Wilhelm Fischer
Das Licht im Elendhause
Wilhelm Fischer

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VI.

Zu Dietmer sprach aber wieder seine Mutter, Frau Elspet:

»Höre, Sohn, ich habe ein kleines wider dich. Du mehrst die Freude meines Herzens wenig, wenn du in Gedanken gehst und träumst am hellen Tage. Du bist nicht träg und du schaffst, wie es sein soll; allein wird die Arbeit nicht mit frohem Sinn gethan, so hilft das andern, aber nicht dir selbst. Denn der erste Lohn des Werkes muß die Freude daran sein und der zweite der Preis, den dir der Käufer dafür zahlt. Darum sage mir, was wirrt dir den Sinn?«

157 »Nichts, Mutter,« antwortete Dietmer.

»Nichts ist auch eine Antwort! Welcher Mensch hat mit dem Nichts zu thun, so lange er im Leben thätig ist? Dringt nicht vielmehr von allen Seiten etwas auf uns ein, mit dem wir zu Felde liegen und dessen wir uns erwehren müssen? Doch sei dem, wie ihm wolle: ich sage dir eins: du bist gewandert und hast erfahren, wie es in der Welt aussieht. Nun sitzest du im Vaterhause, und es ist Zeit, daß du bei der Zunft vorsprichst und mit Gunst um die Meisterschaft ansuchst. Dir wird somit geboten werden, an einem tüchtigen Meisterstücke zu schaffen. das besorge mit allem Verstand und Fleiß, dessen du fähig bist. Hat dich erst die Zunft als Meister eingeschrieben, so führst du dir ein liebes Weib heim und bist ein rechter Mann geworden, der Kraft und Geduld vorrätig hat auf viele Jahre und nichts mehr müßig denkt, weil er für die Seinen zu sorgen hat.«

Dietmer schwieg und that so, als ob er in weite Ferne blickte. Aber seine Mutter stand fest auf ihrem Willen, und die Sache nahm 158 ihren Lauf, wie es Sitte und Herkommen geboten. Ob der Zunft saßen die Fünfmänner und gaben ihm Einlaß als Meister in das Gewerbe und Gedinge der Faßbinder; denn sie konnten auf ihren Eid nichts Unrühmliches gegen ihn sagen. Nur sollte er vorher nach Brauch sein Meisterstück fertig stellen und vorlegen; nämlich ein Fuderfaß, das so kunstgerecht gebaut war, daß es ohne Reifen bloß durch die eng gefügten Dauben zusammenhielt und keinen Tropfen edlen Weines durchsickern ließ. Wetzel hatte seine Freude daran, daß Dietmer auf dem Wege war, Meister zu werden, obgleich er selbst sich sagen mußte: ich bleibe ein Geselle mein Leben lang. Dietmers Trostwort, daß es anders sein könnte, wies er zurück, fing aber an über dieses sein Leid so ergötzlich zu reden, wie es seine Art war:

»Lass' mich mein Leben geduldiglich führen,« sprach er; »kommt es nicht besser, so wird es auch nicht schlimmer werden, das hoffe ich. Meine liebe Seele ist noch immer guten Muts gewesen, und wer nicht sauer in die Welt blickt, 159 das bin ich. Wie kann es mir dann fehlen? Muß nicht ein anderer auch jeder Stunde nachrennen und holt sie nicht ein! Und hat er sie eingeholt, ist es seine letzte Stunde. Denn das Ende ist der Tod für alle. Doch weil ich noch lebe, setze ich meinen Fleiß daran, den Eimer Sorge, den ich aus dem Brunnen heraufziehen muß, immer wieder auszuschütten, um nach reinem Wasser zu suchen. Das erhält den Sinn klar, und Genügsamkeit ist immer zu haben, wenn sie einer kaufen will. Mit Gunst und Erlaubnis, sag' ich: Leid! tritt mir aus dem Wege. Du bist nicht von Glas, daß die Sonne durch dich scheinen könnte und verdeckst mir das liebe Licht. Also aus dem Wege! Und siehst du, Dietmer, das Leid muß sich abseits stellen, wenn ich auf den Weg komme. Herz, was willst du mehr!«

»Nichts,« sagte Dietmer, »das ist genug.«

Dann gab ihm Wetzel den Rat: »Im Kogelwalde stehen alte Eichen, deren eine du kaufen sollst, Geselle, um aus ihrem Holz dein Meisterstück zu machen. Der Herr des Waldgrunds, der Stubenberger wird dich um deines Gewerkes 160 willen gerne einen Baum fällen lassen, den wir aussuchen wollen, und du hast dafür nur ein mäßiges Stück Geldes in seine Truhe zu entrichten.«

Es geschah nach Wetzels Rate und ward beschlossen, am Sonntage gemeinschaftlich nach Mariatrost in die Kirche zu wandern und den Weg dahin durch den Kogelwald zu nehmen. Muhme Lene und Vetter Klaus waren von der Gesellschaft, Mechthild und ihr Bräutigam Lamprecht, Dietmer und Wetzel, und auch Diemut bekam die Erlaubnis mitzugehen. Nur Frau Elspet, die ziemlich beleibt war und schwer ging, zog es vor, daheim zu bleiben.

Am frühen Sommermorgen gingen sie durch das Paulusthor aus der Stadt, stiegen den Rosenberg hinan und kamen, als die Sonne hoch im Osten stand, in den kühlen Kogelwald. Da wuchsen hohe Tannen und herrliche Eichen, eine immer schöner als die andere, und Wetzel brauchte Zeit, bis er die richtige ausgesucht hatte, die ihr gutes altes Holz zu Dietmers Meisterstücke willig hergeben sollte. Die bezeichnete er mit einem 161 Kreuzchen in der Rinde, auf daß sie ihnen kennbar werde, wenn sie wieder kämen mit Axt und Säge, um sie zu fällen. Dann lagerten sich alle auf einer Lichtung ins Gras, um vom Wege auszuruhen, den sie gemacht hatten. Der Wald umrauschte sie von allen Seiten und spreitete wohlig grüne Dämmerung über sie. Die Stätte, wo sie rasteten, war eine Lehne, und sie konnten über die wogenden Bäume hinwegschauen nach dem blauen Schöckel, dessen lang gezogener Rücken gegen den klaren Himmel schnitt. Sie hatten Imbiß und Trank mitgebracht und erquickten sich daran. Der Wald lud mit seinen flüsternden Stimmen zu wohliger Heiterkeit ein, dasselbe mochten Buchfink und Drossel sagen, und die Menschenkinder unten waren auch heiter. Selbst Muhme Lene blickte weniger streng vor sich, als sie es sonst that. Der grüne Wald umwob sie traulich, und auch ihr altes Herz wurde von seinem Zauber erfüllt. Stahl sich ein Sonnenschimmer durch das Laub der Eiche, unter der sie saßen, so erglänzte das blonde Haupt Mechthildens, und über Diemuts weißer Stirne 162 umkränzte sich das braune Haar mit einem schwachen Aufleuchten, und sie lachte fast heimlich den Wald an.

Dietmers Auge wandte sich nach ihrer Seite, und sein Bruder Lamprecht saß mit fröhlichem, breitem Antlitze nahe seiner Braut. Aber Vetter Klaus und Wetzel aßen und tranken wacker und waren dessen froh; denn Muhme Lene trübte den Gottesfrieden nicht, weil sie von einem schmeichelnden Waldlüftchen umsäuselt wurde und der eigenen fernen Jugend gedachte. Wenn sie durch das Gezweige der Eiche hinauf blickte, so dachte sie: die ist auch alt und freut sich doch ihres Lebens. Sie mußte Lamprecht Dank sagen, der ein Glas zu ihren Ehren, seiner künftigen Schwieger trank und ein zweites seiner Braut zu liebreichem Lobe darbrachte. Und Wetzel war wohlgemut und spendete seinen Spruch der ganzen Gesellschaft, indem er rief: »Wohlauf, wohlauf, jung und alt, daß sein heut' Gott walt'!« und den Becher leerte.

Dann sagte er: »Wißt ihr, dort drüben in der Bergkammer des Schöckels liegt ein großer 163 Goldschatz verborgen. Den haben die Römer verwahrt, als sie auf dem Wege zu Berge kamen, der noch heut der Römerweg heißt. Aber das waren nicht die Welschen aus Rom, wo der Papst sitzt, sondern Heiden. Und daheim in ihrer Burg hatten sie ein Zauberbild aus Erz. Das war mit Glöcklein behangen, so viel als sie Länder auf dem Erdboden besaßen, und der Name eines jeden war darauf geschrieben. Drohte Gefahr, so fing das Glöcklein jenes Landes von selbst an zu läuten, woher die Gefahr im Anzug war, und warnte sie. Auch unser Land war damals in ihrem Besitze, und einmal läutete das Glöcklein desselben auf dem Zauberbilde. Da kamen sie in Haufen gezogen, wurden aber in der Nähe des Schöckels aufs Haupt geschlagen. Sie mußten abziehen und konnten ihren Goldschatz nicht mitnehmen. Den verwahrten sie in einer tiefen Bergkammer, um ihn zu holen, wenn sie wieder kämen. Aber sie kamen nicht wieder, und noch heutigen Tages liegt er dort verborgen. Die Herren zu Stubenberg haben den goldenen Schlüssel zur Thür der Kammer gefunden; doch 164 was nützt es ihnen, wenn sie die Thür selbst nicht finden können!«

Darauf sagte Muhme Lene verweisend:

»Was spinnst du verkehrtes Zeug, Wetzel, am frühen Morgen?«

»Meisterin, laßt mich leben, weil der Tag hold ist. Und gewänne ich den Schatz, so sollten Mechthild und Diemut goldne Kleider bekommen.« Im stillen aber dachte er sich: Weit gefehlt! Mechthild bekäme nichts, sie hat genug; aber Diemutlein stünde ein goldenes Kleid nicht übel an.

Auch Vetter Klaus meldete sich:

»Ja, du hast ein gutes Herz, Wetzel, und verschenkst Schätze im Traum;« worauf er wohlgemut entgegnete: »Soll ein Habenichts kein gutes Herz haben? mit Gunst, Meister!«

So saßen sie mit heiterer Rede, und Mechthild kicherte, lachte und spiegelte sich in den zufriedenen Augen ihres Bräutigams Lamprecht, und warf auch hier und da einen glänzenden Blick auf Dietmer, der nach einer andern Seite hin sah. Diemuts Antlitz hatte klaren Schein. 165 Aus dem Laubdache der Eiche empfing sie goldig grünen Dämmer, und wenn ein Windhauch durch das Gezweige fuhr, blauten unzählige Rautenscheibchen durch die Blätterlücken und verschwanden wieder. Auch fern im Walde blitzte es zuweilen freudig auf, wenn ein Sonnenstrahl sich Bahn brach, und dann lag alles wieder ruhesam, wie in einer dämmernden Kirche. Nur die Glockenblumen leuchteten blau und die wilden Nelken rot; und vor ihr im Grase kam und ging ein Funkeln von tausend Tautropfen, als wollten sie sich vor dem Sonnenstrahl verstecken und neckisch wieder zeigen. So ruhte Diemut schweigsam, und ihr dünkte der Wald heilig zu sein, weil er schön war.

Da kam Wetzel zu ihr herüber, denn sie saß etwas abseits, ließ sich neben ihr nieder und sagte:

»Diemutlein, wirst du es mir glauben? im Stamm dieser alten Eiche ist ein großer Prunksaal, da wohnt eine vornehme Elfensippe darin. Der Prunksaal hat hundert Fenster, die von außen wie Astlöcher scheinen, innen aber zierlich mit Goldranken gegittert sind.«

166 »Höre du, Wetzel, was klingt durch die Luft?« fragte sie darauf.

»Das sind die Glocken von Mariatrost, die zur Kirche rufen; wir kommen bald dahin.«

»Und wer hat mir gesagt, daß alle Elfen vor den Glocken der Kirche wegziehen mußten aus dem Kogelwald?«

»Wer dir das gesagt hat? He! wohl ich. Aber diese Sippe ist ausgenommen; denn sie hat sich zum Glauben bekehrt, erzählte mir mein Ahne, und haust christlich in der Burg von Eichenholz, die inwendig treppauf und treppab nichts als Reichtum ist. Und sie sind den Menschen überaus hold; sie ahmen alles gerne nach, was sie von ihnen sehen: so liegt nun ein Elferich im Burghofe gerade so im Grase wie Vetter Klaus hier draußen und wehrt sich vor einem Schläfchen, das ihn überfallen hat. Und die alte Elfenmutter sitzt über einem Brautpaare drinnen und unterweist sie, wie sie ihren künftigen Hausrat einrichten sollen, gerade so wie Muhme Lene hier über Lamprecht und Mechthild sitzt. Und ein junger Elferich sieht gerade so ins Blaue, 167 wie Dietmer dort. Und ein alter Elfenbold schwatzt gerade so närrisches Zeug, wie einer, der hier draußen sitzt und Wetzel heißt. Aber eija! was ein junges Elfenmägdlein drinnen denkt, die einen Blumenstrauß in der Hand hält, wie du, Diemutlein, das weiß ich nicht. Was denkst du dir eigentlich?«

»Willst du es wissen, so denke ich mir, daß sich der Wald heute geschmückt hat, um wie ein gutes Kind am Sonntag dem lieben Vater im Himmel zu gefallen. Der hat eine Freude daran, das glaub' ich, wenn die Welt schön ist. Ich trage auch etwas von seinem Sonnenlicht in meinem Sinne, weil das Leben so hold ist und ich mich dessen freue.«

»Nun sieh, dann denkt sich die Elfenmaid gerade dasselbe und ich bin es zufrieden, daß sie es thut und eine heilige Freude hat.«

Aber drüben gab Muhme Lene dem Brautpaare gute Lehren und unterließ es auch nicht, dem Dietmer eine oder die andere der ehrsamen Meisterstöchter zu nennen, die er sich zum lieben Weibe aussuchen könnte. Dietmer gab darauf 168 so wenig zur Antwort, daß ihm Muhme Lene verdrießlich den Rücken kehrte und bald zum Aufbruch mahnte. Also erhoben sich alle gehorsam und traten die Fahrt wieder an, bis sie nach Mariatrost kamen.

Als sie die Stufen zur Kirche hinanstiegen, da lag viel bresthaftes Volk zu beiden Seiten, das sich in den Schutz der Himmelskönigin begeben hatte. Es streckte die Arme aus und bat kläglich um milde Gaben. Vetter Klaus reichte seinen Heller hier und dort um Gottes willen, und auch Muhme Lene that es, obgleich nicht allzugern, denn sie war allem Bettelvolk abhold. Diemut erhielt vom Meister Klaus einen Heller, auf daß sie damit einen aus dem Siechenvolke beschenke. Dieser Heller war nun ihr ganzes Gut, und sie gedachte, ihn dem Elendsten unter allen zu geben, die auf den Stufen saßen oder lagen. Alle andern hatten bereits ausgeteilt, nur sie behielt ihren Heller noch immer, darob Muhme Lene schon unwirsch die Stirne furchte, und selbst Wetzel fragte:

»Willst du dein Hellerlein etwa in die Erde 169 pflanzen, Diemut, damit ein goldener Baum daraus erwachse? Das mag schwerlich geschehen, denn er ist von Kupfer.«

»Nein«, sagte sie, »ich will ihn dem Allerärmsten geben, darauf steht mein Sinn.«

Sie stieg voraus. Da sah sie einen Siechen auf der Stufe liegen, dessen Antlitz war mit grobem Linnen bedeckt, so daß es verborgen blieb. Auch die Hand, die er ausstreckte, war mit gleichem Gewebe umhüllt. Während die andern Siechen kläglich wimmerten und auch schrieen, bat diese Hand nur mit stummer Gebärde, und Diemut legte ihren Heller hinein. Dann sagte sie zu ihm, den sie beschenkt hatte:

»Zeige mir dein Antlitz!«

Er nahm die Hülle herab, und sie sah einen Augenblick lang in sein Angesicht, denn er bedeckte es wieder. Inzwischen war Wetzel herauf gekommen und bemerkte, wie Diemut wankte, als wollte sie zu Boden stürzen, und ihre Wange war wachsbleich geworden.

»Was wirrt dich, Diemut?« rief er bestürzt.

»Nichts, nichts,« sagte sie, zu sich kommend 170 und strengte sich an, zu lächeln, was ihr aber schwer gelang; »nichts, ich habe nur meinen Heller in Gottes Erdreich vergraben.«

Wetzel schüttelte den Kopf; doch enthielt er sich der Rede, da die Muhme nachkam, und oben angelangt, traten sie in die Kirche. Diemut kniete während der Messe wie die andern nieder und wollte beten, aber sie konnte nicht. Ihr war wehe, wie noch niemals vorher.

»Guter Gott!« sagte sie, »ich habe immer gemeint, deine Welt ist so schön und daß es eine Freude ist, darin zu leben. Aber was ich heute gesehen habe, das hat mir mein Herz verstört, und es ist mir, als wäre ein Frost über meine Freude gekommen und sie sei erstorben. Guter Gott im Himmel! ich kann nicht anders, vergieb mir! Ich muß um deine Welt trauern, da ich das gesehen habe, was ich gesehen. Und im Walde war es doch schön, es rief heilig! heilig! von den Wipfeln der Tannen und höher aus der Luft herab. Im Walde war es heilig schön wie in einer Kirche, alles lebte freudig, und als ich hier zur Kirche wirklich kam, bin ich dem Tod 171 begegnet. Davon ist mein Herz in Leid und Jammer wie erstorben. Vergieb mir, guter Gott im Himmel!«

Niemand hörte, was sie betete. Ihre Lippen bewegten sich, wie die der andern, und Muhme Lene, die manchen Seitenblick auf sie warf, konnte meinen, daß Diemut den Mariengruß spräche, wie sie selbst. Im dämmerigen Raum der Kirche sah nur Dietmer, wie bleich ihr Antlitz war. Doch dieser schwieg auch dann noch, als sie alle nach vollendetem Hochamt wieder ins Freie traten.

Sie nahmen unten beim Kirchwirt ein gutes Mittagmahl ein; aber Diemut aß nichts, weshalb sie von Muhme Lene gescholten wurde. Sie versuchte es darauf, mußte aber wieder davon abstehen. Das benahm dem alten Wetzel auch die frohe Laune, und Dietmer schwieg ohnehin. Nur Mechthild scherzte mit ihrem Bräutigam, der gern und viel aß, und Vetter Klaus war gutmütig wie immer. So verlief das Mittagmahl nicht so heiter wie das Frühmahl im Walde. Gegen Abend brachen sie auf, um den Heimweg durch den Mariatroster Wald anzutreten. Sie sprachen 172 und scherzten nicht viel; es lag etwas in der Luft, was sie bedrückte, denn es war schwül. So bemerkten sie es auch wenig, daß Diemut wie verloren ging. Wetzel versuchte zu scherzen, aber auch ihm kam das Wort nicht gesprungen, wie sonst, sondern gehinkt; bis ihn Muhme Lene gänzlich schweigen hieß. Nur Mechthild lachte ihrem Bräutigam zu, und sie durfte es thun, denn ihr stehe alles gut an, dachte Muhme Lene, und Lamprecht schritt schwerfällig neben ihr einher, da ihn zumeist die schwüle Luft drückte. Als sie aus dem Walde traten, war die Dämmerung herein gebrochen, einzelne Sterne glänzten schwach, und der beginnende Mond stand im Westen. Die Stadt lag vor ihnen, eng umgürtet von ihren Mauern und überragt von dem getürmten und bewehrten Schloßberg. Die Seite, die sie vor sich hatten, dunkelte, aber von drüben empfingen Giebel und Dächer schräg das Licht des Mondes und erhellten sich schwach. Die Mur glitzerte in vielen Windungen durch das Grazer Feld und entschwand in die Ferne. Kein Vogel zwitscherte im Neste, die Nachtfalter schwebten ruhig in der 173 Luft. Da kam plötzlich von Osten eine strahlende Erscheinung am Himmel geschossen, die sich gegen Westen rötlich wie ein Schwert mit gekreuztem Griffe darstellte und niederging. Wetzel rief bestürzt: »Seht doch! seht doch! Ein Schwert am Himmel! das bedeutet Krieg oder Pestilenz. So hört' ich immer sagen.«

Muhme Lene verwies ihm seine Rede streng, obgleich sie mehr als die andern im Innern erschrak.



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