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Wir verlassen den Schurken einstweilen und kehren zu unseren Freunden zurück, die sich soeben anschickten, eine heilige Pflicht zu erfüllen, d. h. Don Antonio's irdische Ueberreste würdig zu bestatten. Nach einer kurzen Beratschlagung hoben Rosenholz und Josef den Leichnam empor und trugen ihn auf den Gipfel der Pyramide, um ihn dort im Grabe des indianischen Häuptlings zu bergen, denn der Aberglaube, der diesen Ort schützte, sicherte den todten Körper vor einer Entweihung durch Menschenhände, und die Steine, welche die enge Felsenspalte bedeckten, schützten ihn vor den den Berg umkreisenden Raubvögeln. Unterdessen rückte die Sonne mehr und mehr nach Westen und die schimmernden Lichter im Goldthal erloschen; noch wenige Stunden und der Abend brach herein. Dies veranlaßte den Canadier zu der Frage:
»Sollen wir die Nacht in dieser unheimlichen Gegend zubringen, oder die freie Ebene wieder aufsuchen?«
»Nach meiner Meinung«, entgegnete Josef, »begehen wir eine große Unvorsichtigkeit, wenn wir für diese Nacht unser Haupt hier betten.«
»Und warum, alter Junge?« fragte der Canadier. »Wo können wir eine festere und vorteilhaftere Stellung finden, als auf dieser Höhe?«
»Wir haben Cuchillo entwischen lassen und wer steht uns dafür, daß der Hallunke in das Lager zurückkehrt und die ganze Mannschaft uns noch heute Abend auf den Hals hetzt?«
»Das glaube ich schon deshalb nicht, weil dem Spitzbuben Alles daran liegt, die Schätze des Goldthals für sich allein einzuheimsen,« widersprach der Canadier.
»Möglich,« sagte Josef achselzuckend, »trotz alledem halte ich es für das Beste, die ganze Nacht tüchtig zu marschiren und die Richtung nach Tubac einzuschlagen. Außerdem haben wir dem armen Scalpirten unser Wort gegeben, ihn baldigst aus seinem Versteck zu erlösen.«
»Ich wette, daß er vor Erschöpfung den ganzen Tag über geschlafen hat,« hielt Rosenholz dem Freunde entgegen, »zudem befindet er sich in voller Sicherheit und hat Wasser. Wie denkst Du über die Sache, Fabian? Sollen wir die Pyramide verlassen oder nicht?«
»Wenn es Ihnen recht ist,« antwortete der Jüngling, »so bleiben wir, wo wir sind, denn mein Herz sehnt sich nach Ruhe und Sammlung.«
»Meinetwegen denn,« brummte Josef, »gebe Gott, daß Dein Vorschlag, Rosenholz, uns nicht abermals in Noth und Gefahr bringe, wie es vor Kurzem auf der Insel geschehen ist. Jedenfalls halte ich es nicht für überflüssig, zwei von den großen flachen Steinen, die hier auf dem Felskegel umherliegen, aufzurichten und eine Verschanzung herzustellen, um im Nothfalle vor feindlichen Kugeln geschützt zu sein.«
Der Canadier nickte beistimmend und warf, nachdem diese Vorsichtsmaßregel getroffen, einen Blick ruhiger Befriedigung umher.
»Unser Mundvorrath geht auch auf die Neige,« brummte Josef abermals, »und wir reichen kaum noch zwei Tage damit.«
»Um so größer ist unser Vorrath an Pulver und Blei,« lachte Rosenholz. »Das Beste, was wir jetzt thun können, ist, ein wenig zu essen, denn wir haben lange genug gehungert.« Und mit scheinbarer Sorglosigkeit machte er sich an das frugale Mahl, an welchem Josef und Fabian theilnahmen.
Unterdessen war die Nacht schnell hereingebrochen, die Sterne begannen zu funkeln und Nebel wallten über den Fluß, immer höher und höher steigend, bis sie endlich die Gipfel der Felsen einhüllten.
Trotz der Gegenvorstellung des Canadiers bestand Fabian darauf, die erste Nachtwache zu übernehmen, und so legte sich denn Rosenholz an Josefs Seite nieder, um für einige Zeit die trübe Gegenwart zu vergessen. Fabian hüllte sich fester in sein Wamms und richtete seine Blicke dem Westen zu, von wo die Gefahr vornehmlich kommen konnte. Langsam stieg der Mond am Himmel auf und sein Licht entlockte den in dem engen Thale herumliegenden Goldbergen bläuliche Blitze. Fabian hatte für dieses Schauspiel nur ein verächtliches Lächeln und immer mehr wurde sein Herz von der Ueberzeugung durchdrungen, daß innere Zufriedenheit der größte Schatz sei, den der Mensch auf dieser Erde erringen könne. Unterdessen hatte Rosenholz schon wieder ausgeschlafen und öffnete die Augen.
»Nichts Neues?« fragte er Fabian, und dieser schüttelte den Kopf. »So komm her, Kind, und nimm meinen Platz ein, ich werde jetzt wachen.«
Eben wollte Fabian verneinend antworten, als ein klagendes Geheul aus der Ebene zu ihnen emporstieg, und bei dem schwachen Scheine der Mondsichel erblickte der Jüngling mehrere schwarze Gestalten.
»Es sind Wölfe,« belehrte der Canadier, »herbeigelockt von dem frischen Blute und dem Pferdecadaver, den wir da unten in der Ebene liegen gelassen haben.«
»Warum aber heulen diese Bestien so kläglich?« fragte Fabian. »So viel ich weiß, thun sie es nur dann, wenn sie Menschen wittern.«
Entfernte Büchsenschüsse schienen die Vermuthung des Jünglings zu bestätigen.
»Aha,« meinte Rosenholz, »die Mexikaner und die Apachen statten sich wieder einmal einen Besuch ab. Nach dem Schall der Schüsse zu urtheilen, findet der Kampf jedoch in großer Entfernung von hier statt und wir haben nichts zu befürchten. Gieb Dich ohne Sorgen dem Schlafe hin, mein Kind, er wird Dich stärken und Du bedarfst neuer Kräfte.«
»Nun wol,« erwiderte Fabian seufzend, »ich werde es versuchen.« Und mehr, um Rosenholz gefällig zu sein, als ein Bedürfniß zu befriedigen, das er nicht empfand, streckte Fabian sich neben Josef am Boden aus. Bald deuteten aber seine tiefen Athemzüge an, daß ein sanfter Schlaf ihn umfangen hatte, und mit einem wahrhaft mütterlichen Lächeln blickte der alte Jäger auf seinen Liebling, wie er es gethan, als Fabian noch ein Kind gewesen.
Zwei Stunden hatte der treue Wächter so dagesessen, da stieg vom Fuß der Pyramide ein unbestimmtes Geräusch auf und Fabian erwachte.
»Ist etwas vorgefallen?« fragte der Jüngling.
»Nicht das Geringste, mein Kind, nur ein halb Dutzend Schakale spazieren da unten auf und ab und scharren in der mit Blut getränkten Erde herum.«
»Ich vernehme noch ein anderes Geräusch,« mischte sich jetzt Josef, der gleichfalls erwacht war, in's Gespräch. »Es rührt von Flintenschüssen her und rückt bald näher, bald ferner.«
Der Canadier und Fabian horchten, dann sagte ersterer: »Du hast recht, Josef; das Lager der Mexikaner ist von den Apachen wieder angegriffen und die Verschanzungen desselben sind aller Wahrscheinlichkeit nach erstürmt worden. Der Kampf scheint, nach dem bald nahen, bald fernen Schalle der Flintenschüsse zu urtheilen, in der Ebene stattzufinden.«
»Dann bezeichnet jeder Schuß einen fallenden Menschen,« versetzte Josef düster, »und die Apachen werden eine reiche Ernte an Kopfhäuten halten. Wehe uns, wenn die Indianer die Abenteurer alle vertilgen, denn bis jetzt hat die Nachbarschaft der Expedition uns vor einem Besuch der Rothhäute geschützt.«
Diese Behauptung erwies sich als vollkommen richtig.
Der Schwarzvogel war, nachdem sich zu seinem großen Aerger am nächsten Morgen herausgestellt, daß die drei Jäger sich geflüchtet, und alle Nachforschungen nach ihnen und der Insel sich als vergeblich gezeigt hatten, der Schwarzvogel – sagen wir – war mit seiner Schaar bei dem Hauptcorps der Apachen eingetroffen und baute auf die Mittheilung, daß die beiden Anführer der Mejikaner das Lager verlassen hatten, seinen Kriegsplan. Er wußte, daß die Goldsucher leicht zu überlisten seien, so lange der Mann, der für sie Alle dachte, nicht in der Nähe war. Demzufolge näherte sich denn auch der Schwarzvogel mit einem kleinen Gefolge in scheinbar friedlicher Absicht dem Lager und begann zu unterhandeln. Bei dieser Gelegenheit folgte unbemerkt ein Indianer nach dem andern in das Lager der Mejikaner nach, die in ängstlicher Spannung die Rückkehr Don Estevans und seines Begleiters erwarteten und außerordentlich klug zu handeln glaubten, die Friedensverhandlungen mit dem Schwarzvogel in die Länge zu ziehen. Als aber der Abend nahte und der Apachenhäuptling die nöthige Anzahl von Stammesgenossen um sich versammelt sah, ließ er einen schrillen Pfiff ertönen, der das Zeichen zum Angriff gab. Es hielt nicht schwer, die vor Schrecken halb starren Mejikaner zu überwältigen, dennoch gestaltete sich der Kampf sehr blutig, namentlich als die armen Ueberfallenen Miene machten, sich ihren grausamen Feinden durch die Flucht zu entziehen.
Dieser eilige Rückzug war denn auch die Ursache, daß unsere drei Freunde auf der Pyramide das Geknatter der Flintenschüsse vernahmen. Der Schall der Letzteren nahm an Stärke stätig zu, und somit lag die Gefahr nahe, daß irgend ein Flüchtling sich dem Felskegel nähern und dadurch eine Horde von Indianern herbeiziehen konnte.
»Werde einmal ein wenig recognosciren,« brummte Josef und stieg langsam in die Ebene hinab. Der Mond warf eben seinen letzten Zauberschein auf das Goldthal, als Josef vorsichtig durch den grünen Vorhang der Baumwollenstauden und Weiden lugte. Einige Augenblicke labte er den Blick an den bläulichen Blitzen der Goldkiesel, dann sagte er vor sich hin: »Es wäre meiner Seel' das Beste, diesen verfluchten Mammon dem Auge jedes Wanderers zu entziehen; so manches Verbrechen würde dadurch unmöglich und so manche Seele vor ihrem ewigen Verderben bewahrt werden.« Und indem er diese Worte sprach, zog er sein Messer heraus, schnitt einige Arme voll Gras, Binsen und Lianen (Schlingpflanzen) ab und bedeckte damit sorgfältig den Schatz. Der letzte Schein des funkelnden Goldes war unter diesem grünen Schleier verschwunden.
Nach einer kurzen Wanderung kehrte Josef auf den Gipfel der Felspyramide zurück, wo der alte Rosenholz soeben abermals seiner Freude darüber, daß Fabian mit ihm fortan in der Savane leben wollte, Ausdruck verlieh.
»Glaube mir, mein Kind,« rief der alte Jäger überselig aus, »Du hast das rechte Theil erwählt. Der Reichthum härtet zumeist das Menschenherz zu Stein und verweichlicht und schwächt den Körper. Wir wollen uns wieder sprechen, ob das erste Fischotterfell, das Du verkaufst, Dir nicht mehr Freude macht, als die Scheffel Goldes, die Du hier zusammenraffen könntest. Unter meiner Leitung sollst Du ein trefflicher Schütze werden, wie es seiner Zeit Josef geworden ist, und dann sind wir drei der glücklichsten Menschen von der Welt. Es fehlt Dir jetzt nur noch eine gute Kentuckybüchse, mein Kind, und ich hoffe, daß sich irgendwo eine gute Seele finden wird, die uns eine solche auf Credit giebt.«
»Ist nicht nöthig,« lachte Josef, »ich habe von dem Golde da unten so viel mitgenommen, daß wir die Büchse baar bezahlen können.« Und mit triumphirender Miene zeigte er den beiden Freunden ein nußgroßes Goldstück, das einzige, das er sich erlaubt hatte, dem Goldthale zu entführen.
»Der Wind weht jetzt frischer,« hub der Canadier nach kurzer Pause an, »und die Schakale haben aufgehört, zu heulen, der beste Beweis, daß die Morgendämmerung nicht mehr fern ist. Machen wir uns daher auf den Weg, um zuvörderst unseren armen Scalpirten seiner Einsamkeit zu entreißen. Mittlerweile wird uns das Tageslicht anzeigen, welche Richtung wir einschlagen müssen, um nicht mitten unter die Indianer zu gerathen, an Spuren kann es in dem thaudurchnäßten Boden nicht fehlen.«
Kaum hatten die Freunde sich von ihren Plätzen erhoben, als sie durch die Stille der Nacht die Aufschläge eines über die Ebene dahingaloppirenden Pferdes vernahmen. Nach einem ängstlichen Lauschen äußerte der Canadier:
»Es ist wahrscheinlich einer der Goldsucher aus dem mejikanischen Lager, der hier eine Zufluchtsstätte sucht.«
Der Reiter näherte sich rasch der Pyramide und in dem herrschenden Halbdunkel erkannten die drei Freunde, daß der Fremde zu den Weißgesichtern gehöre.
»Halloh, Freund, wer seid Ihr?« rief ihn Rosenholz an.
»Ein Freund, wie Ihr sagt,« antwortete der Reiter, an dessen Stimme die drei Jäger sofort Pedro Diaz wieder erkannten.
Er fuhr jetzt fort: »Hört aufmerksam auf meine Worte und macht Euch zu Nutze, was ich Euch sagen werde.«
»Sollen wir zu Ihnen herabkommen?« fragte Fabian.
»Nein, denn es würde Euch schwerlich soviel Zeit bleiben, um ungefährdet Eure Verschanzung wieder zu erreichen. Die Indianer sind Herren der Ebene und meine Kameraden fast sämmtlich im Kampfe gefallen; ich selbst bin nur mit Mühe dem Blutbade entronnen.«
»Wir haben das Gewehrfeuer gehört,« rief Josef.
»Unterbrecht mich nicht,« rief Diaz, »denn die Zeit drängt. Der Zufall hat mich soeben einen Spitzbuben entdecken lassen, den Ihr nicht hättet entkommen lassen sollen. Ich meine Cuchillo. Der Schurke folgte mir gestern Abend heimlich nach, um mich hinterrücks zu erschießen. Glücklicherweise entdeckte ich ihn noch rechtzeitig und es gelang mir, ihn zu umgehen, so daß er zuletzt vor mir herjagen mußte. Er führt soeben zwei Wüstenräuber und außerdem eine Anzahl von Apachen hierher, und ich bin dem Trupp nur einige Minuten voraus. Darum lebt wohl. Was mich anlangt, so will ich in einiger Entfernung von hier Freunde benachrichtigen, die gleichfalls in Gefahr schweben, wie ich aus einem Gespräch, das die Räuber ziemlich laut mit einander geführt, vernommen habe. Wenn Ihr den Schurken zu entrinnen vermögt, so sucht den rothen Fluß auf. An der Stelle, wo er sich gabelförmig theilt, werdet Ihr Tapfere finden, die ...«
Ein von unsichtbarer Hand abgeschossener Pfeil flog dicht an Diaz vorüber und unterbrach ihn in seiner Rede. Er gab seinem Pferde die Sporen und rief noch zur Pyramide hinauf:
»Schildwache, aufgemerkt!« Und während Diaz in der Dunkelheit verschwand, wiederholte das Echo den Alarmruf. Gleichzeitig ließ sich auf verschiedenen Punkten der Ebene ein klägliches Wolfsgeheul vernehmen.
»Es sind die Indianer,« murmelte Rosenholz, »sie ahmen die Stimmen der Bestien nach, welche noch vor wenig Minuten hier herumschnüffelten. Die dummen Teufel glauben, uns alte Jäger hinter's Licht zu führen.«
»Oh, diese Schafsköpfe,« lachte Josef höhnisch, »wollen ihnen schon Kugeln die Menge auf ihre Pelze brennen.«
»So hat also Cuchillo mit den Indianern ein Freundschaftsbündniß geschlossen?« wandte sich Fabian jetzt an Rosenholz. »Was in aller Welt kann er damit bezwecken, und wie mag es ihm gelungen sein, die Apachen für sich zu gewinnen?«
Der Canadier und Josef gaben sich alle Mühe, diese Frage zu beantworten, vermochten aber trotz alledem die wahre Ursache, welche der neuen Schurkerei des Gambusino zu Grunde liegen mochte, nicht herauszufinden. Dem jungen Leser dagegen soll sie nicht verborgen bleiben.
Wie wir wissen, war es Pedro Diaz gelungen, den heimtückischen Cuchillo, der es auf sein Leben abgesehen hatte, vor sich her zu treiben, und zwar in der Richtung auf das mexikanische Lager zu. Als entfernte Flintenschüsse Cuchillo ahnen ließen, daß die Mannschaften des Lagers in einen abermaligen Kampf mit den Indianern verwickelt seien, zügelte er für einen Augenblick sein Roß, und obwohl Vor- und Rückwärtsgehen gleich gefährlich war, entschloß er sich doch zu dem letzteren. Kaum merkte indessen Diaz seine Absicht, als er seine Büchse auf ihn anlegte und aus der Entfernung ihm zurief: »Feiger Mörder, Du sollst in meiner Gegenwart nicht zum zweitenmale fliehen, das schwöre ich bei Allem, was mir heilig ist!« Vielleicht würde Cuchillo dennoch den Versuch gewagt haben, wären er und Diaz nicht von einer Anzahl Apachen umringt und der Feigling auf diese Weise gezwungen worden, an dem tödtlichen Kampfe teilzunehmen, den er so gern vermieden hätte. Diaz gelang es, den Händen eines Indianers einen Tomahawk zu entreißen und er bediente sich desselben mit furchtbarem Erfolge; da die Apachen ihm jedoch an Zahl weit überlegen waren, suchte er schließlich sein Heil in der Flucht und gelangte auf Umwegen in das Goldthal, um die drei Freunde vor der ihnen drohenden Gefahr zu warnen. Cuchillo dagegen war von den Indianern gefangen und in das Lager geführt worden, welches sich, wie wir wissen, innerhalb des kleinen Gehölzes befand. Alles Bitten und Flehen des Ehrenmannes nützte nichts, er wurde mit Händen und Füßen an einen Eisenbaum festgebunden, den die Indianer alsbald in wilden und tollen Sprüngen umtanzten.
Der Schwarzvogel, welcher inzwischen auf seinem Rosse herangekommen und noch im Innersten seiner Seele ergrimmt war über das Entkommen des Waldläufers und seiner Gefährten, ergötzte sich an dem zitternden Gefangenen, der Blicke tödtlichster Angst um sich warf.
»Der weiße Mann erbebt schon jetzt, wie der Stamm einer jungen Espe,« rief der Häuptling mit einem verächtlichen Lächeln, »was wird er thun, wenn meine Leute ihm die Haut vom Kopfe schälen und siedendes Fett von den Körpern seiner todten Brüder in die Wunde gießen werden?«
Es war jedenfalls gut für Cuchillo, daß er die indianische Sprache nicht verstand, denn sonst hätte er vor Angst geradezu wahnsinnig werden müssen. Als er aber bei dem Scheine der brennenden Wachtfeuer bemerkte, wie die Apachen aus den Beschlägen, welche sie von den Wagen im mejikanischen Lager erbeutet hatten, Folterwerkzeuge formten und diese im Feuer glühend machten, als er rings um sich Pfähle spitzen und Messer schärfen sah, begann er in entsetzlicher Weise zu stöhnen.
Ein Apache mit überaus grimmigem Gesichte näherte sich ihm jetzt. Er hatte in dem Kampfe gegen die Goldsucher eine ziemlich erhebliche Wunde davongetragen, welche von einer Schulter zur anderen ging. Trotz des Rindenverbandes strömte das Blut noch immer hervor und er tauchte seine Finger hinein, malte auf das Antlitz Cuchillos eine Linie, welche von der Stirn bis zum Kinn lief und sprach die drohenden Worte: »Die Antilope ist schwer verwundet, darum will sie ihre Rache haben. Die rechte Seite des blassen Gesichts – Stirn, Auge und Wange – gehören ihr, und sie wird sie dem Weißen abreißen, so lange er noch am Leben ist.«
Ein anderer Apache trat jetzt an seine Stelle und sagte in gebrochenem Spanisch: »Der Scalp des Bleichgesichts gehört dem fleißigen Biber, denn er war der Erste, der die Fremden erblickte. Er wird den Scalp in seinem Wigwam (Hütte des nordamerikanischen Indianers) dörren.«
Cuchillo erstarrte das Blut in den Adern und seine Seelenqual stieg von Minute zu Minute, denn ein Indianer nach dem andern verkündete ihm neue Marterqualen, die er erleiden sollte.
Nachdem dies geschehen, zogen sich die wilden Söhne der Wüste einige zwanzig Schritte wieder weiter zurück, um auf das Zeichen des Schwarzvogels zu warten, die Marter beginnen zu dürfen. Schon hob der Häuptling die rechte Hand in die Höhe und schon stießen die Rothhäute ein dämonisches Gebrüll aus, als ein fremder Krieger in den Lichtkreis trat und die allgemeine Mordgier vorläufig dämpfte. Obwohl seine Kleidung viel Verwandtes mit der indianischen hatte, konnte er dennoch kein Apache sein. Er trug ein mit allerlei Zierrathen besetztes rothes Wamms, lederne Gamaschen, an denen Fransen und kleine Schellen hingen, grüne Mocassins und über der Schulter eine gelbe Decke. Aus dem ledernen Leibgurt blitzte ein langes Messer, ein Tomahawk hing von einem Wehrgehänge herab und eine Büchse, deren Schaft mit kupfernen Nägeln übersäet war, ruhte auf des Fremden Schulter. Sein dickes schwarzes Haar war vermittelst scharlachrother Bänder zusammengebunden, und dieser indianische Kopfputz paßte vortrefflich zu seinem scharf markirten Gesicht mit der hervorspringenden Adlernase und den kleinen, stechenden Augen, die eine Vorliebe zur Grausamkeit bekundeten.
Der Ankömmling grüßte die versammelten Indianer in ernster Weise mit der Hand, während sein Name »El Mestizo« (Mischblut, d. h. Sohn eines Weißen und einer Indianerin), von Mund zu Munde lief. In seinem ganzen Wesen lag etwas Stolzes und Herausforderndes, denn er war sich bewußt, nicht nur einer der besten Schützen und tapfersten Tigertödter zu sein, sondern auch bei Weißen und Indianern in gewaltigem Respekt zu stehen.
Nachdem er den zitternden Cuchillo eine Weile betrachtet, wandte er sich an den Schwarzvogel und sagte:
»Meine rothen Freunde feiern, wie ich sehe, ein Fest; ich hoffe, daß meine Gegenwart ihre Freude nicht stören wird.«
»Der große Jäger El Mestizo ist ein Freund der Indianer und ihnen willkommen!« riefen die wilden Söhne der Wüste durcheinander.
Unterdessen redete Mischblut den Gefangenen in englischer Sprache an, da er jedoch diese nicht verstand, wiederholte er die nämlichen Worte auf Spanisch. Cuchillo stieß, als er die Laute seiner Muttersprache vernahm, einen Freudenschrei aus und rief:
»O, retten Sie mich von dem gräßlichen Tode, der meiner wartet, Señor, und ich verhelfe Ihnen zu soviel Gold, daß Sie ein Königreich dafür kaufen können.«
In den unheimlich funkelnden Augen Mischbluts leuchtete eine habgierige Freude auf, und nachdem er Cuchillo einige Augenblicke angestarrt hatte, trat er dicht an ihn heran und flüsterte:
»Sprecht Ihr die Wahrheit oder wollt Ihr nur Zeit zu Eurer Rettung gewinnen?«
»Ich schwöre Ihnen, Señor,« fuhr Cuchillo, die Hände ringend fort, »daß Alles, was ich Ihnen gesagt, ebenso wahr ist, als daß ich hier einen gräßlichen Tod sterben muß, wenn Ihre Dazwischenkunft mich nicht zu retten vermag. Befreien Sie mich aus den Händen dieser rothen Teufel und folgen Sie mir; nehmen Sie zehn, zwanzig, dreißig Krieger mit, ganz wie es Ihnen beliebt, und wenn ich Sie nicht bis zum Tagesanbruch zu dem reichsten Goldlager dieser Einöden hinführe, so mögen Sie mir die entsetzlichsten Qualen aufbürden.«
Mischblut sann einen Augenblick nach, dann flüsterte er Cuchillo zu: »Nun wohl, ich werde versuchen, Euch aus den Händen der Apachen zu befreien. Allein so lieb Euch Euer Leben ist, kein Wort mehr, denn die Indianer dürfen mein Vorhaben nicht ahnen. Still! Man hört uns zu.« Und in der That schloß sich der Kreis der Apachen, die vor Verlangen brannten, ihr Fest endlich zu beginnen, immer enger und ihr dumpfes Gemurmel weissagte nichts Gutes. Mischblut fuhr jetzt mit lauter Stimme, und zwar in indianischer Sprache fort: »Ich werde den Ohren des Häuptlings die Worte des Bleichgesichts überbringen.« Dann wandte er sich den Apachen zu und rief mit drohender Stimme und einem gebieterischen Blicke, der die Verwegensten zurückbeben machte: »Wage es Keiner, den Gefangenen anzurühren, bevor Mischblut mit dem Häuptling gesprochen hat.«
Die Unterredung zwischen dem Mestizen und dem Häuptling zog sich jedoch in eine bedenkliche Länge.
Der Schwarzvogel schien eine gänzlich andere Ansicht zu haben, Mischblut deutete auf die Kette der Nebelberge und begann heftig zu gesticuliren; trotz alledem blieb der Häuptling noch immer unentschlossen und von Neuem erbebte Cuchillo, als er jetzt den Mestizen eine träumerische, traurige Miene annehmen sah. Er flüsterte, wie zum Abschied, noch einige Worte in das Ohr des Schwarzvogels und wollte sich offenbar wieder von ihm entfernen, – der Häuptling aber fuhr zusammen, wie Einer, dem man unerwartet den Namen seines erbittertsten Feindes genannt hat.
Ueber das Antlitz Mischbluts glitt flüchtig ein hämisches Lächeln und er fuhr nach einer Pause in einem so lauten Tone, daß ein Jeder seine Worte vernehmen konnte, fort: »Was ist dieser furchtsame Hase, den Ihr dort an den Baum gebunden, gegen Brennstrahl, den Indianer mit starkem Herzen und stählernen Muskeln, den ich in Eure Gewalt liefern will, sobald Ihr mir den Hasen da überlaßt? Wenn die Sonne dreimal geleuchtet haben wird, stoßen Mischblut und sein Vater Rothhand mit dem Schwarzvogel wieder zusammen, und zwar am Büffelsee, wo der Coloradostrom sich mit dem Gila vereinigt. Daselbst werden die Apachen auch Pferde erbeuten, welche die weißen Jäger für sie gefangen haben, und dort befindet sich auch der, welcher ...«
Der Schwarzvogel ließ seine Hand in die Mischbluts fallen und somit war der Handel abgeschlossen. Einen schadenfrohen Blick auf die in ihren Erwartungen getäuschten Apachen sendend, schritt der Mestize auf Cuchillo zu und löste mit wenigen Messerstichen seine Fesseln. Ohne auf die halb wahnsinnigen Danksagungen des Abenteurers zu hören, führte er ihn bei Seite und flüsterte in drohendem, hochmüthigem Tone: »Ich will hoffen, daß Ihr mich nicht getäuscht habt. Unser Weg geht jetzt nach den Nebelbergen. Ein Kamerad erwartet mich da unten und ich werde noch elf apachische Krieger mitnehmen.«
»Das ist eine sehr kleine Zahl,« sagte Cuchillo, zusammenschreckend, »denn der Schatz wird von zwei Männern bewacht, deren Büchsen nie ihr Ziel verfehlen.«
Mit einem Lächeln unsäglichen Stolzes erwiderte der Mestize, indem er auf seine schwere Büchse deutete: »Rothhand und ich haben noch nie vergebens nach einem Feinde gezielt, denn ihr Auge ist schärfer, als das des Falken und ihre Hand so sicher, wie der Lauf der Sonne.«
Während dieses kurzen Gesprächs hatten sich die Indianer marschbereit gemacht. Sie theilten sich in drei Parthien. Mit der Hauptmacht wandte sich der Schwarzvogel, trotz seines verwundeten Armes, dem Büffelsee zu; die Antilope brach mit zehn Kriegern nach der Stelle des Flusses auf, wo dieser sich gabelförmig theilt, um daselbst die Spur der drei Jäger zu suchen; während der Mestize mit Cuchillo und zwölf Apachen den nach dem Goldthale führenden Weg verfolgte.
Cuchillo war an der Seite Mischbluts, der ihn keine Secunde aus dem Auge ließ, etwa eine Stunde gewandert, als ein ganz sonderbarer, wüst aussehender Gesell zu ihnen stieß. Es war ein großer, magerer, weißbärtiger Greis, in dessen eckigem, backsteinrothem Gesicht zwei starre Augen glänzten und eine Adlernase thronte. Das lange, weiße Haupthaar, welches dereinst roth gewesen, war nach rückwärts in einen Büschel zusammengekämmt und wurde durch einen Riemen von Fischotterfell festgehalten. Seine Kleidung ähnelte jener Mischbluts auf ein Haar, und der aufmerksame Leser wird bereits errathen haben, daß der Fremde der Vater des Mestizen war. Mit einem mitleidlosen Herzen, einer teuflischen Grausamkeit und einem tollkühnen Muthe verbanden diese beiden Wüstenräuber den Vortheil, daß sie nicht nur der englischen, französischen und spanischen Sprache mächtig waren, sondern auch die an den Grenzen üblichen Dialekte kannten.
Nachdem wir nunmehr die Bekanntschaft dieser beiden Biedermänner gemacht, kehren wir zu unseren drei Freunden zurück, welche wir verlassen haben, als Diaz' Warnungsruf in der Ferne verhallte.