Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Ich erinnere mich aus meiner Knabenzeit her, daß einer meiner Lieblings-Zeitvertreibe – besonders wenn ich keinen andern hatte – das Orden-Stiften war. Es gab keinen wohlfeilern und stillern. Hatte ich mich mit meinen Spielgefährten müde gebalgt, hatten wir das Soldatenspielen satt bekommen – was gewöhnlich sehr bald geschah, da alle befehlen und keiner gehorchen, bei den Völkerschlachten aber niemand auf die Dauer die Rolle der Besiegten übelnehmen wollte; war der Ball dem Nachbar durch die Scheiben geflogen, so flüchteten wir uns schleunig auf mein Dachstübchen, und ich verfehlte selten die Bill: einen neuen Orden zu stiften, in Vorschlag zu bringen. Zu meiner Freude ging sie fast immer einstimmig durch. – Nichts war leichter als die Ausführung. Buntes Papier besaß ich. Ein achtmal über einander gelegtes Blatt wurde in Kreuz- und Stern-Form ausgeschnitten, einige Degen oder Totenköpfe mit Tinte darauf gemalt, und der Orden war fertig. Großmeister war, wie sich das von selbst versteht, jedesmal ich selber, meine sämtlichen Kameraden aber Ritter, wobei ich einen, gewiß nicht unbedeutenden Vorzug vor so manchem Landesherrn hatte, den nämlich, daß ich in meiner Umgebung niemanden ohne Dekoration sah, und nur Pairs. Ein zweiter Unterschied zwischen mir und den fürstlichen Ordensgründern bestand darin, daß das erste, und bei jeder Ordens-Fabrikation regelmäßig wiederkehrende Statut, die strengste Verschwiegenheit anbefahl – denn ich hätte heillose Prügel erwischt, wäre mein Heermeistertum an das Tageslicht gekommen – wogegen doch von regierenden Häuptern ihren Rittern gerade das Gegenteil, das offenkundige Tragen der Insignieen, zur Pflicht gemacht wird. Sei es nun aber Vorliebe für die Irrtümer der Kindheit, oder mögen nachfolgende Gründe sehr gewichtig erscheinen, kurz ich wünschte, mehr Fürsten nähmen diese meine erste Ordensregel als Grundgesetz bei den ihrigen an. Die Ehrenzeichen würden durch den Schleier des Geheimnisvollen, eben so gut wie der Freimaurerorden, welcher ohne diese Nebelhülle längst in Nebel zerflossen wäre, an Interesse gewinnen. Es würde aber noch außerdem den Nutzen haben, daß kein großer Herr seine Subalternen brutal zu behandeln wagen würde; denn wer stände dem Minister Wohl dafür, daß sein Sekretär nicht während des derben Ausputzers gelassen den Frack aufknöpfte – wie Prinzen in den älteren Komödieen, um ihren Stern leuchten zu lassen – und sich dem Zürnenden als Ordensbruder zu erkennen gäbe? Wer? frage ich.
Das zweite Statut, welches wie das erstere, zuletzt stereotyper Witz wurde – ich habe späterhin gesehen, daß Regierende es auch angenommen haben – war ein, unter dem Namen; Rezeptions- Gebühren, Ritterschlag. Diplom-Ausfertigung u. s. w. von den neugebackenen Ordensrittern zu erhebender Beitrag, den ich, als mein eigner Ordens-Schatzmeister, entweder in Viktualien, oder in Muscheln, Wappen, Vogeleiern und dergleichen für meine Sammlungen eintrieb. Ja, ich weiß mich sogar zu besinnen, daß ich eigens einen Orden stiftete, um einem Jungen das Türkische Wappen aus den Händen zu spielen. Es wäre für keinen andern Preis, als für die Verleihung einer Ordens-Insignie zu erhalten, das sagte er mir mit dürren Worten; ich besann mich daher auch nicht lange, und wir machten Beide einen guten Handel. Pueri puerilia tractant! –
Noch jetzt, wo ich meine Ordens-Stiftungen mitleidig belächle, kann ich mich nicht genug über den richtigen Takt wundern – denn um Menschenkenntnis zu haben, war ich zu jung – mit welchem ich die immer wirksamen Hebel, Eitelkeit und Geheimniskrämerei, in Bewegung setzte, um zu meinen Zwecken zu gelangen.
Doch, um nun ernsthafter über die Sache zu sprechen, will ich nur bekennen – man sollte es kaum glauben, wenn man das Vorhergegangene gelesen – daß ich weit entfernt bin, die häufigen Ordensverleihungen zu tadeln. Es ist wohl nichts natürlicher, als daß jeder Fürst seinen Vermählungs- oder Krönungstag, den Geburtstag des Erben und die Wiederkehr seines eigenen Geburtstages so feierlich wie möglich zu begehen, und den Couren, Paraden und Frei-Opern etwas beizufügen wünsche, was das Interesse des einzelnen in Anspruch nehme, und ihn in seinen loyalen Gesinnungen bestärke. Als schönes Widerspiel der Orientalischen Fürsten, welche sich an den genannten Tagen von ihrem Hofe bescheeren lassen, bescheeren die Europäischen ihrer Umgebung selber ein Goldne Dosen, Uhren und Brillantringe sind aber jetzt zu abgedroschen, und reißen auch zu sehr in's Geld. Deshalb veranstalten sie ein allgemeines Stern- und Vogelschießen, wo auch der ungeübteste Schütze seinen Stern, seinen Vogel abschießt, und die Beute nachher am zweiten Knopfloche tragen darf. Gewiß eine wohlfeilere und auch zweckmäßigere Gabe, indem der Empfänger außer der unverhofften Freude auch noch gratis das Bewußtsein, welches bisher einigen ganz und gar abging, mitbekommt: er sei von jetzt an ein Mann von Verdiensten. Fehlgriffe zu thun, wird dem Fürsten platterdings unmöglich. Denn sollte auch der neue Ritter das Ehrenzeichen – um mich altfränkisch auszudrücken – nicht gerade besonders verdient haben, so ist es doch immer schon ehren- und ordenswerth genug, daß er eine so lange Reihe von Jahren, ohne zu erliegen, unter der Last des Portefeuille, des Portepees, des Kammerherrn-Schlüssels seufzte. Auf der andern Seite gebietet auch schon die Menschenfreundlichkeit, einem alten Staatsdiener, der auf seinem hohen Posten, wie C-dur, ohne alle Vorzeichen steht, eine Dekoration zu verleihen. Müssen sich nicht alle Menschen fragen: wie geht es zu, daß der Präsident Icks und der Oberstlieutenant Tezett sich noch auf ihren Posten behaupten, wenn sie keine ausgezeichneten Männer sind, und nichts einer Auszeichnung Würdiges vollbracht haben? In Paris bat zur Zeit Karls, von Gottes Gnaden des Zehnten seines Namens, ein junger Garde- Oberst, aus dem Grunde um das Kreuz der Ehrenlegion, weil alle seine Offiziere es trügen, und er mit unbekreuzter Uniform vor seinen Untergebenen erröten müsse – und er bekam's. So überhebe man auch die oben erwähnten Ehrenmänner dieses peinlichen Gefühls, und gebe ihnen zwei, drei Orden, meinetwegen noch mehr. Und hat nicht die ganze Welt die Richtigkeit dieser Bemerkung längst eingesehen, indem sie auf jedem Briefcouvert dem Namen der seine Offiziere es trügen, und er mit unbekreuzter Uniform vor seinen Untergebenen erröten müsse – und er bekam's. So überhebe man auch die oben erwähnten Ehrenmänner dieses peinlichen Gefühls, und gebe ihnen zwei, drei Orden, meinetwegen noch mehr. Und hat nicht die ganze Welt die Richtigkeit dieser Bemerkung längst eingesehen, indem sie auf jedem Briefkouvert dem Namen der höheren Offizianten ein »Ritter mehrerer Orden« anhängt, die Empfänger mögen sie nun haben oder nicht? –
Ich habe diesen Aufsatz »Elende, durch Neid veranlaßt« Bemerkungen über Orden und Ehrenzeichen« betitelt. Ich selbst bin nämlich einer der wenigen, die weder mit dem Einen noch mit dem Andern prunken können, und dieser Umstand erklärt und entkräftet vieles, was ich in meinem Ärger darüber hinwarf. Sollte sich daher – was aber nicht zu erwarten steht – einer oder der andere der regierenden Herren durch meinen Aufsatz beteiligt oder getroffen fühlen, so rate ich ihm, mir seine sämtlichen Orden zu verleihen, und er wird in Erfahrung bringen, daß ich, so gut wie Demosthenes vom Philippischen Golde die Halsbräune, durch den Einfluß der Gestirne das Chiragra bekommen, und nie wieder elende Ordensbemerkungen schreiben werde.