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Wer die Einöden des fernen Westens durchstreifen will, hat drei Dinge nöthig: ein furchtloses Herz, ein kräftiges Roß und ein erprobtes Gewehr. Das Pferd ist vielleicht noch zu entbehren, wenn man einen so felsenfesten Muth besitzt, wie es bei unsern drei Freunden der Fall war; ohne die Feuerwaffe dagegen ist auch der Mann mit dem kühnsten Herzen nur noch ein ohnmächtiges Spielzeug, das dem Hunger, den wilden Thieren und den Horden der Indianer preisgegeben ist.
Dies fühlte der arme Rosenholz recht wohl, und es machte einen wehmüthigen Eindruck, als er nach langer Pause endlich sagte: »Jetzt seid Ihr nur noch zu Zweien auf diesem Felsen, – ich zähle nicht mehr als ein Kind, mit dem die Feinde nach Willkür verfahren dürfen.«
»Um Alles in der Welt, laß Dich vom Unglück nicht so beugen, daß Du den Kopf verlierst,« rief Josef. »War Deine Büchse denn die einzige Waffe, über die wir verfügen? – Ist mein Gewehr nicht noch da? Und ist es in Deinen Händen nicht mehr am Platze, als in den meinigen?«
Und während der treue Freund seine Feuerwaffe zu Rosenholz hinschob, setzte Fabian hinzu: »Unser wackerer Josef hat mir aus der Seele gesprochen, und so lange wir Dreie eine Flinte haben, gehört sie unbedingt Ihnen, mein Vater.«
»Nein, nein,« rief der alte Jäger kopfschüttelnd und die Büchse zurückstoßend, »ich kann, ja, ich darf Euer Anerbieten nicht annehmen, theuere Freunde, denn das Glück will mir nicht wohl. Aber«, fuhr er in nachdrucksvollem Tone fort, wobei es in seinen Augen sprühte und blitzte, »noch habe ich ein Messer und ein paar starke kräftige Arme, und wehe dem Feinde, der mir zu nahen wagt!«
Die schmerzliche Niedergeschlagenheit hatte jetzt in der Brust des Riesen einem Löwenzorne Platz gemacht und er rief mit seiner Stentorstimme zu dem Felsen hinüber: »Kommt heraus aus Euerer Höhle, Wüstenräuber und Apachen, und steigt herauf zu uns, wenn Ihr den Muth habt! Wir sind ja jetzt nur noch zwei bewaffnete Männer auf der Pyramide, denn der dritte Jäger zählt nicht mehr! Kommt doch heran, Ihr feigen Hunde!«
Höhnisches Gelächter, das von den Feinden herüberdrang, gab Kunde, daß die kühne Herausforderung des Canadiers gehört worden war, ja, es schien sogar, daß man gewillt sei, sie anzunehmen, denn hinter dem grünen Hag tauchte jetzt abermals ein Krieger auf, nur verbarg er sich so sorgfältig, daß man nichts weiter als seine Augen und die rothen Kopfbänder sah, welche sein Haar schmückten.
»So wahr ich lebe!« rief Josef, »es ist der Hund von einem Mestizen in eigener Person! Warte, Canaille, Du sollst am längsten geathmet haben.« Damit wollte er die neben ihm liegende Büchse ergreifen, allein Rosenholz war ihm zuvorgekommen. Seine durch den Verlust der Feuerwaffe erbitterte Seele schnaubte nach Rache und der Anblick des Schmuckes, den der verhaßte Mestize an sich trug, steigerte mächtig seinen Zorn. Mit Blitzesschnelle drückte er die Büchse gegen die Wange und richtete den Lauf auf seinen Feind. Eben so schnell schwang sich dieser jedoch auf den höher gelegenen Felsvorsprung, wie es kurz zuvor der fleißige Biber gethan, und Rosenholz sah sich genöthigt, den Lauf des Gewehrs bloszustellen. In seiner Wuth aber kehrte er sich nicht daran, er drückte ab – und der Mann mit dem rothen Kopfputz stürzte, tödtlich verwundet, hinter dem Hag zusammen. Aber zwei Schüsse von dem Büffelfellwalle her hatten sich abermals mit dem des Canadiers vermischt und das Gewehr in seiner Hand zerschmettert.
»Großer Gott im Himmel!« schrie er außer sich und Verwünschungen, wie er sie nie zuvor ausgestoßen, donnerten zum Felsen hinüber, während er drohend den Büchsenschaft schwang, der ihm in der Hand geblieben war.
Hinter dem Walle von Büffelhäuten erklang ein wildes, höhnisches Gelächter und zwischen den Fellen zeigte sich für einen Augenblick das von einem teuflischen Grinsen verzerrte Gesicht des Mestizen, dessen höllische List nunmehr klar am Tage lag. Der zweite, als Opfer ausersehene Indianer hatte den Kopfputz Mischbluts so geschickt angelegt, daß Rosenholz dadurch getäuscht worden war.
»Der Adler der Schneeberge ist nichts, als eine Eule beim hellen Tage,« rief frohlockend die Stimme des Mestizen herüber, »denn seine Augen vermögen einen Krieger nicht von einem Häuptlinge zu unterscheiden.«
»Josef, Fabian,« rief der Canadier mit einem aus tiefster Brust heraufkommenden Seufzer, »ich frage Euch, ist es nicht unendlich demüthigend für uns, daß diese Scheusale über uns frohlocken dürfen?«
Kaum hatte Rosenholz geendet, so hüllte eine plötzliche Finsterniß Ebene und Berge ein, Blitze zogen feurige Furchen und ein Donnerschlag löste sich los, gleich einer Batterie von hundert Kanonen. Und eine mahnende Stimme in der Brust des Canadiers rief dem durch das Mißgeschick Verzagenden zu, daß er in der Hand des allmächtigen Gottes stehe, der die Lilien auf dem Felde kleidet und die Vögel unter dem Himmelszelte nährt.
»Josef,« rief der alte Jäger, »der Geist Gottes ist über mich gekommen und ich fühle die Kräfte eines Riesen in mir! Laß uns einen Ausfall wagen, um uns dadurch den Weg zur Flucht zu ebnen; Fabian wird uns mit seiner Flinte von hier aus den Rücken decken. Die Spitzbuben dort unten haben ihre Löcher noch nicht verlassen, ... es ist jetzt so dunkel, als wenn es Nacht wäre ... und wir werden zwei gegen vier sein, – das ist genug, denn ich getraue mir, mit meinen Händen mindestens ein halbes Dutzend dieser gemeinen Schurken zu erwürgen.«
Ein mächtiger Donnerschlag erschütterte die Luft. Die rabenschwarzen Wolken senkten sich immer tiefer und der Sturm brauste in schauerlichen Tönen durch die Schluchten der Berge.
»Hier ist meine Hand, Freund,« rief Josef, und ein greller Blitz zeigte sein heldenkühnes Antlitz. »Aus dieser mächtigen Sprache der Elemente entnehme ich, daß Gott mit uns ist!«
»Also vorwärts, Josef, denn ich will und muß mich rächen!«
»Zuvor nur noch ein Wort an Don Fabian,« entgegnete Josef, welcher aus den leuchtenden Augen des Jünglings ersah, daß dieser den gefaßten Plan billigte. »Sie haben weiter nichts zu thun, als die Spitzbuben in der Ebene unausgesetzt zu beobachten, denn von da drüben haben mir vorerst nichts zu fürchten. Rührt sich also einer der rothen Hallunken unter den Steinen, so feuern Sie auf ihn. Haben wir unsern Handstreich glücklich ausgeführt, so kehre ich zurück, um Sie abzuholen, und dann machen wir uns aus dem Staube.«
Mit dem Messer zwischen den Zähnen, ließen sich die beiden Jäger rasch von der Spitze der Pyramide hinabgleiten, ohne daß jedoch das geringste Geräusch zu bemerken war.
Fabian bemühte sich vergebens, mit seinen Augen den Gefährten zu folgen, er richtete daher seine volle Aufmerksamkeit der Ebene zu. Die vier Steinplatten, unter denen sich die Indianer bargen, blieben unbeweglich und die Sorge schwand aus Fabians Herzen, als er jetzt die beiden Jäger unten an der Bucht anlangen und in das Schilf gehen sah, womit die Ufer des Sees bedeckt waren.
Geräuschlos glitten Rosenholz und Josef durch das mannshohe Wasserrohr, wobei der Canadier dem Gefährten zuflüsterte: »Wenn wir binnen jetzt und einer Minute die Flinte Fabians nicht knallen hören, so ist es ein sicheres Zeichen, daß die Indianer uns nicht vom Felsen haben herabsteigen sehen. Dann schnell über die in den Löchern versteckten Apachen hergefallen, Josef, – jeder von uns springt nach einem Ende hin, Du nimmst den Letzten unter Dein Messer, während ich den Ersten unter seiner Steinplatte erdrücke. Mit den beiden Andern werden wir dann schnell fertig sein.«
Josef nickte mit dem Kopfe, dann lauschte er angestrengt, um ja kein Geräusch auf dem Felskegel zu überhören.
Das tobende Gewitter schien jetzt seinen Höhepunkt erreicht zu haben; gleich feurigen Schlangen schossen die Blitze über die Ebene dahin, die herrschende Finsterniß auf Augenblicke mit ihrem grellen Scheine zerreißend. Donnerschlag folgte auf Donnerschlag und mischte sich mit dem vielfältigen Echo der Berge.
Aengstlich schlugen die Herzen der beiden Jäger; aber nicht die majestätische Gewalt des Gewitters war es, die sie erbeben machte, sondern einzig und allein die Sorge um Fabian, und Rosenholz schauderte bei dem Gedanken, plötzlich vom Gipfel der Pyramide den Angstschrei seines geliebten Kindes erschallen zu hören.
Eine bange Minute verstrich, dann flüsterte der Waldläufer: »Es ist Zeit, wir dürfen das Kind nicht lange allein lassen, vorwärts, Josef ... und vergiß nicht, der Erste und der Letzte!«
Wie unter einem gewaltigen Windstoße beugte sich das Schilf und wenige Sekunden später sprangen die beiden Männer mit der Gelenkigkeit von Tigern auf die Ebene hinaus und auf ihre Feinde zu. In demselben Moment knallte aber auch Fabians Büchse; erschrocken fuhren die Jäger zusammen, indessen war zum Ueberlegen keine Zeit, da es galt, mit den verborgenen Feinden rasch fertig zu werden. Als Rosenholz den ersten Stein erreichte, versuchte der darunter versteckte Indianer, durch das Geräusch der nahenden Fußtritte aufmerksam gemacht, aus seiner Höhle zu entwischen, allein mit unwiderstehlicher Kraft ließ der Canadier seinen Fuß auf den Körper des Apachen fallen. Eben so rasch hob er die Steinplatte vom Boden auf und schleuderte sie mit zermalmender Wucht auf den Wilden, dann stürzte er sich auf den zweiten der Indianer. Josef hatte inzwischen seinen Gegner auf eine andere Weise angegriffen und sich mit seinem ganzen Körper über das Erdloch geworfen, während er mit seinem Dolche unausgesetzt in die Oeffnung stieß. Eben traf er mit Rosenholz wieder zusammen, als die beiden andern Indianer aus ihrem Schlupfwinkel emporsprangen und unentschlossen stehen blieben, erwägend, ob sie fliehen oder kämpfen sollten.
»Zertritt doch die Schlange, ehe sie zischt!« schrie Rosenholz, als einer der Apachen, sein Alarmgeheul ausstoßend, mehrere Schritte zurückwich, um von seinem Bogen Gebrauch zu machen, während der andere, gleichfalls vor Kampfbegier heulend, sich auf Josef stürzte. Dies bekam ihm indessen sehr schlecht, denn Josef warf ihn zu Boden und stieß ihm das Messer durch die Brust, so daß der vorwitzige Apache unbeweglich liegen blieb. Rosenholz hatte sich während dieser Zeit niedergebückt, um dem Pfeile zu entgehen, der denn auch in der That einige Linien über seinem Kopfe hinpfiff. Als der alte Jäger sich aber wieder aufrichtete, war der Indianer bereits entflohen. Die Schlange hatte, wie er befürchtet, gezischt, denn schon hallte das Alarmgeheul des Entflohenen über die Ebene hin und von allen Seiten sah man die Apachen heranstürzen.
»Geschwind, geschwind, auf die Pyramide!« schrie Rosenholz, »ehe es den verwünschten Rothhäuten gelingt, uns zu umzüngeln.«
Im raschen Laufe schlugen die beiden Freunde den Weg nach dem Felsen ein, und ehe die heulenden Indianer sich zu einem bestimmten Verfolgungsplane aufgerafft hatten, begannen sie bereits die steile Felswand zu erklimmen. –
Es wird jetzt nöthig sein, daß wir dem jungen Leser mittheilen, warum der auf der Pyramide zurückgelassene Fabian sein Gewehr losgefeuert hatte. In dem Augenblicke nämlich, wo Rosenholz und Josef ihren Ausfall in die Ebene bewerkstelligt, ging die Geduld des Mestizen zur Neige und er faßte den Entschluß, der langweiligen Belagerung ein rasches Ende zu machen. Von den rothen Kriegern, die der Schwarzvogel seiner Führung anvertraut, waren bereits sechs gefallen und der Windseufzer sollte der siebente, aber auch der letzte sein. Mischblut ertheilte ihm den Befehl, denselben Weg einzuschlagen, wie seine beiden Gefährten vorher; nur sollte er, da das Mißtrauen der drei Jäger erweckt sein mußte, sich so stellen, als verdoppele er seine Vorsicht, um den Fuß der Pyramide zu erreichen. Auf dem abwärts führenden Pfade von Weiden- und Baumwollenstauden geschützt, sollte Windseufzer nicht eine gewisse Grenze überschreiten, vielmehr an einer Stelle Halt machen, wo die Büchse des dritten Jägers ihn nicht mehr erreichen konnte, ohne den Schützen zu nöthigen, den Kopf und die Arme über die Brustwehr hervorzustrecken.
Windseufzer war allen diesen Weisungen mit der größten Gewissenhaftigkeit nachgekommen und befand sich nun an dem Orte, wo seine beiden Vorgänger von den Kugeln des Canadiers tödtlich getroffen worden waren. Jeden Augenblick erwartete auch er das tödtliche Blei und dachte zum letzten Male an Weib und Kind; wie erstaunte er jedoch, als eine Sekunde nach der andern verstrich, ohne daß sich etwas Gefahrdrohendes ereignete. Dies kam einfach daher, daß Fabian mit angestrengter Aufmerksamkeit den beiden Freunden nachblickte, welche auf der entgegengesetzten Seite den Gipfel der Pyramide verlassen hatten. Windseufzer aber schrieb diese Unthätigkeit des Feindes irgend einer List zu, und erwartete jeden Augenblick von einer unsichtbaren Waffe niedergestreckt zu werden. Vorsichtig und langsam langte er endlich am Fuße der Pyramide an und hatte damit die Grenze erreicht, welche er, laut des Befehles Mischbluts, nicht übersteigen durfte. Das Schweigen auf dem Gipfel der Pyramide dauerte fort und Windseufzer schöpfte neue Hoffnung; die Lebenslust loderte gewaltig in ihm auf, und er dachte abermals an die beiden geliebten Wesen, welche seine heimische Hütte barg. Er wußte, daß es sich nur noch darum handelte, den drei Jägern auf dem Felsgipfel die letzte ihnen noch gebliebene Waffe zu entreißen; wenn er dieses Wagstück allein unternahm und dasselbe ihm gelang, so brauchte er nicht mehr sein Leben zu opfern; der kriegerischen Ehre war vielmehr Genüge geschehen und er durfte darauf zählen, daß er fortan unter seinen Stammesbrüdern als ein großer Sieger galt. Er machte daher mit der rechten Hand ein Zeichen nach der Büffelhautverschanzung hin, hinter welcher Mischblut versteckt war und jeder seiner Bewegungen folgte, sodann begann er leise den steilen Abhang des Felsens emporzuklimmen. Er beobachtete dabei eine solche Vorsicht, daß auch nicht ein losgerissenes Steinchen durch sein Herabrollen seine Annäherung dem Feinde verrieth. Als er die Verschanzungen erreicht hatte, machte er Halt und begann zu lauschen; allein kein leise geflüstertes Wort, nicht einmal ein Athemzug drang bis zu seinem Ohr. Da wagte er einen Blick über die Steine zu werfen, welche die Belagerten zu ihrem Schutze aufgerichtet hatten. Es geschah dies in dem Augenblick, wo der auf dem Boden liegende Fabian die beiden Freunde in dem Schilfe des Sees verschwinden sah, und somit würde es dem Indianer ein Leichtes gewesen sein, mit seinem Tomahawk den Kopf des Jünglings zu spalten. Allein der Wille des Schwarzvogels, der seine Feinde lebendig haben wollte, war dem Windseufzer heilig und sein einziges Streben ging dahin, die Büchse dem weißen Manne zu entreißen. Leise, gleich einer Schlange, kroch er zu Fabian hin und schon streckte Windseufzer die Hand nach der Feuerwaffe aus, als der Jüngling sich umwandte. Nur mit Mühe vermochte Fabian einen Hilferuf zu unterdrücken, welcher, nach seiner Meinung, Rosenholz und Josef hätte verrathen und ihnen den Rückzug abschneiden können, den Schauder dagegen vermochte er nicht zu bannen, der ihn bei dem Anblicke dieses mit bunter Malerei bedeckten Gesichts und der funkelnden Katzenaugen überlief, die ihn jetzt anstarrten. Wußte er ja doch nicht einmal, ob dieser Indianer der einzige sei, der den Gipfel der Pyramide erklommen hatte. Allein nur eine Sekunde dauerte der Schrecken Fabians, dann umschlang er den Körper des rothen Kriegers und nunmehr begann ein erbitterter Kampf, bei welchem jeder der beiden Gegner darauf bedacht war, die Feuerwaffe in seine Hand zu bekommen.
Im heftigen Ringen wälzten sich die ineinander verschlungenen Gegner zweimal über die Plattform, und in der Hitze des Kampfes entlud sich das heftig erschütterte Gewehr, ohne indessen einen der Beiden zu treffen. Dies war der Schuß, den Rosenholz und Josef vernommen hatten, während sie selbst einen nicht minder furchtbaren Strauß bestanden. Endlich gewann der kräftigere Fabian die Oberhand, während der Apache sich vergebens anstrengte, über seinen Feind Herr zu werden. Trotz alledem gelang es ihm für einen Augenblick, die rechte Hand frei zu bekommen und sein Messer aus dem Gürtel zu reißen; ehe er aber den tödtlichen Stoß zu führen vermochte, drang bereits Fabians Messer in seine Brust ein.
Unglücklicherweise war das kämpfende Paar bis zu dem einen Ende des Felsgipfels fortgerollt und der feuchte Staub des Wasserfalls, der in die Tiefe des Abgrunds hinabdonnerte, besprühte das Gesicht des Jünglings. Er bebte schaudernd zurück und wandte all' seine Kräfte an, sich aus den ihn fest umschlingenden Armen des Indianers loszureißen, allein umsonst, und so rollten er und der Windseufzer, welcher die Flinte noch immer fest umschlungen hielt, den steilen Abhang der Pyramide hinab, und erst als sie den Boden der Schlucht berührten, ließen die Arme des Apachen, durch den Tod gelähmt, ihre Beute fahren, – Fabian aber bemerkte es nicht, denn sein Kopf war auf die scharfe Kante eines der den Boden bedeckenden Steine gefallen und eine tiefe Ohnmacht umhüllte seinen Geist.
Es war wenige Minuten später, als die zurückkehrenden beiden Jäger den Fuß auf die jetzt einsame Felsplatte setzten.
»Fabians ... Fabian!« schrie Rosenholz, außer sich vor Schrecken, während seine Knie zusammenzubrechen drohten. »Fabian ... Kind meines Herzens... meine Welt ... mein Alles... bist Du noch am Leben?« Niemand antwortete, nur der Sturmwind pfiff und ächzte in den Aesten der beiden Tannenbäume.
Ein greller Blitz überfluthete jetzt den Gipfel des Felsens mit seinem electrischen Licht und die beiden Jäger gewahrten auf dem Boden die frischen Spuren eines erbitterten Kampfes; ein zweiter Blitz zeigte ihnen, daß die steinerne Verschanzung zerstört auf dem Boden herumlag. Da stieß der alte Jäger einen furchtbaren Schrei aus und sank gebrochen zusammen. Währenddem brüllte der Donner und die Erde erbebte unter dem Zusammenstoße der schwarzen Wetterwolken, die Blitze auf Blitze entsendeten, und endlich brauste ein Regenstrom herab, der klatschend gegen die Felsen schlug. Es war, als wenn alle Schleusen des Himmels sich auf einmal geöffnet hätten und alle wilden Töne der entfesselten Elemente die nach Fabian rufende Stimme des Canadiers ersticken wollten.
Da stand plötzlich, wie ein böser Geist, der Mestize auf dem gegenüberliegenden Felsen, das Gewehr schußfertig in der Hand haltend, um die widerstandslosen Jäger zur Ergebung zu zwingen.
»Bück' Dich, Rosenholz!« rief Josef und deutete auf Mischblut hinüber, allein der alte Canadier rührte sich nicht; in seiner Verzweiflung hatte er sich über den Abhang des Felskegels gebeugt, nach wie vor ausspähend, ob er nicht endlich doch noch sein geliebtes Kind entdecken werde. Aechzend richtete der greise Jäger das schwere Haupt wieder auf und nun erst bemerkte er den Mestizen. Rosenholz war gewiß, daß dieser an Fabians Verschwinden die Schuld trage und der Urheber all' des Unglücks sei, und so war es natürlich, daß Haß, Zorn und Wuth von Neuem in der Brust des Canadiers aufstiegen. Gleichzeitig fühlte er aber auch, daß Fabians Schicksal in den Händen des Mestizen liege, und da seine Liebe zu dem Jünglinge überaus mächtig war, so dämpfte er die wilden Leidenschaften seines Herzens gewaltig nieder; er rief sogar mit flehender Stimme zu dem Felsen hinüber:
»Mischblut, wenn in Deinem Herzen noch ein Funke von Mitleid ist, so gieb mir mein Kind zurück, das Du mir geraubt.«
Der Gefahr nicht achtend, welche ihm von dem Gewehre des Räubers drohte, blieb Rosenholz aufrecht stehen, und Josef, durch den Stamm des einen Tannenbaums geschützt, rief ihm vergebens zu, sich in Acht zu nehmen.
»Nun, Mischblut,« fuhr der alte Jäger zitternd fort, »willst Du meine Bitte erhören?«
Ein Hohngelächter war die einzige Antwort des Wüstenräubers.
»Oh, Du Ungeheuer!« schrie nun Josef, indem er mit entblößter Stirne und voller Wuth über die Demüthigung und den Schmerz seines alten Gefährten gleichfalls seinen Hinterhalt verließ und dem Mestizen gegenübertrat. »Willst Du wohl gleich antworten, Auswurf der Menschheit, wenn ein Weißer Dir die Ehre anthut, mit Dir zu sprechen?!«
»Nicht so, nicht so, Josef,« bat Rosenholz, »erzürne den Menschen nicht, in dessen Händen das Leben meines Kindes ruht. – Höre nicht auf ihn, Mischblut, denn der Schmerz hat das Gemüth meines Gefährten erbittert.«
»Auf die Kniee nieder!« schrie jetzt der Bandit. »Vielleicht bin ich dann gnädig und höre Euch an!«
Diese freche Rede Mischbluts färbte das Antlitz des Canadiers dunkelroth. Einen Augenblick kämpften die widerstreitendsten Gefühle in seiner Brust, allein die Liebe zu Fabian gab den Ausschlag und so beugte der Riese vor dem schurkischen Mischblut sein Knie.
»Herr meines Lebens,« brüllte Josef mit flammendem Gesicht, »wie kannst und darfst Du Dich vor einem Räuber ohne Treu und Glauben so demüthigen! Komm, alter Freund, und laß uns diesen Schuft da drüben züchtigen, wie er es verdient!« Bei den letzten Worten sprang der ungestüme Jäger zurück zu dem Rande der Felsplatte und klomm, gleich einer Gemse, die steile Wand hinunter.
»Ah, ist es so gemeint?« schrie Mischblut höhnisch und schlug blitzschnell die Büchse auf den alten Jäger an, welcher noch immer kniete und um das Leben seines einzigen Kindes flehte. Allein Gott verläßt keines seiner Kinder, die an ihn glauben, und zu des ehrlichen Canadiers Rettung sandte er die Regenströme hernieder, welche das Pulver in dem Gewehre des Mestizen verdarben. Vergeblich schlug der Hahn auf die Zündpfanne – einige Funken sprühten aus dem Steine, aber der Schuß versagte.
Dagegen hatte dieser Mordversuch gegen einen bittenden, unbewaffneten Feind den gerechten Zorn des Canadiers entflammt und er richtete sich jetzt in seiner ganzen Größe auf, fest entschlossen, von seinem guten Messer Gebrauch zu machen. Rasch folgte er Josef nach, der bereits um den Hag des Goldthales bog. Eine wimmernde, flehende Stimme machte dort die beiden Jäger für ein paar Augenblicke stutzen, als sie aber an dem Tone erkannten, daß der Hilferufende nicht Fabian sei, kletterten sie schnell an dem gegenüberliegenden Felsen empor.
»Hahaha!« lachte Josef wüthend, »die Spitzbuben haben sich aus dem Staube gemacht! Und der hochnäsige Mestize setzte sein langen Beine in Bewegung und zieht sich nach dem Gipfel der Nebelberge zurück.«
»Wenn Du nicht ebenso feig, als grausam bist, so steh' uns!« schrie Rosenholz, mit vor Wuth bebender Stimme. »Mischblut ist kein Feigling!« schrie der Mestize zurück, »der Adler der Schneeberge und der Spottvogel werden ein drittes mal mit ihm zusammentreffen und dann soll es ihnen ergehen, wie dem jungen Krieger aus Mittag, den die Indianer umtanzen und dessen Fleisch sie den Hunden der Prairie vorwerfen werden.«
»Oh, Du bestilenzialischer, halbrother Mordgeselle!« donnerte Josef und machte sich mit Rosenholz eilig auf den Weg, den Mestizen zu verfolgen. Nichts schien die beiden Jäger aufhalten zu können, weder die Hindernisse des Bodens, noch die schlüpfrigen Felsen; trotz alledem gelang es ihnen nicht, ihren Feind zu erreichen, der nur zu bald den Gipfel der Berge erreichte und gleich darauf in dem ewigen Nebel, der sie umgab, verschwand.
»Oh, hielt ich doch nur ein Gewehr in meinen Händen,« rief Josef zornig, indem er auf den vom Regen durchweichten Boden stampfte.
»Die Hoffnung meines Lebens ist erloschen«, sagte der alte Waldläufer mit gebrochener Stimme und, nach Athem ringend, setzte er sich für einige Augenblicke auf einen Felsblock und schien es nicht zu fühlen, wie der strömende Regen ihm die entblößte Stirn näßte. Allein so sehr auch die Fluthen des Himmels die gebräunte Stirn ihm kühlten, vermochten sie dennoch nicht den düstern, gewaltigen Kummer, der sich auf ihr malte, zu vertilgen.
»Komm, alter Freund,« sprach ihm Josef zu, »ermanne Dich und laß uns die Spuren der Feinde verfolgen.«
»Ja ... ja!« ächzte der arme alte Jäger und klomm mit dem Gefährten weiter die Berge empor, um die Spuren der Feinde zu finden. Ader überall war der Boden feucht und der Regen hatte jeden Fußtritt vermischt, dazu kam, daß die Nacht rasch heranrückte, und so verschwanden die beiden Freunde bald selbst in den Nebeldünsten der Berge.
Von der Ebene herauf brüllte der Orkan – bald krachte der Donner, bald knisterte der Blitz und sein bläuliches Licht erhellte das Goldthal, die Savane und die Pyramide; das Pferdescelett leuchtete zwischen den beiden Tannenbäumen, die in der Gewalt des Sturmes wie bescheidene Veilchen in der Spalte eines Felsens zitterten, und das bläuliche Licht der zuckenden Blitze suchte das Goldthal auf und beleuchtete dort eine elende Jammergestalt, die auf den Schätzen ruhte, nach denen sie sich Zeit ihres Lebens gesehnt. Cuchillo war von Josefs Kugel zwar schwer verwundet, aber nicht getödtet worden und lag jetzt mit zerbrochenen Armen und Beinen auf den Goldkieseln, deren scharfe Kanten und Ecken seine Schmerzen noch erhöhten. Er war es gewesen, der den Hilferuf ausstieß, als Josef und Rosenholz das Goldthal umschritten hatten. Zum erstenmale in seinem Leben betete der Schurke zu Gott, ihn um ein rasches Ende bittend – und zu jedem Blitz, der in wildem Zickzack in das Goldthal herniederfuhr, sah er sehnsüchtig empor, hoffend, daß er ihn treffen und seinen Qualen ein Ende machen werde. Aber, siehe da! eine Menge von Blitzen fuhr in die goldenen Schätze und wirbelte die grüne Decke auf, welche Josef vor Kurzem darüber gebreitet, allein kein einziger Wetterstrahl erbarmte sich des schurkischen Cuchillo. Sein Schicksal war entschieden; alle die Reichthümer, die das Goldthal barg, gehörten ihm, und doch vermochten sie ihm zu keinem Bissen Brode zu verhelfen, und der reiche Mann mußte, angesichts des blitzenden Goldes, elend verhungern. .....Gott ist gerecht! ...
In dem grellen Lichte der zuckenden Blitze tauchten aber auch die beiden Jäger auf, von denen der eine den andern zu trösten suchte. Beide warfen kummervolle Blicke in die gähnende Schlucht zu ihren Füßen und noch unzählige Male rief der Canadier mit gebrochener Stimme den Namen seines lieben Kindes; allein keine menschliche Stimme antwortete, nur der Wind heulte seine monotone Melodie, theils an den eisgrauen Bergesgipfeln sich brechend, die dann wie die Pfeifen einer gigantischen Orgel unter dem Athem des Ewigen zu brausen schienen, theils in die Schluchten hinabfahrend und wehmüthige Klagen anstimmend. Und als der Gewittersturm sich endlich ausgerast hatte, strich der seufzende Wind leise kosend über die Leiche eines Indianers, dessen Mund halb offen stand, gleichsam als habe er im Todeskampfe die Namen zweier geliebter Wesen vor sich hin gelallt, die nun eine Wittwe und eine vaterlose Waise waren.
So küßte der Seufzer des Windes den todten Windseufzer, der nur eine armselige Rothhaut gewesen war und dennoch den Funken der Liebe, die ewig ist, in seinem Herzen herumgetragen hatte.