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Die zahlreichen Provinzen, aus denen der Staat besteht, erstrecken sich der Länge nach über mehr als halb Europa. Da sie unter verschiedenen Himmelsstrichen liegen und ihre Lage Handel, Sitten und Gebräuche bedingt, so lassen sie sich unmöglich bis ins einzelne nach gleichen Grundsätzen regieren.
Ostpreußen bringt eigentlich nur Getreide und Flachs hervor; die Krone besitzt hier eine große Anzahl von Pachtämtern. Da aber das rauhe Klima und die Überschwemmungen, denen die Provinz ausgesetzt ist, die Ernten oft vernichten, so muß man unaufhörlich in den Säckel greifen, um den Schaden zu vergüten. Die Provinz ist fast ohne jede Industrie und hätte viele gute Manufakturen nötig.
Die Kurmark, Pommern, Magdeburg und Halberstadt haben beinahe die gleichen Erzeugnisse und die gleiche Industrie. Diese Provinzen und mit ihnen Schlesien sind stets das Hauptfeld meiner Tätigkeit gewesen, und zwar aus folgendem Grunde: Sie bilden ein zusammenhängendes Gebiet, sind das Herz des Staates und lassen sich militärisch behaupten, während die anderen Provinzen entfernt liegen und in bestimmten Fällen nicht verteidigt werden können. Pommern und die Kurmark verkaufen Holz, Getreide, Tuche und alle Sorten Wollenstoffe ans Ausland.
Schlesien hat ganz abweichende Einrichtungen. Die Krone besitzt dort nur wenig Pachtämter. Die Kontributionen sind auf einem anderen Fuße geregelt. Geistlichkeit und Adel bezahlen hier im Verhältnis viel mehr als in irgendeiner anderen Provinz, und der Bauer weniger. Aus politischen Rücksichten ist der Bauer geschont worden, weil er die große Masse ausmacht, aber der Adel ist belastet, um bestimmte Magnaten uns vom Halse zu schaffen, die dem Hause Österreich anhingen. Sie haben ihre Güter in Schlesien denn auch größtenteils verkauft. Der Leinen- und Tuchhandel dieser schönen Provinz verdient Ermutigung durch die Herrscher. Die Leinwand bringt Schlesien fast ebensoviel ein wie Peru dem König von Spanien. Ich möchte der Nachwelt raten, nicht ohne sehr triftige Gründe an die von mir in Schlesien getroffenen Einrichtungen zu rühren.
Kleve hat keinerlei Ähnlichkeit weder mit Schlesien noch mit der Kurmark, noch mit Ostpreußen. Die Bevölkerung ist sehr träge. Bei dem geringen Waldbestand findet man schöne Kulturen. Fremde, die sich während meiner Regierung im Klevischen niederließen, haben gute Manufakturen eingeführt. Die Bauernhöfe liegen alle zerstreut und bilden nicht Dörfer wie hier und im Reich. Das Fürstentum Minden ähnelt den hiesigen Provinzen mehr. Die Gebräuche sind fast die gleichen. Die Leinenmanufakturen blühen, sind aber viel unbedeutender als in Schlesien. Ostfriesland ernährt sich allein von seinem Vieh und zieht viel Geld aus dem Ausland durch den Verkauf von Pferden, Kühen, Milch, Käse und Ziegeln, die nach dem ganzen Norden gehen.
Auf Grund eingehender Kenntnis aller dieser Gebiete ist für jede Provinz die Instruktion für den Präsidenten und für die Domänenkammer verfaßt. Alle nach den gleichen Gesetzen regieren wollen, hieße die Provinzen mutwillig verderben.
Die Wirtschaftspolitik ist sehr verwickelt. Sie erfordert viele Kenntnisse und großen Fleiß. Der Herrscher kann sich unmöglich mit all den winzigen Einzelheiten der Ausführung befassen. Seine Sache ist es, solide Grundsätze aufzustellen und von ihnen nicht abzuweichen.
Der erste Grundsatz, der allgemeinste und wahrste ist der, daß die wahre Kraft eines Staates in einer hohen Volkszahl liegt. Wollt Ihr ihn bestätigt haben, so vergleicht Holland, das etwa 40 deutsche Meilen lang und höchstens 15 breit ist, mit Sibirien, das gegen 300 Meilen lang und vielleicht 100 Meilen oder mehr breit ist. In Holland leben 3 Millionen fleißiger Einwohner, die der Republik 15 bis 16 Millionen Taler entrichten. Dies Land hielt allein den Krieg gegen König Philipp von Spanien, seinen Bedrücker und Tyrannen, aus. Sibirien zählt auf seinem ungeheuren Gebiet nur 600 000 Einwohner, von denen Rußland keine 300 000 Taler bezieht, und der erste beste Eroberer könnte diese Wüsteneien unterjochen, denen es an Armen zur Bebauung und Verteidigung fehlt. Wie Ihr seht, ist es also nicht der weite Gebietsumfang, sondern die Zahl fleißiger Einwohner, worauf es ankommt. Ich könnte diesen Vergleich unendlich weiterführen, von Schweden und England, von Polen und Deutschland reden, falls das Gesagte zum Beweis des obigen Satzes nicht schon hinreichte.
Um diesen Grundsatz in die Praxis zu übertragen, gibt es zwei Mittel: erstens alle anbaufähigen Ländereien urbar zu machen und Kolonisten anzusetzen; zweitens die Manufakturen zu vermehren. Ich habe beide Mittel angewandt und keine Kosten gescheut, um Dörfer längs der Oder, Netze und Warthe anzulegen, in Ostpreußen einen Sumpf zu entwässern und urbar zu machen, die meisten Vorwerke in Dörfer zu verwandeln, um eine große Zahl von Wollspinnern anzusiedeln, die auf dem platten Land fehlten. Das meiste ist in dieser Hinsicht getan, aber keineswegs alles vollendet.
Was die Manufakturen betrifft, so habe ich die Tuchfabriken vermehrt, hier wie in Schlesien und in den Provinzen, wo es gute Wolle gibt. Ich habe sämtliche bestehenden Seidenfabriken geschaffen, nicht um Seide auszuführen, sondern zur Deckung des eigenen Bedarfs. Ich habe eine Anzahl von Eisenhämmern in Gegenden angelegt, wo das Holz mangels eines nahen Wasserweges im Walde verfaulte. Alle Baumwoll- und Barchentspinnereien habe ich gegründet, ebenso die Spitzenfabriken, Steingut- und Porzellanmanufakturen, die englischen Gerbereien, die das Leder für Kavalleriestiefel bearbeiten, Webereien für Strümpfe und Handschuhe, Etamin und Manchester, wie ihn Desjardins herstellt, Leinenbleichereien im Fürstentum Halberstadt, kurz, ich habe große Ausgaben gemacht, um fleißige Hände ins Land zu ziehen und die Arbeit zu fördern. Für 1769 will ich noch 20 000 Taler zur Ermunterung der Seidenindustrie ausgeben, und ich hoffe, dadurch einen so nützlichen Gewerbszweig fest begründet zu haben.
Ich kehre zum Ackerbau zurück. Wir haben viel Sandboden. Wäre unser Boden besser, so könnten wir die Einwohnerzahl in vielen Gegenden verdoppeln. Da dies nicht angeht, wurden Sandgegenden mit Fichten bepflanzt. Dadurch gewinnen wir Brennholz für die Landbevölkerung und sparen uns somit das Bauholz aus den Forsten, das ans Ausland verkauft werden kann.
Die Wirtschaftspolitik fordert, wie gesagt, die Vermehrung der Bevölkerung, soweit sich Mittel dazu finden. Sie fordert aber auch die möglichste Erhaltung des Volksvermögens, damit es nicht unnötig ins Ausland abwandert. Dies ist der Grundsatz bei der Aufstellung der Akzise- und Zolltarife, darum besteuern wir unbarmherzig alle Waren, die wir selbst herstellen, und unsere Bodenerzeugnisse. So verhindern wir auch, daß wir durch übertriebenen Luxus bettelarm werden. Aus den Einfuhrlisten erfahren wir ferner, was ins Land kommt; auf ihrer Grundlage baut man seine Berechnungen auf und zieht neue Industrien ins Land, um fremde Waren entbehren zu können.
Unser Volk ist schwerfällig und träge. Mit diesen zwei Fehlern hat die Regierung immerfort zu kämpfen. Durch Euren Antrieb bringt Ihr die Masse in Bewegung, aber sie kommt sofort zum Stillstand, sobald der Antrieb einen Augenblick nachläßt. Niemand kennt etwas anderes als den alten Brauch. Man liest wenig, kümmert sich wenig darum, wie es anderswo hergeht, und erschrickt daher bei allem Neuem. Ich habe meinem Volke nichts als Gutes erwiesen, und doch glaubt es, ich wollte ihm das Messer an die Kehle setzen, sobald es sich um eine zweckmäßige Reform oder eine notwendige Änderung handelt. In solchen Fällen bin ich meinen ehrlichen Absichten, der Stimme meines Gewissens und meiner langen Erfahrung gefolgt und ruhig meinen Weg gegangen.