Friedrich der Große
Aus den Politischen Testamenten
Friedrich der Große

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Äußere Politik

Das politische System von 1752

Man muß das christliche Europa als eine Republik von Herrschern auffassen, die in zwei mächtige Parteien zerfällt. Seit fünfzig Jahren haben Frankreich und England die Initiative ergriffen. Bei dem Gegensatz ihrer Interessen und ihrem alten Haß vertragen sich diese beiden Monarchien nur, wenn ihre Länder menschenarm geworden und alles Geld in ihren Truhen vertan ist. Mag Rußland mit Schweden oder Polen Krieg führen, das Haus Österreich die Freiheit der Reichsstände bedrohen, in Parma oder in Schlesien einfallen – sofort ergreifen die beiden Vormächte Partei, und durch die Menge ihrer beiderseitigen Verbündeten entsteht ein Gleichgewicht der Mächte, das zur Gleichheit der Kräfte zwischen Angreifer und Angegriffenen führt. Bricht ein kriegerischer Fürst den Frieden zu einer Zeit, wo Frankreich und England sich darüber einig sind, den Krieg vermeiden, so ist anzunehmen, daß sie den Kriegführenden ihre Vermittlung anbieten und aufzwingen werden. Einmal bestehend, verhindert dies politische System in Europa große Eroberungen und schlägt die Kriege mit Unfruchtbarkeit, wenn sie nicht mit überlegener Macht und unausgesetztem Glück geführt werden.

Die preußischen Provinzen

Die Provinzen der preußischen Monarchie liegen fast alle voneinander getrennt. Der Kern des Staates, in dem seine Kraft ruht, umfaßt die Kurmark, Pommern, Magdeburg, Halberstadt und Schlesien. Diese Provinzen bilden das Herz des Staates. Sie verdienen in erster Linie die Fürsorge des Herrschers; denn in ihnen kann er gründliche Maßnahmen treffen, sowohl für die inneren Verhältnisse wie für die Landesverteidigung.

Ostpreußen ist von Pommern durch Polnisch-Preußen getrennt; es grenzt an Polen und Rußland, dessen Zarin in Kurlands allmächtig ist. Das Herzogtum Kleve und Ostfriesland berühren sich mit Holland. Schlesien stößt an Böhmen und Mähren, ja sogar an Ungarn. Die Kurmark und das Herzogtum Magdeburg umschließen Sachsen; Pommern ist nur durch die Peene von den deutschen Besitzungen des Königs von Schweden geschieden, und das Fürstentum Minden ist von Gebieten von Hannover, Münster, Hessen-Kassel, Hildesheim und Braunschweig durchsetzt.

Wie Ihr seht, macht uns diese geographische Lage zu Nachbarn der größten europäischen Herrscher. Alle diese Nachbarn sind ebenso viele Neider oder geheime Feinde unserer Macht. Die Lage ihrer Länder, ihr Ehrgeiz, ihre Interessen, alle diese verschiedenen Faktoren bilden die Grundlage ihrer mehr oder minder versteckten Politik, je nach den Zeitläuften und Verhältnissen.

Unser System

Bei der heutigen Lage der Dinge kann es Preußen nie an Bundesgenossen fehlen. Um die rechte Wahl zu treffen, muß man sich von jedem persönlichen Haß, sowie von jedem günstigen und ungünstigen Vorurteil freimachen. Das Staatsinteresse ist der einzige Leitstern im Rat der Fürsten. Zumal seit der Erwerbung Schlesiens verlangt unser gegenwärtiges Interesse, daß wir im Bunde mit Frankreich und ebenso mit allen Feinden des Hauses Österreich bleiben. Die Politik des Versailler Hofes bestand stets darin, sich der Vergrößerung und dem Despotismus der Kaiser zu widersetzen. Preußen hat die gleichen Interessen. Die Franzosen stehen stets auf gespanntem Fuße mit den Engländern, wir desgleichen mit Hannover. Es handelt sich also um dasselbe, und die Interessen beider Kronen befinden sich in Übereinstimmung. Frankreich kann Preußen unterstützen, indem es Diversionen in Flandern oder am Rhein ausführt, im Lauf eines Krieges die Pforte gegen Rußland oder Österreich aufwiegelt und Truppen deutscher Fürsten in Sold nimmt, um sie Preußen zur Verfügung zu stellen. Aus allem Gesagten geht hervor, daß dies Bündnis natürlich ist, daß alle Interessen beider Höfe übereinstimmen, und daß es seine Entstehung somit mehr der europäischen Konjunktur als dem Geschick der Unterhändler verdankt.

Wie ansehnlich diese Allianz, selbst Schweden und viele deutsche Fürsten inbegriffen, aber auch ist, so baue ich doch durchaus nicht auf die Hilfe dieser Bundesgenossen, sondern rechne nur mit meinen eigenen Kräften.

Noch eins möchte ich diesen Betrachtungen hinzufügen. Wären wir mit England und dem Hause Österreich verbündet (abgesehen davon, daß dies gegen unsere Interessen liefe), so könnten wir uns bei dieser Mächtegruppierung keinerlei Gebietszuwachs versprechen. Dagegen können wir im Bündnis mit Frankreich im Kriegsfall auf Eroberungen hoffen, wofern uns das Waffenglück nur ein wenig lächelt.

Die Kaiserkrone, ruhend auf dem mit Hermelin besetzten Mantel.

Welchen Gewinn wir uns aber auch von einem Kriege versprechen mögen, mein jetziges System beruht auf der Erhaltung des Friedens, solange es möglich ist, ohne die Majestät des Staates zu verletzen; denn Frankreich befindet sich in völliger Erschlaffung. Seine schlechte Finanzwirtschaft macht es ihm fast unmöglich, auf dem Kriegsschauplatz mit der ihm gebührenden Kraft und Würde aufzutreten. Ferner ist Schweden nur ein leerer Name, aber keine Macht. Endlich hat sich Frankreich aus Nachlässigkeit Spanien abspenstig machen lassen, und das bringt uns um den Vorteil einer Diversion in Italien. Noch andere Gründe kommen hinzu. Es frommt uns nicht, noch einmal den Krieg anzufangen. Eine glänzende Tat wie die Eroberung Schlesiens gleicht den Büchern, deren Originale einschlagen, aber deren Nachahmungen abfallen. Durch die Eroberung dieses schönen Herzogtums haben wir den Neid ganz Europas erregt und alle unsere Nachbarn aufgeschreckt. Mein Leben ist zu kurz, um sie uns gegenüber wieder in Sicherheit einzuwiegen.

Wäre ferner ein Krieg für uns ratsam, solange Rußland stark gerüstet an unseren Grenzen steht, nur des Augenblicks gewärtig, um loszuschlagen (was es freilich nur mit Hilfe englischer Subsidien vermag), ja wo eine Diversion dieser Macht alle unsere Pläne vom ersten Kriegstage an über den Haufen würfe?

Unter solchen Verhältnissen ist es am sichersten, den Frieden zu wahren und in aufrechter Haltung neue Ereignisse abzuwarten. Sollen diese unseren Unternehmungen förderlich sein, so müßte Bestushew, der Zar-Minister Rußlands, der im Solde des Wiener Hofes steht, in Ungnade fallen, und man müßte seinen Nachfolger durch starke Summen gewinnen. Ferner müßte England durch den Tod seines Königs in die Wirren einer vormundschaftlichen Regierung geraten. Ein Soliman müßte auf dem türkischen Thron sitzen, und ein ehrgeiziger und allmächtiger Premierminister in Frankreich herrschen. Alsdann, bei dieser oder ähnlicher Gestaltung der Lage, ist es Zeit, zu handeln, aber auch dann ist es nicht nötig, als erster auf dem Plan zu erscheinen. Nach meiner Ansicht müßte man das erste Kriegsfeuer verrauchen lassen und erst zu den Waffen greifen, wenn die Anderen vom Kampfe erschöpft sind. Solch vorsichtiges Verhalten würde uns um so größeren Vorteil bringen, als wir finanziell außerstande sind, einen langen Krieg zu fuhren. Aber wir könnten allemal die drei bis vier letzten Feldzüge aushalten, nach dem Grundsatz des Kardinals Fleury: Sieger bleibt, wer den letzten Taler in der Tasche hat.

Die Zukunft Deutschlands

Hier drängt sich die Frage auf: Wird sich die veraltete, wunderliche Reichsverfassung erhalten, oder läßt sich eine Änderung voraussehen? Ich bin der Meinung, sie wird sich dank der Eifersucht der Reichsfürsten wie der Nachbarmächte erhalten. Trotzdem glaube ich, daß die Zahl der kleinen Fürsten und namentlich der Reichsstädte ständig abnehmen wird. Ich selbst habe miterlebt, wie das Herzogtum Zeitz, Merseburg und Weißenfels durch Erbschaft an Sachsen fielen. Ostfriesland kam an Preußen, die Grafschaft Hanau an den Landgrafen von Hessen (1736), Sachsen-Lauenburg an Hannover. Nach dem Erlöschen des bayrischen Hauses werden Bayern, die Pfalz und das Herzogtum Zweibrücken einen einzigen Staat bilden. Das Haus Hannover wird sicherlich im Besitz des Bistums Osnabrück bleiben, sobald es ihm nach dem Tode des Kurfürsten von Köln zugefallen ist. Preußen kann die Erbfolge in Mecklenburg und in den fränkischen Markgrafschaften antreten. Somit werden die Kleinstaaten allmählich von den großen verschluckt werden. Das gleiche Los harrt der Reichsstädte. Der König von Dänemark begehrt Hamburg, Sachsen begehrt Erfurt, der Kurfürst von Bayern Augsburg, der Herzog von Württemberg Ulm; der Kurfürst von der Pfalz steckte gern Frankfurt am Main ein, und der Kurfürst von Hannover wird sich nicht die Gelegenheit entgehen lassen, die Hand auf Bremen und Lübeck zu legen. Anders steht es mit den geistlichen Fürstentümern. Die Zeit, wo man sie säkularisierte, wie im Westfälischen Frieden, ist vorüber. Nur das Bistum Osnabrück könnte seinen Charakter wechseln. Die anderen sind sämtlich katholisch, somit werden sich der Papst und alle Katholiken ihrer Säkularisierung widersetzen; auch möchte kein katholischer Fürst sie besitzen.

Prüfe ich derart die Lage des Reiches, so ist es mir wahrscheinlich, daß die Kaisermacht ständig sinken wird; denn wenn sich die Kurfürsten zusammentun und sich auf Frankreich stützen, kann ihre zunehmende Wacht ein Gegengewicht gegen die Kaisermacht bilden. Deshalb fürchtet man in Wien auch den Machtzuwachs der Kurfürsten- und Herzoghäuser. Aber die Kaiser vermögen nichts dagegen, sobald diese Vergrößerung auf dem legitimen Wege unbestreitbaren Erbrechtes vor sich geht.

Vielleicht wundert Ihr Euch, daß ich die Worte »Haus Österreich«, »Kaiser« und »Wiener Hof« als Wechselbegriffe gebrauche. Das geschieht aber mit Vorbedacht. Man wird das Haus Österreich nicht sobald von dem Kaiserthron verdrängen. Dazu müßte man ihm ein mächtiges Haus entgegensetzen, das, von guten Bundesgenossen unterstützt, die höchste Würde mit bewaffneter Hand fordern kann. Wir sahen den letzten Kaiser aus dem Haus Bayerns Schiffbruch erleiden, weil er zu schwach war, um der Macht der Königin von Ungarn Widerstand zu leisten, und heute kann kein Kurfürst dem jungen Erzherzog Joseph gegenüber als Bewerber um die Kaiserwürde auftreten. Ist einmal Bayern mit der Pfalz vereinigt, so kann der Kurfürst im Besitz dieser Lande vielleicht den Wettbewerb mit dem neuen Haus Österreich aufnehmen und ihm die Kaiserwürde streitig machen; dann bleibt aber noch die Frage offen, ob der Kurfürst die nötigen Eigenschaften besitzt, um einen so hochfliegenden Plan auszuführen.

»Aber«, wird man einwenden, »muß ein Kaiser denn katholisch sein? Warum denkst du denn nicht daran, deinem Hause diese Würde zu erwerben?« Ich antworte: Kein Gesetz schließt die Protestanten von dem Kaiserthron aus, aber abgesehen davon, würde ich Euch nicht raten, nach dieser höchsten Würde zu trachten. Ein König von Preußen muß mehr darauf sinnen, eine Provinz zu erobern, als sich mit einem leeren Titel zu schmücken Eure erste Sorge sei, den Staat zu dem Gipfel der Größe zu führen, dessen Idealbild ich Euch zeichne. Kurz, erst dann dürft Ihr der Eitelkeit opfern, wenn Ihr Eure Macht dauerhaft begründet habt.

Vergrößerungspläne Auch die Politik hat ihre Metaphysik. Wie es keinen Philosophen gibt, der nicht sein Vergnügen daran gehabt hätte, sein System aufzustellen und sich die abstrakte Welt seinem Denken gemäß zu erklären, so darf auch der Staatsmann in dem unendlichen Gefilde chimärischer Entwürfe lustwandeln. Können sie doch bisweilen zur Wirklichkeit werden, wenn man sie nicht aus den Augen verliert, und wenn einige Generationen nacheinander, auf dasselbe Ziel losschreitend, Geschicklichkeit genug besitzen, ihre Absichten vor den neugierigen und scharfen Augen der europäischen Mächte gründlich zu verbergen.

Machiavell sagt, eine selbstlose Macht, die zwischen ehrgeizigen Mächten steht, müßte schließlich zugrunde gehen. Ich muß leider zugeben, daß Machiavell recht hat. Die Fürsten müssen notwendigerweise Ehrgeiz besitzen, der aber muß weise, maßvoll und von der Vernunft erleuchtet sein. Wenn der Wunsch nach Vergrößerung dem fürstlichen Staatsmann auch keine Erwerbungen verschafft, so erhält er doch wenigstens seine Macht; denn dieselben Mittel, die er zum offensiven Handeln bestimmt, sind stets zur Verteidigung des Staates bereit, falls sie notwendig ist und er dazu gezwungen wird.

Es gibt zweierlei Arten der Vergrößerung: durch reiche Erbschaften oder durch Eroberungen.

Erbschaften, die dem Königshaus zufallen können

Das Haus Brandenburg hat unbestreitbare Rechte auf die Erbfolge in den Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth. Diese Erbschaften können ihm in keiner Weise streitig gemacht werden. Das Recht ist zu klar, als daß es sich durch Verdrehungen in Frage stellen ließe. Außerdem kann kein Fürst beim Erlöschen der beiden regierenden fränkischen Linien den geringsten Widerstand gegen die Besitzergreifung durch die Krone Preußen leisten.

Unsere Ansprüche auf Mecklenburg sind ebenso klar. Sie beruhen auf einem Erbverbrüderungsvertrag, den die Kurfürsten von Brandenburg mit den Herzögen von Mecklenburg geschlossen haben. Trotzdem wird die Erbfolge beim Aussterben der letzteren strittig sein. Das Haus Hannover, das Mecklenburg wegen seiner günstigen Lage gern einstecken möchte, hat sich unter dem Vorwand der Reichsexekution in den Pfandbesitz einiger mecklenburgischer Ämter gesetzt. Indem es die Exekutionskosten willkürlich auf lächerlich hohe Summen veranschlagt, rechnet es, einen Fuß im Lande zu behalten und, sobald die Herzöge aussterben, bei der Teilung mit Preußen ein ansehnliches Stück zu ergattern. Gegenwärtig leben noch acht mecklenburgsche Prinzen, der Erbfall scheint also in die Ferne gerückt; jedenfalls werde ich ihn höchst wahrscheinlich nicht mehr erleben. Tritt er in der Folge der Zeiten ein, so meine ich, muß man sich unverzüglich in den Besitz von Mecklenburg setzen, die hannoverschen Truppen hinauswerfen, was nicht schwer fallen dürfte, und unsere Rechte mit dem Schwerte behaupten. Denn das Recht des Besitzes ist im Heiligen Römischen Reich ein großer Vorteil. Auch kann man seine Sache in aller Ruhe verfechten, wenn man die Einkünfte aus seiner Erwerbung ungestört bezieht. Für Preußen wäre das Beste, wenn dieser Erbfall zu einer Zeit einträte, wo der König von England mit dem Hause Österreich verfeindet oder im Krieg ist, oder wenn Österreich einen schwierigen Krieg in Ungarn oder in der Lombardei zu führen hat. Dann wäre es leicht zu beweisen, daß die Hannoveraner Unrecht haben und das unstreitige Recht auf unserer Seite ist.

Erwerbungen günstig gelegener Länder

Von allen Ländern Europas kommen am meisten für Preußen in Betracht: Sachsen, Polnisch-Preußen und Schwedisch-Pommern; denn alle drei runden den Staat ab.

Sachsen wäre jedoch am nützlichsten. Sein Besitz würde die Grenzen am meisten erweitern und deckte Berlin, die Landeshauptstadt und den Sitz des Königshauses, wo sich der Staatsschatz und alle höchsten Justiz- und Finanzbehörden sowie die Münze befinden. Die Hauptstadt ist zur Verteidigung zu weitläufig gebaut und hat durch einen Fehler meines Vaters ihre Befestigungen eingebüßt. Der Besitz Sachsens würde diese Schwäche der Hauptstadt wettmachen und ihr durch die Elbe und die böhmischen Grenzgebirge eine doppelte Deckung verschaffen. Hätte man sich Sachsens bemeistert, so müßte man Torgau als Festung stark ausbauen, bei Wittenberg, dicht an der Elbe, eine Festung in der Art von Hüningen anlegen und auf den Höhen jenseits von Zittau und diesseits von Peterswalde zwei starke Forts erbauen, die die beiden Straßen nach Böhmen sperren. Dann blieben nur noch die Straßen nach Karlsbad, Teplitz und Gera zu verteidigen, aber sie würden einer österreichischen Armee beim Durchmarsch große Schwierigkeiten bieten, zumal diese ihre Lebensmittel auf elenden, langen und fast unbefahrbaren Wegen auf Karren mit sich führen müßte. Ein geschickter Führer könnte diese drei letzten Einfallstore ohne Mühe verteidigen. Die Kurmark wäre also gedeckt und von einer doppelten Sperre umgeben.

Ließe sich aber nicht ganz Sachsen unserem Staate angliedern, so könnte man sich mit der Lausitz begnügen und die Elbe zur Grenze nehmen. Das würde für den gedachten Zweck hinreichen, teils durch die Erweiterung der Grenze und teils durch zwei Festungen und einen Fluß, der schwer zu überschreiten ist und der die Hauptstadt gegen feindliche Einfälle deckte.

Ihr werdet gewiß einwenden, es genüge nicht, die für uns vorteilhaften Länder zu bezeichnen, sondern man müsse auch die Mittel angeben, wie sie zu erwerben sind. Es sind folgende: Man muß seinen Plan geheim halten und verbergen, die politische Lage benutzen, das Eintreten günstiger Umstände abwarten und, wenn sie gekommen sind, kraftvoll handeln. Die Eroberung würde erleichtert, wenn Sachsen im Bündnis mit der Königin von Ungarn stände und sie oder ihre Nachfolger mit Preußen brächen. Das wäre ein Vorwand zum Einmarsch in Sachsen, um die Truppen zu entwaffnen und sich im Lande festzusetzen. Selbst Frankreich ließe sich beschwichtigen, wenn man ihm klar machte, daß es gegen die Regeln der Staatskunst verstoße, im Kriege einen so mächtigen Gegner wie Sachsen in seinem Rücken zu lassen. Die Sachsen wären leicht zu entwaffnen, wenn man über Halle, Brandenburg, Wusterhausen, Krossen und Naumburg (am Queiß) fünf Korps einrücken ließe, die unter dem Vorwand eines Einmarsches in Böhmen die sächsischen Garnisonen unterwegs aufhöben.

Soll dieser Plan voll gelingen, so müßte, während wir mit Österreich und Sachsen kämpfen, Rußland im Krieg mit der Türkei liegen. Außerdem müßte man dem Wiener Hof soviel Feinde wie möglich auf den Hals ziehen, um nicht gegen seine gesamten Kräfte kämpfen zu müssen.

Nach Unterwerfung Sachsens müßte der Krieg nach Mähren getragen werden. Eine Entscheidungsschlacht in dieser Provinz würde die Tore von Olmütz und Brünn öffnen und den Krieg in die Nähe der Hauptstadt verlegen. Noch im Laufe des Feldzuges müßte man 40 000 Mann in Sachsen ausheben, Truppen von Reichsfürsten gegen Subsidien in Dienst nehmen und seine eigenen Kräfte verstärken. Im folgenden Feldzug wäre an der Aufwiegelung Ungarns zu arbeiten. 20 000 Mann von den Neuausgehobenen würden in Böhmen einfallen und dies unverteidigte Land leicht erobern. Träfe es sich zugleich, daß auf Englands Thron ein träger Herrscher säße, so brauchte keine Rücksicht auf das Kurfürstentum Hannover genommen zu werden. Wäre er aber ein kriegerischer Fürst, so würde man Frankreich zu einer Diversion in das Kurfürstentum mit seinen deutschen Subsidientruppen bewegen. Dadurch bekäme Preußen die Ellbogen frei. Der Einfall in Hannover aber zwänge England zur Annahme der Bedingungen, die Frankreich und seine Verbündeten stellen würden. Beim Friedensschluß würde Frankreich Flandern einstecken; Preußen gäbe Mähren an die Königin von Ungarn zurück und tauschte Böhmen an den König von Polen gegen Sachsen aus.

Ich gestehe, daß das Gelingen dieses Plans viel Glück voraussetzt. Mißlingt er aber, so ist keine Schande dabei, wenn man nur sein Geheimnis wahrt. Und sollte man Sachsen auf den ersten Hieb nicht ganz erwerben, so ist es doch sicher, daß sich ein Teil davon sehr leicht absprengen ließe. Die Hauptsache wäre, daß Rußland und die Königin von Ungarn einen Krieg mit der Türkei, Frankreich und dem König von Sardinien zu bestehen hätten.

Nächst Sachsen wäre für uns Polnisch-Preußen am vorteilhaftesten. Es trennt jetzt Pommern von Ostpreußen und hindert, dieses zu behaupten, erstens wegen der Stromschranke der Weichsel und zweitens wegen der drohenden russischen Truppenlandung im Danziger Hafen. Das wird Euch um so mehr einleuchten, falls Ihr bedenkt, daß Ostpreußen nur von den Russen angegriffen werden kann. Wenn sie also in Danzig landen, schneiden sie den in Ostpreußen stehenden Truppen alle rückwärtigen Verbindungen ab, und wären diese zum Rückzug genötigt, so müßte man ihnen eine bedeutende Truppenmacht entgegenschicken, um ihnen den Weichselübergang zu erleichtern.

Ich halte es nicht für angebracht, diese Provinz mit Waffengewalt zu gewinnen, vielmehr möchte ich wiederholen, was Viktor Amadeus von Sardinien seinem Nachfolger Karl Emanuel zu sagen pflegte: »Mein Sohn, die Lombardei muß man Blatt für Blatt verspeisen, wie eine Artischocke.« Polen ist ein Wahlreich; beim Tode des jeweiligen Königs wird es jedesmal durch Parteikämpfe zerrissen. Das muß man sich zunutze machen und um den Preis seiner Neutralität bald eine Stadt, bald ein anderes Gebiet erwerben, bis man alles geschluckt hat.

Ist die Erwerbung glücklich abgeschlossen, werden jedenfalls Thorn, Elbing und Marienwerder befestigt und sogar kleinere feste Plätze längs der Weichsel errichtet werden. Dadurch würden alle etwaigen Unternehmungen der Russen gegen uns vereitelt. Zweifellos sind ihre regulären Truppen nicht sehr zu fürchten, aber ihre Kalmücken und Tataren sind Mordbrenner und Länderverwüster, die ganze Völker in Gefangenschaft fortschleppen und alles niederbrennen, wo sie sich als die Stärkeren fühlen. Das muß Euch bestimmen, einen Krieg mit Rußland so lange zu vermeiden, als Eure Ehre es zuläßt.

Erwerbungen mit der Feder sind solchen mit dem Schwert allemal vorzuziehen. Man setzt sich weniger Zufällen aus und schädigt weder seine Börse noch seine Armee. Bei der friedlichen Eroberung von Polnisch-Preußen halte ich es für durchaus nötig, Danzig bis zuletzt aufzusparen. Denn über diese Erwerbung werden die Polen ein großes Geschrei erheben, führen sie doch ihr ganzes Getreide über Danzig aus: sie würden also mit Recht fürchten, durch die Weichselzölle, die Preußen auf alle von den Herren Sarmaten ausgeführte Waren legen könnte, in dessen Abhängigkeit zu geraten.

Nächst den beiden genannten Ländern wäre Schwedisch-Pommern für uns am vorteilhaftesten. Diese Erwerbung wäre nur durch Verträge zu erreichen. Dieser Plan ist noch phantastischer als die vorhergehenden. Trotzdem könnte er unter folgenden Umständen gelingen. Rußland als stärkste Macht im Norden hat Schweden dahin gebracht, sich mit Preußen zu verbünden, um ein Gegengewicht in die Wagschale der Mächte zu werfen. Träte nun der günstige Umstand ein, daß Rußland einen Krieg auf dem Hals hätte und Schweden dies benutzte, um Livland zurückzuverlangen, könnte Preußen diesem dann nicht gegen Abtretung von Schwedisch-Pommern seinen Beistand versprechen? Die Schwierigkeit eines Angriffs auf Rußland in Liv- und Esthland liegt aber darin, daß man notwendigerweise die Überlegenheit zur See haben müßte. Die schwedische Flotte ist jedoch schwach, und wir haben nicht ein Kriegsschiff. Die Belagerung von Reval, Narwa und den anderen Seestädten wäre also ausgeschlossen, ganz abgesehen davon, daß die Zufuhr von Lebensmitteln fast unmöglich wäre. Angenommen auch, es gelänge Preußen, Livland zu erobern, so liegt es doch fast auf der Hand, daß Schweden nicht durch Finnland vordringen könnte; denn die Russen haben dort Festungen, die durch ihre Lage uneinnehmbar sind. Somit käme es nach vielem Blutvergießen zu einem Frieden, in dem alles wieder herausgegeben würde und jeder soviel behielte, als er vor Kriegsbeginn besessen.

Das ist ungefähr alles, was ich über die für uns vorteilhaften Erwerbungen sagen kann. Bringt unser Haus große Fürsten hervor, bewahrt das Heer seine jetzige Kriegszucht, legen die Herrscher im Frieden zurück, um im Kriege Geld zu haben, benutzen sie die Ereignisse mit Geschick und Besonnenheit, sind sie schließlich selbst einsichtsvoll, so zweifle ich nicht, daß der Staat allmählich wächst und sich vergrößert, und daß Preußen mit der Zeit zu einer der bedeutendsten Mächte Europas wird.

Konsolidierung der Macht Preußens

Unserem Staate fehlt noch die innere Kraft. Alle preußischen Provinzen umfassen nur fünf Millionen Seelen. Das Heer ist ansehnlich, aber nicht stark genug, um den Feinden, die uns umgeben, zu widerstehen. Unsere Einnahmen sind beträchtlich, aber es fehlt uns im Falle der Not an Hilfsquellen. Mühsam ziehen wir uns aus der Verlegenheit, indem wir unsere Truppen zweimal soviel manövrieren lassen als der Feind und ihm stets dieselben Leute entgegenstellen, von welcher Seite er auch komme. Das ermüdet sie sehr und setzt bei ihrem Führer große Wachsamkeit voraus. Unsere Finanzen drehen sich ganz um Ersparnisse und dienen uns zur Kriegführung, ohne daß wir andere Hilfsmittel besitzen als Klugheit bei ihrer Verwaltung. Soll also das Schicksal des Staates gesichert sein, so darf sein Wohl nicht von den guten oder schlechten Eigenschaften eines Einzelnen abhängen. Um sich aus eigener Kraft zu erhalten, müßten Heer und Finanzen etwa auf folgenden Stand gebracht werden. Ich wünschte, daß wir Provinzen genug besäßen, um 180 000 Mann, also 44 000 mehr als jetzt, zu unterhalten. Ich wünschte, daß nach Abzug aller Ausgaben ein jährlicher Überschuß von 5 Millionen erzielt würde. Sie dürften aber nicht auf feste Ausgaben angewiesen werden, sondern der Herrscher müßte nach freiem Belieben über sie verfügen können, nachdem er 20 Millionen in den Staatsschatz gelegt hat. Diese 5 Millionen machen ungefähr die Kosten eines Feldzugs aus. Mit ihnen könnte man den Krieg aus eigenen Einkünften bestreiten, ohne in Geldverlegenheiten zu geraten und irgendjemand zur Last zu fallen. In Friedenszeiten könnte diese Einnahme zu allen möglichen nützlichen Ausgaben für den Staat verwandt werden.


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