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Mazarins tiefe Schlauheit, sein zäher Wille, sein sicherer Glaube an den eigenen Erfolg, der nur manchmal durch vorübergehende Besorgnisse gestört wurde, die bei so viel Hass, Gefahren und Widerwärtigkeiten begreiflich erscheinen, hatten ihm den unwahrscheinlichsten und den vollkommensten Sieg gebracht. Der Eigennutz seiner Gegner, der sie zersplitterte, hatte ihm den Sieg erleichtert, die Liebe der Königin ihn ermöglicht: aber beides war in seinen Plänen vorgesehen, gleichsam Elemente seines Denkens: denn die Liebe der Königin hatte er von Anfang an als die unumgängliche Bedingung seines Ministeriums erkannt und gewollt, und die Korruption der Parteien war zum Teil sein Werk. Seine schmiegsame Elastizität, sein Mangel an Trotz und Würde, all seine sittlichen Mängel waren ihm zugute gekommen: die Widerstände trennen und zersetzen, entscheidende Worte oder Taten mit ihrer gefährlichen Unwiderruflichkeit vermeiden, bis der günstige Augenblick eintrat, die Zeit abwarten, weil die unheilvollen Stellungen sich ändern und verschieben wie die günstigen, das war seine bedenkliche Kunst. »Die Zeit und ich«, pflegte er zu sagen, ein spanisches Wort, das er bei Gracian gefunden haben mochte. So hatte er all die chaotischen wie die gesetzlichen Mächte in Frankreich besiegt, die sich gegen den Fremden empört, ihn so geräuschvoll und vergeblich auszuscheiden und zu vernichten gesucht hatten: »Quam frustra et murmure quanto!« Unter Wogen, die an einen Felsen schlugen, las man auf einer Medaille, die für ihn angefertigt wurde, diese Worte. Es war die Devise, die er für die Fahne seiner Infanterieregimenter sticken liess.
Wie ein durch Ermattung besiegtes Weib überliess sich Frankreich ihm hinfort ohne Liebe, aber in vollständigem Gehorsam. Dieser Mann, der so wenig von einem Herrscher im Wesen hatte, herrschte in den folgenden acht letzten Jahren seines Lebens, wie niemals Richelieu, wie kaum ein König vor ihm über Frankreich geherrscht hatte. Die Menschen beugten sich ihrem Besieger, wenn sie seine Waffen missachteten.
Wenige Wochen nach seiner Rückkehr gab die Stadt Paris ihm auf dem Rathaus ein Fest. Mazarin erschien mit einem Gefolge von Herzögen und Marschällen: der Vorstand der Kaufmannschaft und die Schöffen empfingen ihn; fast alle Stadträte waren versammelt, ihn zu feiern, und der Saal voll von Damen der Bürgerschaft, die den Mann sehen wollten, »der nicht seinesgleichen hatte« … »Der Kardinal sagte ihnen viele Artigkeiten und beschenkte sie mit Konfekt.« Auf der Place de Grève, wo sich wenige Monate vorher eine hasserfüllte mordlustige Menge gedrängt hatte, die bei seinem zum Schimpfwort gesunkenen Namen ein Wutgeschrei ausstiess, stand jetzt ein ehrfürchtig herandrängendes Volk, »das ihn segnete …« »der Kardinal zeigte sich wiederholt am Fenster und warf Geld unter die Leute, die es mit unglaublichem Jubel und Beifallsgeschrei aufsammelten. Alle Leute tranken auf seine Gesundheit …« »Ich befand mich aus Neugier dort,« erzählt der Graf Priorato, »und so hörte ich selbst, wie man ihn lobte und die Bosheit der Menschen tadelte, die seinen Ruf durch ihre Verleumdungen geschwärzt hatten. Als er fortging, sprach er auf der Treppe jeden freundlich an, der sich ihm vorstellte. Man hörte auch nicht ein Wort, das ihm hätte missfallen können; mit lauten jubelnden Zurufen drängten die Leute seinem Wagen nach. Seltsam war es und wunderbar, wie das Volk von den äussersten Beschimpfungen zu so übertriebenen Beweisen der Achtung und Ehrerbietung überging.« Man erzählte, ein Mann aus der Menge hätte gerufen: »Sie sind ja gar kein Mazarin, sondern ein ganz anständiger Mensch!«
Und wie die Bürgerschaft drängten sich der Adel, die Prinzen, die Geistlichkeit, die Beamten und Offiziere um ihn: es war ein »ruere in servitium« wie im alten Rom der Kaiserzeit. Denn gross ist der Erfolg und ein mächtiger Götze der Menschen. »Der Eminentissimus,« so schrieb der zürnende alte Dekan der medizinischen Fakultät Guy Patin in diesen Tagen an einen Freund, »ist nun wirklich das, was sein Titel besagt, und so mächtig wie Gott Vater im Anbeginn der Welt: Omnia quaecumque voluit fecit!« Für den Bischof von Rodez, den Lehrer des jungen Königs, der sich kürzlich gegen seine vorzeitige Rückkehr ausgesprochen hatte, ist er »jetzt der grösste, der weiseste, der glücklichste aller Staatsmänner, die je waren …« »Gott wolle, dass unser Fürst ganz erkenne, wie gross sein Glück ist, Sie zu besitzen!« schreibt er an ihn. Die Prinzessin von Savoyen-Carignan war ihm entgegengefahren, nur um die Ehre zu haben, seine Nichten in ihrem Wagen nach Paris zu bringen. »In seinem Vorzimmer drängten sich, die seine grössten Feinde gewesen waren … ich sah Leute von hohem Stand solche Niedrigkeiten begehen, dass ich nicht das sein möchte, was sie sind, wenn ich dafür das Gleiche hätte tun müssen,« schreibt La Porte, der Kammerdiener. Das Pariser Parlament, die obersten Richter Frankreichs, die ihn jedes schändlichen Verbrechens schuldig erklärt und auf seinen Kopf einen Preis gesetzt hatten, ernannten ihn jetzt zu ihrem Ehrenmitglied! Selbst für seine Anhänger und Diener wandelte sich sein Bild. Sehr respektlos hatte der ehemalige Kaufmannsgehilfe Colbert, der sein Verwalter geworden war, im Juni 1650 über seinen neuen Herrn, den Kardinal, an Le Tellier geschrieben: »Der Erfolg seiner Anwesenheit bei der Armee ist, den Generalen den Dienst zu verleiden,« oder später: »wir wissen nicht, wann unser Mann kommen wird, nur dass er kommt, ist gewiss;« und noch im Januar 1652: »unser Mann ist noch immer der gleiche, ja noch schlimmer: früher dachte er nie an den nächsten Tag, jetzt denkt er nicht von morgen bis mittag und arbeitet immer auf falschen Voraussetzungen.« »Unser Mann«, »notre homme«, oder auch »le patron«, so wurde er in dieser Zeit in ihren Briefen genannt. So sehr benahm der verächtliche Ton, den alle Welt sich gegen den Minister erlaubte, selbst seinen Dienern die Achtung vor ihm, so sehr sind die Menschen von dem abhängig, was ringsum sie geredet wird. Aber sie lernten um und beugten sich auch in ihren Seelen vor der Macht. Gnaden flossen aus Mazarins Händen dem strebenden Colbert und seinen Anverwandten zu: demütig und lauernd bewunderte er den herrschenden Mann. »Mein Geist ist von einem Grundzug des Eifers, der Verehrung, des Respekts und unendlicher Dankbarkeit für Eure Eminenz erfüllt,« heisst es jetzt in seinen Briefen. Und 1658 empfahl er seinem jüngeren Bruder, Charles Colbert, der an der Spitze der Regierung im Elsass stand, »die wunderbaren Grundsätze unseres Meisters« zu befolgen.
Doppelt seltsam ist es, wahrzunehmen, wie unter diesem vollkommen veränderten Ausdruck, der seiner veränderten Machtstellung folgte, unter der wirklichen Unterwerfung aller, ja unter einer veränderten Stimmung der Menschen gegen ihn, dennoch in den Seelen die gleiche Verachtung weiterbestand. Der Kardinal hörte nur mehr Worte der Schmeichelei und des Gehorsams; und der Widerstand gegen ihn war aufgegeben; aber in unbelauschten Tischgesprächen, in Briefen, die nicht in die unrechte Hand fallen konnten, in den geheimen Papieren, in die die Menschen ihre wirklichen Ansichten eintrugen, da äussern Hamilton und Saint-Evremond ihre feinen Ironien, Guy Patin und Retz ihre grobe Verachtung; und alle ihre Unzufriedenheit, ihre Geringschätzung, ihre Missbilligung. »Die Vernunft erforderte, dass ich mich ihm gegenüber verstellte,« schreibt Brienne, der bis zuletzt als Staatsekretär unter ihm diente, »da Seine Eminenz das ganze Vertrauen des Herrn und die ganze Macht besass, die die königliche Autorität gewähren konnte.« Ein anderes Mal spricht er, das Mitglied seines Kabinetts, vom »Einfluss eines Ministers, der allen anständigen Leuten verhasst war.«
Nichts vermochte dem Mann, dessen Erscheinung schön und stattlich, dessen Benehmen elegant und zuvorkommend, dessen Wirken bedeutend und erfolgreich war, Liebe oder wirkliche Achtung der Menschen zu verschaffen. Seine ausserordentliche Milde gewann ihm die Herzen nicht. Es ist beispiellos in der Geschichte, dass auf eine vierjährige Revolution keine blutige Verfolgung, keine Hinrichtungen, kein weisser Schrecken folgte. Nur einige wenige Personen, denen man nicht trauen konnte, wurden für kurze Zeit vom Hofe oder aus der Hauptstadt verwiesen; jedem, der es irgend wünschte, wurde vollkommen verziehen. Manchmal mit einem säuerlichen Lächeln, bisweilen mit feiner Ironie, meist aber mit vollkommener Liebenswürdigkeit, als wäre nie etwas gewesen, wurden die früheren Feinde und Schädiger aufgenommen, und soweit sie bereit und brauchbar waren, zu Werkzeugen und Dienern, zu Freunden und Verwandten gewählt. Scarron, der Verfasser der fürchterlichen »Mazarinade«, die er freilich verleugnete, konnte unbehelligt in Paris bleiben, ja, der kranke Krüppel konnte vom König eine Pension erbitten und erhalten. Pithou, der Versteigerer der Bibliothek, erhielt einige Jahre später auf seine Bitte einen Adelstitel bestätigt. Die lärmenden Frondeure des Parlaments, die einen Preis auf Mazarins Kopf gesetzt hatten, wurden mit der Zeit befördert; Offiziere, die unter Condé gegen den König gekämpft hatten, der Oberst Balthazar, der Marquis von Chouppes und sehr viele andere, wurden, wie vorher Bouillon und Turenne, wie später La Rochefoucauld, Coligny und andere adelige Herren, sobald sie kamen, in den königlichen Dienst übernommen. Broussel wurde übersehen und geduldet, Retz war jeder Weg zur Versöhnung geboten worden, ehe man sich zur Verhaftung entschlossen hatte. Die Königin war rachsüchtig: nach ihrem Willen wäre ganz anders vorgegangen worden; Ludwig XIV. verzieh in späteren Jahren nicht die leiseste Auflehnung; es war Mazarins Milde, die so verzieh; obwohl die ganze Bewegung ihn zur Zielscheibe ihres Hasses, sein Walten zum Vorwand des Bürgerkriegs genommen hatte, und kein anderer Mensch der Zeit so angegriffen, so geschmäht und verfolgt worden war.
Niemand bewunderte ihn dafür. Die Motteville meint, »seine Milde gegen seine Feinde könnte manchmal in der Güte seines Herzens ihren Grund gehabt haben«; sie spricht von einer »lobenswerten Hochherzigkeit«; man fühlt, sie bringt es nicht über sich, ein wärmeres Wort zu gebrauchen: die »lobenswerte Hochherzigkeit« des Kardinals hat sie nicht hingerissen. »Die Politik des Ministers war weder blutdürstig noch rachsüchtig,« sagt Hamilton. »Er nahm unser Geld und schonte unser Blut,« schreibt der Abbé von Choisy.
Mazarins Milde ist ein Problem. Sie war nicht Schwäche und war nicht Güte, denn der Mann war weder schwach noch gut. Kein noch so leises Zeichen warmer Menschenliebe erscheint in seinen Taten oder seinen Worten. Seine Seele war karg und kühl. Seine Liebenswürdigkeit, seine verzeihende Sanftmut waren Manier und Mittel. Im Haus und in seiner Familie, gegen alle die, die er nicht fürchtete, die von ihm abhingen, war er trocken und rauh, als müsste er sich von der Mühe erholen und erleichtern, die die stete Maske ihm schuf. Seine Milde war nicht Christentum, das bei ihm höchst äusserlich war. Vielleicht war seine grosse Kälte die Ursache seiner Milde: »er tat das Schlimme nur, wenn es nötig war,« er war nicht böse noch blutgierig, so wie er nicht gütig und nicht liebevoll war; er kannte nur Arger, nicht Zorn, und sein Strafen, wenn er strafte, war wie sein Verzeihen eine von keinem Affekt getrübte Berechnung. Und er musste rechnen, dass er ein Fremder war, dass, wenn er jetzt wirklich gestraft, wenn für ihn und durch ihn, wie einst für Auflehnungen gegen Richelieu, französisches Blut vergossen, die Köpfe französischer Edlen auf dem Schafott gefallen wären, man ihm dies noch viel weniger verziehen hätte und keine Versöhnung mit dem Volke, das er regieren wollte, möglich geblieben wäre. »Sie würden mich nur noch mehr hassen,« soll er zu Colbert und Ondedei gesagt haben, die zu grösserer Strenge rieten.
Der starre Stolz und der rasche Griff zum Schwert lagen nicht in seinem Wesen; er war ein Intellektueller und ein Rechner, ein Diplomat und Geschäftsmann, kein Aristokrat und kein Krieger. Und weil alle im Grunde dieser seiner Milde Furcht und Berechnung lasen, fand das heisse, kriegerische Volk sie würdelos und dankte sie ihm nicht.
Und alle sahen auch, dass er viel nahm und dass er schwer und wenig gab, dass er Versprechen nicht hielt, dass man Belohnungen für geleistete Dienste ihm entreissen musste; gerade die Treuesten, wie Du Plessis-Praslin, wie Fabert klagen, dass, weil er sich auf sie verlassen konnte und ihren Abfall oder geheime Feindschaft von ihrer Seite nicht zu fürchten brauchte, er für sie nichts tat, und selbst der Lohn, den er endlich gewährte, so spät kam, dass ihre Herzen gekränkt und verbittert wurden.
Man fühlte durch Ämter und Leistungen, durch die Eleganz des Auftretens, wie durch die nur beim ersten Mal gewinnende Rede, immer, wie Retz sagt, die gemeine Seele hindurch. »Le Vilain«, »der gemeine Mensch« war der Name, mit dem die Prinzen und ihre Anhänger den ihnen geistig so überlegenen Mann in ihren Briefen bezeichneten. Seinem Ruhm haftet noch heute ein Rest an, der nicht reinlich ist.
All das zischte und flüsterte leise um ihn, während er, von weihrauchstreuender Demut umgeben, seinen Weg der Herrschaft ging, der mächtigste Mann Frankreichs, zuletzt Europas. Das Verhältnis zur Königin war nun anerkannt, obwohl keine Zunge davon sprach, und mehrte seine Macht. Von den vielen, die es wussten oder ahnten, wurde es hingenommen und schweigend gutgeheissen.
Ihren Sohn, von dem er jetzt dem Anschein nach abhing, hatten manche gegen ihn aufzureizen versucht. Vornehmlich La Porte, der Kammerdiener, der zugleich sein erster Erzieher war. Man hatte ihn als kleines Kind gelehrt, vor dem Bilde des Kardinal Richelieu Schimpfworte zu sprechen; man brachte ihm ebenso leicht in den ersten Jahren eine Abneigung gegen seinen Nachfolger bei. »Ist der Kardinal noch immer bei Mama?« soll der Kleine gefragt haben. Von der Belagerung von Estampes erzählt La Porte, dass, als verstümmelte und verwundete Soldaten dem König bettelnd nachliefen, er keinen Pfennig zu geben hatte. Kurz vorher hatte der Finanzminister ihm hundert Louisdor als Taschengeld geschickt: am nächsten Tag sollte Moreau, einer der Diener der Königlichen Garderobe, Handschuhe für ihn kaufen. Traurig sagte der König, er habe kein Geld mehr. »Ich drang in ihn, er wollte nicht sagen, was er damit getan. Endlich erriet ich und fragte: ›Nicht wahr, der Herr Kardinal hat Ihnen das Geld abgenommen?‹ ›Ja,‹ sagte er, aber mit solcher Betrübnis, dass ich wohl merkte, wie bitter er es empfunden hatte.« … »Eines Tags in Compiègne, als er Seine Eminenz mit grossem Gefolge auf der Schlossterrasse sah, sagte der König so laut, dass Le Plessis, ein Edelmann der Schottengarde, es hörte: ›Da geht der Grosstürke!‹« – Das war gewesen, solange der König ein Knabe war; und darum musste La Porte jetzt nach der Rückkehr des Kardinals gehen, und all seine Versuche, sich zu rechtfertigen und wieder in Gnaden aufgenommen zu werden, auch die er lange nach dem Tode Mazarins machte, blieben vergeblich. La Porte erzählt noch viel schlimmere Dinge, die der Kardinal dem jungen König angetan hätte, aber aus seinem eigenen Bericht ist leicht zu erkennen, dass nur seine von Hass verwirrte Phantasie diese Dinge erfand und sah.
Auch andre behaupten, dass Ludwig XIV. den Kardinal im Grunde nicht leiden gemocht; und es mag solche Augenblicke gegeben haben. In seinen Memoiren, die er nicht geschrieben, aber zu denen er doch die Anweisungen gegeben und die er durchgesehen und gutgeheissen hat, sagt er von Mazarin: »Ein Minister, der sich gegen soviel Parteien behauptete, der sehr gewandt, sehr fähig war, der mich liebte und den ich liebte, der mir grosse Dienste erwiesen hatte, aber dessen Gedanken und Formen natürlich sehr verschieden von den meinen waren, und dem ich dennoch nicht entgegentreten, noch ihn desavouieren konnte, weil selbst durch die irrtümliche Annahme einer Ungnade ich vielleicht abermals die gleichen Stürme gegen ihn entfesselt hätte, die man bei meiner grossen Jugend mit solcher Mühe beruhigt hatte.« Auch in diesen Worten, die man den König sagen lässt, muss etwas Wahres liegen, wenn auch aus einer späteren Perspektive gesehen. Der Erfolg und die Leistungen Mazarins wurden ihm so klar gemacht; die Richtung und die Ziele des Ministers sagten seinen Wünschen so sehr zu, wenn auch vielleicht die Methode nicht; der Einfluss der Mutter, die Lehren und die Persönlichkeit des Kardinals, der ihn jetzt, da er wichtig war, sicherlich gewinnen wollte, und wohl auch Elemente, die wir nicht kennen, entschieden das Verhältnis. Frau von La Fayette spricht von einer »mit der Muttermilch eingesogenen Unterwürfigkeit«, und der venezianische Gesandte Nani berichtet an seine Regierung: »Der König liebt den Kardinal mit leidenschaftlichster Zuneigung.« Jedenfalls war Mazarin der einzige Mensch, vor dem, solange er lebte, Ludwig XIV. sich in Gehorsam gefügt hat. Und auch später noch, manches Jahr nach dem Tode des Kardinals, sagte er: »Ich erinnere mich, dass nur die Festigkeit, mit der die Königin, meine Mutter, den Kardinal Mazarin hielt, mein Reich gerettet hat.« Alle Briefe, wie alle Geschehnisse beweisen nur Ehrfurcht, Vertrauen und innige Dankbarkeit in den Beziehungen des jungen Königs zum Kardinal; es ist weit mehr der Gehorsam gegen einen Vater als der gegen einen Lehrer und einen Staatsmann, den man gewähren lässt. In den Briefen werden die Königin und ihr Sohn regelmässig als »la confidente« und »le confident«, als »diejenigen, die im Vertrauen sind«, bezeichnet. Erwägt man dies und das erstaunliche Verhältnis zwischen dem König und dem Kardinal, und wie es sich in dem einzigen schweren Konflikt, der noch vor ihnen lag, bewährte, so neigt man sehr zur Ansicht, dass Liselotte von der Pfalz recht unterrichtet war, und dass der Kardinal und die Königin durch irgendeinen geheimen und vielleicht missbräuchlichen, aber nicht mehr widerruflichen kirchlichen Akt verheiratet waren.
In solcher Stellung arbeitete er, von dem Widerstand des bezwungenen Volkes nicht mehr erschüttert, an seinem eigenen Glanz, den er sich nunmehr durch seine Familie gab, an der Mehrung seiner gierig geliebten Schätze, vor allem aber und am unermüdlichsten in seinem Amt und an seinem Werk. In einer Zeit, in der Prinzen des königlichen Hauses nicht zögerten, ihr Vaterland an die Spanier zu verraten, hat der Italiener und der Fremde trotz Hass und Verleumdung selbst in der Verbannung keinen Augenblick daran gedacht, sein Werk zu verraten oder aufzugeben. Ob er es tat, weil er mit jener eigenartigen Liebe des Intellekts zu seinem Gebiet, die mit vollkommener Kälte des Herzens verbunden sein kann, an diesem Werke hing, – ob aus Treue für das königliche Haus, ob aus eigennütziger Einsicht und Klugheit, weil er sein Schicksal an das französische Königshaus gebunden hatte, wer will das entscheiden? In der Geschichte Frankreichs und in seinem Verhältnis zu den europäischen Staaten, in politischen Gestaltungen, deren Folgen heute noch nicht ganz geschwunden sind, hat sein Wirken die tiefsten Spuren gelassen.