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Weibliche Erziehung
Besonders was die Erziehung des Weibes anbelangt, scheint mir die Sache ganz einfach. Erziehe man nur im Mädchen den Menschen, der ja ohne Abbruch in ihr ruht. Als Weib wird dieser vollkommen ausgebildete Mensch sich schon von selbst und ohne weiteres Zutun der Kunst finden.
Mann und Weib
Wie die sittliche Anlage in der Natur des Weibes sich durch Liebe, so äußert die sittliche Anlage in der Natur des Mannes sich durch Großmut. Er will zuerst Herr sein; wer aber mit Zutrauen sich ihm hingibt, gegen den entkleidet er sich aller seiner Gewalt. Gegen den Unterworfenen stark zu sein, ist nur die Sache des Entmannten, der gegen den Widerstand keine Kraft hat.
Ehe
Ergibt sich das Weib aus Liebe einem Manne, so entsteht dadurch moralisch notwendig eine Ehe. Zuvörderst von des Weibes Seite. Dadurch, daß sie sich gibt, gibt sie sich ganz, mit allem ihrem Vermögen, ihren Kräften, ihrem Willen, kurz ihrem empirischen Ich; und sie gibt sich auf ewig. Zuvörderst ganz: sie gibt ihre Persönlichkeit; nähme sie nun etwas aus von der Unterwerfung, so müßte dieses ausgenommene für sie einen höheren Wert haben als ihre Person, welches die äußerste Geringschätzung und Herabwürdigung der letzteren wäre, die mit moralischer Denkart schlechthin nicht beisammen bestehen kann. Dann – sie gibt sich auf ewig, ihrer Voraussetzung nach. Nur unter der Voraussetzung, daß sie selbst sich ganz ohne Vorbehalt, ihr Leben und ihren Willen an den Geliebten verloren habe, und daß sie nicht anders könne, als sein sein, geschieht ihre Ergebung aus Liebe und besteht neben der Sittlichkeit. Könnte sie sich aber in der Stunde der Ergebung zu irgend einer Zeit anders denken denn als die seinige, so fände sie sich nicht gedrungen, welches der Voraussetzung widerspricht und die Sittlichkeit aufhebt.
Im bloßen Begriffe der Liebe ist der der Ehe in der soeben angegebenen Bedeutung enthalten, und sagen: »ein sittliches Weib kann sich nur der Liebe geben«, heißt zugleich sagen: »sie kann sich nur unter Voraussetzung einer Ehe geben.«
Von des Mannes Seite. Es beruht der ganze sittliche Charakter des Weibes auf den angegebenen Bedingungen. Aber kein Mensch darf das Opfer eines menschlichen Charakters fordern. Der Mann kann daher die Ergebung des Weibes nur auf die Bedingungen annehmen, auf welche sie allein dieselbe machen kann; außerdem würde er sie nicht behandeln als ein moralisches Wesen, sondern als eine bloße Sache. – Selbst wenn ein Weib freiwillig sich auf andere Bedingungen antrüge, könnte der Mann ihre Unterwerfung nicht annehmen; und es gilt hier keinesweges der Rechtssatz: wer nach seinem Willen behandelt wird, dem geschieht nicht Unrecht. Wir können von der Unmoralität des andern, – hier ist es absolute Verworfenheit, – nicht Gebrauch machen, ohne daß die Vergehung desselben auch auf unsere Rechnung komme.
Es geht aus diesen Sätzen hervor, daß die Befriedigung des Geschlechtstriebes nur in der Ehe (in dem angezeigten Sinne des Worts) erlaubt, außer ihr aber beim Weibe gänzliche Wegwerfung ihres sittlichen Charakters, beim Manne Teilnahme an diesem Verbrechen und Benutzung einer tierischen Neigung sei. Es ist gar keine Verbindung zwischen Personen beiderlei Geschlechts zur Befriedigung ihres Triebes moralisch möglich, außer der einer vollkommenen und unzertrennlichen Ehe. In der Ehe aber erhält die Geschlechtsvereinigung, die an sich das Gepräge der tierischen Roheit trägt, einen ganz anderen, dem vernünftigen Wesen würdigen Charakter. Sie wird eine gänzliche Verschmelzung zweier vernünftiger Individuen in eins; unbedingte Hingebung von des Weibes Seite, Gelübde der innigsten Zärtlichkeit und Großmut von des Mannes Seite. Die weibliche Reinheit bleibt auch in der Ehe und nur in ihr unverletzt; das Weib gibt sich immer nur der Liebe und selbst beim Manne erhält der Naturtrieb, den er sich außerdem wohl gestehen dürfte, eine andere Gestalt: er wird zur Gegenliebe.
Ehebruch
Der Ehebruch eines Mannes zeigt entweder eine unedle Denkart, wenn das Weib, mit welchem er sich vergeht, sich ihm nicht aus Liebe ergibt, sondern um eines anderen Zweckes willen; er will dann bloß genießen. Oder er ist die größte Ungerechtigkeit gegen dieses Weib, wenn sie aus Liebe sich ihm gibt. Er macht dadurch zu allen Pflichten der Ehe, zu unbegrenzter Großmut, zu unbegrenzter Sorgfalt für ihre Zufriedenheit sich anheischig, welche er doch nicht erfüllen kann.
Nun ist es zwar an sich unedel, aber nicht geradezu den Charakter tötend wie beim Weibe, daß der Mann nur auf Befriedigung seines Triebes ausgebe; aber sein Eheweib kann dadurch teils gar leicht auf die Gedanken kommen, daß er auch sie selbst nicht anders behandele, und daß alles das, was sie für großmütige Zärtlichkeit hielt, nichts sei als bloßer Geschlechtstrieb, wodurch sie sich sehr herabgewürdigt fühlen müßte; – teils wird einer liebenden Frau es sehr schmerzlich fallen, daß dieselbe Aufopferung, die sie selbst für ihren Mann hat, eine andere Frau außer ihr haben solle. (Daher kommt es, daß die Eifersucht der Frau etwas von Neid und von Haß gegen die Nebenbuhlerin hat.) – Es ist also sehr leicht möglich, daß dadurch das Herz der Frau vom Manne abgewendet, ganz sicher aber, daß ihr ihr Verhältnis dadurch verbittert werde; und dies ist gegen die schuldige Großmut des Mannes.
Also: der Ehebruch des Mannes vernichtet nicht notwendig das eheliche Verhältnis, sowie der des Weibes es notwendig vernichtet; aber es ist doch möglich, daß er es vernichte, und dann ist die Frau herabgewürdigt vor sich selbst. An Schuld gibt er dem des Weibes nichts nach; man könnte sagen, sie ist größer, weil die Großmut dadurch verletzt wird, wodurch sich eine niedrig gesinnte Seele verrät. Die Frau kann verzeihen: und die würdige edle Frau wird es sicher. Aber es ist drückend für den Mann und noch drückender für die Frau, wenn sie etwas zu verzeihen hat. Der erstere verliert den Mut und die Kraft, das Haupt der Ehe zu sein; und die letztere fühlt sich gedrückt, den, dem sie sich ergeben hat, nicht achten zu können. Das Verhältnis zwischen beiden wird so ziemlich umgekehrt. Die Frau wird die großmütige, und der Mann kann nicht füglich etwas anderes sein, als der unterwürfige.
Dies zeigt sich auch im gemeinen Urteile. Eine Frau, die die Unordnung ihres Mannes weiß und erträgt, wird nicht verachtet; im Gegenteil, je sanfter und weiser sie sich dabei beträgt, desto mehr wird sie geachtet. Man setzt sonach voraus, daß sie nicht rechtliche Hilfe suchen solle. Woher diese tief in der menschlichen Seele liegende Meinung? Etwa bloß aus unserer Gesetzgebung und bloß bei uns Männern? Sie ist ja bei den Weibern, die über diese Gesetzgebung klagen, gleichfalls. Sie gründet sich auch auf die angezeigten Grundverschiedenheiten der beiden Geschlechter.