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Ein Bauer schlug heftig an die Pforte und rief in den Hof: »Der Herzog ist im Dorfe; er fordert die fremden Männer.«
Bernhard eilte hinaus, zögernd folgte sein Begleiter. Auf dem freien Platze am Gemeindehause hielten Bewaffnete, Jäger und Trabanten, in ihrer Mitte der Herzog, welcher die Berichte des Schreibers und des Pfarrers anhörte. Er nickte ein wenig auf den ehrfurchtsvollen Gruß Bernhards und beobachtete ihn, während er zu den Dorfleuten sprach, prüfend aus der Ferne. Er war ein hagerer Herr, den Jahren nach nicht alt, aber mit gefurchtem Antlitz und einem Zug von Trauer um den Mund, so daß man ihm ansah, er hatte Schweres erlebt. Endlich ritt der Jägermeister auf die Fremden zu und fragte von oben herab: »Ihr seid zur Nacht über den Wald gekommen; habt ihr etwas von den fremden Räubern gesehen?« – »Nur eine Rauchsäule in der Ferne und ein leeres Dorf.« »Ihr habt vorgegeben, einen Auftrag an herzogliche Gnaden zu haben. Wer seid ihr?« Bernhard griff in das Wams: »Hier ist unser Kreditiv, welches ich dem Herrn Herzog in eigene Hand zu übergeben bitte.«
Der Jägermeister reichte das Schreiben dem Herzog; dieser las lange darin und sah wieder erstaunt auf die Abgesandten, endlich barg er das Papier in seiner eigenen Tasche, winkte Bernhard heran und gebot, daß die Umstehenden zurücktraten. »Ich kenne niemand von denen, welche Euch sandten,« sagte er und Mißtrauen klang aus der Rede. »Was sucht der Herr Rittmeister König, wenn Ihr der seid, bei mir?«
»In einer importanten Sache erbitte ich ehrerbietig bei Eurer herzoglichen Gnaden Audienz.«
»Ihr habt einen Begleiter? Ist das jener Mann? – Und wie der Pfarrer berichtet, führt Ihr auch ein Weib mit Euch.«
»Meine Schwester,« antwortete Bernhard, »sie hat in jenem Hause ein Obdach gefunden.«
Wieder musterte der Herzog das Aussehen des Fremden. Die mannhafte Haltung mochte ihm gefallen, denn er schloß freundlicher: »Ihr traft es ungünstig mit Eurer Ankunft. Der Beamte hat Euch als Soldaten erkannt und behauptet, daß die Plünderer zu Eurem Volke gehören. Ich hoffe, er war im Irrtum. Ein Trabant, den ich zurücklasse, soll Euch morgen in der Frühe nach Gotha geleiten.« Er winkte den Abschied und hörte wieder auf die Klagen der Dorfleute.
Am nächsten Morgen ritt Bernhard mit dem Reiter des Herzogs der Stadt zu. Der Führer schaffte ihm Einlaß bei der Wache und hielt nahe am Tor vor einer Herberge: »Da Ihr von der schwedischen Salva Guardia, welche in der Stadt liegt, nicht beachtet werden wollt, so stellt Euer Pferd hier ein und folgt mir zu Fuß nach dem Schlosse.« Er wies die Richtung und ritt davon. Bernhard schritt durch enge Gassen nach dem Markte, er fand die Straßen voll von geschäftigen Menschen, die den Fremdling neugierig und forschend ansahen, viele unter ihnen in mangelhafter Bekleidung, mit bleichen und vergrämten Gesichtern. Auch die Häuser waren mit Einliegern überfüllt, noch in den Dachluken guckten Kinderköpfe und hing die Wäsche armer Leute. Aus den engen Höfen hörte er Gebrüll der Rinder, und neben den Hunden liefen grunzende Schweine vor den Haustüren. Denn viele Landleute waren nach der Stadt geflüchtet und hausten mit ihrem Vieh gedrängt in jämmerlichen Wohnungen. Vor wenig Jahren hatte überdies eine große Feuersbrunst den Ort verwüstet, nur die Hälfte der Häuser war aufgebaut, auf vielen Brandstätten standen zwischen verkohlten Balken ärmliche Holzhütten. Auch der Marktplatz war mit Bretterbuden und Leinwandzelten besetzt, an welchen armselige Frauen wuschen und kochten und halbnackte Kinder auf den Steinen spielten, dazwischen standen Rüsthölzer, geschichtete Ziegel und Kalkbühnen, Wagen mit Bauholz und Lehm. Überall belästigte Straßenschmutz, Geschrei und Zanken der Menschen, und Bernhard dachte mit Sorge, wie die Schwester in der wüsten und gefüllten Stadt ein Unterkommen finden werde. Über der Stadt aber erhob sich auf steiler Höhe ein gewaltiger Ziegelbau, das neue Schloß des Herzogs. Auch dort vernahm man das Geräusch der Bauarbeit, Hiebe der Äxte und laute Zurufe an eine lange Reihe geschirrter Pferde, welche die Dachbalken mit starken Seilen hoch hinaufhoben. Es war überall wenig zu sehen, was das Auge erfreute, aber aus dem Wirrwarr, der Not und Drangsal erkannte man doch schaffende Kraft. In den Werkstätten schnitten und pochten die Handwerker, an vielen Fenstern boten sich ausgestellte Waren, in den Kaufläden standen die Kunden, und die Schenken waren gefüllt.
Bernhard stieg den steilen Schloßberg hinauf und wurde von dem Trabanten, der ihn am Tor erwartete, eilfertig zu den Gemächern des Herzogs geführt. Ein Kammerjunker öffnete die Tür des Arbeitszimmers, und Bernhard stand dem Herzog allein gegenüber. Dieser hielt das Kreditiv in der Hand. »Ihr seid also Bernhard König?«
»Rittmeister der Leibkompanie von Alt-Rosen, deren Standarte ich sonst trug.«
»Wir lasen in den Avisen, wahrlich mit Bedauern, von einem Aufstand der weimarischen Völker, und wie ich sehe, sind es fahnenflüchtige Empörer, welche Euch zu mir deputiert haben.«
»Die Regimenter, welche mich gesandt haben, führen die alten Kornette und Fahnen, die sie zum großen Teil durch Eurer Gnaden Bruder empfangen haben, von dem wortbrüchigen Franzosen hinweg. Und weil sie das Andenken an den deutschen Kriegshelden Herzog Bernhard mit getreuen Herzen bewahren, stehe ich jetzt vor dem Angesicht seines erlauchten Bruders.«
»Ihr sprecht hohe Worte,« antwortete der Herzog, »sie rechtfertigen das unerhörte Unterfangen nicht.«
»Eurer herzoglichen Gnaden ist bewußt,« fuhr der Abgeordnete fort, »wie nach Herzog Bernhards Tode die Obersten des führenden Heeres mit der Krone Frankreichs paktierten. Von allem aber, was damals beschworen wurde, hat der Franzos uns nichts gehalten; seit vollends Graf Turenne als unser Feldhauptmann aus Frankreich geschickt wurde, hat man uns über alle Gewohnheit den Sold vorenthalten, so daß der Hunger Troß und Pferde im ausgesogenen Lande fraß; in die Kommandostellen drängten sich Franzosen, vornehme Gecken mit Affengebärden, prahlerisch und hochmütig, welche unsere Sprache nicht verstanden und sich damit rühmten, daß sie die deutsche Art verachteten. Unwillig trug der Soldat durch Jahre die fremde Dienstbarkeit. Als aber der Marschall sich rüstete, uns vom Elsaß aus in fremde Länder zu führen, klagten Offiziere und Gemeine über den Bruch des Vertrages, sie verweigerten den Marsch, und weil der Franzose uns mit seiner Gewalt bedrohte, forderte sich das Heer unsern Generalleutnant Rosen zum Führer und zog es aus dem Elsaß bei Straßburg über den Rhein zurück; Turenne aber setzte den Rosen hinterlistig gefangen, während dieser in guter Meinung zwischen dem Heere und dem Marschall vermittelte. Da kehrten die Regimenter dem treulosen Franzosen den Rücken und wandten sich nach dem Schwabenland. Turenne kam nachgerückt und gewann durch listige Versprechungen unsere Obersten und Offiziere, die auf sein Veranstalten, getrennt von ihren Soldaten, in städtische Quartiere gelegt waren. Die uns führen sollten, dieselben, welche den Widerstand gegen die Franzosen genährt hatten, verrieten unsere Sache. Doch die gemeinen Soldaten traten zusammen, und weil sie herrenlos und verkauft zwischen Feinden standen, wählten sie aus den alten Reitern sich selbst ihre Befehlshaber und schworen einander bei den Feldzeichen zu, als redliche Deutsche Blut und Leben miteinander daranzusetzen, nimmermehr aber dem falschen Franzosen zu gehorchen.«
Der Herzog murmelte: »Die Welt verkehrt sich! Die Herren sind Diener des Erbfeindes, und der verlorene Haufe handelt von der Ehre des deutschen Namens.«
»Vom Neckar zogen wir dem Main zu in fester Ordnung, doch noch immer kam uns der Franzose nach, bat und drohte; wir aber ließen ihm sagen, das Tuch sei zerschnitten zwischen ihm und uns. Nahe dem Main ersah er seinen Vorteil; als ein Hohlweg unsere Völker teilte, griff er die Nachhut an, wir aber schlugen ihn zurück,« fuhr der Bote mit leuchtenden Augen fort, »und der arge Mann entwich nach Frankreich.«
»Ihr warft den Turenne zurück?« fragte der Herzog ungläubig, »uns wurde geschrieben, daß der Hauptteil der Weimarischen bei ihm geblieben sei und nur schlechtes Volk entwichen.«
Unwillig rief der Bote: »Eine Lüge war's. Ich verberge Eurer herzoglichen Gnaden nicht, daß unser tapferes Heer zerrissen ist. Vier berittene Regimenter, die gesondert lagen, hielt er am Rheine von uns ab. Jedoch die Stärke blieb vereint. Es sind die acht Reiterregimenter Alt-Rosen, Mazarin, Fleckenstein, Wittgenstein, Ohme, Rußwurm, Taupadel, Schütze; dazu die Hälfte von Rosen-Dragoner und die letzte übrige Kompanie des alten gelben Regiments, das König Gustav Adolf selbst geführt.«
»Ihr nennt wohlberühmte Feldzeichen«, rief der Herzog erstaunt.
»Diese sind es, die mich zu Eurer herzoglichen Gnaden gesandt haben. Auch unsere Reihen sind gelichtet; mancher wurde weggelockt, dem der Mut versagte vor der unsicheren Zukunft, denn heimliche Boten kamen täglich von den Offizieren mit hohen Versprechungen. Den Schlechten aber mißfiel die strenge Kriegszucht, welche wir halten. Sie hatten auf Räuberleben gehofft, und wenn wir einen Lump arkebusierten oder an die Bäume hängten, so verschwanden seine Genossen in der nächsten Nacht; ich denke, diese vergingen im elenden Krieg mit den Bauern, bevor sie ihrer Freiheit froh wurden.«
»Dennoch seid ihr nicht besser daran,« entgegnete der Herzog, »jeder ehrliche Befehlshaber wird sich gegen euch rüsten, denn ganz unleidlich ist solcher Abfall und ein bedrohliches Exempel für alle Kriegsherrlichkeit.«
»Wir fürchten keine Gewalt,« antwortete Bernhard, »und haben noch wenig von fremdem Haß gemerkt; dagegen kann ich Eurer herzoglichen Gnaden nach Wahrheit versichern, daß wir bis jetzt nur Gunst genossen, denn wie zu einer reichen Braut, so ritten bei uns die Freiwerber ein: Kaiserliche, Hessen und Schweden. Wir haben die Wahl zwischen großen Potentaten, und wir meinen, daß uns jeder mehr verspricht, als er halten wird.«
»Und wollt ihr euch vermessen, im Kriege zu bestehen gegen alle und gleich wilden Wölfen durch die Länder zu trotten, damit euch jedermann erschlage?« fragte der Herzog.
»Wir suchen einen Landesherrn, der unseres Stammes und Glaubens ist, damit wir ihm als redliche Soldaten gehorchen, und darum, Herr Herzog, stehe ich hier, denn wir suchen Euch.«
Der Herzog trat zurück, und der Abgesandte fuhr fort: »Diese Botschaft senden Euch die alten Reiter Herzog Bernhards: Als der Beste erscheint Ihr uns von den Brüdern unseres ruhmreichen seligen Herrn. Mancher unter uns hat seinen ersten Kriegsdienst zugleich mit Euch getan, da Ihr als Oberst in unserem Heere gebotet. Euch rühmt die allgemeine Sage als gottesfürchtig und gerecht, als einen Fürsten, der das Wohl seiner Zugehörigen nie vergißt und der zwischen harten und eigennützigen Gebietern den Vorteil des deutschen Landes höher achtet als den eigenen Nutzen. Auch ist uns wohl bewußt, daß unser teurer Herzog Bernhard, Euer Bruder, in seinem Testamente Euch zum Erben seines ganzen Heeres gesetzt hat. Und seine Regimenter, welche der Krieg noch nicht getilgt, denken jetzt daran, daß sie als Erbteil Euch zugehören. Darum erbieten wir, die Ihr verlorene Kinder des deutschen Landes nanntet, uns gegen Euch zu treuem Dienste, ob Ihr durch unsere Fäuste dazu helfen wollt, daß unser deutsches Land den ersehnten Frieden gewinne. Sind's auch acht Regimenter nur, zweitausend Mann in Reih und Glied, die heute durch mich vor Euer Angesicht treten, ich darf es sagen, Herr Herzog, die Spreu ist von uns weggeflogen, ein Kernvolk ist's, das dreifache Übermacht nicht fürchtet; und rühren wir in Eurem Namen die Trommel, so strömt in wenig Monden ein Heer zusammen, das Euch den Kaiserlichen und Schweden furchtbar macht.«
»War ich ein Kriegsmann,« entgegnete der Herzog in tiefem Ernst, »das Amt ist abgetan. Seit neunundzwanzig Jahren hat die Kriegsfurie Tod und Verderben in die Länder geführt; mein fürstliches Amt ist, zu erhalten und zu retten, was noch am Leben ist, nicht neues Blutvergießen aufzuregen. Ich weigere euch, was ihr mit hoher Mahnung von mir verlangt. Denn wenn ich wagen wollte, was für mich ein frevelhaft Beginnen wäre, ich könnte mir aus dem zerstörten Lande vielleicht einen größeren Lappen zu meinem Fürstenmantel schneiden, aber ich würde neue Steine legen in den Pfad, der jetzt zum goldnen Frieden für uns gebahnt wird. Und wenn ich für meinen und meines Hauses Vorteil nur um vier Wochen den Abschluß des teuren Friedenswerkes verzögern wollte, so wäre es vor Gott und meinem Gewissen ein schweres Unrecht.«
»Hoffen Eure herzogliche Gnaden, daß der Frieden komme? Der müde Soldat glaubt nicht, daß er ihn erleben wird.«
»Wir alle harren zwischen Furcht und Hoffnung«, antwortete der Herzog. »Sind ohnedies die Schwierigkeiten zahlreich, die den Abschluß des Friedens verhindern, wie darf ich durch freches Unterfangen auch das umstürzen, was bereits in gutem Vertrauen beschlossen ist? Ein neues Heer schafft sich neuen Krieg, das solltet Ihr wissen; denn der Soldat vermag nicht von Luft zu leben und nicht von Hoffnung auf den Frieden.«
»Herzogliche Gnaden gestatten mir zu sagen: Ein redlicher Herr, der seinen Feinden schreckhaft wird durch ein kriegshartes Heer und auf den Vorteil aller denkt, wäre wohl imstande, die Fürsten der protestantischen Partei in einem Bündnis zu konjungieren, die Sachsen, Hessen, Braunschweiger, den Brandenburger, und solches Bündnis, wenn es auch nur Neutralität begehrt, würde den Kaiser und die Fremden zum Frieden zwingen.«
»Die deutschen Fürsten konjungieren!« rief der Herzog, »Ihr kennt die Staatsraison nicht, die jeden verhindert, dem anderen zu trauen. Kann der gemeine Soldat in schwerer Stunde einmal den eigenen Vorteil vergessen, die großen Landherren können das nicht. – Wo habt Ihr Euer Heer verlassen und wohin geht Euer Marsch?«
»Die Regimenter lagerten bei Neustadt, als ich von ihnen ritt. Sie wollten langsam heranziehen bis Wasungen.«
»An meine Grenzen?« fragte der Herzog, »und wieviel Köpfe zählt der Haufe?«
»Mit Reitern, Weibern, Buben und Kindern an achttausend Menschenhäupter, dazu dreitausend Pferde.«
Der Herzog schritt heftig durch das Zimmer. »Achttausend Mäuler, dazu dreitausend Rationen, sie verzehren in wenig Wochen mein ganzes Land. Ich weigere euch den Eintritt, soweit ich es vermag. Wollt ihr aber meinem fürstlichen Willen trotzen und euch in meinen Dörfern setzen, so werdet ihr selbst sehen, daß wenig darin zu holen ist. Bald wird der Hunger euch tilgen. In dem Nest der Grasmücke sitzt bereits ein Kuckuck. Meine Untertanen darben, weil wir den Schweden in Erfurt zu füttern haben.«
»Sorgen herzogliche Gnaden nicht,« antwortete Bernhard traurig, »wir meiden den Bezirk, welcher dem schwedischen Kriegsvolk kontribuiert, und werden Euer Land nicht beschweren, wenn wir nicht dazu gezwungen werden.«
Beide schwiegen still, bis Bernhard wieder begann: »In treuer Meinung und hohem Vertrauen sandte mich unser Volk zu einem Herrn, den alle Welt als klug und redlich rühmt. Sind Eure herzogliche Gnaden außerstande, mich mit einer freundlichen Antwort zu entlassen? Viele unter uns waren der Hoffnung, daß dem Herzoge von Gotha, auch wenn er nicht heilsam befinden sollte, mit eigenem Kriegsheer ins Feld zu ziehen, doch eine wehrhafte Mannschaft willkommen sein könnte. Die Mehrzahl unserer Soldaten ist aus Thüringen und Sachsen, sie würde sich wohl zu der Bevölkerung des Landes schicken. Auf dem Wege hierher erfuhr ich, daß fremdes Kriegsvolk ungebändigt im Lande beutet, ich sah viele leere Höfe und wüste Äcker, gern würde der Soldat, wenn er nicht mehr zum Schutze des Heimatlandes gebraucht wird, mit Weib und Kind die leeren Höfe besetzen und einem huldvollen Herrn, der ihn seiner Dienste entläßt, als friedlicher Untertan gehorchen.«
Der Herzog trat zu dem Sprechenden: »Ihr führt die Sache Eurer Kameraden, wie ich erkenne, mit Verstand, und ich will ehrlich auf Euer Vertrauen antworten. Wenn ich euch mein Gebiet öffne, und euch in meinen Dienst nehme, nur zum eigenen Schutz, so sind eurer zu viel und ich bin nicht reich genug, euch zu unterhalten, zumal ich euretwegen sogleich mit dem Schweden in Händel käme. Wenn ich euch aber annehme mit dem Versprechen, euch abzulohnen, und statt des Soldes mit Wohnstätte und Land zu begaben, so würde euer wildes und hungriges Gesinde schnell darauf pochen und verlangen, daß ich sie bis zu nächster Ernte füttere und noch darüber hinaus, falls ihnen die ungewohnte Bauernarbeit nicht gedeiht. Darum muß ich auch diesem Wunsche widerstehen. Wollt ihr jenseit der Grenze mit eigener Faust das Tuch von den Standarten lösen, und wollen die entlassenen Soldaten mit Weib und Kind als friedliche Wanderer in mein Land ziehen, so will ich sie günstig aufnehmen und ihnen leicht machen, die leeren Höfe zu besetzen.«
»Der Soldat fühlt in seinem Herzen, wie bitter und schwer die Zeit ist,« antwortete Bernhard mit Zurückhaltung, »aber er weiß auch, daß er jetzt als ein Herr der Welt gebietet. Denn weil er nicht gequält und zertreten werden wollte, darum ist er der Fahne zugezogen. Solange er in friedlicher Arbeit keine Sicherheit findet, und solange im Herzogtum Gotha noch der Schwede und der kaiserliche Freibeuter herrisch über die Flur reiten, werden Eure herzogliche Gnaden nicht verlangen, daß die Axt zum Holzblock werde, von dem die Fremden ihre Späne hauen.«
»Wollt ihr so trotzig des Teufels Werke weiter üben,« rief der Herzog unwillig, »so fahrt dahin auf dem Wege, den euch der Böse führt; ich versage mich euch.« Da Bernhard gekränkt schwieg, fuhr der Herzog nach einer Weile ruhiger fort: »Meint ihr, daß ich das Elend meines wehrlosen Status weniger fühle als ihr? Keiner wird so gedemütigt durch die Herrschaft der Fremden und durch den Raubsinn ihrer Befehlshaber, wie der Fürst, der seinem Gott gelobt hat, ein Vater des Landes zu sein. Glaubt mir, Fremdling, daß es meinem fürstlichen Blut bitter und sauer ankommt, jedem wilden Räuber, der mit einem Heerhaufen über die Grenze bricht, zu zinsen und zu zahlen, und dazu noch groben Hohn zu ertragen. Aber der Herr hat mir das christliche Amt anvertraut, nicht zu zerstören, sondern zu erhalten, vor allem aber meine eigenen Untertanen, deren wenige geworden sind, aus Zuchtlosigkeit und Verderb wieder in die Ordnung zu zwingen, damit sie nicht wie Drohnen im Stocke leben, sondern wie nützliche Bienen. Andere Waffen führe ich als eure Reiterpistolen; ich weiß wohl, daß der Übermut dieser Welt sie verlacht und daß viele mich einen Toren schelten. Dennoch denke ich fest zu bleiben und mich gegen die blutige Faust des Krieges mit meinem Rüstzeug zu wehren. Wollt Ihr dies Rüstzeug kennenlernen? Ich will es Euch weisen.« – Er hob eine Handbibel in die Höhe, die auf seinem Tische lag. »Hier das Wort Gottes! Dies Geschlecht hat den Glauben verloren, und ich schüttle sie täglich an den Ohren, damit sie wieder beten lernen. In weltlichen Dingen aber ist mein Werkzeug dies hier!« – Er wies auf einen Bogen Papier. »Auf solchen Bogen sende ich täglich meine Befehle und Ordnungen für jeden Stand, für jedes Amt und jeden Ort durch das Land. Meine verwilderten Untertanen schnellen sie zuweilen in die Luft, sie sind säumig, zu gehorchen und verlachen ihren Herrn als einen machtlosen Schreiber; aber sie gewöhnen sich doch daran, Befehle zu empfangen, und da sie merken, daß der Nacken des Herzogs noch steifer ist als der ihre, so werden meine treuen Beamten allmählich ihrer Meister. Und endlich mein letzter Helfer ist dieses Gerät«, – er wies durch das Fenster auf den Hof, wo eine Reihe Arbeiter mit Handkarren fuhr. »Der Radkarren ist es, durch den ich sie gewöhne an täglichen Fleiß und an den Dienst für mich, damit ich das ruchlose Herumlungern bändige. Es tat bis jetzt ein jeder, was er für sich selbst wollte, ich aber bin gewillt, ihn zu solcher Arbeit zu zwingen, welche anderen frommt.«
»Herzogliche Gnaden sprechen als Friedensfürst; aber noch rast der schädliche Krieg, welcher jederzeit in wenig Tagen zerstören kann, was eines guten Landesherrn Fürsorge durch jahrelange Mühen gebessert hat, und ich erflehe Verzeihung, wenn ich daran erinnere. Ich halte hier ein Gewicht in der Hand, zweitausend der besten Soldaten, das biete ich Eurer Gnaden, damit Dieselben es in ihre Wagschale stellen; verschmäht der Herzog von Gotha dies Gewicht für sich zu verwenden, so faßt ein anderer danach. Vielleicht der Schwede. Herzogliche Gnaden mögen selbst ermessen, ob solcher Zuwachs, wenn er in die Schale eines Fremden fällt, für dieses Land Frieden oder Verlängerung des Krieges bedeutet. Von den Heeren, die im Felde liegen, zählt zur Zeit keines mehr als zehntausend wirkliche Soldaten; fallen zweitausend, welche dem Franzosen abgehen, jetzt dem Schweden zu, so kann wohl geschehen, daß dieser dadurch das stärkste Gewicht in deutschen Landen erhält und Meister des Spieles wird.«
»Was Ihr mir einwendet, Herr,« entgegnete der Herzog, »das klingt wie eine Drohung; auch darauf will ich Euch runde Antwort geben. Zu dem heiß ersehnten Frieden vermag ich nur zu helfen durch meine Gesandten an der Stätte, wo über den Frieden verhandelt wird, und durch Mahnung an befreundete Fürsten, daß sie zu hoch erhobene Prätention einschränken. Im übrigen habe ich mich und meine Untertanen vertrauend in Gottes Hand gegeben, er allein ist jetzt der große Fürst, der unserem Elend helfen will und kann. Vertraut auch Ihr, daß dieser Helfer die Herzen der Gewaltigen dem Frieden zuwende.«
Da Bernhard, ohne zu antworten, der Entlassung harrte, fuhr der Herzog nach einer Weile in gütigem Tone fort: »Ich habe mit Euch, der Ihr mir fremd seid, verhandelt wie mit einem alten Bekannten. Denn wisset, wenn ich auch dem Antrag Eurer Völker widerstehe, es ist mir doch genehm, daß sie wegen meines seligen Bruders und meines ehrlichen Namens in guter Meinung an mich gedacht haben. Auch Ihr selbst, Herr Abgesandter, seid mir wohlgefällig, und ich habe solche Rede, wie Ihr zu mir getan, nicht aus Eurem Lager erwartet. Woher stammt Ihr? Ich höre aus Euren Worten, daß Ihr ein Literatus seid; wie kamt Ihr zu den weimarischen Völkern?«
»Mein seliger Vater zog als ein vermögender Kaufmann von Frankfurt nach Nürnberg, er starb in der Notzeit, die unter König Gustav Adolf hereinbrach. Die Mutter erzog in Treue mich und eine junge Schwester, zu Straßburg habe ich das Jus studiert und gedachte in meiner Heimat Frankfurt durch Freunde und Gönner ein Amt zu erhalten, da geriet ich mit einem vornehmen Lothringer in Zweikampf und entzog mich der Rache seiner Angehörigen unter der Standarte.«
»Ihr führt die Schwester mit Euch umher? Der Troß des Heeres ist ein übler Aufenthalt für ein sittsames Frauenzimmer.«
»Vor zwei Jahren starb die liebe Mutter, da kam mir aus Nürnberg ein Brief der Schwester zu; sie war dort ohne Anhang, und obgleich sie würdige Bekannte gefunden hatte, so sehnte sie sich doch hinweg und zu mir.« Als Bernhard zögernd innehielt, fuhr der Herzog mit neuem Anteil fort: »Was ist es mit ihr? Der alte Pfarrer hat mir Wunderliches erzählt.«
»Sie lebt in schwacher Gesundheit, gnädiger Herr, und vor Jahren ist eine Heimsuchung über die fromme Magd gekommen, daß sie im Schlafe zuweilen laut Gebete und allerlei gottselige Worte spricht. Die Geistlichkeit zu Nürnberg aber, welche durch unsere Mutter Kunde davon erhielt, achtete stark auf ihre Reden und wollte ein Wunder aus ihr machen. Das widerstand ihrer Sittsamkeit, denn verzeihen Eure herzogliche Gnaden, wenn ich als Bruder sie rühme, sie ist bescheiden und ehrbar und dabei von nicht gemeinem Verstande. Aus den Winterquartieren wagte ich mich nach Nürnberg und nahm sie zu mir mit der Intention, ihr sobald als möglich an einem guten Ort bei redlichen Leuten ein Unterkommen zu schaffen. Darum, als ich hierher deputiert wurde, beschlossen wir zu versuchen, ob sie in der Stadt Gotha, wo das Evangelium geehrt wird, bleiben könnte. Die Kosten ihres Unterhaltes würden niemandem zur Last fallen, denn sie ist von unseren Eltern her trotz der Kriegszeit nicht ganz ohne Vermögen. Jetzt haben herzogliche Gnaden selbst mir den Mut gegeben, zu flehen, daß ihr verstattet werde, hier in ehrbarem Haushalt unter hohem landesherrlichem Schutz zu weilen, bis ich weiter für sie zu sorgen vermag.«
»Hat sie den christlichen Sinn, welchen Ihr rühmt,« antwortete der Herzog gütig, »so soll sie auch die Sicherheit genießen, welche die Mauern meiner Residenz bieten können. Habt Ihr sie zur Stadt geführt?«
»Ich ließ sie im Dorfe zurück unter dem Schutz meines Gefährten im Hause der Jungfer Möring. Sie ist gut bei der Jungfer aufgehoben, aber die Gegend ist unsicher. Doch hoffe ich, sie wird von dort aus besser als ich Kundschaft in der Stadt gewinnen. Denn ich berge Eurer herzoglichen Gnaden nicht, daß ich nach dem hier erhaltenen Bescheide genötigt bin, mit erwählten Deputierten der Regimenter, welche in Wasungen meiner Antwort harren, zum Schweden nach Erfurt zu reiten, und ich wage deshalb noch die Bitte, meinen Gefährten den Zug durch das Gothaische gnädigst zu verstatten.«
»Wieviel sind eurer?« fragte der Herzog mit erwachender Unruhe.
»Dreißig Pferde. Ich bürge dafür, daß wir weder mit Kost noch mit Quartier die Einwohner beschweren.«
»In diesem Fall habe ich nichts dawider. Meldet Euch bei dem schwedischen Offizier, welcher als Salva Guardia unten auf dem Markte einliegt. Wenn Ihr zu dem Schweden reiten müßt, so wird Euch selbst daran gelegen sein, daß Eure Sendung an mich nicht ruchbar werde. Führt Euch Euer Weg wieder in mein Land, so laßt Euch vor mir sehen; ich freue mich, daß ich meine Wohlmeinung auch Eurer Schwester erweisen kann.« Er neigte sich gegen den Gesandten zu gnädigem Abschied.
Als der Herzog allein war, pfiff er auf einer silbernen Pfeife, die er am Halse trug, und befahl dem eintretenden Diener, sogleich den Lizentiatus Hermann zu holen, welcher die Aufsicht über den sechsjährigen Prinzen hatte und außerdem von dem Herrn als vertrauter Sekretär gebraucht wurde. »Ihr wart längere Zeit in Nürnberg? Habt Ihr allda von einer Jungfer Regina Königin etwas vernommen, Gutes oder Schlimmes?«
»Gewiß habe ich«, antwortete der Lizentiat. »Der hochwürdige Propst, mein verehrter Gönner, der mich meinem gnädigsten Landesherrn empfahl, hat selbst ein Skriptum über sie aufgesetzt. Die Jungfer wurde als eine gottselige Bekennerin gerühmt, welcher nach Meinung einiger die Gabe der Prophezeiung verliehen war. Mir ist vergönnt worden, den Aufsatz abzuschreiben, und werde ich denselben herzoglicher Gnaden unterbreiten können.«
»Holt ihn zur Stelle,« gebot der Herzog eifrig, »schreibt der Vorsicht halber nach Nürnberg und sorgt, daß der Brief mit dem nächsten Expreßboten ablaufe, damit man erfährt, wie die Jungfer von Nürnberg geschieden ist und was es mit ihrem Bruder für Bewandtnis hat.«
Als Pieps allein war und die Pferde besorgt hatte, steckte er die Daumen in seinen Gürtel und stellte sich vor dem Hausknecht auf, welcher verwundert das weltmännische Benehmen des Kleinen betrachtete und noch mehr erstaunte, als dieser in einem Gespräch genaue Kenntnis der Stallgebräuche offenbarte, indem er fragte, wo hinaus Erfurt liege und anderes, was einem Reiterjungen am Herzen lag. Da Pieps Zutrauen zu dem Knechte gewann, empfahl er ihm die Pferde, stolzierte auf die Gasse und betrachtete in seiner Weise die Stadt. Er widerstand der Versuchung aus dem Fleischladen, in welchem viel Lockendes offen dalag, sein Frühstück zu beuten, verschmähte aber nicht, die Bekanntschaft eines Straßenjungen zu machen, und ließ sich von diesem das Haus der Schmiedin Stange zeigen. Als er in der offenen Hausflur eine hagere Frau von unzweifelhaftem Alter am Waschtrog beschäftigt sah, trat er auf die Schwelle und begann: »Seid Ihr mit einem Herrn Oberst Stange verwandt, der am Rheinstrom bei den weimarischen Völkern wegen seiner Bravour sehr gefürchtet ist? Man sagt, daß er aus Thüringen stammt.« – Die Frau starrte auf den Knaben, der fremdländisch sprach und stattlich gekleidet war.
»Seid Ihr nicht mit ihm verwandt, so schadet's auch nicht, adjes!« fuhr Pieps fort und wandte sich zum Abgehen. Die Frau trat auf ihn zu, packte ihn schnell beim Kragen, riß ihn in die Stube und schnappte die Tür zu. Der Bube ließ sich die Gewalttat ohne Widerstand gefallen, setzte sich nieder und antwortete auf die heftigen Anklagen und Fragen der Verlassenen bereitwillig, aber nicht wahrhaft, während seine Augen scharf in alle Ecken spähten.
»Der Genannte hat große Beute gemacht, und man sagt, er will nächstens heimkehren; habt Ihr etwas an ihn zu bestellen? Ich habe keine Zeit, denn ich will frühstücken.«
Unter harten Beschwerden über ihren einsamen Stand schloß die Frau den Brotschrank auf.
»Käse nehme ich nicht,« sagte Pieps und sah genau in den Schrank, »denn ich bin Page eines vornehmen Offiziers und esse nur Wurst.« Aber so hohen Genuß vermochte ihm die Schmiedin nicht zu bieten und er ließ sich endlich zu Geringerem herab. Als er sein Botenbrot verzehrt hatte, entzog er sich weiteren Zumutungen seiner aufgeregten Wirtin, indem er behend einen Stuhl bestieg, das Schiebefenster öffnete und auf die Straße sprang. Die Frau fuhr ihm an das Fenster nach, er aber zog einen kleinen Beutel aus der Tasche, warf ihn in die Stube und rief stolz: »Nehmt die Bezahlung für das Frühstück.« Darauf wandte er sich mit der Sicherheit eines Straßenläufers der Herberge zu und erwartete den Rittmeister.
In gestrecktem Trab kehrte Bernhard nach dem Walddorfe zurück. Er hielt an, um die Lerchen in der Luft zu hören, und rief dem Hasen, der neben ihm aufsprang, einen Jägerruf nach. Das Herz war ihm leicht, und der große Auftrag, der ihm bis dahin im Sinn gelegen, beschäftigte ihn wenig. Bevor ich über die Berge kam, dachte er bei sich, stand mir der Mut mehr nach der schnellen Reiterei bei dem Schweden als nach dem Trabantendienst eines kleinen Hofes, jetzt aber fühle ich ein Vertrauen zu dem Herzog, und ich denke, er wäre der Landesherr, unter dem ich gern im Frieden hausen würde. – Er kam beim Ritterhofe eines Dorfes vorbei, an der Brücke des Grabens stand der bewaffnete Hofherr, welcher soeben von auswärts heimgekehrt war, und begrüßte sein Weib, das ihm mit dem Sohn an der Hand aus dem Hofe entgegentrat. Bernhard sah, wie der Mann das Weib küßte und den Knaben zu sich heraufzog, und als er selbst freundlich grüßend vorbeiritt und verwunderten Gegengruß erhielt, da lachte er und ihm fiel ein, daß auch er ein solcher Gutsherr werden könne durch redlich gewonnenes Beutegeld und durch die Hinterlassenschaft seiner lieben Eltern. Er sah sich als Herrn im steinernen Hause, die Schwester wohnte bei ihm, Gottlieb war Hofverwalter, Pieps wurde sein Leibknecht, und am Sonntage lud er den Pastor zum Braten. In seiner Kammer hing die Armatur am Nagel und daneben in einem Schrank stand einiges, was ihm von Büchern wert war, darunter sein kleiner Horaz und der anmutige Sänger Martin Opitz. Aus diesem las er an Winterabenden den anderen vor und sang seine Lieder zur Laute. Auch der junge Sohn, den der Gutsherr zu sich heraufgehoben hatte, kam in seinen Träumen wieder, und dazu vernahm er eine Frauenstimme: Küsse deinen Sohn, bevor er zu Bett geht. – Dieser Gedanke wurde dem Rittmeister der liebste und er konnte gar nicht davon abkommen, so daß er sich über sich selbst wunderte.
Als er durch eine offene Landstadt kam, hielt er bei der Schenke und ließ den Hausknecht die Pferde besorgen. Die Wirtin, eine leidliche Frau, trat heran und fragte, ob er sich nicht auch eine Ergötzlichkeit begehre. Sie trug ihm einen Schemel zu, und während er trank, stand sie, die Hände unter der Schürze, bereit, ihn zu unterhalten und sagte laut, daß sie ihn schon am Morgen mit einem Trabanten des gnädigen Herzogs im Vorbeireiten gesehen. Da faßten sich die Nachbarn ein Herz, welche ihn vorher neugierig aus Fenstern und Türen betrachtet hatten, sie kamen näher herzu, und er saß, von einem Kreis umgeben, welcher zutraulich fragte und von dem Einbruch der fremden Reiter in die Walddörfer erzählte. Sonst wäre ihm solches Geschwätz der kleinen Leute lästig gewesen, heut freute er sich, daß sie ihn wie einen friedlichen Mann und Nachbar behandelten, ihm fiel auf die Seele, wie fröhlich es mache, wenn einer von allen Seiten solche Ansprache finde, und er dachte sich wieder in der Nähe als einen sicheren Mann angesessen und in freundlichem Verkehr mit der Umgegend. Und als er ins Freie kam, die grünen Triften vor sich sah und dahinter die Waldhügel, da begann er laut die Worte des Dichters zu singen:
Ihr Birken und ihr hohen Linden,
Ihr Wüsten und du stiller Wald, Mein Trost und bester Aufenthalt Ist jetzt bei euch allein zu finden. |
Er spornte sein Roß, daß es hoch aufsprang und wie er über den Steg lenkte und vor dem Hause hielt, empfand er in seligem Herzen, daß alles ähnlich war, wie er sich's eingebildet hatte, die Pforte war geöffnet, die Schwester eilte ihm entgegen; und eine stand dabei und reichte ihm ihre Hand, die er nicht wieder loslassen wollte.
Als Pieps hinter seinem Herrn im Quartiere anlangte, berichtete er dem Alten, was er spioniert hatte. »Stark von Knochen,« sagte er, »und fest im Greifen. Die Schmiede war kalt, einiges Werkzeug vorhanden, der Brotschrank leer, Euren Beutel warf ich durchs Fenster.«
»Sie fluchte sehr?« fragte Gottlieb bekümmert.
»Es war nicht der Rede wert«, tröstete Pieps.