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5.

Am Morgen drauf – am Spinnrad schon
Saß die besorgte Frau voll trüber
Gedanken – trat herein ihr Sohn
Und setzte sich ihr gegenüber.
»Ach, Mutter,« hob er an, »vergib
Mir nur mein gestriges Betragen;
Verzeih' mir, daß auf deine Fragen
Ich dir die Antwort schuldig blieb.
Doch wenn du mir's mit Recht verübelt,
Heut will ich offen dir gestehn:
Ich kann, so viel ich nachgegrübelt,
Nicht fassen, was mit mir geschehn.
Ich bin nicht krank, und dennoch lieber
Hätt' ich den ärgsten Schmerz gefühlt
Als dieses rätselhafte Fieber,
Das mir im Innern tobt und wühlt.
Mit Namen weiß ich's nicht zu nennen
Und weiß auch nicht, wie man's behebt;
Du aber wirst's gewiß erkennen,
Wenn du vernimmst, was ich erlebt.«
Drauf gab er ihr genaue Kunde,
Wie gestern bei dem Badegang
Der Sultanstochter ihm gelang,
Ihr Antlitz aus dem Hintergrunde
Befreit vom Schleier zu erblicken,
Und wie dies Bild seit jener Stunde
Sein Herz an unsichtbaren Stricken
Hinziehe zu der schönen Fee.
»Kurzum«, so schloß er seine Schildrung,
»Kein Zweifel, für mein tödlich Weh
Gibt's keine Hilfe, keine Mildrung,
Es wäre denn, daß unverweilt
Sie selbst, jawohl, sie selbst mich heilt
Von allen Nöten und Beschwerden;
Gefaßt somit ist mein Entschluß:
Prinzessin Bedrulbudur muß
Auf immerdar die Meine werden!«

Die Mutter, die von ihrem Spinnen
Ablassend eifrig zugehört,
Rief lachend aus: »Bist du von Sinnen?
Ja, bist so völlig du betört?
An solch unmögliches Beginnen
Denkt nur ein ausgemachter Narr.«
»Nein, Mutter,« sprach er, »nein, du irrst;
Zwar wußt' ich, daß du lachen wirst!
Doch mein Entschluß ist fest und starr.
Und ob du zehnmal sagst, entglitten
Sei mir mein sämtlicher Verstand,
Es bleibt dabei, den Sultan bitten
Will ich um seiner Tochter Hand.«

»Mein Sohn,« begann die Mutter ernst,
»Damit du recht erwägen lernst,
Wie kindisch deine Reden sind,
Antworte mir: Wer soll es wagen
Ihm diese Bitte vorzutragen?«
»Du selbst!« rief Aladdin geschwind.
»Ich? Gott behüte mich davor!
Schon der Gedanke macht mich beben!
Wie dürftest du dein Aug' erheben
Zu einem Sultanskind empor?
Hast du vergessen, daß ein Schneider
Bescheidnen Rangs dein Vater war,
All deine Ahnen Hungerleider?
Und ist, so frag' ich, nicht sogar
Für unsres Herrschers Schwiegersohn
Ein Prinz noch von zu niedrem Stande,
Falls er in seinem Heimatlande
Nicht Aussicht hat auf einen Thron?«

Sie predigte nur tauben Ohren.
»Nenn's Wahnwitz, nenn' es Eigensinn;
Ich hab' es mir einmal geschworen,
Und nichts erschüttert mich darin.
Solange mich des Himmels Bau
Nicht krachend unter seinen Lasten
Begräbt, werd' ich nicht ruhn und rasten,
Bis die Prinzessin meine Frau.
Ja, wenn du mich nicht elend sterben
Willst sehn bereits am heutigen Tag,
Dann mußt du, kost' es, was es mag,
In meinem Namen um sie werben.«

Die Mutter wurde höchst verlegen.
Ihn zum Verzicht auf seinen Plan
Durch Überredung zu bewegen,
Schien hoffnungslos bei solchem Wahn.
Nochmals versuchte sie's mit Güte:
»Gott weiß, daß für mein armes Teil
Ich allezeit mich um dein Heil
Mit meiner ganzen Kraft bemühte.
Für dich vollbrächt' ich schlimmsten Falles
Die schwerste Tat aus eignem Trieb;
Denn wahrlich, ihrem Kind zulieb
Tut eine Mutter freudig alles.
Ja, wenn ein Mädchen dir gefiele,
Zu vornehm weder noch zu reich,
Nicht säumen würd' ich, sondern gleich
Dir ebnen deinen Weg zum Ziele,
In deinem Namen um sie frei'n
Und meinen Segen dir verleihn.
Doch nimm nur an von ungefähr,
Daß ich dir deinen Willen täte,
Verwegen vor den Sultan träte
Mit solchem frevelnden Begehr –
Würd' überhaupt ich vorgelassen?
Würd' augenblicklich nach Gebühr
Nicht einer mich beim Arme fassen
Und mich befördern vor die Tür?
Nimm aber an, daß mir's gelänge,
Durch all der Bittenden Gedränge
Dem Sultan selber mich zu nah'n,
Und er, der gnädig ist für jeden,
Wär's auch sein letzter Untertan,
Gestattete mir frei zu reden –
Wie dann begründ' ich dein Gesuch?
Welch ein Verdienst ist dir zu eigen?
Kann ich auf deinen Namen zeigen
In irgendeinem Ehrenbuch?
Kannst du durch eine seltne Leistung,
Durch eine vielgerühmte Kunst
Nachsicht verschaffen der Erdreistung,
Zu flehn um diese höchste Gunst?
Und sei noch dessen eingedenk,
Daß man vorm Sultan darf erscheinen
Nicht ohne kostbares Geschenk.
Du selber wirst wohl kaum vermeinen,
Es finde sich in deiner Habe
Ein Kleinod von so hehrem Glanz,
Daß ich es bieten könnt' als Gabe
Dem größten Herrn des Morgenlands.«
»Ei, grade wenn ich dies bedenke,«
Versetzte ruhig Aladdin,
»Dann wird mir neuer Mut verliehn.
Ich hätte nichts, was zum Geschenke
Für einen Sultan gut genug?
Entsinn' dich doch der hübschen Sachen,
Die dazumal ich bei mir trug,
Als ich der Höhle finstrem Rachen
Entronnen war mit heiler Haut,
Und die mein Mangel an Erfahrung
Für bunte Gläser angeschaut.
Längst aber ward mir Offenbarung;
Lernt' ich doch von den Juwelieren
Den Unterschied von falsch und echt.
Juwelen sind es, nicht zu schlecht,
Um eine Krone zu verzieren
Durch auserlesne Farb' und Art.
Die werden, kann ich dir versprechen,
Dem Sultan, wenn er sie gewahrt,
Gewaltig in die Augen stechen,
Sodaß er überfließt von Gnade.«

Die Zauberfrüchte kurz und gut
Nahm insgesamt er aus der Lade,
Worin bis heute sie geruht,
Und ordnete sie mit Bedacht
In einer schönen alten Vase,
Die seiner Mutter eine Base
Einst zum Geburtstag überbracht.
Ja freilich, von gemeinem Glase
Kam dieses lautre Feuer nicht,
Das nun mit stärkerem Gefunkel
Sie blendete bei Tageslicht
Als in des Abends halbem Dunkel.

Nachdem an dem erhabnen Schimmer
Die beiden lange sich geletzt,
Nahm Aladdin das Wort. »Was jetzt?
Sag', Mutter, zweifelst du noch immer,
Daß mein Geschenk der Sultan schätzt?
Du wirst, so wett' ich, im Palast
Mit dieser Gabe gut empfangen.
Sprich, welchen Einwand du noch hast,
Um mir zu weigern mein Verlangen?«

Zwar konnt' er sie nicht überzeugen;
Doch weil er wild und wilder bat,
So wußte sie sich keinen Rat
Als widerstrebend sich zu beugen.
»Wohlan, mein Sohn, weil du's verlangst,
Will ich das Wagnis auf mich nehmen,
Will trotzend meiner Herzensangst
Mich zu dem schweren Gang bequemen.
Nur gib nicht mir die Schuld, wenn später
Daraus entquillt ein Unglücksborn,
Und wenn uns in gerechtem Zorn
Der Fürst bestraft als Missetäter.«
»Warum denn gleich das Ärgste glauben?«
Erwiderte der Sohn ihr heiter.
»Und sollt' er wirklich zürnend schnauben,
Dann hilft gewiß mein Glück mir weiter.
Die Lampe, die nun schon seit Jahren
Auf Wunsch uns üppig tränkt und speist,
Wird mir auch künftig in Gefahren
Als Beistand senden ihren Geist.«

So wußt' er überaus gewandt
Auch ihren letzten Widerstand
Mit Gründen aller Art zu brechen,
Und sie erklärte sich bereit,
Beim Sultan morgen vorzusprechen,
Wenn's im Bereich der Möglichkeit.


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