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Nachdem er auf der langen Reise
Sich und sein Pferd halb tot gehetzt,
Sich nur an kurzen Schlaf geletzt,
Sich nur genährt mit knapper Speise,
Mit kargem Trank erfrischt, gelangte
Der Zaubrer in des Sultans Reich,
Und bald vor seinen Augen prangte
Die Hauptstadt, wo sein Schurkenstreich
Ihm damals kläglich war mißlungen.
In einem kleinen Gasthaus stieg
Er ab, um seinen Rachekrieg
Zu fördern durch Erkundigungen.
Das Wichtigste ward ihm natürlich
Enthüllt, bevor ein Tag verfloß;
Denn alle Welt sprach unwillkürlich
Von Aladdin und seinem Schloß.
Er ließ zu dem berühmten Bau
Von seinem Wirt sich hingeleiten,
Und als er ihn von allen Seiten
Beschnüffelt hatte ganz genau,
Da wußt' er, daß dem Aladdin
Zu einem Werk von solcher Größe
Nur jene Lampe Kraft verliehn.
Er gab sich selber Rippenstöße
Vor Ärger, weil dies Meisterstück
Ihn völlig erst ermessen lehrte,
Was ihm entgangen war, und kehrte
Zu seinem Gasthaus dann zurück.
Wo mochte wohl die Lampe stecken?
Wenn ihren Aufbewahrungsplatz
Er fähig wäre zu entdecken,
Dann könnt' er den ersehnten Schatz
Von ihm erlisten, Raub um Raub,
Und von der angemaßten Zinne
Zurück ihn schmettern in den Staub.
Er nahm behend wie eine Spinne,
Die rastlos webt an ihrem Netze,
Das Zauberviereck wieder vor,
Und durch die magischen Gesetze,
Die mit Gekritzel er beschwor
Und knifflicher Berechnungsart,
Ward bald unfehlbar ihm verraten:
Die Lampe war im Schloß verwahrt.
Der Zufall, der verruchten Taten
Oft beisteht, war auch ihm gewogen.
Willkommen traf die Nachricht ihn,
Daß vor drei Tagen Aladdin
Auf eine große Jagd gezogen
Und fern sei bis zum Wochenschluß.
Er trat in eines Klempners Laden
Und sagte: »Freund, es soll dein Schaden
Nicht sein, wenn du mir dienst. Ich muß
Zwölf Lampen haben, nagelneu,
Von blankem Kupfer.« »Meiner Treu,«
Erwiderte mit breitem Lachen
Der Klempner – denn er war erfreut,
Solch glänzendes Geschäft zu machen –
»Gleich zwölf? So viele hab' ich heut
Zwar nicht auf Lager; doch bis morgen
Werd' ich die fehlenden besorgen.«
Mit einem Korb am Arme kam
Der Zaubrer wieder tags darauf,
Verpackte drin den ganzen Kram,
Gab für den abgeschlossnen Kauf
Weit höhern Preis als nach Verpflichtung,
Bewegte dann sich in der Richtung
Des Schlosses langsam durch die Stadt
Und zwang das Volk, dem Ruf zu lauschen:
»Hört, hört! Wer alte Lampen hat,
Kann hier sie gegen neue tauschen.«
Die Leute dachten allgemein:
»Der Mensch da hat wohl einen Sparren.«
Die Kinder hielten ihn zum Narren
Und liefen gröhlend hinterdrein.
Ihn aber konnt' es nicht beirren;
Er ließ im Korb die Lampen klirren
Und wiederholte hundertmal
Aus Leibeskräften sein Gekrähe
Bis in des Schlosses nächste Nähe.
In ihrem großen Kuppelsaal
Saß Bedrulbudur. Das Gehöhne
Der Kinder und die schrillen Töne
Des Rufers drangen auch zu ihr,
Und einer Sklavin aufzutragen
Gebot ihr drum die Wißbegier,
Sie mög' hinuntergehn und fragen,
Was dieser wüste Lärm bedeute.
Die Sklavin ging und lachte hell,
Da sie zurückkam: »Der Gesell,
Der dort umringt wird von der Meute,
Ist ohne Zweifel gänzlich toll.
Sein Tragkorb ist von einem Haufen
Der schönsten neuen Lampen voll;
Er aber will sie nicht verkaufen,
Nein, will sie tauschen gegen alte.«
Auch der Prinzessin Lachen schallte
Nun laut und klang im Echo nach,
Bis eine andre Sklavin sprach:
»Vergib mir, Herrin; doch ich finde,
Da sich's um alte Lampen dreht
Und gleich hier neben auf dem Spinde
Zufällig eine solche steht,
So könnte man, wenn's dir beliebt,
Erproben, ob der Kerl tatsächlich
Für diese da, die schon gebrechlich,
Uns eine nagelneue gibt.«
Dem stimmte die Prinzessin zu. –
Klang dir im Innern keine Warnung,
O Bedrulbudur? Ahntest du
Nicht schmählichen Betrugs Umgarnung?
Die Wunderlampe war's, die dort
Unscheinbar stand seit ein paar Tagen,
Weil Aladdin, der immerfort
Sie sonst mit sich herumgetragen,
Aus Furcht, sie könn' in Wald und Feld
Verloren gehn, nicht auf die Jagd
Sie mitgenommen. Wer nun fragt,
Warum aufs Spind er sie gestellt,
Anstatt sie sorgsam einzuschließen,
Den darf die Antwort nicht verdrießen,
Daß hin und wieder ein Versehn
Wohl jedem unterläuft im Leben,
Und daß die Allerklügsten eben
Die dümmsten Fehler oft begehn.
Die Sklavin nahm die Lampe, trug
Zum Zaubrer hurtig sie hinunter,
Hielt ihm sie hin und sagte munter:
»Wenn diese da dir alt genug,
Gib eine neue mir zum Tausche.«
Zugreifend voll Begier verschlang
Er mit den Augen seinen Fang
In schlecht verhehltem Freudenrausche;
Dann ließ er unters Kleid ihn wandern.
Den Korb jedoch mit den zwölf andern
Wies er der Sklavin vor zur Wahl.
Sie wählte lachend, und die Rotte
Begoß ihn mit vermehrtem Spotte.
Doch er, geschmeidig wie ein Aal,
Entkam durch eine Seitengasse,
Ließ dort, sobald ihn dieser Schlich
Geborgen hatte vor der Masse,
Den angefüllten Korb im Stich
Und lief davon, sein Gasthaus meidend.
Was lag ihm noch an seinem Pferd?
Was lag an andrem Geldeswert?
Jetzt war nur eins für ihn entscheidend!
Nachdem er eine halbe Meile
Vorm Stadttor endlich Halt gemacht,
Beschloß er, noch für eine Weile
Sich zu gedulden, bis die Nacht
Ihm Schutz vor Überrumplung böte.
Erst als im Westen sich verlor
Der letzte Schein der Abendröte,
Zog er die Lampe sacht hervor
Und rieb sie.
»Was ist dein Begehr?«
So rief im nächsten Augenblicke
Der Geist, an Länge, Breite, Dicke
Fünfmal so massig wie ein Bär;
»Die Lampe macht es mir zur Pflicht,
Daß ich gehorsam dich bediene.«
Der Zaubrer sprach mit Siegermiene:
»Du sollst das Schloß, das jener Wicht
Von dir sich hat erbauen lassen,
Mit seinen sämtlichen Insassen
Und mir zugleich alsbald von da
Forttragen durch des Äthers Wellen
Und an dem Punkt in Afrika,
Wo ich daheim bin, niederstellen.«
Gehorsam seinem neuen Meister
Vollzog der Geist noch in der Nacht
Mit Hilfe seiner Nebengeister
Den Auftrag.
Zeitig aufgewacht
Begab der Sultan sich wie täglich
Zum Fenster, um in froher Schau
Zu mustern den erhabnen Bau.
Sein Staunen aber war unsäglich,
Als er den leeren Platz erblickte,
Vom Schloß dagegen keine Spur.
Er rieb die Augen sich, er zwickte
Sich in den Arm; dies konnte nur
Entweder Trug sein oder Traum!
Doch welche Vorsicht er auch übte,
Die Sonne schien, kein Wölkchen trübte
Den Himmel bis zum fernsten Saum.
Unzweifelhaft, er träumte nicht!
Mit steifem, starrem Angesicht
Stand er und stand wie angewurzelt
Und murmelte: »Das Schloß ist fort,
Soviel steht fest. Wär's eingepurzelt,
So lägen doch die Trümmer dort.
Der Kuckuck weiß, was hier geschehn!«
Zum Schluß, wie stets in schweren Fällen,
Ließ er dem Großvezier bestellen,
Er wünsche schleunigst ihn zu sehn.
Der Großvezier kam angerannt;
Der Sultan faßte seine Hand,
Zog ihn zum Fenster hin und fragte
Voll Spannung: »Wirst du was gewahr
Vom Schloß, das gestern hier noch ragte?
Mich foppt, so scheint's, mein Augenpaar.«
Der Großvezier war höchst betroffen;
Jedoch er sammelte sich bald.
»Herr,« sprach er, »liegt nunmehr nicht offen,
Was mir schon längst für sicher galt,
Wenngleich du mir nicht beigepflichtet?
Dies Schloß, ich wiederhol' es frei,
So schnell verschwunden wie errichtet,
Es war ein Werk der Zauberei.«
Der Sultan, der dem Lästerwort
Nicht mehr zu widerstehn vermochte,
Ward kirschrot im Gesicht; er kochte
Vor Zorn und fluchte: »Pest und Mord!
Ein Gauner, listig und verlogen,
Hat an der Nase mich gezogen!
Wo ist der Schurk', der das gewagt?
Noch heute soll sein Blut verschäumen!«
Drauf jener: »Herr, laß uns nur säumen,
Bis er zurückkehrt von der Jagd.«
»Nichts da! Das wäre zu viel Schonung,«
Entgegnete der Sultan wild;
»Vom Henker werd' ihm die Belohnung,
Mit der man Hochverrat vergilt.
Geh', schick' ihm dreißig Reiter nach!
Die sollen unterwegs ihn greifen,
Verhaften und mit Schimpf und Schmach
Gefesselt vor mein Antlitz schleifen!«