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Brehms Lebenslauf

Alfred Edmund Brehm wurde am 2. Februar 1829 in dem ostthüringischen Pfarrhause Renthendorf (Sachsen-AItenburg) geboren. Im »Tierleben« ist irrtümlich Sachsen-Weimar als Brehms Heimat angegeben In voller Freiheit, inmitten der thüringischen Wälder aufwachsend, erhielt er dort die denkbar beste Erziehung zum künftigen Naturforscher, denn sein Vater war einer der bedeutendsten Vogelforscher seiner Zeit. Mit einem geradezu fabelhaften Scharfblick für die feinsten Unterschiede in Gestalt und Gefieder der Vögel begabt, kann er in gewissem Sinne als ein Vorläufer Darwins und der heutigen Formenkreislehre angesprochen werden. Von seiner Mutter, Bertha Reiz, erbte Alfred das ausgesprochene Feingefühl für die Schönheiten einer reinen deutschen Sprache, und nicht zuletzt besteht darin der große Einfluß, den er durch seine Schriften auf weiteste Kreise des Volkes gewonnen hat. Brehm war nicht nur ein ausgezeichneter Naturschilderer, sondern zugleich ein Klassiker der deutschen Prosa, der ein fast fremdwortfreies Deutsch schrieb (für einen damaligen Gelehrten etwas Unerhörtes!) und es großartig verstand, prachtvolle Sätze zu bauen, ohne doch jemals in Schwülstigkeiten oder lateinischen Periodenbau zu verfallen.

Bestimmend für seinen Lebenslauf wurde der Umstand, daß sich ihm schon im 18. Lebensjahre Gelegenheit bot, eine große Forschungsreise nach dem Sudan, einem damals noch fast unbekannten Land, mitzumachen. Sie gestaltete sich ungemein abenteuerlich und hielt den jungen Forscher unter den größten Entbehrungen volle fünf Jahre im schwarzen Erdteil zurück. Nach seiner endlichen Heimkehr konnte von einer Fortsetzung der vorher begonnenen Architektenlaufbahn natürlich keine Rede mehr sein, sondern er studierte in Jena, wo er seiner ausländischen Tiere wegen unter dem Spitznamen »Pharao« bekannt war, und in Wien Naturwissenschaften mit besonderer Berücksichtigung der Tierkunde. Nach Abschluß der Hochschulbildung konnte er an die Gründung eines eigenen Heims denken, übernahm eine Lehrerstelle für Naturgeschichte und Geographie an der höheren Töchterschule in Leipzig und führte seine längst still geliebte Base Mathilde Reiz aus Greiz zum Altar. Sie war für ihn geradezu die gegebene Gattin, und er hätte keine bessere Wahl treffen können.

Eifersüchtiger auf die Wahrung seines Ruhmes bedacht als er selbst, bemühte sie sich, ihm ein heiteres und gemütliches Heim zu schaffen und alle unangenehmen Störungen von ihm fernzuhalten, um ihm so ein von äußeren Einflüssen unabhängiges Arbeiten zu ermöglichen. Die kleine behende Frau brachte ihn sogar manchmal dazu, die geliebte Jagdjoppe auszuziehen und in den verhaßten Frack zu schlüpfen, freilich nie dazu, einflußreichen Leuten schön zu tun und zu schmeicheln. Brehm ist vielmehr sein ganzes Leben hindurch ein frühzeitig selbstbewußter und unbeugsamer Charakter geblieben, was im äußeren Leben zu manchen Reibungen führte. Aus der Ehe ging ein Sohn, Horst, hervor, der Arzt wurde und sich nebenbei zu einem angesehenen Fachmann auf dem Gebiete der Fischkunde und Fischzucht entwickelte. Er ist schon im besten Mannesalter verstorben, aber sein Sohn Oskar schien die volle schriftstellerische und naturforscherische Begabung des Großvaters geerbt zu haben. Leider ist er dem Weltkrieg zum Opfer gefallen und damit die berühmte Gelehrtenfamilie Brehm, wie so viele andere, im männlichen Geschlecht ausgestorben. Zwei Töchter Alfred Brehms leben dagegen noch heute in dem bescheidenen Landhaus in Renthendorf, das ihr Vater sich neben dem alten Pfarrhaus erbaut hatte, als seine äußeren Lebensumstände sich günstiger gestalteten. Das Familienleben dieses Hauses war das denkbar schönste und glücklichste und erhielt erst einen Riß nach dem Heimgange der Mutter bei der Geburt ihres jüngsten Kindes, wie mir Frl. Thekla Brehm schrieb, hielt der Vater streng darauf, daß seine Kinder von seinem Ruhm möglichst wenig erfuhren. Sie hatten tatsächlich kaum eine Ahnung davon. Tagsüber kam der Vater nicht vom Schreibtisch fort, und abends las er in seinen Klassikern. Seine Erholungsstunden füllte er mit Blumen- und namentlich mit Rosenzucht aus, während er sonst für Botanik eigentlich auffällig wenig Sinn hatte, ebenso für die niederen Tiere. Sein ganzes Herz gehörte den Wirbeltieren, in erster Linie den Vögeln und Säugern.

Brehms Bleiben in Leipzig währte nicht lange, aber man könnte noch heute seine Schülerinnen um den Unterricht beneiden, den sie genossen haben und der gewiß himmelweit abwich von dem, wie er sonst damals üblich war. Wichtige Verbindungen, die für Brehms ganzes Leben maßgebend wurden, sind aber während dieses Leipziger Aufenthaltes geknüpft worden, so mit Roßmäßler, der damals dem Gedanken volkstümlicher Naturbeschreibung siegreich Bahn brach und mit Brehm zusammen die »Tiere des Waldes« herausgab, und namentlich mit Ernst Keil, dem weitsichtigen und großzügigen Verleger der »Gartenlaube«, die sich nicht zuletzt durch Brehms Mitarbeiterschaft zum führenden deutschen Familienblatte emporschwang. Viele der besten und schönsten Aufsätze Brehms sind ja in der »Gartenlaube« erschienen. Um dem geschätzten Forscher und Mitarbeiter nach seiner Tropenreise auch einen Einblick in die nordische Vogelwelt zu geben, schickte ihn Keil auf seine Kosten nach Skandinavien und Lappland. Schon 1862 bot sich Gelegenheit zu einer zweiten Tropenreise, als Herzog Ernst II. von Sachsen-Koburg-Gotha Brehm zur Teilung einer Reise nach Abessinien mit zahlreichem Gefolge aufforderte. Brehm hätte nicht Brehm sein müssen, wenn er nicht mit Freuden zugesagt hätte. Es muß jedoch betont werden, daß es sich bei dieser und den späteren Reisen nicht etwa um bloße Jagdreisen handelte, mit dem Ziele, möglichst viele Trophäen einzuheimsen, sondern daß der Hauptzweck ein wissenschaftlicher war und der Herzog infolgedessen, ebenso wie später Kronprinz Rudolf von Österreich, von einem ganzen Stabe von Gelehrten, Künstlern und Präparatoren begleitet war. Für eine bloße Jagdreise wäre Brehm nicht zu haben gewesen. Leider hatte er gerade bei der Abessinienreise, ebenso wie früher im Sudan, schwer unter Malaria zu leiden und wurde dadurch sehr in seiner Tätigkeit behindert. Mit Kronprinz Rudolf verband ihn ein wahrer Freundschaftsbund, und Brehm, der in Österreich geadelt wurde, aber niemals davon Gebrauch gemacht hat, ging in seiner Jagdjoppe auf dem Hradschin in Prag und auf der Königsburg in Ofen unangemeldet ein und aus. Gemeinsam mit Brehm unternahm er eine kurze, aber ergebnisreiche Forschungsreise nach der unteren Donau, und zwei Jahre später eine ebensolche nach Spanien. Vorausgegangen war 1877 eine Reise nach dem südwestlichen Sibirien, die zwar ihr Ziel nicht völlig erreichte, aber doch in bezug auf Tier- und Völkerkunde reiche Früchte trug.

Zwischen diesen verschiedenen Forschungsreisen liegt Brehms Tätigkeit als Tiergärtner. Schon 1863 war aus Hamburg ein verlockender Ruf zur Leitung des dortigen, sehr heruntergewirtschafteten Tiergartens an ihn ergangen; er hatte begeistert angenommen und in wenigen Jahren Großartiges geleistet. Aber mit dem vielköpfigen und engherzigen Aufsichtsrat, der für Brehms ideale Bestrebungen wenig Verständnis hatte, konnte er sich nicht befreunden und legte deshalb schon nach wenigen Jahren das Amt nieder. Trotz dieser bitteren Erfahrung begab er sich gleich darauf in ein ähnliches Joch, diesmal nach Berlin, wo nach seinen Plänen das Aquarium »Unter den Linden«, eine für die damalige Zeit einzig dastehende Schöpfung, errichtet wurde. Es ist fabelhaft, was Brehm hier nach jeder Richtung hin geschaffen hat. Aber trotzdem wiederholte sich die Tragödie von Hamburg, seitdem lebte er als freier Schriftsteller, der im Sommer an seinen Werken arbeitete und im Winter seine berühmten Vorträge hielt.

Von seinen Werken seien noch besonders »Das Leben der Vögel«, das er selbst für sein bestes Buch hielt, und zwei Bände »Gefangene Vögel« erwähnt, sein eigentliches Lebenswerk ist aber das »Illustrierte Tierleben«, das 1863 in erster Auflage zu erscheinen begann, ein Werk, um das uns alle Völker beneiden, denn es ist einzig in seiner Art. Es hat die Tierkunde, die bis dahin ausschließlich von nüchternen Fachgelehrten in der trockensten und langweiligsten Weise behandelt wurde, mit einem Schlage volkstümlich gemacht und dem deutschen Volk die altgermanische Liebe zum Tier neu erweckt. Mit diesen umfangreichen Länden wurde zum erstenmal die Tierbiologie der Systematik und Anatomie ebenbürtig, und wenn heute gerade die Runde vom lebenden Tier eine hervorragende Rolle spielt, so ist das zweifellos in erster Linie auf Brehms unsterbliches Werk zurückzuführen.

Brehm, der nur 55 Jahre alt geworden ist, war in den Jahren seiner Blüte eine männlich schöne, schlanke und doch kraftvoll gewachsene Erscheinung. Die hohe, breite Stirn, die stark entwickelte Adlernase, der starke Vollbart und das reiche, zurückgestrichene Haupthaar gaben seiner Erscheinung etwas Apostelartiges, und ein Apostel der Tierkunde ist er ja auch gewesen. Sein Charakter war von männlicher Festigkeit, die bisweilen bis zur Schroffheit gesteigert werden konnte, aber trotzdem liebenswürdig, den Freunden gegenüber stets hilfsbereit und von unerschütterlicher Treue. Ein gewisses Selbstbewußtsein vereinigte sich mit größter Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit.


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