichter Gottesengel.


XI.

Kornblumen flecht' ich dir zum Kranz
Ins blonde Lockenhaar.
Wie leuchtet doch der blaue Glanz
Auf goldnem Grund so klar!

Der blaue Kranz ist meine Lust;
Er sagt mir stets aufs neu,
Wohl keine sei in tiefster Brust
Wie du, mein Kind, so treu.

Auch mahnt sein Himmelblau zugleich
Mich heimlich süßer Art,
Daß mir ein ganzes Himmelreich
In deiner Liebe ward.


XII.

Du bist so still, so sanft, so sinnig,
Und schau' ich dir ins Angesicht,
Da leuchtet mir verständnißinnig
Der dunklen Augen frommes Licht.

Nicht Worte giebst du dem Gefühle,
Du redest nicht, du lächelst nur;
So lächelt in des Abends Kühle
Der lichte Mond auf Wald und Flur.

In Traumesdämmerung allmählich
Zerrinnt die ganze Seele mir,
Und nur das Eine fühl' ich selig,
Daß ich vereinigt bin mit dir.


XIII.

Mein Herz ist wie die dunkle Nacht,
Wenn alle Wipfel rauschen;
Da steigt der Mond in voller Pracht
Aus Wolken sacht –
Und sieh, der Wald verstummt in tiefem Lauschen.

Der Mond, der helle Mond bist du:
Aus deiner Liebesfülle
Wirf Einen, Einen Blick mir zu
Voll Himmelsruh –
Und sieh, dies ungestüme Herz wird stille.


XIV.

Aus zerrissnen Wolkenmassen
Steigt ins Blau der goldne Mond
Und beglänzt den Bergesgipfel,
Wo die Burgruine thront.

Am bemoosten Thurme steh' ich,
Himmelwärts das Angesicht,
Und ich horche, und ich lausche,
Was der Mond herniederspricht.

Von vieltausend Mädchenaugen
Ist's ein wunderbares Lied,
Von vieltausend rothen Küssen,
Die er in den Thalen sieht.

Und schon will er mir erzählen
Von dem fernen blonden Kind
Ach, da kommen dunkle Wolken
Und das Lied verweht im Wind.


XV.

Ich möchte sterben wie der Schwan,
Der, langsam rudernd mit den Schwingen,
Auf seiner blauen Wasserbahn
Die Seele löst in leisem Singen.

Und starb er, wenn der Abend schied
Mit goldnem Kusse von den Gipfeln:
Nachhallend säuselt noch das Lied
Die ganze Nacht in Busch und Wipfeln.

O würde mir ein solch Geschick!
Dürft unter Liedern ich erblassen!
Könnt' ich ein Echo voll Musik
Dem Volk der Deutschen hinterlassen!

Doch Größern nur ward solch ein Klang,
Nur Auserwählten unter Vielen –
Mir wird im Tode kein Gesang
Verklärend um die Lippen spielen.

Tonlos werd' ich hinübergehn,
Man wird mich stumm zur Grube tragen,
Und wenn die Feier ist geschehn,
Wird niemand weiter nach mir fragen.


XVI.

Vöglein, wohin so schnell?
»Nach Norden, nach Norden!
Dort scheint die Sonne nun so hell,
Dort ist's nun Frühling worden.«

O Vöglein mit den Flügeln bunt,
Und wenn du kommst zum Lindengrund,
Zum Hause meiner Lieben,
Dann sag' ihr, daß ich Tag und Nacht
von ihr geträumt, an sie gedacht,
Und daß ich treu geblieben.

Und die Blumen im Thal
Grüß tausend, tausendmal.


XVII.

Die Liebe saß als Nachtigall
Im Rosenbusch und sang,
Es flog der wundersüße Schall
Den grünen Wald entlang.

Und wie er klang, da stieg im Kreis
Aus tausend Kelchen Duft,
Und alle Wipfel rauschten leis,
Und leise ging die Luft.

Die Bäche schwiegen, die noch kaum
Geplätschert von den Höhn,
Die Rehlein standen wie im Traum
Und lauschten dem Getön.

Und hell und immer heller floß
Der Sonne Glanz herein,
Um Blumen, Wald und Schlucht ergoß
Sich goldig rother Schein.

Ich aber zog den Weg entlang
Und hörte auch den Schall –
Ach, was seit jener Stund' ich sang,
War nun sein Wiederhall.


XVIII.

Es stand ein Veilchenstrauß an meinem Bette,
Der duftete mir zu gar süßen Traum:
Ich lag am Abhang einer Hügelkette,
Und überblüht von Veilchen war der Raum:
So viele wuchsen nie an einer Stätte,
Man sah vor ihrem Blau den Rasen kaum;
Da sprach das Herz: Hier ging mein Lieb, das traute,
Und Veilchen sproßten auf, wohin sie schaute.


XIX.

So halt' ich endlich dich umfangen,
In süßes Schweigen starb das Wort,
Und meine trunknen Lippen hangen
An deinen Lippen fort und fort.

Was nur das Glück vermag zu geben,
In sel'ger Fülle ist es mein:
Ich habe dich, geliebtes Leben,
Was braucht es mehr, als dich allein?

O, decke jetzt des Schicksals Wille
Mit Nacht die Welt und ihre Zier,
Und nur dein Auge schwebe stille,
Ein blauer Himmel, über mir!


XX.

Wohl lag ich einst in Gram und Schmerz,
Da weint' ich Nacht und Tag;
Nun wein' ich wieder, weil mein Herz
Sein Glück nicht fassen mag.

Mir ist's, als trüg' ich in der Brust
Das ganze Himmelreich –
O höchstes Leid, o höchste Lust,
Wie seid ihr euch so gleich!


XXI.

Nun ist der Tag geschieden
Mit seinem Drang und Schall,
Es weht ein kühler Frieden
Durch's Dunkel überall.

Wie still die Felder liegen!
Der Wald nur ist erwacht,
Und was er dem Lichte verschwiegen,
Das singt er leise der Nacht.

Und was ich am lauten Tage
Dir nimmer sagen kann,
Nun möch ich dir's sagen und klagen
O komm und hör' mich an!


XXII.

Wenn still mit seinen letzten Flammen
Der Abend in das Meer versank,
Dann wandeln traulich wir zusammen
Am Waldgestad im Buchengang.

Wir sehn den Mond durch Wolken steigen,
Wir hören fern die Nachtigall,
Wir athmen Düfte, doch wir schweigen
Was soll der Worte leerer Schall?

Das höchste Glück hat keine Lieder,
Der Liebe Lust ist still und mild;
Ein Kuß, ein Blicken hin und wieder,
Und alle Sehnsucht ist gestillt.


XXIII.

Nun hab' ich alle Seligkeit
Erloost von dieser Erden!
An keinem Ort, zu keiner Zeit
Mag Bessres je mir werden.

Was nur das Herz zum Himmel hebt,
Bescheerte mir die Stunde,
Der Liebe voller Becher schwebt
An meinem durst'gen Munde.

O könnt' ich leeren den Pokal,
Eh dort verlöscht die Sonne,
Und dann mit ihrem letzten Strahl
Vergehn vor Liebeswonne!


XXIV.

Du fragst mich, du mein blondes Lieb,
Warum so stumm mein Mund?
Weil mir die Liebe sitzet,
      Heimlich sitzet
   Im Herzensgrund.

Kann denn die Flamme singen,
Wenn sie zum Himmel will?
Sie schlägt die Flügel hoch und roth,
      So hoch und roth
   Und doch so still.

Die Ros' auch kann nicht sprechen,
Wenn sie zur Blüth' erwacht:
Sie glüht und duftet stumm hindurch,
      Stumm hindurch
   Die Sommernacht.

So ist auch meine Minne,
Seit du dich mir geneigt;
Sie glüht und blüht im Sinne,
      Tief in Sinne,
   Aber sie schweigt.


XXV.

Wem in Rosen und in Blüten
Sich verliert des Lebens Pfad.
Mag die eigne Seele hüten,
Denn gewiß, die Trauer naht.

Da ich alle Lust besessen,
Unter Liebesblick und Kuß
Hatt' ich Sel'ger, ach, vergessen,
Daß ich wieder scheiden muß.

O wie blickt mich nun die weite
Welt so kalt und finster an!
War's doch nur an deiner Seite,
Daß ich all mein Glück gewann.

Früher mocht' ich's schon ertragen,
Dieses Schweifen ohne Licht,
Denn mit Blindheit selbst geschlagen
Kannt' ich noch die Sonne nicht.

Aber jetzt begreif' ich's nimmer,
Was noch bleiben kann für mich. –
Welch ein Leben ohne Schimmer
Werd' ich leben ohne dich!


XXVI.

Goldne Brücken seien
Alle Lieder mir,
Drauf die Liebe wandelt,
Süßes Kind, zu dir.

Und des Traumes Flügel
Soll in Lust und Schmerz
Jede Nacht mich tragen
An dein treues Herz.


XXVII.

Nun ist der letzte Tag erschienen
Und sonnig blickt er in das Thal.
Der Wald scheint tiefer heut zu grünen
Und Blumen duften ohne Zahl,
Es wogt das Korn in goldnen Aehren,
Die Vögel singen wie zum Fest,
Der Himmel selbst will uns verklären
Der süßen Stunden kurzen Rest.

O laß noch heute drum das Härmen!
Noch ruh' ich ja an deiner Brust.
Wie Jephtas Tochter wolle schwärmen
Durch Berg und Thal in reiner Lust!
Ergieb dich selig dem Genusse,
Bis fern der Sonne Strahl verglimmt
Und mit dem letzten Abschiedskusse
Den Kelch uns von den Lippen nimmt.


XXVIII.

Viel tausend, tausend Küsse gieb,
Süß Liebchen, mir beim Scheiden!
Viel tausend Küsse, süßes Lieb,
Geb' ich zurück mit Freuden.

Was ist die Welt doch gar ohn' End'
Mit ihren Bergen und Meeren,
Daß sie zwei treue Herzen trennt,
Die gut beisammen wären!

Ich wollt', ich wär' ein Vögelein,
Da flög' ich hoch im Winde
Alle Nacht, alle Nacht im Mondenschein
Zu meinem blonden Kinde.

Und fänd' ich sie betrübt zum Tod,
Da wollt ich mit ihr klagen;
Doch fänd' ich mein Röslein frisch und roth,
Wie wollt ich jauchzen und schlagen!

Wie wollt' ich mit dem süßen Schall
Die stille Nacht durchklingen!
Im Busch, im Busch die Nachtigall
Sollte nicht besser singen.

O tausend, tausend Küsse gieb,
Süß Liebchen mir beim Scheiden!
Viel tausend Küsse, süßes Lieb,
Geb' ich zurück mit Freuden.


XXIX.

Vorüber ist die Rosenzeit,
Und Lilien stehn im Feld;
Doch drüber liegt so klar und weit
Das blaue Himmelszelt.

Fahr' hin, du qualenvolle Lust,
Du rasches Liebesglück!
Du lässest doch in meiner Brust
Ein ruhig Licht zurück.

Und nach dem Drang von Freud' und Leid
Däucht mir so schön die Welt;
Vorüber ist die Rosenzeit,
Und Lilien stehn im Feld.


XXX.

Wie lang ist's doch, daß ich nicht sang?
Wohl Monden sind dahin gegangen –
Ein langer Winter trüb und bang
Hielt mir zuletzt den Sinn befangen.

Er brachte mir des Bittern viel;
Es waren da viel falsche Zungen,
Die trieben gar ein schlimmes Spiel,
So daß mir fast das Herz zersprungen.

Zu fremder Thorheit eigne Schuld
Versehrte mich mit gift'gen Pfeilen –
Doch nun Geduld, o Herz, Geduld!
Der Frühling kommt, er wird dich heilen.

Die ersten Knospen werden wach,
Der Bach entrauscht in schnellen Wogen;
Mein dumpfes Grämen rauscht ihm nach –
Frischauf, und in die Welt gezogen!


XXXI.

Im Wald, im hellen Sonnenschein,
Wenn alle Knospen springen,
Da mag ich gerne mittendrein
Eins singen.

Wie mir zu Muth in Leid und Lust,
Im Wachen und im Träumen,
Das stimm' ich an aus voller Brust
Den Bäumen.

Und sie verstehen mich gar fein,
Die Blätter alle lauschen,
Und fall'n am rechten Orte ein
Mit Rauschen.

Und weiter wandelt Schall und Hall
In Wipfeln, Fels und Büschen,
Hell schmettert auch Frau Nachtigall
Dazwischen.

Da fühlt die Brust am eignen Klang,
Sie darf sich was erkühnen
O frische Lust: Gesang! Gesang
Im Grünen!


XXXII.

Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus,
Da bleibe wer Lust hat mit Sorgen zu Haus;
Wie die Wolken wandern am himmlischen Zelt,
So steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.

Herr Vater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt!
Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht!
Es giebt so manche Straße, da nimmer ich marschirt,
Es giebt so manchen Wein, den ich nimmer noch probirt.

Frisch auf drum, frisch auf im hellen Sonnenstrahl
Wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Thal!
Die Quellen erklingen, die Bäume rauschen all,
Mein Herz ist wie 'ne Lerche, und stimmet ein mit Schall.

und Abends im Städtlein da kehr ich durstig ein:
»Herr Wirth, Herr Wirth, eine Kanne blanken Wein!
Ergreife die Fiedel, du lust'ger Spielmann du,
Von meinem Schatz das Liedel das sing' ich dazu.«

Und sind ich keine Herberg, so lieg' ich zu Nacht
Wohl unter blauem Himmel, die Sterne halten Wacht:
Im Winde die Linde, die rauscht mich ein gemach,
Es küsset in der Früh' das Morgenroth mich wach.

Wandern, o Wandern, du freie Burschenlust!
Da wehet Gottes Odem so frisch in die Brust;
Da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt:
Wie bist du doch so schön, o du weite, weite Welt!


XXXIII.

Die Lilien glühn in Düften,
Die Blüte spielt am Baum;
Hoch zieht in stillen Lüften
Im bunten Schmuck der Traum.

Und wo er blickt, da neigen
Die Blumen das Haupt überall;
Und wo er zieht, da schweigen
Waldrauschen und Nachtigall.

Mir wird das Herz so stille
In dieser milden Nacht,
Es bricht der eigne Wille,
Die alte Lieb' erwacht.

Fast ist's, als käm' ein Grüßen
Auf mich vom Himmelszelt,
Und Frieden möcht' ich schließen
Mit Gott und aller Welt.


XXXIV.

Es ist das Glück ein flüchtig Ding,
Und war's zu allen Tagen;
Und jagtest du um der Erde Ring,
Du möchtest es nicht erjagen.

Leg' dich lieber in's Gras voll Duft,
Und singe deine Lieder;
Plötzlich vielleicht aus blauer Luft
Fällt es auf dich hernieder.

Aber dann pack' es und halt' es fest
Und plaudre nicht viel dazwischen;
Wenn du zu lang' es warten läßt,
Möcht' es dir wieder entwischen.


XXXV.

Und gestern Noth und heute Wein,
Das ist's, was mir gefällt;
Und morgen ein Roß, ein schnelles Roß,
Zu reiten in die Welt.

Vergangnes Leid ist kaum ein Leid,
Und süß ist Jubel im Haus,
Und dazu ein Blick, ein heller Blick
In lust'ge Zeit hinaus.

Die Welt ist jetzt so frühlingsgrün
Und hat der Blumen so viel,
Hat Mägdlein schön wohl nah und fern,
Und klingend Saitenspiel.

Und bist du nur der rechte Mann,
Und greifest fröhlich drein,
So Ros' als Maid, so Lieb' als Lied
Ist Alles, Alles dein.

Drum gestern Noth und heute Wein,
Das ist's, was mir gefällt;
Und morgen zu Roß, wohl hoch zu Roß
Reit ich in alle Welt.


XXXVI.

Das ist's was an der Menschenbrust
Mich oftmals läßt verzagen,
Daß sie den Kummer wie die Lust
Vergißt in wenig Tagen.

Und ist der Schmerz, um den es weint,
Dem Herzen noch so heilig –
Der Vogel singt, die Sonne scheint,
Vergessen ist er eilig.

Und war die Freude noch so süß –
Ein Wölkchen kommt gezogen,
Und vom geträumten Paradies
Ist jede Spur verflogen.

Und fühl ich das, so weiß ich kaum,
Was weckt mir tiefern Schauer,
Daß gar so kurz der Freude Traum,
Oder so kurz die Trauer?


XXXVII.

Die Sonn' hebt an vom Wolkenzelt
Verstohlnen Glanz zu schießen;
Da giebt es rings in Wald und Feld
Ein Rauschen, Rieseln, Fließen.

Das Eis zergeht, der Schnee zerrinnt,
Dann grünt es über ein Weilchen,
Und leise singt der laue Wind:
Wacht auf, wacht auf ihr Veilchen!

O lindes Säuseln tief im Thal!
O erster Duft des Märzen!
Nun blüht und klingt die Welt zumal,
Nun klingt's auch mir im Herzen.

Und wie die Lüfte wundervoll
Sich blau und blauer dehnen –
Ich weiß nicht, was das werden soll,
Was will dies Ringen und Sehnen?

Mir wird die Brust so weit, so weit,
Als ob's drin blüht und triebe –
Kommst du noch einmal, Jugendzeit?
Kommst du noch einmal, Liebe?


XXXVIII.

O schneller mein Roß, mit Hast, mit Hast,
Wie säumig dünkt mich dein Jagen!
In den Wald, in den Wald meine selige Last,
Mein süßes Geheimniß zu tragen!

Es liegt ein trunkener Abendschein
Rothdämmernd über den Gipfeln,
Es jauchzen und wollen mit fröhlich sein
Die Vögel in allen Wipfeln.

O könnt' ich steigen mit Jubelschall
Wie die Lerch' empor aus den Gründen,
Und droben den rosigen Himmeln all
Mein Glück, mein Glück verkünden!

Oder ein Sturm mit Flügelgewalt
Zum Meer hinbrausen, dem blauen,
Und dort was im Herzen mir glüht und schallt,
Den verschwiegenen Wellen vertrauen!

Es darf mich hören kein menschlich Ohr,
Ich kann wie die Lerche nicht steigen,
Ich kann nicht mehr wie der Sturm empor,
und kann's doch nimmer verschweigen.

So wiss' es, du blinkender Mond im Fluß,
So wißt es, ihr Buchen im Grunde:
Sie ist mein, sie ist mein! Es brennt ihr Kuß
Auf meinem seligen Munde.


XXXIX.

Wohl springet aus dem Kiesel
Der Funk' in lichter Glut,
Wohl quillet aus der Traube
Das heiße Rebenblut,

Doch aus dem dunkeln Auge,
Dem holden Auge dein,
Da quillet nichts als Liebe
Mir tief in's Herz hinein.

Seit du zum erstenmale
Mich angesehen hast,
Da schwärmen meine Gedanken
Und haben nicht Ruh, noch Rast;

Sie schwärmen wie wilde Vögel
Durch Feld und Waldrevier,
Und über Busch und Wipfel
Allein zu dir, zu dir.

Und würden die Berge zu Golde,
Und würde das Meer zu Wein:
So wollt ich doch lieber, du Holde,
Du solltest mein eigen sein!


XL.

Es rauscht das rothe Laub zu meinen Füßen,
Doch wenn es wieder grünt, wo weil' ich dann?
Wo werden mich die ersten Schwalben grüßen?
Ach ferne, fern der Süßen,
Und nimmer bin ich mehr ein froher Mann.

Sonst sang ich stets durch Flur und Bergeshalde
Im braunen Herbst, in flock'ger Winterszeit:
O schöner Frühling, komm zu deinem Walde,
Komme balde, balde, balde!
Nun sing' ich: Schöner Frühling, bleibe weit!

Umsonst! Wie jetzt sich Haid' und Forst entkleiden,
So blühn sie neu; was kümmert sie mein Gram?
Das Veilchen kommt, ich muß es eben leiden,
Muß wandern und muß scheiden,
Doch o! – wie leb' ich, wenn ich Abschied nahm!


XLI.

Ich weiß nicht, wie's geschieht,
Daß, was mein Herz auch singt,
Mir immerdar in's Lied
Ein Klang der Liebe klingt;

Daß ich nicht schweigen kann
Von ihrem Paradies,
Wiewohl aus seinem Bann
Man lange mich verstieß.

Dann ahn' ich selber kaum:
Sing' ich von künft'gem Glück?
Sing' ich den süßen Traum
Der Jugend mir zurück?


XLII.

Ich bin so lang' in Berg und Thal
Gewandert manche Meile,
Daß ich auch möchte ruhn einmal,
Und wär's nur eine Weile.

Doch wo ich klopfe an die Thür
Und um ein Plätzchen bitte,
Da heißt es barsch: Was willst du hier
Mit deiner fremden Sitte?

Hier ist kein Amt und keine Zunft,
In die du könntest treten;
Die Welt ist kommen zur Vernunft,
Und braucht jetzt keine Poeten.

* * *

Und braucht die Welt der Lieder nicht,
Ich kann sie nicht entbehren;
Sie sind die Sterne, welche licht
Das Leben mir verklären.

Sie sind der Himmel, sind die Luft,
In der mein Wesen lebet,
Sie sind der ewige Rosenduft,
Der meinen Geist umwebet.

Sie sind mein Lenz, wenn weit und breit
Im Herbst die Blätter fallen,
Sie schlagen in trüber Winterzeit
Um mich als Nachtigallen.

Käm' ohne sie der Mai einmal,
Und käme selbst die Liebe,
Und brächten Wonnen sonder Zahl,
Mir däucht es alles trübe;

Und sollten sie mir einst vergehn,
So will ich mich legen zu Grabe,
Und will nicht eher auferstehn,
Bis ich sie wieder habe.



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