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IV.

Beim Doktor möchte sie am liebsten bleiben, erklärt die Regula. Aber das geht einmal nicht.

Der Doktor hat seine liebe Not mit dem Kinde, und er nimmt sich zusammen, daß es ihn nicht übermannt und er zuletzt nachgibt. Nicht ihr, sondern sich selber.

Das alte Fräulein: natürlich, da ist die Regula jetzt alles. Tochter, Schwiegertochter, Enkelin, Liebling, Verzug. Regula hin, Regula her, den ganzen Tag. Er selbst, der Doktor, gilt jetzt gar nichts. Die Regula ist die Hauptperson, regiert das Haus, wird geschmeichelt und gefüttert wie eine Prinzeß oder eine Wöchnerin. Wenn es nach der alten Dame geht, dann bleibt die Regula auf ewige Zeiten hier. Das merkt der Doktor, und aus dieser Ursach bekommt Fräulein Graff wieder einmal eine scharfe Prise zu schnupfen. Alte Weiber übertrieben gleich alles, er habe das Kind auch von Herzen gern, aber alles in seinen Grenzen und mit Verstand.

Der Regula gegenüber wird's schon schwerer.

»Daraus wird nichts, Regula. Die Mutter ist jetzt tot, jetzt hast dein Haus und deine Freiheit. Ich kann da nichts bestimmen.«

Die Regula ist längst wieder heil und gesund. Ordentlich aufgeblüht ist sie, wie eine zarte Wildrose sieht sie aus, so frisch und offen. Selbst das häßliche Ende der Mutter hat ihr nicht genommen, was zärtliche Pflege und Zuspruch ihr gegeben. Geweint hat sie bitterlich und sich selbst angeklagt; und ist doch auch etwas wie Erleichterung gewesen in diesem Jammer.

Dem Doktor darf sie ja alles sagen. Wie ein Vater ist er zu ihr; so ähnlich mag es sein, einen Vater zu haben. Und die Mutter, die arme Mutter! Die ist hart zu ihr gewesen, wie zu einer Fremden, wie zu einem Tier. Manchmal auch umgekehrt. Da ist etwas in ihr aufgegangen, als zerrisse eine Wolke. Dann war ein paar Stunden oder Tage lang Sonnenschein und Wärme. Dann konnte sich die Alte in Liebkosungen und Aufmerksamkeiten nicht genug tun. Sparte sich den besten Bissen vom Munde ab, kaufte um den letzten Taler ein seidenes Tuch oder sonst ein Geschenk. Aber gleich kam der Sturm und ballte die schwere Finsternis von neuem. Wochen, in denen die Mutter nicht ein Wort sprach außerm Gebet oder scharfen Befehl. Tage, an denen sie die Regula bis zur Erschöpfung schlug, um sie dann mit bitteren, irren Worten um Vergebung anzuflehen. Tage, da sich die Alte bis zu gröhlender Besinnungslosigkeit befuselte. Solchen Ausbrüchen folgte regelmäßig eine lange, schwere Buße mit Litaneien und Rosenkränzen, und die Regula mußte mitbeten. Endlich das Schlimmste: die Zeit, da die Gesundbeterin das Kind mit Hieben und Hunger ins Bett brachte und dann ihr unheimliches Spiel mit ihm begann. Da hatte die Regula nicht anders geglaubt, als die Mutter sei von Sinnen, so wild und stier sah sie ihr auf die Stirn, stundenlang. Stand am Fußende des Bettes und stierte. Und da half kein Widerstand: man mußte einschlafen unter diesem gräßlichen Blick. Man verfiel in einen fürchterlichen Schlaf, der schon kein Schlaf mehr war, sondern eine schaurige Lähmung. Man spürte einen Griff im Nacken wie den einer kalten Geierkralle. Einen Griff, der nicht losließ und einem die Augen nach innen würgte. Man fühlte sich aufgegeben an eine drohende dunkle Gewalt und war gänzlich willenlos. Erwachte man aus diesem Zustand, so war man tagelang todkrank und der Macht jenes grauenvollen Blickes erst recht preisgegeben. Anfangs nur ein Schwindel und Versinken, alles Blut im Herzen zusammengekrampft. Später immer verwirrtere und schrecklichere Empfindungen. Lichterscheinungen, rote Flammen auf goldgrünem Grund, gelbe in blauer Finsternis. Schatten, die durch wache Träume auf- und niedergingen. Das Bild des Gekreuzigten, auf einem blendend kalkweißen Hügel in einem purpurschwarzen Gewitterhimmel. Immer wieder dieses zwingende Bild, und dazu einen Glutschmerz rund um das Haupt. Dann ganze Meere, Abgründe, Ewigkeiten von Blut. Blut, wallendes, brandendes, kochendes Blut; viele, viele Menschen, die in unendlicher Ferne durch die Blutströme wateten. Tausend durcheinandergellende Stimmen vor den Ohren. Eines Tages das Gefühl, auf einen Balken gespannt zu werden. Man mußte die Arme spreiten; ganz nackt und ausgerenkt haftete man am Holze. Fletschende Gesichter, die aus dräuender Wetterfinsternis sich über die wunde Blöße herunterneigten. Und kein Schrei in der erstickten Kehle. Auch keinen Schrei gegen den zerreißenden Schmerz, der wie ein Eisen durch Hände und Füße drang; keinen gegen den mörderischen Speerstich ins Herz hinein. Nur starres, erwürgtes Dulden. An jenem Karfreitag sei es nicht bis zum Stiche gekommen. Da fuhren die bleckenden Fratzen auf einmal durcheinander, der wetterschwere Gräberhimmel zerriß von oben bis unten wie ein Vorhang, und in der phosphorblauen Blitzader stand die Mutter, die ein Kruzifix gegen einen bärtigen Mann schwang wie eine Axt. Dann noch eine ferne gute Stimme: Regula, fürchte dich nicht, ich bin bei dir, es wird dir nichts mehr geschehen – und endlich wohltätiges Versinken in endlose Tiefen, bis auf den Grund der Ewigkeit.

Das alles hat die Regula dem bärtigen Mann mit der guten Stimme erzählt. Stockend anfangs und schwerbesinnlich, später, aus der Kraft zunehmender Genesung immer fließender und genauer. Der Doktor hat ihr zuerst gar nicht zuhören wollen. Aber das drängte hinaus, und wenn sich's zu Beginn auch nur Tropfen um Tropfen aus dem überspannten Drucke löste. Nur nicht zur Mutter zurück; nur nicht in jenes Haus zurück; das war der flehende Ausklang jeder Beichte. Einmal, da klang eine Stimme durchs Haus, die an jene der Gesundbeterin erinnern mochte. Da griff sich die Regula ans Herz und erblaßte tödlich und verkrallte sich mit der anderen Hand in den Ärmel des Beschützers. Nur nicht zurück, hier bleiben, oder irgendwo hinaus in die Welt, in den Bettel, in den Tod – nur nicht zur Mutter zurück!

Warum sie denn früher nichts gesagt? Seien doch Nachbarn gekommen, er selbst sei doch einmal bei ihr gewesen, in jener Christnacht …

Die Mutter habe aufgepaßt wie eine Geierin. Und die Angst! … Die lähmende Gewalt! … Und schließlich: die eigene Mutter! … Wenn ja der furchtbare Druck einmal nachließ, dann die Bedenken, das aufwallende Verzeihen! … Die eigene Mutter! … Aber irgendwo vom Steg zu springen, Fliegenschwämme zu essen oder Streichholzlösung zu trinken, ja, das habe sie sich schon oft vorgenommen. Stöhnen ging durch den jungen Leib. Ja, in ihrer Kindheit sei sie einmal krank gewesen, woher der Herr Doktor das wisse? Vor drei, vier Jahren. Da sei sie mitunter ganz starr geworden und habe in wehrloser wacher Ohnmacht die grausigsten Bilder gesehen, ganz ähnliche Bilder. Wie auf dem Kalvarienwege und in der Gnadenkirche.

Damals hatte der Doktor schwer überlegt. Der Vormund des Kindes war der G'stattbauer Georg Schachner. Kümmern tat er sich um sein Mündel weniger als um den Hahn auf dem Mist. Damit habe er nix net zu schaffen, und überhaupt, die Sach sei ihm längst zuwider, am liebsten, man nähm's ihm ab, die ganze Schererei, sei ja bloß Gefälligkeit gewesen damals. Das war der Bescheid, den der Wendtbauer Peter Winkler brachte. Denn der Schachner ging um solcher Sachen willen auch nicht vor die Türe.

Den Klauen der Alten das Kind ausliefern? Die Gesundbeterin und die ganze Angelegenheit vor den Staatsanwalt bringen? Die Geschichte war ja ruchbar, die Behörde würde vielleicht von selber eingreifen. Freilich, die Sachverständigen im Städtel drunten! Aber da geschah es, daß alle Fragen sich mit einem Schlage lösten; da ging die Gesundbeterin freiwillig vors letzte Gericht.

Nun ist aber erst recht Feuer im Berg; nun bläst der Wind wieder von der anderen Seite her in die Flamme. Heißt, er habe sie in den Tod getrieben, der Doktor. Die Sanktrainer glauben's zuerst und am liebsten. »Sehens!« triumphiert die Falzinger, und Fräulein Graff erbebt in Entrüstung. Wo die Schwandtner doch eine aufgelegte Betrügerin war, ein wildes Tier, eine Hyäne, aber keine Mutter! Sie hat es doch der Stanzer haarklein erzählt und wiedererzählt, und die Stanzer hat fröstelnd gegähnt und verwundert den Kopf geschüttelt und sich enger ins graue Häkeltuch geschauert: Gehens! … Aber es ist nicht aufzukommen gegen die grausame Gewaltlogik dieser Menschen. Der Doktor hat die Gesundbeterin in den Tod gejagt, daran kann ihre eigene Schlechtigkeit nichts ändern.

Nun darf die Regula erst recht nicht bei ihm bleiben, und nun will sie's erst recht tun. Das Marterhaus will sie nicht mehr sehen, nicht mehr betreten, und wenn es tausendmal ihr eigenes ist. Dort geht der Geist der Mutter um, das Gespenst der eigenen Jugend. Verkaufen, verbrennen, niederreißen, alles – nur nicht selbst bewohnen. Und nun hat die Mutter sich selbst erhängt, am Weidestrick. Hilft nichts, daß der gute Freund es ihr verheimlichen will. Endlich muß er es doch gestehen. Erhängt! Die Regula weinte viele Nächte lang. Erhängt! Und doch bringt sie der Kummer nicht halb so herunter wie damals das Wunder. Nein, nie mehr über diese Schwelle treten! Am besten, sie verkaufte ihr Haus; so schlägt ihr der Doktor vor. Er will selbst dazu helfen. Und gerade bei ihm, der so gut zu ihr ist wie noch nie ein Mensch in ihrem Leben – gerade bei ihm darf sie nicht bleiben!

Neulich, beim Begräbnis der armen Mutter: wie sie ihr ins Gesicht gestarrt haben! Heißt, daß Selbstmörder eines christlichen Grabes nicht genießen; aber der Herr Dechant hat diesmal eine Ausnahme gemacht, denn die arme Frau ist offenbar nicht bei Sinnen gewesen, hat die Tat im Wahnsinn vollbracht. So geht sie nach vielen Tagen doch zur geweihten Friedhofserden ein. Nach vielen Tagen: denn erst mußte die Behörde genau feststellen, daß die Schwandtnerin wirklich tot war. Das ließ sich nicht so einfach erheben. Zunächst mußten die Herren Gendarmen mit scharfgeladenen Büchsen und aufgepflanztem Wachtspieß manchen Weg zurücklegen, um sich die Überzeugung zu verschaffen, daß die Leiche der Gesundbeterin tatsächlich nicht mehr lebe. Das Ergebnis dieser Prüfung wurde in dicke Bücher eingetragen, und diese Bücher wurden in der ledernen Seitentasche verwahrt. Sodann kam die Aufnahme des Ortsaugenscheines an die Behörde ins Städtel. Dort wurden einige zwanzig Bogen beschrieben, geheftet, aufgeschoben und erledigt. Eher war die Emmerenz Schwandtner nicht tot. Es hat auch der Herr Bezirksarzt Dr. Dreythaller kommen müssen, um herauszufinden, daß der Tod durch Erstickung vermittels eines sogenannten Weidestrickes eingetreten und daß alle Wiederbelebungsversuche fruchtlos sein würden, maßen die Leiche schon einige vier oder fünf Tage alt. Inzwischen wendeten sich die Herren Gendarmen mit wohlwollend genauen Fragen auch an die Regula Schwandtner: ob die Mutter wirklich geistesgestört gewesen? ob dieser Weidestrick wirklich zum Hause gehöre? ob die Mutter sie damals wirklich geschlagen und ausgehungert? … Nach solchen Vorbereitungen erst durfte der Leichnam der Emmerenz Schwandtner der geweihten Erde übergeben werden.

Dieses Begräbnis! Die Regula erschauert noch in der Erinnerung. Die vielen fremden Gesichter, die gierig und hart nach ihr starrten! Denn man hat die Herren Gendarmen in das Haus des Doktors gehen sehen und ahnt große Dinge. Das Opfer des Doktors erheischt Teilnahme; die Teilnahme verursacht ungeheure Beteiligung. Hier gibt es etwas Dunkles und Seltenes zu genießen, auch wenn der Doktor frei von Schuld sein sollte. Doch von den Bauern sind wenige gekommen. Eine Selbstmörderin, eine Betrügerin, der wird man nicht die letzte Ehr erweisen. Das überläßt man den Städtern.

Diese neugierigen, gefräßigen Gesichter! Da hat die Regula stark an ihre Traumbilder denken müssen, an die bleckenden Fratzen im schwarzen Kreuzigungshimmel. Als schlügen diese grausamen Blicke sie Glied um Glied ans Kreuz, mit den Eisenstacheln der Sünde, der Bosheit, der Lüge: so fühlte sie es. Und die schweren Glocken klangen wie eherne Hammerschläge. Nachher, da wandte der Herr Dechant sich mit ein paar Worten an sie. Sie möge zu ihm auf seine Kanzlei kommen, er wolle einiges mit ihr besprechen. Und sie gehorchte in blinder Furcht, trotz der Einsprache des alten Fräuleins, das mit den nickenden Trauerbüscheln auf dem Kapotthütchen vielleicht die einzig wirklich Mitleidende war unter all den Gaffern.

Der Herr Dechant empfing sie mit Teilnahme und Würde. Es sei wirklich ein äußerst beklagenswerter Fall, ja. Aber die arme Mutter habe es jetzt gut im Jenseits. Sie habe wohl selbst schwer zu leiden gehabt unter der Krankheit der Mutter? … Was sie denn jetzt zu tun gedenke? … Sie wolle das Haus lieber verkaufen? … Und was der Vormund dazu sage? … Der müsse doch sein Einverständnis erklären … Nun, sie habe sich ja recht schön erholt … Sie möge sich doch einmal ansehen lassen … Vielleicht werde sie sich das mit dem Hausverkauf doch noch reiflich überlegen? … Sie werde doch einmal heiraten! … Sie sei ja schon so weit! … Dann käme ein fertiges Nest immer zu paß … Und Bewerber würde sie schon finden, so ein Mädel! … Hier sträubte die Regula erschrocken zurück; der Dechant hatte solch seltsame Art sie anzusehen, es flirrte etwas hinter seinen Brillen, und seine Hand strich so widerlich an ihrem Arm hinauf. Der geistliche Herr aber lachte: sie werde sich schon noch daran gewöhnen! … Und zum Schlusse machte er ihr ein großes Geschenk: hundert Gulden! Hundert Gulden in einem blauen Zettel … Seltsam, die Regula hatte den Herrn Dechant ganz anders in der Erinnerung; nicht so bleich und eingefallen, nicht so weiß um die Schläfen, nicht so unstet in den Bewegungen, viel ruhiger und behäbiger. Aber er sollte ja Tag und Nacht an dem Zustandekommen des Festes arbeiten.

Das hört auch das gute alte Fräulein mit ihren in die Gefahr hinaustastenden Fühlern. Und sie braucht nicht einmal zu tasten. Das Gered kommt von selbst zu ihr. Damit sparen sie nicht. Das sieht man beinahe schon vom Fenster aus. Nur der Dechant, so heißt es, sei letzterzeit merkwürdig zurückhaltend geworden. Die arme Frau, soll er gesagt haben, es sei schließlich vorauszusehen gewesen, tiefgehende Geisteszerrüttung und zuletzt der Ausbruch. Ihm selbst, dem Dechanten, habe die Schwandtner noch am Vorabende ihres Todes eine recht häßliche, lärmende Szene gemacht. Da sei der Herr Dechant zur Einsicht gelangt, daß es wohl am besten wäre, sich um einen Freiplatz in der Landesirrenanstalt umzutun. So habe er sich auch gegen den Herrn Kaplan geäußert. Das habe er trotz seiner ungeheuren Überbürdung für die unglückliche Frau tun wollen, aber da sei ihm dieses tieftragische und doch beinahe beste Ende zuvorgekommen. Natürlich, der Verlust des Kindes, die fürchterliche Aufregung, die Widersacher und erlittene Kränkung hätten den Ausgang noch beschleunigt … Aber im übrigen sei er, der Dechant, jetzt so überlastet mit Arbeit, daß er beim besten Willen keine Zeit finde, mit der ganzen Geschichte sich näher abzugeben … Die Vorbereitungen zum Feste, die sich türmende Korrespondenz, tausend Sorgen, die Bürde der ganzen Organisierung … Also die Stanzer und die Falzinger an Fräulein Graff, und so Fräulein Graff weiter an den Doktor. Ja, und die Falzinger wie die anderen wunderten sich darüber, daß der Herr Doktor diesem Mädchen gar so viel Aufmerksamkeit widme … Das habe die Falzinger mit spitzer Betonung gesagt … Der Herr Doktor habe sein verstorbenes Fräulein Braut wohl bald vergessen … Die alte Dame sprühte vor Grimm, wie sie das nun geschwind von sich ablud, und in ihren fleischigen kleinen Fäusten ballten sich ganze Gewitter von ohnmächtigen Schmähworten. Aber der Doktor sah sie nur unter der schweren Stirne hervor an: kennen Sie denn die Leute immer noch nicht?

Das aber ist jetzt ganz klar geworden, daß die Regula weg muß. Schon wegen des entzündlichen Geredes. Dem Doktor wäre es ja einerlei, mit was für Säuren sie ihn noch bespritzen; aber der Ruf des Kindes soll nicht auch angeätzt werden. Und in der Nähe des Dechanten darf sie unter gar keinen Umständen bleiben. Die Regula hat natürlich alles erzählt, Wort für Wort, und wie der Bericht beim Hundertguldenschein ankam, da ist in den Augen des Doktors ein besonderer Blitz aufgesprungen, und auf seiner Stirn hat sich der Zorn zum Schwerwetter verdüstert. Die Regula muß fort, muß zu guten, reinen Menschen, muß ein sicheres, gesegnetes Dach finden. Und das eigene wird sie verkaufen, gut. Aber zwischen Entschluß und Vollzug stehen noch hundert Paragraphen.

Mit den Behörden ist's überhaupt ein Verdruß, und die Behörden selbst haben ihren Verdruß mit den Menschen, die ihnen unnötig viel zu schaffen machen und sie aufstören aus dem Gleichmaß ihrer von Gesetz und Selbsterhaltung vorgeschriebenen Gangart. Wo der Doktor eintritt, und er hat in diesen Tagen viele Wege um die Regula, überall begegnet ihm schwerfällige, zurückhaltende Höflichkeit, nachdenkliche Kühle, lauerndes Entgegenkommen. Ein unbequemer Mensch, der mit seinen Händen und Worten allenthalben hineinbohrt und Gift in Umlauf bringt. Nun, man weiß ja genug durch seine eigenen Anverwandten, durch den Propst, den Baurat, den Apotheker – und das sind alles ehrenfeste, heimständige Leute von Verlaß und Verdienst. Es wird gut sein, diesem bissigen Hecht eine Setzangel anzulegen; wühlt sonst noch den ganzen fruchtbaren Teichschlamm auf bei seiner Suche nach Fraß, bringt die Schlammpeitzger in Bedrängnis und trübt den Karpfen das Wasser. Der Herr Bezirkshauptmann ist schon einmal dieser Ansicht, und er verhehlt sie nicht einmal. Der Herr Bezirkshauptmann ist überhaupt ein Mann, der auf Friede und Stille hält und mit der Bevölkerung auf gutem Fuße lebt. Er hat mit dem Herrn Dr. Dreythaller und mit dem Herrn Landesgerichtsrat Vierberg zusammen ein schönes Hochwildrevier gepachtet, und er sieht es gerne, wenn auch sein Herr Kommissar und sein Herr Konzipist in grüner Hirschhakenweste und Kniehosen amtieren. Ländlichkeit ist gute Politik, und die Jagd vermittelt die Fühlung mit dem Volke. Außerdem kommt der Behörde die Jagd billig zu stehen. Diese ganze Geschichte mit dem Tode der Emmerentia Schwandtner, seinen Ursachen und Folgen war ein recht fatales Kapitel. Die verdammten Zeitungen wühlten auch gleich hinein; wie die Schweine, wo sie Trüffeln wittern. Dieser Doktor Wendt muß natürlich zur Verantwortung gezogen werden. Zunächst nur als Zeuge. Herr Landesgerichtsrat Vierberg forscht ihn über die Ereignisse des Karfreitags aus und fragt eindringlich, ob er sich denn auch die gehörige Überzeugung verschafft habe, daß hier ein böses Spiel getrieben worden? Nun muß die Regula auch ins Verhör und gegen die tote Mutter aussagen. Vom Gerichte geht's zum Notar und vom Notar zum Steueramt und von da zum Grundbuch, und so verstrickt sich die ganze Angelegenheit ins dichte Maschenwerk der Paragraphen.

Der Schachner wenigstens ist mit allem einverstanden. Wenn er nur nichts hört und sieht von seinem Mündel, und von der Behörde am allerwenigsten. Bei sich könne er die Regula nicht aufnehmen, leider Gottes, aber bei den schlechten Zeiten! An Gesind und Mägden habe er grade genug auf dem Hofe. Und wenn sie später das Haus mit dem Stückel Grund verkaufen wolle – von ihm aus, er mache unter alles seine drei Kreuzeln.

* * *

Da fällt dem Doktor zu guter Stunde der Marterl-Lukas ein, und weil es solch schöner, blühendwarmer Tag ist, macht er sich gleich auf den Bergweg.

Mit der Zeit wird es ja seit Letztem auch wieder knapper. Die zahlreichen fremden Arbeiter, die den Markt und seine Umgebung mit Hammerschlägen, Karbolineumgeruch und Vorabendunruhe erfüllen, fragen nicht viel nach der Meinung ihrer Auftraggeber, sondern mehr nach Stillung ihrer Beschwerden. Ein anderer Arzt ist nicht im Bereich; so wird dieser zu Rate gezogen, wenn es auch von ihm heißt, daß er allerlei Ungeheuerlichkeiten begangen haben soll. Man hat sogar davon gelesen; war ja Skandal genug in den Zeitungen. Aber der Dechant und die Sanktrainer haben unter den benötigten Kräften keine engere Wahl treffen können, und so sind zahmeren Elementen auch einige rote Brandträger beigemischt. Daß sie ihren Lohn um den Heiligen von Sanktrain verdienen, daß dieser ihr eigentlicher Unternehmer und Arbeitgeber ist, beirrt sie nicht stark. Was sie aber von diesem Doktor gehört, kommt ihnen eben zu paß. Das mußte einer der ihrigen sein. Heißt ja, daß er früher Armenarzt in einer großen Industriestadt gewesen. So entzündet sich unter der Arbeit an der Siegesstraße bald ein heftiges Grubenfeuer, und eines Sonntags kommt es nach allerhand Reibung und Reizung zu einer richtigen Zünfteschlacht, auf deren Wahlstatt der Doktor reichlich Beschäftigung findet. Ein eingedrückter Schädel, ein schmaler Stich hart an einem Maurerherzen vorbei, ein guter Schlitzschnitt durch ein Zimmermannsduodenum und Umgebung: so wirft das Tausendjahrfest seine Schatten voraus.

Aber auch andere Kunden zögern ihm wieder in die Praxis herein. Hätten alle zusammen wegbleiben können; er fragte nicht nach ihnen. Ihm war es genußreicher, seine Stunden in der Beschäftigung mit der ärztlichen Scheidekunst zu verbringen, die geheimnisvollen Salze zu bewachen, wie sie aus den alten Mutterlaugen niederschlagen, ein Heer der winzigen Riesen unter der Linse zu beobachten, die Kleinsten und Meisten, deren wimmelnde Unfaßlichkeit noch weit erschreckender als die Schwärme von Trillionen riesiger Sonnennebel in der Milchstraße, die Aufbauer und Verzehrer, die Sonnen und Planeten im Kosmos Mensch. Freilich, das Leben selbst hat er über dieser Zerlegung des Lebens doch schwer vermißt. Er ist nun einmal da, den Menschen ein Mensch, den Brüdern ein Bruder zu sein, den falschen und allermeisten ein echter und allerseltenster. So freut es ihn auch in seiner bitteren Art, daß sie nun wieder heimlich nach ihm verlangen. Das ist die Chemie und Bakteriologie im großen: sind im Grunde dieselben Salze, die sich aus den nämlichen Lösungen scheiden; sind dieselben Spannungen und Dämpfe, die sich überm großen Goldmacherherde in der Hexenretorte sammeln; sind die gleichen Fiebertierchen, die sich im großen Lebenstropfen regen, die gleichen Erreger und Träger, Bohrer und Fresser. Und die Linse über ihrem feindlichen Gewimmel ist der kristallne Äther, und das Auge über dem Mikroskop, das durch alle Zeiten in die Ewigkeit hinaufragt, ist das Auge Gottes …

Das weiß er ja ganz genau, wie sie sich aufeinander und voreinander ausreden und für die Wahrheit der einfachen Not die Lüge der feigen Beschönigung gebrauchen. Das ist das Wunder, welches die Gesundbeterin gewirkt. Scham, schlechtes Gewissen, alles mögliche braut da zusammen in diesen dumpfen Seelen. Damals haben sie ihn kreuzigen wollen, heute suchen sie seinen Beistand. Er hat es ihnen längst vergessen; aber den brennenden Heiland, den vergessen sie ihm nicht, das schlägt immer wieder durch. Und das weiß er, daß er auch nicht mehr eine Salbe zu verschreiben hätte, käme ein Kollege auf den Gedanken, sich hier einzunisten.

Unter solchen Gedanken erreicht er die Höhe des Kanzelhügels. Auch hier Zurüstungen, Hammerschläge, schnarchende Sägen, daß der Wald davon widerhallt. Der Heilige in seinem gläsernen Totenhause kann zufrieden sein. Unten drei Siegestore, fieberhafte Zuführ, schwüle Erregung. Man vernimmt von einem Weihespiel, von einem Empfang durch zwölf weißgekleidete Jungfrauen, von einem Huldigungskarmen. Das alte Fräulein trägt mit jedem Morgenkaffee neue frisch gebackene Schreckensnachrichten auf. Fünfzehn-, zwanzigtausend Pilgergäste, darunter ein amerikanischer Kardinal und ein schwarzer Bischof, ein richtiger Mohr. Viele Millionäre. Und noch kein Absehen, keine Grenze. Der Herr Falzinger werde unerhörte Geschäfte machen; er habe die Lebensgeschichte des Heiligen in zehn- oder zwanzigtausend Auflagen neuverlegt. Und Ansichtskarten habe er sich drucken lassen, ganze Türme, ganze Wagenlasten. Und der Herr Gattlinger habe gestern bei drei Kilometer Fahnentuch von der Bahn abgeholt. Und die Stanzer habe geäußert, daß wahrscheinlich der Kaiser selbst kommen werde. Und beim Bären wohne ein berühmter Schauspieler, der werde in einem Stücke auftreten, wo der Heilige darin vorkommt. Aber das sei strengstes Geheimnis. Und der Sternwirt habe sich noch drei Keller gemietet. Und der Bärenwirt habe zur Erleichterung des Verkehrs fünf Automobile gekauft. Und der Dechant habe gesagt, dieses Fest werde die ganze Politik Europas in neue Wege leiten. Der alte Heilige im kristallnen Totenschrein kann zufrieden sein. Sie haben sich nicht umsonst um seinen Kopf und seine Gebeine gestritten. Noch jetzt vollbringt er Wunder, der arme alte Sankt Einsiedel, und jetzt erst recht. Wie er den sieben Kirchenräubern aus dem Altarblatt entgegentrat, daß den Anführer stracks der Schlag rührte, die übrigen sechs aber in die Knie brachen und Besserung gelobten und ein neu Leben anhuben; wie er dem unschuldig Geköpften das Haupt wieder auf den blutigen Halsstumpf pflanzte; wie er dem niederdonnernden Bergsturz entgegentrat, daß er an ihm sich spaltete und zu seinen beiden Seiten niederging und die Siedelung verschonte; wie er sich dem Allmächtigen nahte in seiner Kleinheit und ihn bat für seine sündigen Mitbrüder auf Erden, daß der Herr den blutigen Vorhang der Finsternis von den Himmeln zurückraffte und die Sonne wieder schien wie früher und der Mond die Frühlingsnächte versilberte – sind jene die größeren Wunder, oder sind sie alle dieselben und nur Gleichnisse füreinander und umgestaltete Wiederkehr? … Der alte weißbärtige Sankt Einsiedel darf zufrieden sein mit seinem Lebenswerk; die Wundmale seiner verzückten Einsamkeit versiegen nach tausend Jahren nicht …

An den Mauern der Wallfahrtskirche schwanken kalkbespritzte Gerüste, darin die mörtelgrauen Maurer dem Mittag nach- und der Vesper vorfeiern. Auch aus dem Inneren hallt es geschäftig über den freien Platz hin, den die rohbehauenen, da und dort angerötelten Balken, die Hobelspäne und Beilschwarten, die verstoßenen Karbolineumkannen, zerfetzten Drahtstifttüten und fettigen Käsepapiere in die Wüstenei der menschlichen Werkstatt verwandelt haben. Sonst zu Verweil und nachdenklichem Rundblick einladend, treibt der Hügel des weiland Sankt Klausner mit seinem Lärm und seinen üblen Abfällen jetzt in die Flucht. Aber bei einer Rotte ledergeschurzter Werkleute hält der Doktor doch an.

»Ein Triumphbogen?«

Der rotbärtige Zimmermann legt umständlich aber mit Behagen das geschränkte Kurzbeil weg, und alle Gesellen tun es ihm nach. Zuerst den Brisil aus dem Schmalzlerglasel, dann die Nase in den Schurz, dann erst die Antwort.

»Triumphbogen? Wies da unten welche machen? … Ah nah. Das dahier, das wird dem Stern sein Ausschank. Und drüben, das wird der vom Bären. Werden ja durschtig sein, die Leut.«

»Freilich, Meister, glaub's.«

»Sie sein der Doktor, geltens?«

»Der bin ich. Fehlt Ihnen was?«

»Fehlen? Fehlen tut mir nix. I frag nur so. Also Sie sein der Doktor?«

Lange noch starren sie ihm nach; Beile und Sägen ruhen. Erst am Waldrande wird der Doktor vom Prall der Axt und dem Zischen der Eisenzähne wieder erreicht.

Damals, in jener Christnacht, wie der vereiste Winterwald ihn mit heidnischem Spuk umgeben, mit Riesen und flechtenbärtigen Gnomen und schlafenden Frostdrachen! Ist alles wahr geworden, und noch ärger: alle Riesen und Alben und Drachen hat die Flamme in seiner Hand aufgescheucht gegen ihn! … Damals, in jener Nacht, da ein Zufall ihn in die Berge getrieben, in sein Schicksal, in seine Tat hinein!

Und in jener Nacht ist die Todesblume in Verena Kathrein wieder aufgeblüht, und nun hat sie ihre Stille in der warmen Muttertiefe, und auch das ist vorüber. Nur das nicht, daß ihr Gesicht ihm überall nachgeht. Diese letzten Tage, diese schwindenden, brütenden Stunden! Da war alles in ihrem Blick, die ganze Welt in abendlicher Verklärung, alle Sehnsucht, alle Not, alles Glück. Dieser Blick, der ihm überall begegnet, dieses Spiegelbild, das nicht verlöschen will! Und nicht einmal das haben sie verschont mit ihren Zungen. Es ist ja gleich; war nichts zu verheimlichen gewesen, nichts zu verschweigen. Alles hat er in sich behalten, da er nichts geben durfte, und selbst in dieses Versagen und Opfern wühlten sie hinein mit ihren frechen Händen. Verena Kathrein: das ist jetzt der Abschied vom eigenen Herzen; für immer. Nun bleibt nichts als die Pflicht, die Aufgabe, der Weg, der Ruf.

Da ist er ja, der Marterl-Lukas; sitzt schon wieder vor dem Hause und schnitzt drauf los, und der schwarzweiße Kater schnurrt auf der Bank in seinen Sonnenschlaf hinein, und im offenen Fenster quirlt der Hansl, und in den Gartenbeeten buckelt das Vronele herum.

»Na, Lukas, hast ihn fertig, den neuen Christus – den für fünfundsiebzig Gulden?«

Der Lukas rumpelt gleich auf die Stöcke.

»Jesus, der Herr Doktor, die Freud … Ja, derselbige Heiland – jetzt hab i halt wieder den Matthäus für Buchau drunten in der Arbeit.«

»Und den Stoderkreuzheiland, wo hast den? Den möcht ich sehen, kannst dir ja denken.«

Wird der Lukas mit einem Male seltsam verlegen.

»Wann er schon beim Einpassen is. Nächsten Donnerstag is Fronleichnam, da soll's stehen, das neue Kreuz, und das G'häus und den Ständer, das macht der Aichinger, der Tischler, der Herr Doktor wissen ja, das is nix für mich. Mit dem Hobeln und Sägen, da geht's nimmer, halt der Marterl-Lukas, grad nur gut für die Heiligen … Wann der Aichinger nur fertig wird, jetzt seins ja wieder rein narrisch, die Leut, das Fest da drunten, hörst nix andres, ganz narrisch auf und nieder. Die hohen Löhn, der Aichinger redt schon von aner mechanischen Drehbank, zum Lachen, net, und da wär nix dabei, das g'höret ja zum G'schäft, net – aber daß er nacher die Jagd pachten wird, da kann er's gleich unkaufter lassen, die mechanische Drehbank. So is ihm die G'schicht in Kopf g'stiegen, und die andern, die reden grad aso talket daher. Nämlich, der is auch drunten auf Arbeit, der Aichinger, bei eim von die Triumphbögen oder so was, da bleibt daheim all's liegen und stehn … Die hohen Löhn halt, lieber Gott, wie sollens da net narret wern, die Leut. Ob der noch fertig wird bis auf Fronleichnam, der Aichinger – bei ihm is er halt, der Christus.«

Der Doktor setzt sich zum Lukas auf die sonnwarme Bank.

»Deswegen bin ich ja nicht kommen, Lukas. Bleib nur. Die Vroni, die laß in Ruh bei ihrer Arbeit, ich geh nicht hinein, hab keine Zeit. Also wegen dem bin ich kommen, Lukas: Einquartierung bring ich dir.«

Der Schnitzer legt die beiden Humpelstöcke bedächtig neben sich.

»Einquartierung, sagt der Herr Doktor. Die von drunten ham so schon g'fragt wegen dem gleichen. Noble Stadtleut – daß sie das Häusel mieten möchten für den Sommer. Hab ich g'sagt, nein, wegen dem Lumpengeld laß ich mir's net eng machen unter meim Dach. Aber wann's dem Herrn Doktor drum zu tun is – leicht ein Freund vom Herrn Doktor?«

»Ein Freund schon, Lukas. Und gern wirst ihn nehmen. Und eng wird er dir nicht machen. Oder? Die Schwandtner Regula nämlich.«

Fegt der Bildschnitzer bald die Klingen von der Bank.

»Die Regula?«

»Dieselbige. Nachhaus wills nicht, kannst dir denken, dort geht's um. Zu schlechte Leut möcht ich's nicht geben. Behalten kann ich sie nicht, verstehst. Hab ich mir gedacht, zu dir, derweil. Zahl schon für sie. Nur daß sie in gute Hände kommt.«

Der Marterl-Lukas atmet tief auf.

»Die Regula. Das hätt ich mir freilich net träumt … Du, Vronele! … Vronele, hörst … Die Regula will der Herr Doktor zu uns in Futter geben!«

Das Vronele schaut kurz auf.

»Von mir aus.«

Und jätet weiter.

»Die hat wieder amal ihren unterspreizten Tag,« lacht der Lukas; »da hat's den Buckel im Maul und im Kopf, da kannst nix machen.«

»Laß sie,« warnt der Doktor; »ist ein armer Teufel.«

»Tu ihr ja nix. Grad so kraupert muß net sein … Alsdann die Regula! Da hätt ich ja gleich eine für die heilige Agnes oder Ursula!«

»Du willst also? Dann machen wir's gleich aus. Fünfzig Gulden für den Monat, ist dir's zu wenig?«

»Die Frag, Herr Doktor! Von Zahlen, da is überhaupt net die Red. Daß der Herr Doktor das nur weiß. Zahlen, noch schöner. Wo ich mir schon allweil gedacht hab, schad um die kleine Regula, weiß der liebe Gott, was mit der jetzt g'schieht, was man so g'hört hat von der Alten ihrer Schlechtigkeit, na, hat sie ja der Teufel g'holt zum Schluß, was die Leut so sagen … Hab mir's eh gleich dacht, damals, der Herr Doktor erinnert sich, wie der Herr Doktor g'sagt hat, daß er hinauf muß zu aner Kranken. Hab mir's eh gleich dacht. Aber daß so ausgehn wird, das hätt ich mir doch net dacht … Der Skandal damals … Grad wie unterm Geier die Hendln, so waren die Leut! … Das war nacher das richtige Wunder, so ein Schwindel, net, aufg'legter … Und wie die Leut alles glaubt ham, Wunder, nix wie Wunder, die Rosenkränz sein ihnen bei der Nasen ausg'wachsen vor lauter Heiligkeit, grad daß net Kreuzln und Kugerln g'schneuzt ham. Schaut jetzt anderster her, die Sach. Da hab ich mir schon immer dacht, schad ums Kind, weiß Gott, was mit dem jetzt g'schieht, kommt leicht zu schlechte Leut – hätt so am liebsten dem Herrn Doktor g'sagt, soll er's zu mir geben für ein Weil. Na, und jetzt kommt der Herr Doktor selber daher und bringt's mir als Präsent, grad expreß, das hätt ich mir net träumen lassen, das reine Christkindl. Die Regula! Wo ich schon immer so ein Erbarmen g'habt hab mit ihr.«

»Ja, aber umsonst kannst sie doch nicht halten, Lukas.«

»Umsonst! Is das umsonst, wenn ich Freud hab an eim Menschen? Wo ich so net viel Freud derleb? Is das umsonst? … Den Peterl, den hab ich auch net zum Mäusfressen und den Hansl auch net wegen dem Mist. Muß net bei allem was herausschauen, Freud allein is auch schon was. Grad so jemand, der einem ein bisserl ein Seel sein könnt bei der Arbeit, so ein Feuerl, daß was gar wird in einem.«

»Ist schon gut, Lukas, versteh dich, hast ja recht. Aber Handel muß sein, denn ohne Handel glauben die Leut nicht, daß etwas mit rechten Dingen zugeht, heutzutag. Herz und Seele, das ist keine Münze, das zählt nicht, siehst. Also handeln müssen wir. Etwas mußt nehmen.«

»Net ein Groschen. Grad als ob der Herr Doktor mich hätt auskurieren wollen und obendrein bezahlen. Net ein Groschen. Soll der Herr Doktor das Geld denen geben, denen's drum zu tun is. Mir schon net.«

»Wenn du nicht willst … Aber das Vronele könnt es vielleicht brauchen. Und mit dem Vronele mußt es doch bereden.«

Da begehrt der Bildschnitzer ordentlich auf.

»Noch schöner, die Weibsbilder fragen. Aufmaulen wird's drei Tag lang, mault schon jetzt, glaubens, die lost net her wie der Fuchs auf die Hendeln? Da wird net g'fragt, und vom Zahlen, da is schon gar keine Red. Ich hab wenig, aber mehr als ich brauch, das hab ich noch immer. Und von was anderem hab ich viel, aber noch immer net genug. Da solls nur kommen, die Regula, wird schon all's recht werden.«

* * *

So kommt die Regula ins schmucke alte Schreinerhaus mit dem zierlich ausgesägten Fürgang und dem verschnitzten Giebel und den brennenden Pelargonien und buntflammenden Nelkenbeeten. So kommt die Regula zum Marterl-Lukas, der da zwischen seinen beiden Humpelstöcken lebt und sein Leben heiter durch die Jahreszeiten trägt, und wie er sie empfängt, da hangen die leuchtenden Blumen nur so heraus über seinen Fürgang, und durch seinen Willkomm schimmert ein ganzer Garten voll Sonne und herzroten Blüten.

Nicht so strahlendhell das Vronele. Ihr ist wenig Lieb widerfahren im Leben. Alles, was sich da geregt, ist wieder in die Tiefe gesunken und hat sich da mählich zu bitterem Argwohn verdickt. Der Höcker lastet auf ihr, und unter dieser Bürde ist auch ihr Gemüt schief geworden, besonders seit sie zum ersten Male ihr Bild in seiner ganzen Grausamkeit erblickt. Daß etwas an ihr nicht in der Ordnung, hat sie schon als Kind gewußt. Sie ist hinter den Gleichaltrigen zurückgeblieben; rohe Schulfreundinnen haben sie ins Gesicht hinein die Bucklige geheißen; der Spiegel zeigte eine merkwürdige Abweichung von der geraden Regel. Später hat sie der Vater immer nur mit einem Seufzer angesehen, und als ihr Frühling kam, ließ er sie blütenlos im Dunkel zurück. Die Altersgenossinnen haben ihre Burschen gehabt und ihre Männer gefunden; ihr hat keiner auch nur ein Lebkuchenherz oder eine Blume geschenkt. Und an einem Kirchweihsonntag kam die zermalmende Erkenntnis. Da hatte der Schnellphotograph seine Bude zwischen Ringelspiel und Lebzelter aufgeschlagen. Das Vronele sah, wie die anderen sich anstießen und gegenseitig vorandrängten, rot bis über die Ohren und doch siegesgewiß im Stolz ihres Feierstaates. Und der alte Teufel schlich sich an sie heran, stahl ihr einen Gulden aus dem Geldbeutel und schmeichelte ihn in ihre Hand. Das Ergebnis war ein furchtbares. Das Vronele sah das Bild flüchtig an, und weil sie dem ersten Augenschein doch nicht glauben wollte, flüchtete sie sich mit dem schrecklichen Geheimnis aus dem Jahrmarkttrubel hinaus, in den nahen Wald. Dort erst ging ihr das Bild bis in die tiefste Seele hinein. Sie spie es an, zerriß es und ließ alle kindische Wut am armen Papiere aus. Das kalte Schwert aber blieb stecken, und seither ist das Vronele auf keine Kirchweih mehr gegangen.

Dann fiel das Mißgeschick über den Lukas her, und aus dem Gefühl der ebenbürtigen Heimsuchung und Vereinsamung erblühte zwischen den beiden Geschwistern eine Liebe, die sich auf seiten des Vronele manchmal bis zu bösartiger Leidenschaft verirrte, während der Lukas seine dankbare Anhänglichkeit mehr in Mitleid und gutmütigem Spott bewies. Denn es stak noch immer der grade Mensch in ihm, dagegen war nichts zu wollen, wogegen das Vronele von Anfang an quer steuerte, dem Vogel gleich, den eigener Flug und Gegenwind schräg durch die Höhen treiben.

Und nun kommt dieses auferblühte schlanke Mädel mit den haselbraunen Flechten daher und nimmt im ersten Atem weg, was sie in Jahren nicht hat erbetteln können. So übers ganze Gesicht gelacht hat der Lukas kaum je in seiner gesunden Zeit. Und das Vronele wird vor Eifersucht noch schiefer und stachlicht wie der Wacholderbusch; tut, als ob niemand da wäre, und vergräbt sich in der äußersten Gartenecke grimmig in ihr Gejät.

»Ist der Vroni g'wiß nit recht,« sagt die Regula, kaum daß die ersten Begrüßungsworte gewechselt und der Schnitzer sich wieder auf seine Bank gefunden; »hab ihr Abend g'sagt und Grüßgott übern Zaun, nit aufg'schaut hats. Leicht doch besser, daß ich mich anderswo umtu, Lukas.«

Der lacht noch immer. »Laß nur. Weil du nur da bist. Weibsleut, narrete – dich mein ich net, aber so die meisten. Und schiefg'spreizt aa, da mußt warten, bis Ganze so schief wird, daß die Spreizen gradsteht.«

»Früher, da hats mich leiden können, jetzt siehts mich nit an. Hab ihr doch nix tan, daß ich wüßt.« Die hellen Tränen schießen ihr in die klaren Augen. »Leicht doch besser, daß ich geh.«

»Ah wo,« – der Schnitzer läßt ihre Hand nicht los – »dahier bleibst, so lang's dir g'fallt, und von was anderm wird überhaupt net g'redt.«

»Meinst, soll ich hingehn zu ihr, gute Wort geben?«

»No schöner, wirst du der Katz nachlaufen, daß dich ja kratzt? Wart nur. Hungrige Katz kommt von selber. Gelt, Peterl? Das is nämlich der Peterl – sixt, Peterl, das is das neue Frauerl. Sixt, ich hab mir schon immer denkt, du brauchst ein Menschen, der dir bei deiner Arbeit zuschaut und ein bisserl eine Sonn dazugibt, und das wär halt die Regula. Na, und jetzt bist da, die reinste G'schicht wie im Marienkalender. Und so eine feine heilige Afra oder Ursula könnt ich aus dir machen, wenn ich dich so besieh. Aber weil mir schon bei dem sein« – er hilft sich zwischen seine beiden Stöcke – »dank schön, es geht schon, man lernt's … Weißt noch, wie ich's dir damals zeigt hab, meine Heiligen … Den Sankt Sebastian?« Die Regula errötet. »Alsdann, heut muß ich dir gleich wieder was zeigen. Was ganz Besondres. Aber net umplauschen. Na, bleibst ja da.« Er humpelt voraus nach der Werkstatt. »Den Binkel laß nur, tragt dir keiner weg. Die Vroni weiß schon, aber sonst niemand.«

Jetzt stehen sie in der Werkstatt, mitten in frischem Holzgeruch, Schnitzspänen und fleischfarbnem Raspelstaub.

»Gelt, da schaut's aus?«

Die Regula wundert sich. Halb Kirche, halb Rumpelkammer, ist das Gelaß bevölkert von einem ganzen Himmel wurmstichiger, verstümmelter, geleimter Heiliger, zwischen denen allerhand putzige, fettwulstige Engelchen fröhlich auf Wolkenbruchstücken, vergoldeten Kohlköpfen, paradiesischen Knödeln umherreiten. Dort lehnt sich ein ganz verzerrter, inbrünstig gewundener Sankt Antonius gegen eine strenge Jungfer Katharina, der Zeit und Wurmfraß ein neues Martyrium zugefügt haben, indem sie ihr die Hand zusamt dem Rade abgesägt … Hier gerät eine keusche Nonne, welcher der Gürtel nebst dem Rosenkranz abhanden gekommen, in enge Fühlung mit einem heiligen Aloysius, der durch irgendeinen boshaften Zufall seine Lilie eingebüßt. Da gießt der tapfere Kriegsmann Sankt Florian einer ihm steif zu Füßen liegenden Sankta Theresia hölzernes Wasser auf den Kopf, als sollte er seinem Patronat getreu ein unter diesem Dache entstandenes Schadenfeuer löschen; dort stehen sich ein bunter Franz Xaver und ein schlichter Franz Seraphikus gegenüber, als wollten sie einander in die ausgebreiteten Arme fallen, während gleich daneben ein Sankt Martin und ein heiliger Ignaz mit scheinbar segnenden Händen einander wütend bedräuen, sehr zur Unzufriedenheit eines finsterbärtigen Apostels Jakobus, der die beiden unversöhnlichen Widersacher mit strenger Gebärde zu trennen sucht, dieweil ein dickbäuchig Engelbüblein von seinem Wolkenknödel aus dem Zwist lachend zusieht. Ein anderes feistes Engelchen wieder liegt bäuchlings in einem vergüldeten Wolkenfederbett und ergötzt sich daran, wie der heilige Held Georg in Ermangelung eines Drachen mit seinem Speer auf einen umgefallenen Sankt Dominik lossticht, wogegen die tugendsame Jungfer Ottilie in hölzernem Entsetzen dieser unheilvollen Verwechslung zustarrt. Und drüben der heitere König David mit Krone und Laute und zierlich überstülpten Socken; neben ihm der gute Nährvater Joseph, bieder und ein bißchen bekümmert wie immer; an dessen Seite ein schmuckes Fräulein Magdalena, immer noch recht weltlich anzusehen in ihrer üppigen Blöße, nicht entfernt abgezehrt von Gram und Kasteiung … Es ist eine seltsame Gesellschaft, und die Regula weiß gar nicht, wohin sie ihr Entzücken zuerst verströmen soll.

Der Marterl-Lukas lächelt ganz eigen.

»Ja, schau, Aufträg über Aufträg. Der ganze Himmel vom Sanktrainer Land is krank worden, da soll eins den Doktor spielen. Der heilige Petrus braucht an neuen Schlüssel, der heilige Paulus ein neues Büchel, dem Sankt Aloisi is die Lilie zerbrochen, die heilige Katharina hat ein Radl zu wenig. Für den Sankt Anton soll ein neues Schweindel g'macht werden, für den Georgi dorten ein neuer Drach. Is eine rechte Not mit die Sanktrainer Heiligen – aber die Hauptsach, an neuen Herrgott habens kriegt. Was sagst zu dem?«

Der Lukas hält sich an einem Stocke fest; mit der anderen Hand greift er in einen Winkel hinter die beiden Evangelisten Markus und Johannes hinein. Eine nackte, sehnig magere Gestalt wächst zwischen den verschnörkelten Heiligen in die Höhe, die Gestalt eines Mannes, der mit seiner ganzen Last an seinen schmerzhaft ausgespannten Armen hängt: der Heiland.

»Was sagst zu dem?«

Der junge Meister stellt sein Werk auf die Schnitzbank, gerade in den vollen Strom der Nachmittagssonne hinein.

»Aber die müssen herunter. Sonst sieht man ja den Herrn Jesus net vor lauter Heilige!«

Und Sankt Isidor wie Muhme Lucia, der lockige Täufer Johannes wie Jungfer Barbara zusamt dem nichtsnutzigen Engelbubenpaar müssen sich in Raspelstaub und Span den übrigen Heerscharen gesellen.

Einsam lehnt der Gekreuzigte auf seiner Höhe gegen die kahle Wand: unter ihm ein ganzer Trümmerhimmel beschädigter Bischöfe, wurmstichiger Apostel, zerbrochener Jungfrauen, morscher Mönche. Er aber sieht in leidendem Erbarmen auf dies verzunderte Paradies herunter; er, der Sterbende, ist der einzig Lebendige unter all diesen segnenden und betenden Gebärden der Toten. Und vor dem Licht, das seine nackte, wunde Armut mit brennendem Mantel umkleidet, erblindet der dumpfe Brokat der alten Vergoldungen, verbleichen die stumpfen Farben der Gewänder, die in ihren üppigen Falten den Fraß der Würmer verbergen. Lauter starre, im Krampfe verzerrte Leichen, so liegen die verstümmelten Götzen dem erlösenden Gotte, dem geopferten Menschensohne zu Füßen.

Der Marterl-Lukas humpelt über die gefallenen Heiligen bis in die Mitte der Werkstatt zurück.

»Von hier mußt ihn anschauen. So mußt ihn anschauen, ganz für sich. Was sagst zu dem?«

Die Regula hascht erschrocken nach seiner Hand.

»Du! … Aber das is ja – – –«

Legt der Lukas den Finger auf den Mund. Seine Augen leuchten.

»Hast es heraus? … Na, was sagst dazu?«

»Aber das is ja er, auf und nieder! Zum Schreien! Und das soll das Stoderkreuz werden?«

»Das Stoderkreuz, freilich. Jetzt wird der auf der Wacht stehn vor dem schiechen Steig in den Höllgraben. Paßt's leicht net?«

»Aber die anderen, du! Was werden die sagen?«

»Tschaperl dumms, was werdens sagen? Meinst, die merken's? … Die merken's längst net, wer da vor der schiechen Stell auf der Wacht steht statt dem verbrannten Herrgott vom Vatern selig. Die merken's längst net, wer da herunterschaut auf ihre Weg zum Höllgraben. Das merken nur, die Augen haben.«

»Aber wie hast denn das ang'stellt? Hast ihn ja net vor deiner g'habt?«

»Freilich hab ich ihn vor meiner g'habt, aber net so. Vor die inwendigen Augen, die schauen schärfer, das sein die richtigen. Wer mit die net sieht, der soll's lassen, der is so blind. Na, und oft g'nug hab ich ihn vor meiner g'habt in der bösen Zeit, jeden Tag. Da is mir sein Bild ins Inwendige hinein.«

»Is zum Wundern,« staunt die Regula; »der Herrgott selber, wie man besser ihn sich nit vorstellen kann … Und doch der – der andere, auf und nieder, grad dasselbe G'sicht wie damals.«

»Na, daß das nur findtst, sixt, das freut mich.«

»Und wie der lebendig is, jede Flaxen, jede Ader, man meint, man sieht's Blut drin schlagen … Man könnt glauben, jetzt und jetzt wird er sagen: es ist vollbracht.«

Der Lukas antwortet nicht gleich. Da sieht die Regula zu ihm auf und merkt etwas.

»Du! … Ist dir's leicht nit recht, daß ich das so sag?«

»Recht schon, Regula, recht. Bloß der verflixte Staub dahier, der beißt.«

»So was müßt doch eim jeden g'fallen. Wie ihm der Kopf herunterfallt! Und die Brust, man sieht's atmen, man sieht's Herz arbeiten … So ein Herrgott, ein lebendigen, mit dem man völlig reden könnt, dem man was Liebs antun möcht, der ein so jammert bis in die Seel hinein – so ein hab ich meiner Tag nit g'sehn. Der damals – der in meine Träum: der war ganz anders … Aber bei dem da, wann man den lang anschaut, da könnt's einem richtig durchs Herz gehen und durch Händ und Füß.«

Der Marterl-Lukas blickt nachdenklich auf die Regula herab.

»Aber jetzt – jetzt is das vorüber, net? Oder wie?«

»Als ob's in eim andern Leben g'wesen wär, so weit weg, eine Ewigkeit. Aber ein bissel was davon ist schon blieben. Wie's den aufgestellt hast, da is mir's durch den ganzen Leib gangen wie fünf Blitz. Aber nit so wies andre.«

Der Schnitzer legt seine Hand mit dem Stockgriff gutmütig auf die lichtbraunen Flechten.

»Arme Regula, kleine.«

Und sie hält still und errötet bis ins Haar hinauf.

»Na, so komm. Gehn mir in die Sonn hinaus.«

Und sie folgt ihm, und der Gekreuzigte bleibt allein zurück auf seiner Höhe über den toten bunten Götzen.

* * *

Genau so kam es, wie der Marterl-Lukas es vorhergesagt.

Am Sonntag nach Fronleichnam stand das Sühnekreuz am Eingang zum Höllgraben; aber von den vielen, die ihn bewunderten, erkannten nur ganz wenige den neuen Herrgott.

Nur daß man ihn weit schöner fand als den verbrannten; daß man der Kunst des Lukas alles Lob zollte; daß man auch die schöne buntverglaste Laterne aus Schmiedeeisen, die der Anrain dem getroffenen Abkommen gemäß gestiftet, gebührlich würdigte.

Nun würde dem Heiland zu Füßen ein frommes Ewiglämplein brennen, in Nacht und Sturm, in Wettergraus und Winterdämmerung: dem einsamen Bergwanderer ein Trost, dem Ermüdeten eine Verheißung, allen, die über die Höllentiefe mußten auf ihren Wegen durchs Leben, ein Mahner zu stillem Gebet.

War an diesem Sonntage nicht eben viel Redens von jenem Frevel. Neue Ereignisse hatten sich dazwischen geschoben und andere Verbindungen hergestellt. Die Gesundbeterin, die damals am ärgsten gegen den Herrgottsschänder und Heiden gewütet, war nach zermalmendem Zusammenbruch mit ungesegnetem Tod abgegangen, und ihr Feind lebte noch. Dem jetzigen Schrottbauern hatte er vor kurzem einen veralteten Schaden verwunderlich schnell und gründlich wegkuriert. Die Gantnerin, die nun auch schon in die Jahre ging, hatte er von einem schwächenden Leiden befreit, den gichtigen Lahninger wieder auf völlig gesunde Beine gebracht. Man kam halt nicht aus ohne ihn, alles umsonst, als Doktor war er schon was wert, mochte es sonst mit ihm seine Haken haben. Und daß er jenes Karfreitags bei alldem mit keinem Worte erwähnte, das rechnete man ihm auch irgendwie an. Nur der Überacher verharrte in rachsüchtiger Feindschaft. Die anderen zuckten die Achseln und hielten auf beide Seiten oder auf keine. Fanden sich in irgendwelcher Weise zurecht. Wanden sich zwischen Geschehnissen und Gegensätzen durch, so gut es eben ging. Schließlich, sie waren Bauern – was ging das alles sie an? Am besten, man bekümmert sich nicht um solche Sachen, nichts hat man davon als Zuwidrigkeiten und Wege, und nichts schaut dabei heraus. Nur den Herrgott sollte man ihnen in Ruh lassen; mit einem Herrgott hat ein Doktor nichts zu schaffen, der wird für seine Kuren und Salben bezahlt, und damit fertig.

Nun standen sie in Haufen und Rudeln durcheinander, die Ober-Sanktrainer, die Unzinger, die Ober-Sterzener. Die weißen Seidenfahnen der Jungfrauenbünde und die Aloisistandarte der Ober-Sanktrainer Junggesellenbruderschaft flappten im warmen Sommerwind. Stolz blähte sich das weinrotdamastne Herz-Jesu-Banner der Unzinger, das noch der selige Permoser mit eindringlicher Kanzelsprache der Opferwilligkeit seiner Seelen abgerungen.

Das Panier des Jungfernbundes trug übrigens keine der versammelten Damen, sondern der Vertrauensjunggesell dieser ehrbaren Körperschaft, der Wimmer Vinzenz, der sich bisher nicht hatte entschließen können, die von ihm betreute Herde um einen Kopf zu verringern. Der Wimmer Vinzenz besaß eine hohe, hellkrähende Stimme, den größten Rosenkranz von ganz Ober-Sanktrain, ein ebenso absonderlich großes Gebetbuch und ein starres Auge, das je nach dem Stand des anderen Auges nach innen oder nach außen schielte. Dieses Gebrechen hatte sich der Wimmer Vinzenz auf künstliche Weise mühsam erworben, und zwar in der Pfarrkirche zu Sanktrain, wo er, abseits vom Pöbel der gewöhnlichen Beter, einen besonderen Platz in der westlichen Sakristei inne hatte. Während des Gottesdienstes kniete er dort in der Türe, und weil ihm gewöhnliche Gebärde nicht genügte, so hatte er sich eine besondere angelernt, um mit dieser seinem Gotte zu nahen. Als Vorbild diente ihm teils der Sankt Bernhard auf der Evangelienseite, teils der zelebrierende Priester selbst. Wie Sankt Bernhard hielt er das absonderlich große Gebetbuch in der linken Hand, kunstreich um die Finger geschlungen den extralangen Rosenkranz, daß sein Endkreuzlein aus Perlmutter fast an den Steinfliesen klingelte; wie der die heilige Messe lesende Priester aber spreizte er die freie Rechte aus angezwängtem Oberarm starr von sich weg, gleich als trüge er auf den eigenen Schultern die Brokatlast der Kasel und als hinge von seinem Handgelenk die goldbordierte Manipel herab. Nun ergab sich aber die Notwendigkeit, den geistlichen Herrn während seiner Verrichtungen unausgesetzt zu beobachten, um in gleichem Tempo mit ihm jede der vorgeschriebenen Bewegungen nachzuahmen, beim Sündenbekenntnis dröhnend an die eigene tiefeingebuchtete Brust zu pochen, bei der Wandlung das Buch mit dem Rosenkranz steil über das Haupt zu erheben, beim Dominus vobiscum beide Arme vom Ellbogen her auseinanderzuspreiten. Und weil der Wimmer Vinzenz gleichzeitig doch auch die schöngedruckten Gebete in seinem großen Buche zu lesen und mit den dicken Lippen zu flüstern wünschte, so teilten sich seine Augen in die beiden frommen Aufgaben: in langjähriger Übung wurde das auf den Altar gerichtete Epistelauge starr, während das Evangelienauge seine Beweglichkeit beibehielt. Gerade jetzt behielt das Epistelauge den Schaft des Jungfrauenpaniers unentwegt im Blick, während das freie Evangelienauge über die anvertraute Herde und über die Jungfernschaften der Nachbargemeinden hinzielte.

Da kam Bewegung in die Gruppen. Aber es war noch nicht der Herr Dechant, der mit seinem Eintreffen die allgemeine Spannung erhöhte. Es war vielmehr Herr Karl Falzinger, der den Photographen aus dem Städtel mitgebracht. Die schwitzenden Jungfrauen stießen einander an und grinsten. Auch der Herr Photograph schwitzte. Es war das ein schwergliedriger, plattfüßiger Mann, dem das Steigen in der wohlmeinenden Fronleichnamssonne sehr sauer fiel, und der nicht daran dachte, den umfangreichen Apparat nebst Zubehör selbst zu tragen. Diese Bürde schaffte ein Gehilfe zu Berg, was für Herrn Falzinger die Kosten des Unternehmens noch erhöhte. Allein das schlug in der Gesamtbilanz nicht weiter aus; handelte es sich doch um einige Aufnahmen, die im kommenden Festsommer als Ansichtskarten zu Tausenden würden abgesetzt werden, Ansichten des berühmten Stoderkreuzes, gleichzeitig ein stimmungsvolles Kostümbild. Während die Jungfrauen einander anstießen, wandte sich Herr Karl Falzinger dem bereits anwesenden Herrn Gendarmeriewachtmeister, der Herr Photograph dem gleichfalls harrenden Herrn Bürgerschullehrer Drexler von Sanktrain zu. Jener genügte hier seiner Pflicht als Statthalter der strengen Genien der Ordnung und des Gesetzes; dieser war mit seinem Taktstocke bei der Absingung des Herz-Jesu-Bundesliedes unentbehrlich. Beide hätten den sommerlichen Nachmittag lieber in kühlen Tiefen zugebracht. Auch sie wischten sich häufig die Stirnen und nahmen gar keinen Anteil an den Freuden der Matronen und Väter, Brüder und Jungfrauen, unter denen besonders die letztgenannten für den Gehilfen des Herrn Photographen und seinen Apparat weit lebhafteres Interesse bezeugten als für den neuen Herrgott.

»Heiß, heiß.« … »Ja, sehr heiß.« … »Für die Jahreszeit!« … »Ja, noch nicht einmal Johanni.« … So wurde der Wetterherrgott von den Herren kritisiert, während die Bauern einander nach Stand der Saaten und allgemeinen Ernteaussichten überfragten. »Aber an Regen könnt ma halt wieder brauchen.« … »Ja, ja, ein Regen, der wär schon recht.« … »Noch vorm Mähen.« … »Freili, noch vor der Mahd. Da wär er schon recht, der Regen.« … »Na ja, was willst da machen, wann kaner kommt.« … »Freili woll, was willst da machen?« … »Auf meiner Birketbreiten, der Klee, der brauchets …« »Dös is die Birketbreiten, net, die wost vom alten Schrott, vom vorigen, kauft hast, damals?« … »Diesell is, die Birketbreiten, wär grad recht, ein bisserl steingründig halt.« … »Ja, ja, freili, was willst da machen. Steingründig, das is halt amal aso.« … Und so weiter in schleppender, gemächlicher Gleichgültigkeit. Was nicht heute, das kommt morgen; kommt's morgen nicht, vielleicht die andre Woche. Wie es halt der liebe Gott gibt. Da kannst nix machen. Was willst da machen? Nix kannst da machen … Und lauern sich doch gegenseitig aus mit ihren umgehenden, ausweichenden Fragen und Antworten.

So die Alten, die Gestandenen. Andere stehen um das neue Kreuzbild herum, nicken mit den Köpfen, sagen: Ja, ja, der Lukas, da schauts her, der Lukas. Aber den Mannsleuten ist das Heu wichtiger, den überjahrten Weibszimmern das Netzeschlingen und Ausrichten. Jünglingsbruderschaft und Jungfernbund stehen sich dieweil in haßerfüllter Sprödigkeit gegenüber, als seien beide Geschlechter von Uranfang her dazu unterschieden, einander zu reizen und ihre geteilten Daseinsaufgaben sich wechselseitig vorzuwerfen. Daß hüben Jungfrauen sind und drüben Jünglinge, das ist schon nicht in der Ordnung; denn die Jungfrau ist für den Jüngling bestimmt und umgekehrt, damit sie einander aufheben. Daß dies aber am Ende der Fall sein könnte, das ist auch nicht recht; die verfluchten Mannsbilder, die nichts tun als saufen und kitteljagen – die verdammten Weiber, nichts wie Unfried und Gift, daß man seine Freiheit an so eine vertölpelte, noch schöner! … So spielen die Fäden, aus Liebe und Haß gezwirnt, zwischen den beiden Rahmen des Lebens; rachsüchtige Lockung, einladender Groll – und mitteninne steht das Neutrum Wimmer Vinzenz, hält das Epistelauge starr auf die senkrechte Fahnenstange gerichtet, streift mit dem Evangelienauge das Lustrevier der jungen und mittleren Weiblichkeit ab und verharrt im übrigen steif unter der schwankenden Seidenlast seines Paniers.

Die Ortsgeistlichkeit war noch nicht zur Stelle. Sie würde in Herrn Dechant Hetz und Herrn Pfarrverweser Siebenschein zwiefach vertreten sein; das wußte man bereits. Und auch über das Festprogramm war man schon ausreichend unterrichtet. Zuerst Ansprache des Herrn Dechanten; dann feierliche Weihe des neuen Herrgotts, hier auf gastfreiem Sanktrainer Boden, da die verrufene Gegend des Stoderkreuzes nur eben für eine ganz schmale Prozession Raum bot; endlich Übertragung des nur oberflächlich eingepflanzten Bildstockes nach seinem Bestimmungsorte, der Stätte, wo er fortan als Wegaltar den Einstieg in die Höllbachschlucht und den unheimlichen Höllgrabensteig bewachen sollte. Dort war dem Kreuzpfahl bereits ein sauberes Bett ausgehoben worden. Vier handfeste Unzinger in Sonntagsstaat würden an jener durch doppeltes Gedächtnis gezeichneten Stelle, da jener Stoderbauer unseliger Erinnerung in den Krallen seines Verführers ein schrecklich Ende gefunden, des Sühneheilands harren. Herr Pfarrverweser Siebenschein sollte dem Zuge vorangehen, um den neuen Jesus an seinem Posten zu begrüßen und in Empfang zu nehmen. Gewinde aus Fichtengrün, mit Nelken, echten und papierenen Rosen besteckt, warteten gleichfalls der Ankunft des Erlösers. Alles war bis ins Kleinste zugerüstet. An einem geeigneten Platze loderte ein gelindes Feuerchen, von Peter, dem Knecht, von Bartl, dem Schmiedgesellen, und etlichen anderen unbeweibten Burschen minder strenger Observanz zu mehrfachem Zwecke entfacht und unterhalten. Denn einmal bedurfte das Weihrauchfaß der glühenden Kohle, zum anderen aber diente die Flamme der Erhitzung des langen Zündhakens, der mit seiner Angel längst schon in der Lohe lag. Seitab standen die sechs rostigen, kantigen Pöller, die ausgiebige Faustladung splitterkörnigen Sprengpulvers mit Holzkeil, Erde und Ziegelstaub festgestampft. Drei dieser Geschütze waren durch eine sinnreiche Kettenzündung untereinander verbunden, so daß die drei Salutschüsse in raschester Folge loskrachen und unter dem Weibervolk verwirrte Betäubung anrichten mußten. Darauf waren der Peter und der Bartel schon eingeübt. Die Kettenzündung bestand einfach aus einem Streifen Borke, der von einem Zündkanal zum anderen führte und in seiner Rundhöhlung das schwarzglänzende Schießkraut trug. In verdächtiger Nähe all dieser Vorbereitungen stand der zwilchene Pulversack. Ohne Pöller und Jungfrauengekreisch, das wäre keine rechte Weihe gewesen, keine Stimmung, kein Gottesdienst!

Pfarrer Hierat von Sterzen hatte sich entschuldigen lassen: sein bekanntes Übel verbiete solche Anstrengungen, an Sonntagnachmittagen zumal müsse er sich doppelt in acht nehmen.

Und auch die drei Hauptpersonen fehlten: der Doktor, der Marterl-Lukas und die Regula. Mit dem Doktor sollte ja der Marterl-Lukas auf besonders freundschaftlichem Fuße stehen. Jener habe die Regula im Schreinerhaus untergebracht – ausgerechnet im Schreinerhaus, da doch jeder von Herzen gern bereit gewesen wäre, das arme Kind bei sich aufzunehmen, der G'stattbauer Schachner zuvor.

»Als wann i mi nie net bekümmert hätt um das Madel, zu dumm, net? … Na, soll jetzt dort bleiben, wo's schon dorten is … Jetzt will i nix mehr zum schaffen haben mit der Sach. I hab's net hintan, daß ihr's wißt.«

»Na, und grad vor aner Stund oder so, da is er wieder hingangen, der Doktor. Zum Marterl-Lukas, wo die jetzt is, die Schwandtner Regula, von der G'sundbeterin die … Na ja, i sag grad, geht ein ja nix an.«

»Wird leicht grad so ein Luder, die Regula. Hat's schon zeitig g'lernt, das Betrügen, was weiß man?«

»Besser gar nix z' tun ham mit so was. Sag's ja immer. Hab's damals eh g'sagt, laßt's euch net für an Narren halten, hab ich g'sagt, mit dem Wunder da stinkt's, hab ich g'sagt. Hat aber kaner glauben wollen. No, und wer hat recht b'halten? Hat's leicht net g'stunken, dasselbige Wunder?«

»Freili woll, g'stunken hat's. Na, i hab's ja eh g'wußt, net, daß da was net in Ordnung is, mir ham dös glei g'rochen, du und i … Aber die anderen, da war kan Halten net …«

Noch ein anderer seltener Festgast war erschienen, der Geisterer.

Abseits von Schwarm und Schwatz kauerte er im Gewurzel einer der mächtigen Rottannen, die das kleine Wegkapellchen von drei Seiten mit Grün und geheimnisvoller Waldestiefe umschirmten. Niemand hatte ihn kommen sehen. Nun hockte er in den Wurzelbuchten des alten Wetterbaums, die mageren Hände über der Krücke des Hartriegelstockes verschränkt, das sauber rasierte Kinn darauf gestützt, blühweiß das Hemd wie das Haar unterm zurückgeschobenen Hut. Seine Blicke spielten über die bunten Haufen und Fahnen hin.

Dann wurde er aber doch bemerkt.

»Hö, der Geisterer! Ja, was tust denn du da?«

»Sitz auf dem Herrgott seiner Erden, wann's dir recht is. Oder bist leicht beim Herrgott mit einer Hypothek eintragen, wegen die fünfundsiebzig Gulden?«

»Was du all's weißt … Bist ihn aber doch anschaun kommen, den neuen Herrgott – um fünfundsiebzig Gulden.«

»Net ihn. Sondern das, wie er euch anschaut, der neue Herrgott – das bin ich zuschaun kommen.«

Mischte sich der Peter hinein, der gerade vorher die Weihnachtsschauergeschichte vom alten Stoderkreuz in blühendster Ausschmückung zum Besten gegeben. Weil das schon einmal dazugehörte. Denn hätte er den Doktor nicht geführt, so wäre der nie bis zum Stoderkreuz gelangt. So hatte er eigentlich den größten Anteil am neuen Herrgott. Daß er den Doktor an seinem sündlichen Vorgehen hatte verhindern wollen, das stellte er freilich nicht in Abrede. Aber schließlich hatte doch er mit seiner heruntergebrannten Leuchten dem alten Herrgott zum Sturz und dem neuen zur Herrschaft verholfen. Und jedermann gab ihm recht, dem Peter.

Mischte sich jetzt drein, wie sie den Geisterer aufspannten.

»No, du.« Der Peter nickte dem Alten großmächtig und von oben herab zu. »Hast di ausg'schlafen, daß wieder fürkommst?«

»Grad daß ich dich seh, bin ich kommen,« sagte der Geisterer gelassen; »hätt dir was zu sagen.«

»Du mir zu sagen? Bin net krank, du.«

»Bist es noch nit, wirst es bald sein. Auf deine Hand paß auf. Da sind drei Finger krank dran. Das hab ich dir sagen wollen.«

Der Peter lachte auf. Aber da traf der Dechant ein, und in der entstehenden Bewegung wurde der Geisterer wieder vergessen.

Inzwischen hatte die alte Wolkenfrau graugoldnes Gespinst über den westlichen Himmel gewoben. Die Sonne wurde fahl und matt; die Hitze verdichtete sich. Die Schatten der Dinge verblaßten. Blendendes Zwielicht legte sich über die Landschaft.

Der Dechant sprach da und dort einer Gruppe zu, grüßte nach links, winkte dem stramm erstarrenden Gendarmeriewachtmeister nach rechts, erkundigte sich beim Schrottbauern nach der verkalbten Kuh, beim Geiting nach der Ahn, beim Fern nach dem Neugeborenen …

»Grüß Gott, grüß Gott, wie geht's, was macht die Bäuerin? Ja, richtig! … Also nächstens Tauf? … Das wievielte? … Grüß Gott, was, Ihr auch, Geitingbauer? … Das nennt man Rüstigkeit! … Nja, schönes Wetter, ob's so bleiben wird, hoffentlich, können's brauchen, besonders dann, im August! … Heiß, heiß, was, für die Jahreszeit? … Könnt vielleicht heute noch etwas kommen, nicht? … Ah, der neue Christus!«

Der Dechant trat einige Schritte zurück.

»Schön, sehr schön! … Ja, der arme Lukas, nicht wahr? … Nicht einmal dabei sein kann er! … Wirklich gut hat er es gemacht. Ein Meisterwerk …«

Er trat näher, noch einmal zurück.

»Merkwürdig. Wirklich ein Meisterwerk … Die Schwandtner Regula ist ja jetzt bei ihm. Das ist ja ganz vernünftig, nicht wahr? … Wie gefällt es Euch, Überacher? … Das ist Kunst. Das könnte man in jeder Domkirche aufstellen. Ja, also der Marterl-Lukas verdankt dem Doktor wirklich viel, recht was recht … Tatsächlich ausnehmend schön, dieser Christus. So lebenswahr … Ah, der Herr Amtsbruder von Unzing! Wie geht's? Ein weiter Weg da herauf, nicht wahr? Und ein bißchen schwül heute nachmittag, wie? … Was macht die Musik? … Nun, was sagen Sie dazu? Das Werk unseres Sanktrainer, eigentlich Ober-Sanktrainer Michelangelo. Merkwürdig gut, finden Sie nicht? … Fast schade um das schöne Stück. Hier in Wetter und Wind …«

Benedikt stand eratmend in langer Betrachtung. Er fühlte sich beobachtet, aber er verriet sich mit keiner Gebärde. Jetzt trat auch er zurück.

»Beinahe ein Kunstwerk, nicht?« fragte der Dechant.

Siebenschein verwandte den Blick nicht vom Gekreuzigten.

»Nicht beinahe, und nicht Kunstwerk. Sondern wirklich das Werk eines großen Künstlers.«

»Feine Unterscheidung! Fällt Ihnen nichts auf daran?«

»Nein, ich finde nichts Auffallendes daran. Ich sehe nur die große Lebenswahrheit.«

»So, hm, ja. Es kann ja meinerseits Einbildung sein.«

Der Dechant ließ seinen Blick über die Köpfe, Jungfernschafts- und Aloisifahnen streifen.

»Ein Vorspiel unseres Sommerfestes … Ah, der Geisterer! Kennen Sie ihn, den alten Sonderling?«

»Ist kein Sonderling,« sagte Benedikt.

»Nein? … Wissen Sie, daß er nie zur Kirche kommt, außer zu besonderen Gelegenheiten? Und er sagt allen Menschen du. Niemand weiß, woher er eigentlich stammt.«

Er trat auf den Alten zu, der immer noch still im Gewurzel des alten Wetterbaumes kauerte, das Kinn auf die verschränkten Hände gestemmt.

»Wie er eingangen is, der Dechant,« flüsterte man hinter ihm her; »völlig grau, auf amal, als wenn's ihn eing'schneibt hätt über Nacht.«

»Wo er völlig nimmer zum Schlafen kommt, was die Leut so sagen.«

»Dös könnt stimmen … Neulich, am Mittwoch nach Pfingsten, weißt eh, wo i nach Marein auf den Markt bin mit die zwei Jungöchseln, kennsts eh, dieselbigen, wo damals der Breitner hat fünfhundert Gulden geben wollen dafür … hab ihm's aber g'sagt, dem Breitner, damals, zum Lachen, net … Alsdann wie i nach Marein bin mit die zwei Öchseln, no net zum Hahnenkrahn war's, da hat scho Licht bei ihm brennt …«

Die Schwüle wurde schwer. Die Standarten schlugen nicht mehr mit ihren weißen Seidenflügeln. Still hingen sie von den Querstangen herab. Der gedämpfte Strahl der Sonne stach wie eine Mücke. Unermüdlich höhnte aus dem Walde her der Gewittervogel, der Kuckuck. Ein Häher rätschte über die Trift hinweg.

»Wird an Wetter machen.«

»Is mir net recht. Wegen dem Klee auf der Birketbreiten schon noch, aber wegen dem Heu auf interen Grundwiesen, grad a bissel zeitiger g'mäht, wo ich's halt brauch, da paßt's mir net …«

Der Anrain ging herum und lud zur Besichtigung der vornehmen Sühnelaterne auf.

»Nobel, gelt ja? … Hä? … Hat ihr Geld kost, die Latern … Von mir aus … Aber die ganze G'schicht, die hat mir den Fried im Haus kost.« Er dämpfte die Stimme. »Wie halt d' Weiber sein, so heut, so morgen, wie's blast. Früher nix als G'schimpf – und jetzt auf amal steht nix auf übern Doktor. Da legst di nieder. Kannst sagen, was willst – Weiberleut, halt, na.«

Der Dechant trat an den Geisterer heran.

»Na, Geisterer, Ihr auch? Zur Leonardikapelle ist's doch ein wenig näher, was? … Nämlich, das ist unser Alter vom Berg, Herr Doktor Siebenschein. Unser großer Heide.«

Er sprach scherzhaft, aber der Geisterer rührte sich nicht. Seine Augen glommen.

»Der und ich, wir kennen uns. Bist krank worden um mich, damals, gelt? Hab's dir ja gesagt, der Weg zurück ist schwer, was hast dich verstiegen?«

Der Dechant staunte zu Siebenschein hinüber.

»Sie waren bei ihm?«

»Ja, der war bei mir,« nickte der Alte. »Ihm hab ich aufgemacht. Ihm.«

Der Dechant griff sich unauffällig an die Stirne.

»Brauchst nicht auf deinen Kopf deuten,« verwies der Geisterer; »mein Gedächtnis ist frisch.«

»Ja, zum Verwundern, Geisterer, wirklich,« nickte der Dechant wohlwollend; zu Siebenschein: » Est tamen animi quaedam difformitas, senectutis morbus aut mania. Qua ex causa sunt toleranda ejus –«

»Latein brauchst auch nicht zu reden,« unterbrach ihn der Alte; »Latein versteh ich auch. Und das deinige ist schlecht wie das ganze Meßlatein. Und da oben bin ich ganz in der Ordnung. Nur sonst geht's auf die andre Seiten zu.«

Dechant Hetz schürzte die Stirnfalten.

»Sie verstehen Lateinisch? Also was heißt: Principiis obsta, sero medicina paratur?«

»Das heißt, daß du die erste Sünd mit der Wurzel hättst ausreißen sollen, denn jetzt halt dich kein Vorsatz mehr.«

»Wahrhaftig.« Hetz lachte auf. »Ist er nicht ein Original? … Aber wo haben Sie das her?«

»Hab's einmal geträumt. Da ist's mir blieben, sixt.«

»So. Also ein Herr Kollega von uns, Doktor Siebenschein! … Aber Sie werden sich erkälten, wenn Sie da im Schatten auf der Erde sitzen.«

»Dank der Fürsorg, aber mehr werd ich mich nicht verkälten, wie damals in der Nacht vom April auf Mai. Da hat mich das schwere Wetter erwischt, weißt – dasselbige schwere Wetter, das damals heraufkommen is, erinnerst dich?«

Der Dechant räusperte sich.

»Ja, ich glaube – es war eine stürmische Nacht.«

»Warst ja auch wach in selbiger Nacht.«

»Also Sie haben mein Licht gesehen. Ja, ich habe gerade damals bis spät hinein viel zu erledigen gehabt.«

Der Alte nickte.

»Dein Licht, ja, das hab ich gesehen. Hast arbeiten müssen in der Nacht. Das war stürmisch, in dieser Nacht von April auf Mai. Da hat's mich ganz erkältet.«

»Was haben denn Sie draußen getrieben? Sie waren ja in Sanktrain, wie Sie sagen?«

»Nicht wahr, dazumal war ich im Berg. War halt draußen. Wie andere vielleicht auch. Man hat halt seine Weg. Und in selbiger Nacht, da wachst allerhand Kraut und Wurz im Berg, da sieht man das höllische Gold durch die Erden, da ist gut graben, in dieser besonderen Nacht. Da sind alle Geister los, Hexen und Teufel, Stürm und Seelen, da findst Arznei und Gift. Ist eine besondere Nacht, die letzte im April.«

Der Dechant griff sich unter den Kollarkragen.

»Diese Gewitterschwüle ist unerträglich, nicht, Herr Doktor?«

Siebenschein hörte nicht darauf hin. Er sah dem Alten ins Gesicht, wie der Geisterer selbst unter seinen weißen Brauen hervor dem Dechanten unbewegt in die Stirn zielte.

»Warum sind Sie denn nicht irgendwo untergetreten, damals?« fragte Benedikt; »oder waren Sie zu weit weg von jedem Hause?«

Der Alte ließ den Dechanten nicht aus dem Blick.

»War schon ein Haus in der Näh. Das Hexenhaus. Dort, weißt, unterm Birkenwald, das letzte auf her zu. Da hätt ich untertreten können, denn dorten war ich grad damals. Aber da war ein anderer drin. Der leibhafte Teufel. Da bin ich lieber draußen blieben. Ist eine besondere Nacht, die letzte im April. Wachst allerhand Kraut und Wurzel um solche Stund. Alraun und Distelkönig und alles. Und der Teufel geht um, jetzt wie in alter Zeit … Gibt so Pflanzen, die blühn an vielen Stellen ins Licht hinaus. Gräbst aber nach, so findst, daß sie alle zusammen eine einzige Wurzel haben, tief drunten im Finstern. Wachsen in solcher Nacht, diese Pflanzen.«

Der Geisterer nickte vor sich hin über die verschränkten Hände, die noch immer auf der Stockkrücke lagen.

Der Dechant trat zurück.

»Ich glaube, wir fangen an …« Er hustete, aber seine Stimme war wie verschüttet. »Bitte; Herr Doktor, sehen Sie zu, daß die Leute sich sammeln und ordnen. Vielleicht im Halbkreise um das Kreuz und die Kapelle … Ich werde mich ganz kurz fassen … Schon wegen des drohenden Wetters …«

Er sah flüchtig zum Himmel hinauf.

Jetzt schien es, als wollte es sich wieder klären. Aber die hervortretende Helligkeit wurde nicht scharf. Die verwachsenen Schatten schwammen wie in Wasserdampf. Drunten im Tale lag dumpfer Dunst. Nur die weißen Kirchtürme grellten durch den brauenden Brodem. Still sah der Herrgott am Kreuze auf das unruhige Volk herab.

Die Banner der Geschlechtsbünde nahmen ziemlich Aufstellung. Zu beiden Seiten des Bildstockes traten die kleinen Ministranten in ihren roten Röcklein an, während der Meßner die Räucherampel in Bereitschaft setzte. Der Herr Gendarmeriewachtmeister erstarrte in vorschriftsmäßiger Strammheit.

In einer Lücke des Halbkreises stand das Geschütz des Herrn Photographen auf drei dünnen Beinen, der Herr Photograph selbst dahinter auf zwei großen Plattfüßen, den angestrengt schwitzenden Kopf unter das schwarze Tuch gewühlt. Das fünfgestelzte Ungeheuer mit dem schwarzblitzenden Glasauge machte die sonderbarsten Gehübungen, marschierte nach vorne, nach hinten, nach der Seite, bis der Purpurkopf des Kanoniers endlich aus dem schwülen Tuche hervorseufzte und Herr Falzinger, der die Manöver der photographischen Spinne geschäftig wie ein Hündchen umsprungen, seinerseits unter dem verdächtigen Überhang verschwand. Die Jungfrauenvereine gerieten darob in Unruh und Heiterkeit. Die Reihen schoben sich durcheinander, Ellbogenstöße, spitz aufblitzende Worte. »Die Hübsche soll mehr vortreten!« gurgelte Herr Falzinger unterm Tuche. Zwanzig gehorchten zugleich und gerieten in Reibung. »Die Hübsche!« schrie Herr Falzinger dumpf unter seiner Decke. »Dieselbige bin i!« … »Du! daß i net lach!« … »Du grad, du wirst da vorn stehn …« … »Leicht du mit beim Wampen, der eh net neigeht in selbigs Guckglasl …« »Du, du hast grad was zu reden dahier … G'hörest von Rechts wegen gar net aufs Bild, du … Weißt eh warum!« … »Dös wird si ja aufweisen, ob du mir dös sagen derfst …« … Eine dicke Männerstimme … »Du, dös reden mir nacher aus, obst du der Rosl dös sagen derfst …« … Ein anderer Baß: »Da werd i aa no dreinreden … Recht hat's, die Lies … Schlampete Weiber g'hören net daher …« … »Aso, no schöner. Dös wird si ja aufweisen …« Hochrote Gesichter; zornig absträubende Haarbüschel. Der sorgfältige Feierstaat löst sich in der Hitze der Leidenschaften auf. Der Vogel Gauch höhnt ohne Unterlaß durch die bleierne Schwüle.

Jetzt taucht Herr Falzinger wieder unter seinem Zaubertuche auf.

»Ruhe dort!« Mit großen Gebärden leitet er die Regie.

Der Wachtmeister beugt sich aus der Reihe des Halbkreises vor. »Ruh sollt's geben dort.« … »Wann die si vordrängen tut mit ihrem Wampen.« … »Wo's gar net wahr is, Herr Gstandarm. Wo die ang'hoben hat mit'm Streiten …« … »Bist leicht du die Hübsche? Hä?« … »Leicht du?« … Zeigen sich beinahe die Zungen … »Dös wird nacha ausg'redt, daß d'es weißt!« – der Baß. »Ruhe!« schmettert der Herr Falzinger zum andernmal. Ganz bedrohlich steht sein zindelroter Bocksbart aus dem Pergamentgesicht heraus. »Wann die ang'hoben hat!« … »Ruh sollt's geben!« schnarrt der Wachtmeister; »wer ang'hoben hat, das is Nebensach. Wie soll der Herr Pfototograf euch blöde Rammeln hineinkriegen ins Bild, wann's umanandstößts wie die Geißböck.« … »Wann die si vorschiebt. Die gar net aufg'rufen war.« … Der Photograph schiebt indessen gemächlich die Kassetten ein.

Der Kuckuck schreit.

Da rettet der Herr Oberlehrer die Lage, indem er gebieterisch die massenbeherrschende Hand erhebt, mit gleichzeitiger kühner Adlerwendung des Kopfes, wie er sie einst einem berühmten Kapellmeister abgeschaut. Jetzt fällt die Rechte schicksalschwer herab und gleichzeitig bricht aus vielen gespannten Kehlen die Salve.

Der wässerige Glast verlischt wieder. Schwarz stehen die Wälder in der Schwüle. Lautlos.

Da flackern die Fahnen jäh auf. Der erste Sturmstoß faucht herein. Wie das Atmen eines heißen, riesigen Raubtiers. Ein fahles Aufschaudern durch das erstickte Aschenlicht. Dann schlaffen die Fahnensegel wieder ermüdet herab.

Jetzt ist das Lied zu Ende.

Der Kuckuck ruft noch dreimal; dann verstummt er.

Pfarrdechant Hetz, der die ganze Zeit über unterm Kreuzbild gestanden, tritt einige Schritte vor.

In der Ferne brüllt der große Wolkenstier über seine Sturmtriften hin.

Das Tal verlischt.

Lähmende Stille.

Der Herr Dechant ist sehr bleich.

Wie alt er geworden ist, murmelt der Fern dem Grießhofbauern zu; völlig eing'fallen um die Augen …

Aber auch die anderen sehen fahl und krank aus in der schwülen Wetterdämmerung.

Der Herr Gendarmeriewachtmeister räuspert sich. Es klingt schreckhaft laut. Auf dies Zeichen entladen sich sämtliche Kehlen und Nasen. Nun kann man zuhören.

Der Dechant beginnt:

»Meine lieben Christen.«

Er fängt noch einmal an:

»Meine lieben Christen!«

Weiter kommt er nicht.

Er sieht aus, als ob ihm recht schlecht wäre.

Auf einmal Schüsse, rote Blitze, weißer Dampf, ein schauerlicher Aufschrei.

Geschossen mußte werden, schon gegen den Hagel.

Aber der Böller hat nicht gleich losgehen wollen. Man hat frisches Pulver auf das Pfännchen vors Zündloch geschüttet, und da ist das Unglück geschehen.

Jetzt hebt einer den blutigen Handstumpf in die Höhe. Getümmel, Rufe, wieder das fahle Vorüberschaudern der Schwefelflamme.

Der Dechant tritt zurück, totenbleich. Er hätte doch nicht predigen können. Der neue Herrgott über ihm, die vielen Augen an seinen Lippen …

Benedikt sieht nach dem Wetterbaum hinüber, in dessen Wurzeln der Geisterer gesessen. Der Alte ist verschwunden.

Jetzt stößt der Wetterwind mit vollen Schwingen in den Tann.

Die Jungfrauenfahnen flattern auf wie erschrockene Tauben unterm Habichtsschatten. Kaum vermag der Wimmer Vinzenz den Sturm in seinem Segel zu bestehen. Aber mit dem Evangelienauge späht er doch nach dem Feuerchen hinüber, wo man sich um den Verwundeten bemüht. Dann nach den Jungfrauenschürzen, die kreischend hochschlagen.

Das schwerdamastne Herzjesubanner knattert. Die losgerissenen Fichtengewinde peitschen den Kreuzpfahl.

Den kleinen Ministranten verfängt sich der Wind unter die Chorröcklein und die scharlachroten Unterkleider.

Hüte rollen über die Trift. Der Photograph klappt seine Spinne zusammen und flüchtet in strömender, schwerfälliger Hast zu Tal, gefolgt von Herrn Falzinger und den schweren, schräg niederklatschenden Regentropfen.

Der schwüle, beißende Brandgeruch steigt aus dem Boden.

Wilde Stimmen in erbostem Gewirr.

»Zum Doktor bringts ihn.«

»Die drei Finger sein eh weg.«

»Zum Doktor bringts ihn. Der verblut ja dahier.«

»Dös hat der Geisterer ihm ang'redt. Der Teufl, der g'hassige, alte …«

»Dem setzen mir's aufs Dach, wart …«

Andere scharen sich um den Dechant. Der ist bleich wie die Landschaft vor dem Wetter; kaum, daß er sich auf den Beinen erhält.

Der Gendarmeriewachtmeister nimmt die Sache gleich auf.

Der Dechant muß sich auf den Meßner stützen, so schwach ist ihm.

Jetzt rauscht der Regen in voller Sturmwucht los.

»Das Pulver bringts ins Trockne …«

»Helfts doch dem Herrn Dechanten. Sehts net, daß er aso net weiter kann …«

»Wann i laufen muß … Könnt ja auftreffen, daß grad bei mir der Thor eing'schlagen hat …«

Die Brandkeile schmettern blendend in den Tann.

Durch die Höhen wuchten steinern die großen alten Donner des großen alten Gottes. –

Als gegen Abend ein mächtiger Regenbogen aus den dampfenden Wäldern aufstieg und vor den finsteren Bergen im Ost das Tal überwölbte, da hing der Heiland einsam auf der schaudernden Nebelhöhe.


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