Theodor Fontane
Reisebriefe vom Kriegsschauplatz
Theodor Fontane

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XI Sadowa-Chlum

[Unser] Besuch galt dem »großen Schlachtfelde«. Wir [fuhren von Hor]sitz aus und waren etwa um die Mittagstunde [auf der Höhe v]on Dub. Das große Schlachtfeld, das größte [jüngerer Zeit] lag vor uns. [Ein eigentümlic]hes Gefühl von [Vorstellunge]n, Erwartung [überkam uns, al]s wir die Felder durchfuhren, auf denen sich, vor [nun sieben Wochen], die Geschicke [unseres Landes] hoffentlich auf [Dauer entsc]hieden haben.

[Das S]chlachtfeld ist oft be[schrieben w]orden, zumeist von [der Höhe] von Dub aus, die [das große] Terrain, auf dem [während] des Vormittags von [unser]er Ersten Armee ge[kämpft w]urde, in aller Voll[ständi]gkeit giebt. Man hat den [Bistri]tzbach, die steinerne Brücke u[n]d das kleine Dorf Sadowa unmittelbar zu Füßen, während nach li[n]ks und rechts hin, – theils [a]n der Bistritz selbst, theils v[o]r – theils zurückgelegen die vielg[e]nannten Dörfer Horonowes [u]nd Benatek, Dohalitz und Do[h]alitzka sichtbar werden. Unmitte[l]bar hinter Sadowa, leis ansteigend, beginnt das ›Sadowagehölz‹; links zur Seite, (in gleicher Höhe mit dem Sadowagehölz) liegt das Gehölz von Cistowes; da aber, wo die Chaussee den Höhenrand des gegenüberliegenden Hügels erreicht, zieht sich Dorf Lipa und links neben demselben Dorf Chlum hin. Nur der Kirchthurm ist sichtbar.

Das halbe Schlachtfeld giebt einem die Höhe von Dub; wer aber über das ganze Feld (das sich etwa über eine Quadrat[me]ile ausdehnt) einen einiger[maßen] vollständigen Überblick [erhalt]en will, der hat, zur [Ergän]zung dessen, was er von [hier] aus sah, mindestens noch die Höhe von Chlum, am besten den Kirchthurm des gleichnamigen Dorfes zu besteigen. Das Terrain, auf dem die Elb-Armee unter Herwarth von Bittenfeld kämpfte, entzieht sich freilich auch von hier aus noch mehr oder weniger dem Blick des Beschauers, die feindliche Stellung selbst aber, vor allem ihr Mittelpunkt, dazu die Mehrzahl der Dörfer, um welche die zweite Hälfte des Kampfes tobte, endlich die verschiedenen Rückzugslinien des Feindes bis nach Königgrätz und den Elbübergängen hin, werden von hier aus am besten eingesehen werden können.

Die Höhe von Chlum giebt den besten Ueberblick, sie giebt aber auch bis zu einem gewissen Grade die Erklärung für den Gang der Schlacht an dieser Stelle, das heißt für das Ueberraschtwerden des feindlichen Oberfeldherrn in seiner rechten Flanke.

Die Stelle nämlich (auf der Chlumer Höhe) wo Benedek hielt, gestattet nach allen Seiten eine vorzügliche Aussicht, nur nicht nach rechts. Nach rechts hin sieht man den Thurm von Chlum, der aus einer dichten Obstbaum-Anpflanzung mit seinen weißgelben Wänden und seiner kurzen Thurmspitze aufragt, alles aber, was hinter dem grünen Schirm dieses Obstwäldchens, oder wohl gar am Fuß oder Abhang des hier (wenn wir den Ausdruck gebrauchen dürfen) nach der kronprinzlichen Seite hin steil abfallenden Hügels gelegen ist, entzieht sich dem Auge. Sogar das am Höhenrand gelegene Dorf Chlum selbst, ist nicht sichtbar. Auf dieser hinter einer Waldcoulisse sich bergenden Linie rückten nun aber die Preußen gerade heran und außer durch die Beschaffenheit des Terrains auch noch durch Nebel, Regen und Pulverdampf einem etwa beobachtenden Blick entzogen, glückte es ihnen (ohne daß der vierhundert Schritt davon haltende feindliche Oberfeldherr auch nur eine Ahnung davon gehabt hätte) sich in Dorf Chlum und den nächst gelegenen Punkten festzusetzen. Nichts wird den Feldzeugmeister, was auch im Uebrigen seine Verdienste sein mögen, von dem Vorwurf reinigen können, einen so wichtigen Punkt, und zwar in seiner nächsten Nähe, unbesetzt oder so gut wie unbesetzt gelassen, und dadurch dem Feinde einen Vorstoß in den Mittelpunkt seiner Stellung ermöglicht zu haben. Chlum, bei der Wichtigkeit speziell dieses Punktes, mußte über Vertheidigungskräfte verfügen, stark genug, jedem Angriff von der rechten Flanke her wenigstens auf Stunden hin zu begegnen. Was aber unter allen Umständen hier nicht möglich sein durfte, das war eine Ueberraschung. Daß sie schließlich dennoch eintrat, kann durch das Terrain erklärt werden, aber nicht entschuldigt.

Von dem Augenblick an, wo diese Ueberraschung gemeldet wurde, trat die Schlacht in ihre zweite Hälfte ein, Benedek wechselte seine Front; der Kampf, der so lange im Bistrizthal zwischen den gegenüber gelegenen Höhen von Dub und Lipa getobt hatte, wandte sich jetzt der Flanke zu und nahm seine Richtung gegen Osten. Man könnte sagen, aus der Schlacht von Sadowa wurde in diesem Augenblick eine Schlacht bei Chlum. Alle feindlichen Reserven, die, zwei Armeecorps stark, à cheval der Chaussee standen, wurden nach und nach heran gezogen; alles handelte sich um Wiedergewinnung jener Flankenposition, die auf einen Schlag zum Schlüssel der Stellung geworden war. Die besten Brigaden der beiden Reserve-Corps rückten vor; alles vergeblich. Unter ungeheuren Verlusten (hier fielen General Hiller von Gärtringen, Oberstlieutenant von Helldorf, Prinz Anton von Hohenzollern) wurde die Chlum-Stellung unsrerseits behauptet und dadurch die Schlacht, die allerdings von dem Moment an, wo der Kronprinz erschien, eine für Oestreich so gut wie verlorne war, in eine völlige Niederlage des Feindes verkehrt. Glückte es Benedek, sich an dieser die Königgrätzerstraße beherrschenden Stelle noch einmal festzusetzen, so hatte er die Rückzugslinie in seiner Hand und konnte dem Rückzuge selbst seine Gestalt geben. So viel über den großen Gang der Schlacht im Allgemeinen.

Bevor ich nun den Leser an den Hauptpunkten des Schlachtfeldes vorüber führe, versuche ich noch zuvor durch Vergleich mit einer bekannten Lokalität, seinem Vorstellungsvermögen zu Hülfe zu kommen. Ich wähle dazu unser Kreuzberg-Terrain, das in der That sehr viel Aehnlichkeit mit der nach Dub zu gelegenen Hälfte des Schlachtfeldes bietet.

Der Kanal entspricht der Bistritz; die zunächst diesseits der Brücke gelegenen Häuser sind Sadowa; wo die Dragoner-Kaserne beginnt, beginnt das Gehölz von Sadowa; zwischen den alten Kirchhöfen am Thor und dem neuen Kirchhof am Fuße des Kreuzbergs, liegt das Gehölz von Cistowes. Der »Dustre Keller« ist Cistowes selbst und die Hopfsche Brauerei auf der Höhe des Kreuzbergs ist Lipa. Da, wo nach links hin die Kuhnheimsche Fabrik mit ihren Essen und Rauchfängen aufragt, liegt Dorf Chlum und der höchste Schornstein (am meisten nach rechts) entspricht dem Kirchthurm von Chlum.

Wer sich dies genau einprägt – auch in den Entfernungen wird es ziemlich stimmen – hat ein ausreichendes Bild der vorzugsweise in Betracht kommenden Oertlichkeiten. Auf der Strecke zwischen Kanal und Höhe, rechts und links, wogte der Kampf; die Unsrigen kamen über Kaserne und Kirchhöfe nicht hinaus; weder der »Dustre Keller« noch die Hopfsche Brauerei konnten genommen werden, bis plötzlich, von den Vertheidigern unvermuthet, die Garden in der Kuhnheim'schen Fabrik erschienen, die Brauerei-Vertheidiger in Flanke und Rücken nahmen und dadurch den Tag entschieden.

Ein solcher Vergleich, wie ich ihn hier gewagt, hat immer etwas Skurriles, er zieht eine auf eine gewisse historische Höhe gehobene Lokalität wieder ins prosaisch Alltägliche hinab; ich appellire aber an alle diejenigen, die, von der Höhe von Dub herabkommend, an der Bistrizbrücke gehalten und das Terrain zwischen Sadowa und Lipa aufmerksam beobachtet haben. Sie werden eine gewisse Zutreffendheit der Parallele nicht in Abrede stellen können.Ich habe, nachdem ich das Vorstehende niedergeschrieben, eigens noch mal den Kreuzberg besucht und die Berechtigung zu der von mir gezogenen Parallele bestätigt gefunden. Das Terrain, hier wie dort, wird ziemlich unter demselben Winkel ansteigen, die Entfernung ist annähernd dieselbe, (hier ¼ Meile, dort ⅓ Meile), die Chaussee, an beiden Stellen, trifft etwa die Mitte eines Hügelrückens von mäßiger Höhe und, auf dem Hügelrücken angelangt, überblickt man hier wie dort ein zu einem großen Kavallerie-Gefecht vorzüglich geeignetes Plateau. Die vorstehende kleine Zeichnung (wo bei uns der »Signalberg« liegt, liegt dort Streselitz) führt dies weiter aus. Selbstverständlich muß man einem Vergleich, wie ich ihn aufgestellt habe, auch etwas von gutem Willen entgegentragen. Die Natur bildet eben nicht zweimal genau dieselbe Lokalität. Der Chlumhügel, überhaupt höher, fällt beispielsweise nach rechts – von preußischer Seite aus gerechnet nach links hin – steiler ab als die entsprechende Stelle des Kreuzbergs (da wo die Kuhnheimsche Fabrik gelegen ist); außerdem bildet die Chaussee zwischen Sadowa und Königgrätz, da, wo sie Lipa erreicht, kein Knie (wie auf der nebenstehenden Karte) sondern läuft in einer einfachen Schräglinie zwischen den beiden genannten Punkten hin. Ich habe aber geglaubt, auf solche Differenzen nicht zu viel Gewicht legen zu dürfen, auf den letztern Punkt um so weniger, als man, auf der Höhe von Chlum stehend, wenigstens das Gefühl hat, daß einem das kurze Stück Chaussee zwischen Sadowa und Lipa gradlinig (vertikal) im Rücken liegt, während der Weg nach Königgrätz (nach vorn) hin sich schräglinig fortsetzt, ganz so wie die Karte zeigt.

Wir traten nun unseren Weg über das Schlachtfeld an, dabei uns auf die wichtigsten, schon Eingangs erwähnten Punkte beschränkend. Zuerst Sadowa.

Sadowa, außer seiner Mühle, einem Meierhof und einer Zuckerfabrik, besteht nur aus wenigen Häusern; eins dieser Häuser ist das Wirthshaus. Zur Linken, in Stein gemeißelt und übermalt, erhebt sich eine Nepomuk-Statue, das Krucifix im Arm, das Haupt mit einem Sternenkreuz umgeben, und blickt mit jenem stereotypen Schmerzensausdruck, den alle diese Bildwerke tragen, nach den Apfelbäumen hinüber, die in der Front des Wirthshauses stehen, und nach sechs oder sieben Gräbern, die sich unter diesen Bäumen hinziehen. In einem ruht der Oberst-Lieutenant v. Pannewitz, derselbe, der das 2. Bataillon vom Regiment Elisabeth auf die Höhe von Chlum führend, im Moment des Sieges, zugleich mit seinem Adjutanten, Lieutenant v. Wurmb, durch einen Granatschuß tödtlich getroffen wurde.

Unmittelbar hinter dem Gasthause passirt man eine erste Brücke, die über den Mühlgraben, dann (an der Mühle vorbei) eine zweite Brücke, die über die Bistritz führt. An der rechten Seite (zurückgelegen) werden einige Häusergruppen sichtbar, die bereits zu dem nachbarlichen Unter-Dohalitz gehören; dann plötzlich schließt ein dichtes, hart an der Chaussee sich entlangziehendes Wäldchen diesen Blick nach rechts hin ab; – dies Wäldchen ist das berühmte Gehölz von Sadowa.

Was wir zuerst hier sahen, waren hunderte von jungen Birkenstämmen, die, in der Mitte weggebrochen, den Eindruck einer furchtbaren Zerstörung machten. Dieser Eindruck beruhte aber auf einem Irrthum. Es war dies nicht die Wirkung des Granatfeuers von Chlum und Lipa her; schon am Tage vor der Schlacht hatten österreichische Pioniere mit Beil und Faschinenmesser hier aufgeräumt, theils um ein freieres Schußfeld zu schaffen, theils um mit Hülfe der Baumkronen, die nun zwischen den Stämmen verfestigt wurden, eine Art undurchdringliche Hecke herzustellen. Wo weiterhin diese gekappten Bäume fehlten, sahen wir nur hier und da einen zersplitterten Stamm.

Das Gehölz von Sadowa liegt rechts am Wege; links durch einen breiten Ackerstreifen von der mehr und mehr ansteigenden Chaussée getrennt, liegt das »Gehölz von Cistowes«. Ich glaube nicht, daß es auf Spezialkarten diese Bezeichnung führt, aber ich gebe ihm diesen Namen nach dem an seiner Südwest-Ecke gelegenen Dörfchen. Das Gehölz von Cistowes (von unregelmäßiger Form und meist aus Nadelholz bestehend) ist größer als das Sadowa-Gehölz, dessen Schicksale es am 3. Juli theilte, ohne es zu einem gleich berühmten Namen zu bringen. Was für die 8. Division (Horn) das Gehölz von Sadowa war, war für die 7. Division (Fransecky) das Gehölz von Cistowes. In diesem Cistowes-Gehölz hielt Oberst v. Zychlinski (vom 27. Regiment) mit zwei Bataillonen der 14. Brigade. Sie bildeten einen Knäuel, einen festen Kern. Aber die einschlagenden Granaten – so erzählt der Oberst selbst – sprengten diesen Kern auseinander, der Lisière des Waldes zu, bis die Infanterie-Salven vom Zirkel-Rande des Gehölzes her, den eben auseinandergesprengten Knäuel, wieder, nach innen zu, zu einer dichten Masse zusammenschossen. Das alles geschah in dem Gehölz von Cistowes. Man spricht aber von diesem letzteren fast gar nicht; das »Gehölz von Sadowa« (zum Theil schon um seines prächtigeren Klanges willen) ist der gemeinschaftliche Name für beide geworden.

Von Dorf-Cistowes – drin wir wenig Zerstörung fanden, da das Feuer der großen Chlum-Batterie drüber hinweggegangen war, bogen wir wieder nach rechts hin auf die Chaussee ein und hielten nun vor Dorf Lipa. Hier freilich sah es anders aus; ganze Reihen von Häusern ragten nur noch mit ihren Feueressen auf; alles andere Schutt und Trümmer. Aber auch hier war sehr wohl wahrnehmbar, daß diese Verheerungen nicht direkt durch die einschlagenden Geschosse, sondern erst durch die Feuersbrünste herbeigeführt worden waren, die im Geleit dieser Geschosse kamen. Die niederfallenden Eisenmassen hatten nicht durch ihre Wucht, sondern durch ihre Zünder gewirkt. Am ersten Hause von Lipa (es schien ein Wirthshaus zu sein) hielten wir. Erwachsene und Kinder kamen uns sofort mit »Erinnerungsstücken« entgegen; ein ganzer Bazar wurde ausgebreitet: Federbüsche, Käppi's, Doppeladler, Schärpen mit und ohne Blut, Spitzkugeln, Granatsplitter und unkrepirte Granaten, die letztern »unter Garantie«. Wir kauften ein, lugten hier und dort in den malerisch verschlungenen Dorfgassen umher und fuhren dann weiter hinauf, bis wir auf der Höhe des Hügels hielten. Wir befanden uns nunmehr auf der vielgenannten Höhe von Lipa-Chlum.

Welch prächtiges Panorama! Vor uns jetzt, nach links hin, der glitzernde Streifen der Elbe und unmittelbar dahinter die hohen Thürme von Königgrätz; nach rechts hin das Plateau von Streselitz (das Actionsfeld des großen Reitergefechts) und dahinter Problus sammt den andern Kampfesstätten der Elb-Armee. Alles am Horizonte verschwindend. Ein prächtiges Bild, das, in Stille und Sonnenschein daliegend, einen Augenblick vergessen lassen konnte, welches Feld dies war; aber der leise Ostwind, der, vom Dorf Chlum her, jetzt über das frischgepflügte Ackerfeld zu uns herwehte, mahnte uns zu deutlich daran, wo wir waren, – der Hauch der Verwesung war in der Luft. Auch jetzt noch, nach sieben Wochen.

Wir stiegen aus und schritten nun über den Höhenrücken hin, dem Dorfe (Chlum) zu, dessen deutlich sichtbarer Kirchthurm uns anzeigte, wo das Dorf selbst – das sich versteckt, wie wir wissen – zu suchen sei. Dieser Weg über die »Höhe von Chlum« war zugleich der Weg über das Stück Land hin, auf dem der Tag von Königgrätz sich entschieden hatte. Hier hatte Benedek gehalten. Hier war der Schlüssel seiner Stellung. Zwei der Redouten, die von diesem Punkt aus den ganzen Abhang bis zur Bistritz hin bestrichen hatten, waren – und zwar in geringer Entfernung von einander – mit ihren Einschnitten und Bettungen noch vorhanden; zwischen ihnen lag die Begräbnißstätte vieler Hunderte; nur wenige Stellen durch Stein und Kreuz bezeichnet. Wir lasen: General Hiller von Gärtringen, Oberst-Lieutenant v. Helldorf (die neben einander ruhn). Dann weiter hügelabwärts: Lieutenant v. Maltzahn. Chlum selbst, in das wir eintraten, bot ein ähnliches Bild der Zerstörung wie Lipa.

Am Rande eines Wäldchens entlang, das zwischen diesen beiden Dörfern (Chlum und Lipa), in Front der Redouten, sich hinzieht, kehrten wir an den Ausgang des letztgenannten Dorfes zurück und fuhren nun in rascherem Tempo durch alle die Ortschaften, über die der Rückzug gegangen war, erst durch Westar, dann an Swieti und Rosnitz vorbei, auf Königgrätz und die Elbe zu. Ueberall Häuser, aus denen weiße Fahnen hingen, überall Verwundete, auf Zaunplanken und Thürschwellen, oder unter schattigem Gesträuch ins Gras gelagert. Was mehr als alles andere an die ungeheuren Dimensionen des Kampfes, der hier getobt hatte, erinnerte, waren die an den Chausseegräben hin angehäuften Massen von weggeworfenem und in Wind und Wetter zum Theil schon unkenntlich gewordenem Kriegsmaterial: Bajonnet- und Degenscheiden, Koppel und Bandeliere, Wehrgehenke und Patrontaschen, vor allem Käppis und Tornister. Wie große zugeschrägte Müllhaufen lag es da, sich ablösend mit den Steinhaufen am Wege.

Unmittelbar vor Königgrätz passirten wir Schloß Kuklena, jenen während des Kriegs viel genannten Besitz des Grafen Clam Gallas. Hier hatte der Graf (so wenigstens wird erzählt) ein Frühstück gegeben »zu Ehren des Sieges von Custozza«, während sein eignes Corps bei Gitschin geschlagen wurde. Das Kriegsgericht hat ihn freigesprochen.

Der Königgrätzer Bahnhof war von Oesterreichern (Regiment Constantin) besetzt. Man musterte sich gegenseitig, lächelte und begnügte sich mit kurzem Kopfnicken. Ein längerer Aufenthalt verbot sich an dieser Stelle; also Nachtquartier in Pardubitz.

Von Pardubitz ein ander Mal. Der nächste Morgen führte uns, nunmehr auf dem Rückweg, noch einmal an Königgrätz, dann, zwischen Josephstadt und Königinhof, an den Siegesfeldern der Kronprinzlichen Armee vorüber. Der hohe Eisenbahndamm gestattete einen vorzüglichen Einblick: dort der Wasserlauf der Aupa, dort Skalitz und Miskoles, dort Kukus und Gradlitz. Die Landschaft zwischen uns und dem Gebirge lag wie eine aufgeschlagene Karte vor uns. Ein Offizier, der jene Ruhmestage mitgefochten, hielt uns Vortrag vom Wagenfenster aus. Wir dankten ihm herzlich.

Das waren die letzten Eindrücke. An Turnau und Reichenberg vorbei, der Grenze zu, athmeten wir freier auf, als das Drängen und Treiben, das Lärmen und Summen des Görlitzer Bahnhofs wieder um uns her war. Ein chaotisches Gewirr, aber über dem Ganzen die Luft der Heimath.

 


 


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