Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Abhängigkeit von der Pflanzenwelt

Auch die Pflanzendecke der Erde übt einen entscheidenden Einfluß auf die Tierverbreitung und ihre Begrenzung. Steppe und Wald bergen eine ganz verschiedene Tiergesellschaft, das parkartig bewachsene Gelände pflegt am tierreichsten zu sein, die Bedeckung des Bodens mit dem hohen, schilfartigen, scharfrandigen und harten Alang-Alang erstickt fast alles Tierleben. Die großen Herdentiere der ostafrikanischen Steppe wie Zebras, Antilopen, Gnus und Strauße wissen sich im dichtverwachsenen Urwalde nicht zu bewegen, und deshalb bilden die großen Tropenwälder Innerafrikas für sie eine unübersteigbare Schranke, die jede Weiterausbreitung nach Westafrika verhindert. Ebenso werden große Waldgebiete von den sie umgürtenden Steppen für viele Tiere vollständig abgeschlossen. So ausgesprochene und seßhafte Waldtiere wie z. B. Luchs und Bär, Spechte und Auerhühner werden es sich nicht einfallen lassen, auf der Suche nach neuen Wohngebieten weite Steppen zu durchziehen. Zwischen Au- und Berg-, Laub- und Nadelwald bestehen hinsichtlich ihrer Tierwelt auch wieder tiefgreifende Unterschiede. Von unseren Vogelarten sind z. B. Auerhuhn, Goldhähnchen, Haubenmeise und Tannenmeise auf den Nadelwald beschränkt, dessen Grenzen nicht leicht überschritten werden. Der Wasserpieper hält sich durchaus an das Latschengestrüpp der höheren Gebirgskämme, der Tannenhäher nach Möglichkeit an die Arvenbestände. Kinder des Laubwaldes sind Haselhuhn und Pirol; Turteltaube und Nachtigall haben eine starke Vorliebe für den Auenwald, der anmutige Zwergfliegenfänger und der muntere Waldlaubsänger für den ragenden Buchendom. Buchfink, Goldammer, Stieglitz, Girlitz, Grünspecht, die Grasmücken, Meisen, Wendehälse und viele andere siedeln am liebsten im parkartigen Gelände, während Lerchen, Rebhühner, Wachteln usw. die Kultursteppe mit ihren Getreidefeldern und Wiesen bevorzugen. Ändert sich das Landschaftsbild mit der Pflanzenbedeckung, wird etwa Laubwald in Nadelwald verwandelt, Forst in Ackerland, Sumpf in Wiese, so verschwinden viele bisher in der Gegend alteingesessene Tierarten, und andere, bisher nicht vorgekommene treten an ihre Stelle. So gibt es heute in Dänemark kein Auerwild mehr, obwohl es, wie zahlreich aufgefundene Reste bezeugen, früher dort häufig war, solange nämlich dieses Land mit Nadelwald bedeckt war, der später durch Laubwald abgelöst wurde. Nur im Walde konnten die Baumkletterer zur vollen Ausbildung gelangen, nur im Walde findet man bei uns das lustige Eichhörnchen und seinen Todfeind, den sprunggewandten Edelmarder, nur im Walde Südamerikas die Affen, Baumstachler, Faultiere usw. Weit einschneidender als die Unterschiede zwischen unseren verschiedenen Waldarten sind natürlich die zwischen dem mitteleuropäischen Wald einerseits und dem Regenwald der Tropen andrerseits, selbst wenn wir vom Klima ganz absehen. Der Tropenwald zeichnet sich durch eine schier verwirrende Fülle von Baum- und Straucharten aus, und man muß oft lange gehen, ehe man denselben Baum in einem zweiten und dritten Vertreter wiederfindet, so daß demgegenüber unsere Wälder überaus gleichförmig und eintönig erscheinen, insbesondere die vom Forstmann bevorzugten Nadelholzbestände. Selbst in unseren Mischwäldern haben wir gewöhnlich nur 10 bis 15 Baumarten, während z. B. der Wald von Kamerun deren 500 aufzuweisen hat, dazu noch 800 Straucharten. Irgendeiner dieser vielen Bäume wird immer Blüten oder Früchte haben; so daß auch ausschließliche Frucht-, Beeren- oder Blütenhonigfresser im Tropenwalde stets eine reich besetzte Tafel vorfinden, während sie bei uns den größten Teil des Jahres über Hunger leiden müßten. Im vollsten Einklang mit dieser weitgehenden Zersplitterung der Pflanzenwelt steht nun aber auch die Verteilung der Tierwelt, die ja mittelbar oder unmittelbar von jener abhängt. Wir finden also eine überwältigende Fülle von Arten, aber jede dieser Arten nur in verhältnismäßig wenigen Vertretern. Die Forschungsreisenden versichern uns übereinstimmend, daß es dort viel leichter sei, 100 verschiedene Insektenarten zu sammeln als 100 Stück der gleichen Art. Der berühmte Wallace fing in Borneo in einer einzigen Nacht 158 Schmetterlinge, die sich auf 120 verschiedene Arten verteilten, und sein Landsmann Bates erbeutete bei Para in wenigen Stunden 46 Tagfalter, die 39 verschiedenen Arten angehörten. Im Umkreis einer Stunde sind ebenda im ganzen 700 Tagfalter gesammelt worden, während ganz Europa überhaupt nur 400 aufzuweisen hat. Nachstehend noch einige weitere beweiskräftige Zahlen, die ich dem vortrefflichen Werk Hesses entnehme: Südamerika beherbergt 4560 Tagfalter, das ganze paläarktische Gebiet nur 716, die Insel Borneo hat 580 Landvögel, Europa im ganzen auch nur 685 Vogelarten, von denen wir 257 zu den Landvögeln rechnen können. Den 79 Fröschen Borneos hat Europa nur 13 gegenüberzustellen, den 536 Kriechtieren Vorderindiens nur 64, also etwa den neunten Teil. Die Philippinen können mit 727 Arten von Landschnecken dienen, in dem viel größeren, aber unter gemäßigten Breiten liegenden Japan leben nur 193 Arten.


 << zurück weiter >>