Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

7.

Wer könnte wohl in Worte fassen,
Wie selig unser junger Held,
Nachdem die Mutter ihm bestellt,
Was ihm der Sultan melden lassen!
O Wonne, daß nach langem Dürsten,
Nach vielen Nächten ohne Schlaf
Die Botschaft aus dem Mund des Fürsten
Sein kühnstes Hoffen übertraf!
Er tanzte rund herum im Zimmer,
Schwor in den feurigsten Ergüssen
Der Mutter Dankbarkeit auf immer
Und überhäufte sie mit Küssen.
Drei volle Monat waren freilich
Als vorgeschriebne Wartezeit
Für seine Sehnsucht endlos weit.
Es war darum gewiß verzeihlich,
Daß ihn des Ziels Erwartung quälte
Und er beständig nach der Uhr
Nicht Wochen, Tage, Stunden nur,
Vielmehr auch die Minuten zählte. –
Zwei Monat waren abgelaufen,
Als eines Morgens ahnungslos
Die Mutter sich, um was zu kaufen,
Zum Markt begab. Ein laut Getos'
Der Fröhlichkeit scholl ihr entgegen,
Als wär' ein Fest herangerückt;
Mit Blumenkränzen allerwegen
Ward eilig Haus für Haus geschmückt,
Und Lämpchen wurden hundertfach
Hinaufgereicht auf hohe Leitern
Für Prachtbeleuchtung auf dem Dach.
Die Straßen wimmelten von Reitern
Auf edlen, reichgezierten Pferden,
Und alt und jung war aufgeputzt.
Die Mutter, ganz und gar verdutzt,
Vermochte draus nicht klug zu werden.
Sie fragte drum den ersten besten,
Weshalb denn heute jedermann
Sich rüste wie zu großen Festen.
Der gab zur Antwort: »Schau mal an,
Das weißt du nicht? Ei, das erzählt sich
Ja doch die ganze Stadt erfreut;
Dem Sohn des Großveziers vermählt sich
Prinzessin Bedrulbudur heut.«

Die Gute flog bestürzt nach Haus
Und rief dem Sohn, der sich zur Stelle
Befand, entgegen auf der Schwelle:
»Ach, Ärmster, nun ist alles aus!
Den Sultan hat sein Wort gereut;
Denn im Palast ist Hochzeit heut.
Dort wird mit feierlichem Prunke
Der Sohn des Großveziers getraut,
Und die Prinzessin ist die Braut.«

Als ob des Blitzes jäher Funke
Durchzucke seines Lebens Mark,
Empfand sich Aladdin zerschmettert,
Blieb standhaft aber doch und stark;
Und als verzweifelnd er durchblättert
Seite für Seite sein Gedächtnis
Nach Mitteln gegen diese Pein,
Fiel ihm des falschen Freunds Vermächtnis,
Die Wunderlampe, wieder ein.
Zur Mutter sprach er drauf entschieden:
»Der Hochzeit setz' ich einen Damm!
Laß schaun, wer heute mehr zufrieden,
Ich oder dieser Bräutigam.«

Er tat, was ihm bereits geläufig:
In seine Kammer eingeschlossen
Rieb er die Lampe, wie schon häufig,
Und aus dem Boden aufgeschossen
Erschien der Geist gleich einem Riesen,
Ihn fragend: »Was ist dein Geheiß?«
Drauf Aladdin: »Du hast mit Fleiß
Mir öfters dienstbar dich erwiesen
Bei Wünschen, die gering und nichtig.
Das Werk jedoch, das ich dir nun
Befehlen will für mich zu tun,
Ist über alle Maßen wichtig.
Du sollst mir meine Qualen lindern
Und drum als unsichtbarer Gast
Die Hochzeit, die heut im Palast
Gefeiert werden soll, verhindern.
Begib dich hin, vom Wind getragen,
Ergreif' den Bräutigam beim Kragen,
Entführ' in ein Versteck ihn, sperr'
Dort fest ihn ein und laß verborgen
Ihn schmachten bis zum nächsten Morgen.«
Der Geist versetzte fügsam: »Herr,
Wie du befiehlst,« und war verschwunden.

Am Hofe ward mit aller Kraft
Inzwischen seit den frühsten Stunden
Für die Vermählung vorgeschafft.
Mit einem wahrhaft beispiellosen
Und noch nicht dagewesnen Glanz
War der Palast verwandelt ganz
In einen duft'gen Hain voll Rosen.
Die Tafel funkelte von Gold;
Prunkteppiche von schwerster Seide
Bedeckten sorgsam aufgerollt
Zu wundersamer Augenweide
Den Marmorboden und die Treppe,
Und rings mit Perlenschmuck beschwert
Wog der Prinzessin Hochzeitsschleppe
Drei Fürstentümer auf an Wert.

Der ganze Hofstaat war beisammen
Nebst Sendlingen aus aller Welt;
Den angefachten Opferflammen
Entstieg der Rauch zum Himmelszelt.
Grad sollte die Vermählungsfeier
Beginnen; Festmusik erscholl;
Schon trat herein in ihrem Schleier
Die Sultanstochter anmutsvoll
An ihres hohen Vaters Arm,
Und in der Würdenträger Schwarm
Schritt ihr entgegen ihr Verlobter –
Da plötzlich Nacht und wieder Licht;
Der Geist erfüllte mit erprobter
Vollendung seine Dienerpflicht.
Man sah sich an, man sah sich um,
Die Augen starr, die Mienen dumm:
Was war geschehn? Der Bräutigam
Stand nicht mehr dort, wo er gestanden
Grad eben, sondern war abhanden,
Wie fortgewischt von einem Schwamm.

Man forschte, spähte; doch vergebens.
Der Großvezier, der schon geglaubt,
Er sei am Ziele seines Strebens,
Schien vor Erregung sinnberaubt.
Der Hofstaat mit betäubtem Hirne
Begann zu tuscheln, dicht geschart;
Der Sultan runzelte die Stirne
Und brummte was in seinen Bart.
Die Gäste ratlos und befangen,
Verkrümelten sich allgemach,
Und über der Prinzessin Wangen
Herunter floß ein Tränenbach.

Die Feierstimmung war verraucht,
Verwandelt alle Lust in Wehe.
Denn da zum Abschluß einer Ehe
Den Bräutigam man dringend braucht,
So blieb am Ende keine Wahl,
Als die Vermählung zu verschieben
Samt Freudenfest und Hochzeitsmahl,
Bis man ihn wieder aufgetrieben.
Der Sultan flößte seiner Tochter
Gar zärtlich Tröstung ein und Mut;
Allein mit Mühe nur vermocht' er
Zu stillen ihrer Augen Flut,
Obwohl weit mehr verletzte Scham
Und schwergekränkter Stolz die Quelle
Der Tränen war als Herzensgram.

Am nächsten Morgen aber kam
Der Großvezier in höchster Schnelle
Zum Sultan, der halb ungeduldig,
Halb mürrisch ihm entgegensah,
Und rief: »Mein Sohn ist wieder da!
Er ist, o glaub' mir, weder schuldig,
Noch weiß er selbst, was ihm geschah.
Gebiete drum, daß man die Feier
Heut rüsten soll zum zweitenmal,
Und gib dadurch zurück dem Freier,
Was ihm ein Unstern gestern stahl.«
Hierzu, wenngleich das Fest verpfuscht
Ihm vorkam, war der Fürst erbötig;
Denn für sein Ansehn schien ihm nötig,
Daß alles möglichst ward vertuscht.
Die Hauptstadt wurde von Trompeten
Und Pauken abermals durchlärmt,
Das Hochzeitsessen aufgewärmt
Und alle Gäste neu gebeten.

Als Aladdin, dem keine Spur
Von sämtlichen Begebenheiten
Entgangen war, davon erfuhr,
Beschloß er, herzhaft fortzuschreiten
Auf seinem Pfade bis zum Sieg.
Den Geist beschwor er drum von neuem,
Und als dem Boden er entstieg,
Sprach er zu ihm: »Du hast mit treuem
Gehorsam, was ich dir befohlen,
Genau vollbracht. Dieselbe Not
Zwingt mich indessen, mein Gebot
Von gestern dir zu wiederholen.
Den Sohn des Großveziers entführe
Heut abermals in gleicher Art,
Und hinter fest verschlossner Türe
Halt' ihn bis morgen früh verwahrt!«

Der Geist entfernte sich, die Tat
Alsbald wie tags zuvor verrichtend;
Nur diesmal in noch stärkrem Grad
Als gestern wirkte sie vernichtend.
Im feierlichsten Augenblick
Verschwand urplötzlich aus dem Saale
Durch ein unfaßliches Geschick
Der Bräutigam zum zweiten Male.
Vom ganzen Hof und hohen Adel
Ward er gesucht wie eine Nadel.
In alle Winkel ward geguckt,
Gestöbert ward in allen Ecken;
Er war so wenig zu entdecken,
Als ob der Boden ihn geschluckt.
Hiermit begann ein Trauerspiel:
Prinzessin Bedrulbudur raufte
Die schönen Haare sich und fiel
Bewußtlos hin; der Sultan schnaufte
Vor Ingrimm wie ein wildes Tier;
Der unglückselige Großvezier
Wand sich in Krämpfen wie ein Wurm,
Die Augen rollend rings im Kreise;
Die Gäste flohen gruppenweise,
Wie eine Herde vor dem Sturm,
Und seufzend sprach der Oberkoch
In tiefem, hoffnungslosem Härmen
Zum Küchenjungen: »Einmal noch
Kann ich den Hochzeitsschmaus nicht wärmen.«


 << zurück weiter >>