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»Almgut wird er halt verlottert haben. Denn weißt, auf der Alm is alles heilige Sach, jedes Bröserl Schmalz und jedes Tröpferl Milli. Nit einmal so viel, als schwarz unterm Nagel is, darf eins vernachlässigen oder veruntreuen auf der Alm. Was herunten laßlich Unrecht is, wird droben zur schweren Sünd, weil der Senn sein eigener Wehrer und Aufpasser sein muß, bald ihn der Glust ankommt, daß er sich vergreifen möcht am fremden Gut. Wann der Senn die heilig Gottesgab nit in Ehren halt, Milli verschütt, Salz und Mehl verbröselt, Schmalz ver- schlampt, wann er gfraßig und gnaschig is, oder gar, wann er vom Almnutzen heimlich verschleppen tut, so kann er's auf der Alm wohl treiben ohne Furcht und Straf, denn der Bauer is weit und kann nit merken, was er Schaden hat. Aber einer merkt's halt doch. Der sell da droben. Und wann ein solchener Senn die ungute Seel aushaucht, nachher kriegt er was zum spüren! Waizen muß er in der glühheißen Pein bis zum jüngsten Tag, wann ihn ein fromms Leut nit ehnder erlöst. Und auf der Alm muß er hausen, wo er gsündigt hat, muß Salz und Mehl stäuberlweis zammklauben, die alten Schmalzflecken aufputzen, die Milli, was er verschütt hat, muß er tröpferlweis wieder eintun in die Gschirr und muß Butter schlögeln und kasen, bis aller Schaden wieder gut gmacht ich. So einer is nit zum neiden, ein solchener Geist.«
Sie hatten den Hofzaun erreicht. Der Senn öffnete das Gatter und ließ seine Begleiterin eintreten.
»Gelobt sei Jesus Christus!« sagte sie leise.
»In Ewigkeit, Am'!«
Mit gesenkten Augen und kurzen Schrittlein ging das Mädel quer durch den Hofraum neben dem Senn einher. Unter den Stalltüren erschienen Knechte und Mägde, betrachteten die Fremde mit wägender Neugier und flüsterten untereinander. Aus der Wagenremise klang eine singende Stimme. Von den Ställen hörte man das Rasseln der Ketten und das dumpfe Muhen der Kühe. Glucksend trippelten die Hühner im Hof umher und scharrten im Schnee. Der schwarze Hofhund fuhr aus seiner Hütte, zerrte an der Kette und bellte, daß die Berge widerhallten.
Vor der Haustür sagte der Senn: »Jetzt wart nur ein bißl, bis ich mit dem Bauer gredt hab.« Er trat in den breiten, tiefen Flur, in dem es schon dunkelte, und dann in die Stube. Das war ein großes Eckzimmer mit drei Fenstern nach der einen und zwei Fenstern nach der andern Seite. Die weißen Mauern waren bis in Mannshöhe mit rötlichem Zirbenholz getäfelt, ein großer Geschirrkasten stand neben der Tür; fast um die ganze Stube, auch rings um den großen Kachelofen, zog sich eine feste Holzbank. In der Fensterecke, die mit einem kleinen Altar und einem von geweihten Palmzweigen überschatteten Kruzifix geschmückt war, stand der lange Gesindetisch. In der Ecke beim Ofen stand ein kleiner Tisch vor einem Ledersofa; neben diesem Tisch, in einem mit blanken Messingnägeln beschlagenen Lehnstuhl, saß der Bauer, eine massige Gestalt, in Hemdärmeln, in kurzer Lederhose und blauen Kniestrümpfen. Das Haar war schon ergraut, aber das breite, glattrasierte Gesicht zeigte eine gesunde Röte, die verriet, daß sich der Roßmooser nichts abgehen ließ. Er hielt die Beine gestreckt, schmauchte in behaglicher Ruhe sein Pfeiflein und drehte, als der Senn in die Stube trat, nur langsam die Augen nach der Tür.
»Grüß Gott, Bauer!«
»Grüß Gott auch! Hast eine gfunden?«
»Wohl wohl. Aber in drei Dörfer hab ich umlaufen müssen. Jetzt mein' ich aber doch, ich hätt eine richtige Dingin gfunden, wie man's gern hausen hat unter jedem christlichen Dach.«
»Kann's aber auch kochen?«
»Wohl wohl! Sie hat's von ihrer Mutter glernt, die in ihrer Dirnzeit Pfarrersköchin gwesen is.«
Das war eine gute Verheißung. Der Bauer schmunzelte und strich mit der Pfeifenspitze über die Lippen. »Is's aber am End nit recht eine fahrige Hex? Was?«
Der Senn lächelte. »Da hörst ehnder eine Flieg husten, als ein Spitakl von dem Dirndl!«
»Und mit der Bravheit, wie steht's denn da?«
»Umgfragt hab ich überall. Aber es hat ihr kein Mensch was übels nit nachreden können.«
»Das will viel sagen. Und so ein Dirndl is gleich auf der Stell zum haben gwesen und is gern gangen?«
»Gern freilich nit! 's Zährenhaferl is überglaufen, schier nit zum stillen. Aber dem Dirndl sein Mutter is ein arme Wittib und is marod, und da hat ihm halt 's Dirndl denkt, es könnt ihm was versparen für's kranke Mutterl.«
»Schau, das gfallt mir!« nickte der Bauer. »Aber wo bleibt denn 's Dirndl?«
Der Senn verließ die Stube. Als er unter die Haustür trat, sah er das Mädel auf der Steinbank sitzen und träumend hinaufblicken zur Waiz-Alm, deren welliges Gelände, von rosiger Abenddämmerung umflort, hoch über dem verschneiten Bergwald lag.
»Denkst noch allweil ans Kasermanndl?« lächelte der Senn. »Aber geh, komm jetzt, der Bauer wartet!«
Das Mädel erhob sich und folgte dem Alten in die Stube. Mit gesenktem Köpfchen, in der einen Hand das Bündel, mit der andern Hand an der Schürze nestelnd, stand sie vor dem Bauer, der sie stumm betrachtete und dem Senn mit blinzelnden Augen zuwinkte, als wollte er sagen: »Eine saubere Dingin!« Er legte sich behaglich in den Lehnstuhl zurück, paffte ein Rauchwölkchen gegen die Decke und fragte: »Wie heißt denn?«
»Hornegger Mali.«
»Mali? So? Also, jetzt red, was kannst kochen?«
»Was halt der Bauer schafft.«
»Alles?« staunte der Rooßmooser. »Das glaub ich aber schier nit.« Und mit ernster Wichtigkeit stellte er ein scharfes Examen an, in dem er der Reihe nach alle seine Leibspeisen nannte. Es war eine lange Reihe. Auf keine Frage blieb ihm Mali die Antwort schuldig, und als sie ihm gar noch eine schöne Zahl neuer Gerichte nannte, die auf der Tafel des Herrn Pfarrers, bei dem ihre Mutter vor zwanzig Jahre im Dienste stand, stets das Wohl- gefallen aller zu Besuch kommenden geistlichen Amtsbrüder erweckt hatten, da schnalzte der Bauer mit der Zunge und streckte dem Mädel vergnügt die Hand entgegen.
»Schlag ein, Dirndl! Hundert Mark Lohn im Jahr, an Ostern ein neues Gwand, an Weihnächten ein richtigs Präsent und in der Zwischenzeit diemal ein bißl was nach meiner Z'friedenheit. Bist einverstanden?«
Dunkle Röte flog über Mali's Gesicht. Was ihr der Bauer bot, war doppelt mehr, als sie hatte erwarten dürfen. Da konnte sie ihrer Mutter jährlich ein schönes, klingendes Säcklein hinunterschicken. Wär' nur das erste Vierteljahr vorbei und morgen schon der Zahltag! Die kranke Horneggerin hätt's brauchen können! Mali's Augen wurden feucht, als sie ihre Hand in die Rechte des Bauern legte.