Friedrich der Große
Geschichte meiner Zeit
Friedrich der Große

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kriegskunst

Es verdient hervorgehoben zu werden, daß infolge der Vermehrung des Geldes in Deutschland, das sich gegen früher sicherlich verdreifacht hatte, nicht nur der Luxus sich verdoppelte, sondern auch die Zahl der Truppen, welche sich die Fürsten hielten, entsprechend zunahm. Kaiser Ferdinand I. hatte kaum 30 000 Mann gehalten: Karl VI. besoldete im Kriege von 1733, ohne seine Völker zu bedrücken, 170 000 Mann. Ludwig XIII. hatte 60 000 Soldaten gehabt: Ludwig XIV. hielt 220 000 Mann, ja im Spanischen Erbfolgekriege bis zu 360 000 Mann. Seit jener Zeit hatten alle, bis zu den kleinsten deutschen Fürsten, ihr Heer vergrößert. Es geschah aus Nachahmungsgeist. Im Kriege von 1683 hob Ludwig XIV. so viele Truppen aus, als er nur konnte, um ein entscheidendes Übergewicht über seine Gegner zu haben, und nahm nach dem Frieden keine Verringerung vor. Das zwang den Kaiser und die deutschen Fürsten, so viele Soldaten bei der Fahne zu halten, als sie zu bezahlen vermochten, und so ist es denn bis zum heutigen Tage geblieben. Die Kriege wurden dadurch viel kostspieliger. Die Anschaffungen für die Magazine verschlangen ungeheure Summen, da die zahlreiche Reiterei unterhalten und vor Eröffnung des Feldzuges und während der Jahreszeit, wo man nicht fouragieren konnte, in Kantonnementsquartieren versammelt werden mußte.

Der Tod, der Blitze schleudernd, von Pulverdampf eingehüllt, aus der Mündung des Kanonenrohrs hervorbricht, als Sinnbild des Krieges.

Die Infanterie des stehenden Heeres wurde durch stete Arbeit an ihrer Vervollkommnung fast von Grund aus umgestaltet. Vor dem Erbfolgekrieg waren die Bataillone zur Hälfte mit Piken, zur Hälfte mit Musketen bewaffnet. Sie standen sechs Reihen tief im Gefecht. Die Piken wurden gegen die Reiterei gebraucht. Die Musketen gaben nur schwaches Feuer; oft versagten auch ihre Lunten. Deshalb führte man andere Waffen ein. Man vertauschte die Piken und Musketen mit Gewehren, die Bajonette trugen, und vereinigte so die furchtbare Wirkung von Feuer und Schwert. Da man die Hauptstärke der Bataillone in das Feuer setzte, so verminderte man nach und nach ihre Tiefe und dehnte sie in die Breite aus. Fürst Leopold von Anhalt, den man einen Kriegsmechanikus nennen kann, führte den eisernen Ladestock ein und stellte die Bataillone in drei Gliedern auf. Der verstorbene König brachte in seine Truppen mit unendlicher Mühe Mannszucht und eine wunderbare Ordnung und in die Bewegungen und Handgriffe eine bis dahin in Europa unbekannte Genauigkeit. Ein preußisches Bataillon wurde zur wandelnden Batterie, deren Feuergeschwindigkeit die Gefechtswirkung verdreifachte, so daß ein preußisches Bataillon es mit drei feindlichen aufnehmen konnte. Die anderen Staaten ahmten die Preußen seither nach, freilich nur unvollkommen.

Karl XII. hatte in seinem Heere zwei Geschütze bei jedem Bataillon eingeführt. In Berlin goß man Kanonen zu 3, 6, 12 und 24 Pfund, leicht genug, um sie mit Menschenarmen zu regieren und sie in der Schlacht mit den Bataillonen, zu denen sie gehörten, vorrücken zu lassen. So viele neue Erfindungen machten ein Kriegsheer zu einer lebendigen Festung, an die jede Annäherung mörderisch und fürchterlich war.

Während des Krieges von 1672 wurden von den Franzosen die transportablen, kupfernen Pontons erfunden. Da es auf diese Art sehr bequem wurde, Brücken zu schlagen, hörten die Flüsse auf, wirkliche Hindernisse zu sein. Auch die Kunst, feste Plätze anzugreifen und zu verteidigen, verdankt man den Franzosen. Besonders Vauban vervollkommnete die Befestigungskunst. Er machte die Werke bestreichbar und schützte sie derart durch ein Glacis, daß, wenn jetzt die Breschebatterien nicht auf dem Kamm des gedeckten Weges angelegt werden, die Kugeln den Mauerkranz, den sie einschießen sollen, nicht erreichen. Seit Vauban hat man gemauerte, doppelte gedeckte Wege eingeführt, und vielleicht hat man sogar zuviel Befestigungsabschnitte angelegt. Vor allem aber hat die Minierkunst die größten Fortschritte gemacht. Man treibt das Minensystem des gedeckten Weges bis auf dreißig Klafter vom Glacis vor. Plätze mit guten Minenanlagen haben Haupt- und Zweigstollen, bis zu drei Stockwerken übereinander. Der Mineur kann ein und denselben Verteidigungspunkt bis zu siebenmal sprengen. Für den Angriff hat man die Druckkugeln erfunden, die, wenn sie gut angelegt sind, alle Minen des Platzes bis auf eine Entfernung von 25 Schritt vom Herde sprengen. In den Minen liegt jetzt die wahre Stärke der Festungen, und durch ihren rechten Gebrauch können die Kommandanten die Dauer der Belagerung am meisten verlängern.

Preußische Husaren.

Heutzutage lassen sich Festungen nur durch zahlreiches Geschütz erobern. Man rechnet eine Batterie von drei Geschützen, um eine Kanone der Festungswerke zu demontieren; zu dieser Menge Batterien kommen noch die Rikoschettbatterien, welche den Hauptwall bestreichen; und hat man nicht mindestens sechzig Mörser zur Zerstörung der Festungswerke, so wagt man einen festen Platz nicht zu belagern. Die halben Sappen, die ganzen Sappen, die flüchtigen Sappen, die Waffenplätze und die Laufgrabenreiter, alles das sind neue Erfindungen, die beim Angriff dazu dienen, Menschen zu sparen und die Übergabe der Festungen zu beschleunigen.

Unser Jahrhundert hat die Leichtbewaffneten wieder aufleben sehen: die Panduren bei den Österreichern, die Legionen bei den Franzosen, die Freibataillone bei uns, ferner die Husaren, die aus Ungarn stammen, aber bei allen anderen Heeren nachgeahmt sind, und die jene zur Römerzeit so berühmte numidische und parthische Reiterei ersetzen. Die Heere der Alten kannten keine Uniformen; es sind noch nicht hundert Jahre her, daß sie allgemein eingeführt worden sind.

Auch das Seewesen hat große Fortschritte gemacht, sowohl im Schiffsbau wie in der Steuerkunst. Allein dieser Gegenstand ist so umfangreich, daß ich ihn verlasse, um nicht allzuweit abzuschweifen.


 << zurück weiter >>