Jean Froissart
Von dem Leben u. Sterben des Grafen Gaston Phöbus von Foix u. von dem traurigen Tode seines Kindes Gaston
Jean Froissart

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In dieser Zeit starb auch der edle und treffliche Graf von Foix, auf eine gar wundersame Weise; ich will euch sagen, wie.

Es ist die Wahrheit, daß er vor allen Leibesübungen die Jagd und seine Hunde liebte, und mit diesen war er sehr wohl versehen, denn er hatte ihrer zu seinem Vergnügen mehr als sechshundert. Der Graf befand sich in Bearn, in der Mark von Ortais, und trieb und jagte in den Wäldern von Sanneterre auf dem Weg von Pampeluna, und hatte er den Tag, an dem er starb, den ganzen Morgen einen Bären gejagt, welcher endlich gefangen wurde.

Da er den Fang angesehen und das Waidrecht vollzogen worden war, näherte sich der Mittag. Da fragte er die, welche um ihn waren, wo man ihm die Tafel bereitet habe. Man antwortete: »Im Hospital Rion, zwei kleine Stunden von Ortais«, und so war es auch.

Sie ritten alle nach diesem Dorf. Der Graf und seine Leute stiegen an dem Schloß ab, dann begab er sich nach seiner Stube, welche er ganz mit frischem jungem Laubwerk ausgeschmückt fand, und die umliegenden Säle waren alle mit grünen Zweigen umstellt, um Kühle und Wohlgeruch darin zu verbreiten; denn die Luft war drauß sehr drückend und schwül, wie sie es in dem Mai ist. Als er sich in dieser frischen Stube befand, sprach er: »Die kühlen grünen Maien tun mir gar wohl, denn der Tag ist sehr heiß«, und da setzte er sich auf seinen Sitz und plauderte ein wenig mit dem Messire Espaing de Lion, und sprachen sie davon, welcher Hund am besten gejagt habe.

Während dieser Unterredung traten Messire Ivain, sein natürlicher Sohn, und Messire Pierre de Cabestan in die Stube, in welcher selbst die Tafeln schon gedeckt waren. Jetzt begehrte er das Wasser, um sich die Hände zu waschen, zwei Hofleute eilten darnach, Raymonnet Lane und Raymonnet de Compone, und Cayenton d'Espaigne nahm das silberne Waschbecken, und ein andrer Ritter, der sich Messire Thiebault nannte, nahm das Handtuch; er erhob sich von seinem Sessel und streckte die Hände aus zum Waschen; sobald das kalte Wasser auf seine Finger herabfiel, welche gar schön und gerade waren, erblaßte sein Gesicht, erbebte ihm das Herz, wankten seine Füße unter ihm, und sank er hin auf seinen Sessel, sagend: »Ich bin des Tods, Gott der Herr sei gelobt.«

Er redete kein Wort mehr, aber er starb noch nicht gleich, sondern litt noch Not und letzte Kämpfe.

Die Ritter, die um ihn standen, tief erschrocken, und sein Sohn nahmen ihn in ihre Arme gar freundlich und trugen ihn auf ein Bett und legten ihn nieder und deckten ihn zu und glaubten, es habe ihn nur eine Schwäche angewandelt. Die zwei Ritter aber, welche das Wasser gebracht hatten, damit man nicht sage, sie hätten ihn vergiftet, gingen zu dem Waschbecken und der Gießkanne und sprachen also: »Sehet hier das Wasser, in eurer Gegenwart haben wir es gekostet und wollen es von neuem vor euch kosten«, und da taten sie es so oft, daß alle mit ihnen zufrieden waren.

Man gab ihm Brot und Wasser, Spezereien und alle stärkende Sachen in den Mund, und alles dieses half ihm nichts, denn in weniger als einer halben Stunde war er tot und gab seinen Geist auf gar sanft. Der gnädige Gott sei ihm barmherzig.

Ihr müßt wissen, daß alle Gegenwärtige sehr betrübt und erschrocken waren, und schlossen sie die Stube recht fest, damit die Leute im Schloß nicht so bald den Tod des edlen Grafen erfuhren. Die Ritter sahen den Messire Ivain, seinen Sohn, an, welcher weinte, jammerte und die Hände rang, und sagten zu ihm:

»Ivain, es ist geschehen, Ihr habet Euren Vater und Herrn verloren, wir wissen wohl, daß er Euch über alles liebte; macht Euch fort, sitzt auf, reitet nach Ortais und setzt Euch in Besitz des Schlosses und Schatzes, der darin, ehe ein andrer Euch zuvorkömmt und die Sache bekannt wird.«

Messire Ivain verbeugte sich auf diese Rede und sagte: »Meine Herrn, große Liebe und Freundschaft erzeigt ihr mir, die ich euch noch zu belohnen hoffe; aber gebt mir die wahren Merkzeichen meines Herrn Vaters, denn ohne diese werde ich nicht in das Schloß eingelassen werden.« –

»Ihr habt recht«, antworteten sie, »nehmt dieselben.«

Da nahm er die Merkzeichen, und waren sie ein Siegelring, den der Graf an seinem Finger trug, und ein Messer, dessen er sich öfters bei Tisch bediente; dieses waren die wahren Merkzeichen, und ohne sie zu sehen, hätte ihm der Vogt des Schlosses zu Ortais, der sie wohl kannte, nie die Pforten geöffnet.

Messire Ivain verließ das Hospital von Rion nur mit zwei Reitern und ritt so schnell, daß er nach Ortais kam, ehe man noch etwas von dem Tod des Grafen wußte. Er sprengte durch die Stadt, sagte niemand nichts, auch hatte niemand einen Verdacht auf ihn; so kam er auf das Schloß und rief den Burgvogt hervor.

Dieser antwortete ihm: »Was beliebt Euch, Monsigneur Ivain, wo ist mein Herr Graf?« –

»Er ist in dem Hospital«, sagte der Ritter, »und schickt mich, einige Sachen zu holen, die in seiner Stube sind; dann werde ich wieder zu ihm zurückkehren, und damit du mir glaubst, siehe hier die Zeichen, seinen Siegelring und sein Handmesser.«

Der Vogt öffnete ein Fenster und sah die Zeichen, denn er hatte sie schon öfters gesehen; dann öffnete er das kleine Pförtchen des Tores, und sie ritten ein, und die Knechte versorgten die Pferde und führten sie in den Stall.

Als Messire Ivain darinnen war, sagte er zum Vogt: »Schließe die Tore.« Als er sie geschlossen hatte, nahm Ivain ihm die Schlüssel ab und sprach: »Du bist des Tods.« Der Vogt, ganz erschrocken, fragt ihn, warum. Dann sagte er: »Weil mein Vater verschieden ist und ich über den Schatz will, ehe ein andrer über denselben kömmt.«

Der Vogt gehorchte, wie es ihm zukam, auch war es ihm lieber, dem Messire Ivain als einem andern zu gehorchen. Messire Ivain wußte wohl, wo der Schatz war, und begab sich dahin; er war in einem dicken Turm, in welchen man durch drei starke eiserne Türen mußte, welche man aber jede mit einem besondern Schlüssel zu öffnen hatte, ehe man hineinkonnte.

Diese Schlüssel aber waren nicht so leicht zu finden, denn sie lagen in einem kleinen, ganz stählernen Koffer verschlossen, und dieser war wieder mit einem kleinen Stahlschlüssel geschlossen, welchen der Graf von Foix, wenn er verreiste, mit sich trug, und fand man ihn auf einem seidnen Wams hängen, den er über seinem Hemd trug, und wurde er erst gefunden, als Ivain bereits hinweg war. Die Ritter, welche den Leichnam des Grafen bewachten, wunderten sich sehr über diesen kleinen Schlüssel und konnten sich gar nicht denken, wozu er diente; da war aber der Kapellan des Grafen, Messire Nicole de l'Escalle, der um alle seine Geheimnisse wußte, und den er oft mitgenommen, hatte, wenn er an seinen Schatz ging; der sprach, als er den Schlüssel sah:

»Messire Ivain wird seine Mühe verlieren, denn ohne diesen Schlüssel kann er nicht an den Schatz weil er einen kleinen Stahlkoffer mit allen andern Schlüsseln verschließt.« Da waren die Ritter gar betrübt und baten den Kapellan, den Schlüssel dem Messire Ivain zu bringen, und er setzte sich zu Pferd und ritt nach Ortais. Messire Ivain war ganz betrübt in dem Schloß und suchte die Schlüssel überall und konnte sie nicht finden, auch wußte er nicht, wie er die eisernen Türen aufbrechen sollte, da gar keine Instrumente dazu da waren.


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