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Drittes Kapitel
Orléans und Saint-Antoine

»Ich hege Feindschaft gegen niemanden,« schrieb Mazarin von Poitiers an den Generalprokurator Foucquet in Paris, »selbst mit dem Coadjutor wollte er Freundschaft pflegen, und auch mit Herrn von Chavigny, wenn dieser nur auf den rechten Weg zurückkehren wollte …« War dies gleich Lüge, so lag doch seinem Wesen, dem die liebevollen wie die bösen Anwandlungen eines heissen Gemüts fehlten, nichts ferner als die Absicht, Rache zu nehmen. Er wünschte nur diejenigen, die er nicht gewinnen konnte, in möglichst sanfter Art zu entfernen und auch in ihnen die feindliche Gesinnung zu dämpfen, die Lust zur Rache zu betäuben. Er wollte keine Reibungen. Es fiel schon auf, dass er Herren des Hofes, die gegen ihn gewesen waren, nicht empfing oder kühl behandelte.

Er hatte auch erklärt, er käme nicht als Minister zurück. Da aber sogleich und unvermeidlich geschah, was er riet, da die Armee nach Norden abrückte und der Hof mit ihm, so gab Châteauneuf beleidigt seine Entlassung und ging nach Tours. Mazarin stellte sich, als wünschte er ihn herzlich festzuhalten: er wird ein salbungsvolles oder liebenswürdiges »Bleiben Sie uns!« gesprochen haben, beglückt, als der andere dennoch ging, und er ihn nicht zum Gehen zwingen musste. Dagegen kamen, ihm sehr erwünscht, zwei Männer an den Hof zurück, die Condé durch seine Rücksichtslosigkeit verloren hatte: der Herzog von Bouillon und sein Bruder, der Vicomte von Turenne. Mazarin wusste ihren Wert zu schätzen; zwar Sedan bekamen sie nicht zurück; aber der zehnjährigen erfolglosen Versuche müde, nahmen sie Herzogtümer, Grafschaften und Baronien, die man ihnen freigebig für die Festung bot, sowie den Rang auswärtiger Fürsten an. Bouillon wurde ins Kabinett berufen, Turenne erhielt zunächst ein Kommando über eine kleine Armee im Norden.

Am 2. Februar waren der Herzog und der Marschall an den Hof gekommen; eine Woche später hatte Châteauneuf ihn verlassen. Mazarins Rat und der Entschluss des Hofes waren unvermeidlich gewesen: in Anjou war ein Aufstand ausgebrochen, so dass die Loire gesperrt, der Hof im Süden abgeschnitten, die Armee im Norden und Paris selbst preisgegeben war.

Paris hatte mit der Entfernung des Hofes gleichsam den Schwerpunkt verloren: die Unruhen, die immer wieder aufloderten, schienen ungeordneter, sinn- und zielloser denn vorher. Im Parlament beteuerte Talon, »der Kardinal Mazarin sei der Gegenstand des allgemeinen Hasses, der Abscheu der souveränen Körperschaften, der Stein des Anstosses, durch den alle Unordnung im Lande hervorgerufen würde, zu dessen Vertreibung alle gesetzmässigen Wege recht und gut seien«; er schlug vor, »an Seine Heiligkeit, den Papst die Bitte zu richten, er möge diesen Kardinal mit Autorität und väterlicher Güte nach Rom berufen, und wenn er nicht gehorche, ihn seiner Würde entkleiden«; aber er muss selbst sagen, dass diese Rede »unvorbereitet, aber mit dem Feuer der Entrüstung vorgetragen … wirklich gut war und dennoch keine Wirkung hatte«. Man fühlte, dass der Bewegung die Kraft entwich. Die Bürger waren des schlechten Geschäftsgangs in den unruhigen Zeiten satt, und gegen die Regierung erbitterte sie nur noch, dass die Rente immer wieder gekürzt wurde. Auch fehlten die Führer. Retz war am 19. Februar zum Kardinal ernannt worden, nicht weil Mazarin ihm sein Wort halten gewollt, sondern weil der Papst, um Mazarin zu ärgern, diesen beim Wort nahm und die Ernennung der neuen Kardinäle schnell und heimlich vollzog, so dass der französische Gesandte, der beauftragt worden wäre, den Vorschlag seiner Regierung im letzten Augenblick zu widerrufen, zu spät davon erfuhr. Retz aber, von seiner neuen Würde hingenommen, hielt sich schon des Zeremoniells wegen zurück; denn er konnte den Purpur nicht anlegen, solange er nicht das Barett aus der Hand des Königs empfangen hatte. So war er Kardinal, ohne noch die rechte Freude daran geniessen zu können; er erwog jetzt, wie er sich zu benehmen hätte, wen er hinausbegleiten, wem er die Hand reichen dürfte oder nicht, und meinte wunders wie schlau zu sein.

Monsieur hatte den mit Retz nun völlig verfeindeten Beaufort zum Kommandanten seiner Truppen ernannt: er sollte Angers entsetzen, das Hocquincourt belagerte. Der Statthalter im Anjou, Henri Chabot, der durch seine Heirat Herzog von Rohan geworden war, hatte sich lange und vorsichtig zwischen beiden Parteien gewunden und sich zuletzt für den Prinzen erklärt. Angers und das befestigte Ponts-de-Cé an der Loire waren die wichtigsten Plätze auf dem Wege der königlichen Armeen – sie trennten Nord- und Südfrankreich, und die Belagerung hielt alle Parteien in Atem. Beaufort, gleichfalls betäubt, beseligt von seinem Feldherrntum, schrieb Briefe, in denen er alle strategischen Ausdrücke verwendete, die er wusste, schrieb von Terrain, von Infanterie und Kavallerie, von Detachierungen, durch die »er den Mazarin für absolut verloren hielte«, und was er alles tun würde und was er getan hätte, und tat nichts. »Mein Plan war sehr schön und fast sicher,« schrieb er an Chavigny, als er glücklich zu spät gekommen war und Angers am 28. Februar kapituliert hatte, »ich war entschlossen, auf La Flèche zu marschieren, wo man mir die Tore zu öffnen versprochen hatte, wollte dann, ohne es zu besetzen, meine Avantgarde eine Wendung machen lassen, durch die ich mich des Ortes La Suze bemächtigte, eines sehr vorteilhaften Postens: wenn ich den besetzt hielt und die Brücke von Sablé abbrechen liess, die Marne unterhalb von Château-Gontier übersetzte, hätte ich mich, von drei ausgetretenen Flüssen gedeckt, zwischen Ponts-de-Cé und Angers geworfen, ohne Mühe und ohne den kleinsten Schwertstreich zu tun. Gewiss, dieser Weg war um zwei Tage länger, aber um so sicherer und nahm mir nicht die Verbindung mit Alençon. Aber ich habe immer an Herrn von Rohan gezweifelt. Er sagt, ich hätte ihm versprochen, an einem bestimmten Tage einzutreffen, aber das kann er weder durch einen Brief noch durch Zeugen beweisen. Jetzt werde ich mich unmerklich Herrn von Nemours zu nähern suchen, mit guter Miene und gutem Spiel.«

Der Herr von Rohan-Chabot scheint sich gleichfalls nicht ausgezeichnet zu haben; er war vornehmlich als der beste Tänzer des Hofs berühmt. »Er begann als Rohan, er endete als Chabot!« sagte Monsieur.

Den Herzog von Nemours hatte Condé zum Kommandanten seiner Nordarmee gemacht. Er kam mit achttausend Mann tüchtiger, grossenteils deutscher Truppen, die der spanische Statthalter dem Prinzen zur Verfügung gestellt hatte. Hohenlohe, Kinsky, Fürstenberg hiessen die Obersten in der Armee des Prinzen. Das Parlament empörte sich. »Es sind keine fremden Truppen,« behauptete Monsieur, »sie dienen dem König gegen den Mazarin!« »Mundus vult decipi!« sagte er, da Retz ihn fragte, wie er so Unhaltbares so feierlich behaupten könnte. Bei Mantes an der Seine, wo ihnen der Weg gesperrt und die Brücken über den Strom abgebrochen werden sollten, öffnete ihnen der Kommandant der Stadt, der Herzog von Sully, den Weg, im Einverständnis mit seinem Schwiegervater, dem Kanzler Séguier, der verärgert über seine Entlassung den Verrat beging. Die kleine königliche Armee war sehr in Gefahr. Aber der Herzog von Nemours, Karl Amadeus von Savoyen, nach allen Schilderungen sehr tapfer und kein Feldherr, reizend in Gesellschaft und oberflächlichen Wesens – war in seiner Weise nicht minder kindisch als Beaufort. Schrieb dieser »Kanonen, Feuer, Dampf und Knall«, so wollte Nemours sich mit seiner Schärpe und seinem Feldherrnstab den Damen zeigen, vor allem einer Dame, und so liess er seine Armee im Stich und ritt nach Paris; Herr von Clinchamp, der spanische Kommandeur, der Geld für den Sold der Truppen aufzutreiben hoffte, ritt mit ihm. In Paris gab man ihnen grosse Feste, vor allem Mademoiselle, die in ihrer grosszügigen Torheit glücklich darüber war, dass ihr Vater eine, wie es ihr schien, grosse und rühmliche Rolle spielte und eine Armee im Felde hatte. Man tanzte und unterhielt sich durch acht Tage, dann kehrten Nemours und Clinchamp mit ihren Offizieren zu ihrer Armee zurück, die auseinanderzulaufen drohte. Geld hatten sie nicht aufgetrieben, weil niemand Geld hatte, ausser Mademoiselle, aber so weit ging ihre Begeisterung nicht. Herr von Clinchamp hatte sich verlobt und von Monsieur einen kostbaren Diamanten zum Geschenk bekommen; die 10 000 Livres, die er gekostet, hatte Seine königliche Hoheit schuldig bleiben müssen. Schon im Januar hatte Monsieur sich durch einen Sekretär an seine Tochter gewendet, da er für diese Armee, die ihr Stolz war, Geld brauchte, und sie hatte erregt geantwortet: »vor ihrem Herrn Papa habe sie allen schuldigen Respekt, aber sie finde es nicht in der Ordnung, dass jemand sie überreden wolle, sich ihres Guts zu entäussern, was ihrem Herrn Papa nicht viel helfen und ihr sehr viel Schaden bringen, und worüber ihr Herr Papa eines Tages als erster betrübt sein würde.« Es hatte sich damals um 100 000 Livres gehandelt, und Monsieur hatte alle seine Hofbeamten als Bürgen stellen müssen, um das Geld aufzutreiben.

Indessen hatte Turenne neben Hocquincourt das Kommando der königlichen Armee übernommen und war bis Blois vorgerückt, wo der Hof Quartier nahm: Beaufort und Nemours standen vor Orléans, kaum zwölf Wegstunden entfernt. Die Bürger der Stadt schlossen ihnen die Tore, wie sie sie auch dem Grossiegelbewahrer Molé verschlossen, der im Namen des Königs Einlass forderte. Sie wollten zwischen den Parteien von Kriegsvolk unbehelligt bleiben. Empört wollte Monsieur selbst nach seiner »Hauptstadt«, um nach dem Rechten zu sehen, aber seine Frau, die in der Hoffnung war, verbot es ihm. Vielleicht hielt ihn andrer Rat mehr, seine eigene Angst am meisten zurück. »Glücklich sind nur die Leute, die Ruhe haben und sich um nichts kümmern,« schrie er, als seine Tochter ihm zuredete. Irgend jemand machte den Vorschlag, er möchte doch die Prinzessin an seiner Stelle schicken. Begeistert übernahm Mademoiselle die Heldenrolle. Furcht und Unentschlossenheit waren ihre Fehler nicht. Alle Herren, alle Offiziere kamen, sie zu preisen, legten ihre Degen ihr zu Füssen. Ein galanter Astrolog sagte ihr für bestimmte Wochentage Erfolg und grosse Taten voraus. Mit ihren Ehrendamen fuhr sie in mehreren Karossen und mit einer Kavallerieeskorte am 25. März von Paris ab; ihr Vater sah ihr grüssend vom Fenster nach; viel Volk begleitete sie mit Segenswünschen; Beaufort, der eigens nach Paris gekommen war, ritt neben ihrem Wagen her.

Am 27. kam sie vor Orléans an, aber Ratsherren und Bürger hielten die Tore geschlossen: »sie seien verzweifelt darüber,« schrieben sie, »aber sie könnten im Interesse der Stadt nicht anders handeln.« Der königliche Gouverneur schickte ihr Bonbons und liess ihr sagen, er habe leider keine Macht. Aber die Schiffersleute auf der Loire, unter die der Graf von Fiesco zur Erhöhung ihrer Begeisterung Geld verteilt hatte, brachten die Prinzessin an eine Stelle der Stadtmauer, wo sich ein vermauertes kleines Tor befand und brachen ein Loch. »Weil es kotig war, trug mich ein Lakai bis zu diesem Mauerloch und stiess mich hindurch. Kaum hatte ich den Kopf in der Stadt, so schlug die Trommel; ich reichte einem Hauptmann, der da stand, meine Hand, und er half mir ganz hinein … Nun hob man mich empor und küsste mir die Hände, ich weiss nicht, ob ich auf dem Stuhl oder auf den Schultern der Leute sass … und ich lachte mich tot; ich war über und über mit Kot bedeckt.« Ihre Damen kamen, nicht minder kotbespritzt, ihr nachgekrochen. So wurde Orléans für die Fronde erobert. Das war Mademoiselles grosser Tag.

In Paris sang man Lieder auf ihre Heldentat:

»Zwei schöne junge Komtessen
Als Marschallinnen dabei,
Die folgten der tapfern Prinzessin,
Das gab ein grosses Geschrei.
Die gute Gräfin Fiesco
Küsste die Schiffer in Ruh;
Die Frontenac, welches Unglück,
Verlor dabei ihren Schuh!«

Mademoiselle fühlte unendlichen Stolz und schrieb an die Frau von Navailles, die die Briefe nicht verheimlichte: »man habe sie am Hofe nicht geschätzt, bald werde man sie auf den Knien um ihre Verwendung bitten müssen.« Als übermütige Siegerin gestattete sie sich kleine Bosheiten: in diesem sonderbar unernsten Bürgerkrieg mischte sich mit gelegentlichem sehr ernstem Blutvergiessen ausnehmende Rücksicht und Höflichkeit der Parteien: während die Armeen einander gegenüberstanden und das Landvolk von den Soldaten geelendet wurde, kauften die königlichen Küchenversorger in Orléans alles für den Hof Nötige ein. Mademoiselle fand Spass daran, ihre Käufe nachzusehen, und als sie einmal feine Pilze darunter fand, sagte sie: »Das schmeckt zu gut; das gönne ich dem Kardinal nicht,« und liess sie fortwerfen.

Ihre wirkliche Macht war nicht gross. Sie durfte nicht einmal wagen, die Stadt durch die Truppen ihres Vaters besetzen zu lassen. In einem »armseligen öden Vorstadthause« empfing sie die Feldherren und Offiziere und hielt mit ihnen Kriegsrat. Dort standen oder sassen sie auf alten Holztruhen oder leeren Bettgestellen und berieten, wohin die Armee ziehen sollte. Sie hatten am Tage vorher die Brücke nach Gergeau, wo der König lag, nehmen wollen, aber Turenne hatte sie mit wenig Leuten zurückgeschlagen und die Brücke abgebrochen; Sirot, ihr tüchtigster Offizier, war dort gefallen. Nemours wollte sogleich nach Süden, nach der Guyenne, Condé zu Hilfe ziehen. Der Herzog von Orléans hingegen wollte seine Truppen nicht aus der Nähe von Paris sich entfernen lassen. Darüber gerieten die beiden Schwäger, – Nemours hatte Beauforts Schwester zur Frau – die sich nie vertragen hatten, in Streit, und Nemours in Wut. »Er sehe schon: man betrüge den Herrn Prinzen!« schrie er. »Wer betrügt?« rief Beaufort. – »Sie!« Im nächsten Augenblick hatten sie einander geohrfeigt. Wenigstens behauptete Nemours eine, wie Retz sagt, »problematische« Ohrfeige erhalten zu haben. Sie zogen die Degen; man warf sich dazwischen; Mademoiselle war empört, dass man in ihrer Gegenwart sich so vergass. Sie nahm beiden die Degen ab. Beaufort bat sie auf den Knien um Entschuldigung, Nemours fluchte noch eine Stunde lang. Schliesslich brachte Mademoiselle eine halbe Versöhnung zustande: Beaufort weinte und machte sich lächerlich, der Herzog von Nemours blieb kalt und böse.

In denselben Tagen hatte Condé, der von den unglücklichen Kämpfen im Süden die Entscheidung nicht mehr hoffte, und den die Briefe seiner Anhänger wie seine eigenen Erwartungen nach Paris und dem Norden riefen, die Guyenne verlassen; mit sechs Herren, unter denen sich Larochefoucauld und sein vierzehnjähriger Sohn befanden, und mit einem Kammerdiener und Gourville, Larochefoucaulds kühnem und gewandtem Sekretär, der den Führer machte, ritt er in einer Woche quer durch das halbe Frankreich zu seiner Nordarmee. Unterwegs war er erkannt worden, Reiterabteilungen waren ausgeschickt, ihn zu fangen, einmal ritten sie beinahe in eine Königliche Festung ein; heitere und bittere Abenteuer wurden überstanden – alle sanken kreuzlahm vom Ross, als sie ankamen, nur der Prinz und Gourville, der sogleich nach Paris weiterritt, waren unermüdet.

Nun war Klarheit und Entschlossenheit in den kriegerischen Unternehmungen. Die Ankunft des einen Mannes hatte die bisher so nutzlose Armee zu einem furchtbaren Werkzeug gemacht. Schon nach wenigen Tagen wurde Hocquincourt des Nachts in seinen Quartieren bei Bleneau überfallen, die in Flammen aufgingen, seine Truppen zersprengt. In Gien, zwei oder drei Stunden hinter Bleneau, lag der Hof. »Der Herr Prinz ist da!« rief Turenne, als er die Nachricht von dem Unheil erhielt. Er befand sich – wie er selbst später erzählte, in einer der schlimmsten Lagen seines Lebens: im ungewissen Dunkel mit geringen Mannschaften, ohne andere Weisung als die erschrockener Flüchtlinge, mit der ungeheuren Verantwortung belastet, denn er selbst hatte den Hof eingeladen, dem Übergang über die Loire beizuwohnen, und man misstraute ihm noch. Aber gegen Morgen brachte er an einer bewaldeten Wegenge seine Artillerie in solche Stellung, dass Condé sie nicht zwingen und nicht weiter konnte. Bei Hof war man einige Stunden in ungeheuerer Aufregung gewesen, – denn alles war verloren, wenn der junge König in Condés Hand fiel, – nur die Königin, die beim Frisieren sass, war völlig ruhig und gestattete nicht, dass eine Locke minder sorgfältig behandelt wurde.

Aber auch Condé blieb nicht bei seinem Heer. Chavigny, der in Paris nervös geworden war oder eigne verworrene Pläne verfolgte, drängte ihn, zu kommen, und so ritt er mit Beaufort und La Rochefoucauld dahin.

In der grossen unruhigen Stadt hausten halbe Mächte und, seit Molé fort war, halbe Menschen mit halber Autorität: der Herzog von Orléans, das Parlament, der Marschall de l'Hôpital als königlicher Gouverneur, der Bürgermeister Le Fèvre. Da Condé erwartet wurde, begannen seine Anhänger für ihn zu arbeiten. Drohende Plakate gegen Mazarin wurden an allen Ecken angeschlagen, und die Leute, die zu den Prinzen hielten, aufgefordert, sich auf dem Pont Neuf zu sammeln. Am Tag darauf wurden alle Wagen, die die Brücke überfuhren, aufgehalten, die darin sassen gezwungen, »Nieder mit Mazarin!« zu rufen, Männer misshandelt, Damen insultiert. Das Hotel de Nevers am linken Seineufer, in dem die Frau des Staatsekretärs du Plessis-Guénégaud im Wochenbett lag, wurde angegriffen und beinahe in Brand gesteckt. In den nächsten Tagen rückte die Bürgerwehr aus und zerstreute die Menge, eine Art Standrecht wurde verkündet, viele Personen verhaftet und zwei gehängt.

Der königliche Gouverneur hatte erklärt, er könne dem Prinzen, solange er mit dem König im Kriege sei, nicht gestatten, Paris zu betreten; aber er hatte nicht die Macht, es zu hindern. Condé traf am 11. ein, glanzvoll empfangen, und stieg beim Badewirt Prudhomme ab, um sich endlich waschen und den wilden Bart, der ihm gewachsen war, abnehmen zu lassen. Monsieur, den sein Kommen mit eifersüchtigem Ärger erfüllte, war ihm entgegengeritten.

Wieder begann ein verworrenes Spiel: Beratungen im Parlament, Beratungen auf dem Stadthause, Beratungen und Gegnerschaften im Luxembourg. Für den Prinzen war der Pöbel; das Bürgertum war lau und abgeschreckt, das Parlament von sehr bedingter und verklausulierter Höflichkeit. Der Präsident von Bailleul sagte ihm in der ersten Sitzung: »Es sei der Körperschaft immer eine Ehre, ihn an seinem Platz zu erblicken, doch auch ein empfindlicher Schmerz, seine Hände vom Blut königlicher Diener befleckt zu sehen.« Zwar erhob sich ein Sturm von den Bänken gegen ihn; und man redete noch viel heftiger gegen den Kardinal. Auf dem Stadthause war man in Stimmung, und wenn der Dekan des Domkapitels von Notre-Dame sagte, »er schaudere, zwei Armeen, beide christlich, beide französisch, beide nach ihrer Versicherung im Dienste des Königs, einander im Herzen des Reichs feindlich gegenüber zu sehen,« so sprach der Schöffe Denoes, von Beruf Apotheker, um so feuriger dafür, alle Städte Frankreichs möchten in den Ruf und die Bitte einstimmen, dass der König den Kardinal Mazarin aus dem Lande jage! »Oh, herrlicher Apotheker!« sagte Condé, »kein andrer soll mir je ein Klystier verabreichen!« Der Marschall de l'Hôpital jedoch, dem dieser Ton gegen den Minister nicht passte, hob die Versammlung auf.

Während sie verhandelten und berieten, hatte Turenne die feindliche Armee, die dem Prinzen nachzog, geschickt umgangen, und hatte ihr bei Chastres – der Ort heisst heute Arpajon – den Weg verlegt. Die Bauern flüchteten vor den schrecklichen Kriegscharen in die Stadt, in der die Aufregung gross ward, und grösser die Not; wenn im Luxembourg eine Wohltätigkeitslotterie zugunsten der Armen veranstaltet wurde, so half das nicht sehr. Neue Ansammlungen und Gewalttaten waren die Folge; der Bürgermeister wurde, als er vom Herzog von Orléans kam, beinahe zerrissen. Nächtlich schlugen die Trommeln, Patrouillen ritten durch die Strassen, oder auch der Prinz selbst mit Gefolge, weil man bald da, bald dort einen Angriff der königlichen Truppen befürchtete. Am 27. war der Hof in Saint-Germain eingetroffen; verschiedene königliche Befehle waren bereits an die Stadt ergangen, vor allem einer, der alle Erlässe gegen den Kardinal aufhob; und der überraschte und machte böses Blut. Eine Deputation des Parlaments wurde an den Hof geschickt, um zu protestieren, und wurde sehr ungnädig aufgenommen.

Bei alledem hörten die Verhandlungen keinen Augenblick auf: verschiedene Damen versuchten den Frieden zu vermitteln: die Königin Christine von Schweden schrieb aus Rom ans Parlament und erbot sich dazu. Der junge König von England, der, nachdem er die Schlacht bei Worcester verloren, nach Paris gekommen war, reiste nach Saint-Germain. Das Parlament schickte Deputierte an den Hof, die Prinzen sandten den Herzog von Rohan-Chabot, Chavigny, und Goulas, den Sekretär Monsieurs, mit neuen Vorschlägen dahin.

Die Herren erklärten, mit Mazarin nicht verhandeln zu können. Aber mit jener anmutigen Liebenswürdigkeit im Befehlen, die ihn als Fürsten so unwiderstehlich machte, sagte der junge König, »sie würden sich nicht gut weigern können, ihm zu folgen«, und lud sie mit einer Handbewegung ein, mit ihm in das Zimmer zu treten, in dem der Kardinal sich befand; dann liess er sie mit ihm allein.

Mazarin war, wie immer, die Liebenswürdigkeit selbst; aber, was sie ausmachten, das gefiel Condé nicht, der mit Chavigny unzufrieden zu werden begann und Gourville mit neuen Instruktionen an den Hof schickte. Seine Bedingungen waren, dass Mazarin zunächst Frankreich verlassen sollte, und dass Condé und Monsieur Vollmacht erhalten sollten, den Frieden zwischen Frankreich und Spanien zu vermitteln; eine Reihe persönlicher Forderungen von Orden, Geldsummen, Statthalterschaften für die Prinzen, ihre Anhänger, ihre Truppen folgte. Diesen sinnlosen und grundsatzlosen Vorschlägen war noch die heimliche Klausel beigefügt, dass der Minister, um dessen Entfernung gekämpft wurde, nach drei Monaten wieder zurückkommen dürfte! Aber sein Hauptwerk, und was er am besten verstand, die diplomatische Aufgabe des Friedenschlusses sollte ihm entzogen werden. Wie immer, wenn endlose Verhandlungen mit Ungeduld geführt werden und sich immer wieder zerschlagen, liess der Prinz erklären, dies sei das letztemal, dass er überhaupt verhandle. »Ich kenne das besser, als einer,« schreibt Gourville in seinen Memoiren, »es braucht in solchen Verhandlungen nur einer etwas vorzuschlagen, so macht der andere schon Schwierigkeiten.« Trotz Mazarins scheinbar gutem Willen führten die Verhandlungen zu nichts: die Schwierigkeiten kamen wie von selber, und Gourville konnte nur zurückkehren und sie melden.

Bei den Instruktionen, die der Prinz Gourville erteilt, hatte ausser den Herzögen von Nemours und La Rochefoucauld eine schöne Frau mitgearbeitet: Condés Kusine, die verwitwete Herzogin von Châtillon, Isabelle Angélique von Montmorency. Sie hatte seine Mutter in ihrer letzten Krankheit gepflegt und sich von ihr das Schloss von Merlou zum Niessbrauch vermachen lassen, und der sonst keineswegs freigebige Prinz hatte ihr das Schloss geschenkt. Reizend, glatt und gierig, für Männer unwiderstehlich – die Frauen mochten sie nicht leiden – mischte sie sich jetzt in die Politik mit verschlagenen kleinen weiblichen Absichten. Condé war in sie verliebt, und sie liebte den Herzog von Nemours, der trotz seinen roten Haaren und ohne sonst besonders schön oder bedeutend zu sein, für die Frauen etwas Bestrickendes hatte. Ihn liebte sie, da aber ihre berechnende Habgier die Leidenschaft überwog, so konnte sich Condé gleichfalls für den Beglückten halten. Neben ihnen sass der verdüsterte La Rochefoucauld, der in sich einen heissen Groll trug, weil auch die Herzogin von Longueville sich in Nemours vergafft hatte. Darum hassten er und die Châtillon Condés Schwester, darum liess er sich von der Châtillon beschwatzen, weil ihm Nemours und ihre Liebe eine Rache an der Treulosen schien.

Sie ging jetzt als Friedensbote nach Saint-Germain. Boshaft schreibt Retz: »Es fehlte ihr nur der Ölzweig … sie wurde empfangen und behandelt, als wäre Minerva in Person erschienen. Nur, dass Minerva die Belagerung von Etampes vorausgesehen hätte.«

Mazarin wusste genau, was er wollte: nichts bewilligen, aber die Gegner hinhalten. Er überfloss von Anerkennung und Bewunderung für den politischen Scharfblick der Dame; die Königin und Ludwig XIV. schlossen sich durch drei volle Stunden mit ihr ein; und sie wurde nicht nur gefeiert und in so schmeichelhafter Weise ernst genommen, sie erhielt auch das, woran sie in der Welt am meisten hing: reiche Geschenke; wie hätte sie daran zweifeln sollen, dass man sie wirklich ernst nahm?

Erst viel später erkannte La Rochefoucauld, dass auch er getäuscht worden war, und dass man den Prinzen in jenen »Abgrund von Verhandlungen« gelockt hatte, in dem er zugrunde ging.

Denn inzwischen hatte Mademoiselle sich in Orléans zu langweilen begonnen, sie wollte nach Paris zurück, und liess die königlichen Generale, die vor Paris lagen, um Pässe bitten. Bis diese Pässe kamen, ritt sie nach Etampes, wo das Heer des Prinzen lag, wurde überall mit kriegerischen Ehren empfangen, nahm mit ihren »Marschallinnen« Revuen ab, ja, die Generale sprachen davon, eine Schlacht zu liefern, nur damit die Prinzessin das Schauspiel haben sollte. Inzwischen schickte Turenne die Pässe, mit ähnlichen Versicherungen ritterlicher Ergebenheit. Er war indessen bis vor Etampes marschiert, und während Mademoiselle, von ihren Erfolgen und von ihrer Wichtigkeit beglückt, mit ihren Karossen und ihrer Eskorte nach Paris fuhr, griff er ihre Armee, die nach der Parade auf Fourage gegangen war, unerwartet an und brachte ihr eine schwere verlustreiche Niederlage bei. Dann belagerte die königliche Armee den schwach befestigten Platz. Condé, von seinen Truppen getrennt, versuchte von Paris aus mit den Herren und den Garden, die mit ihm waren, und mit ausgehobenen Pariser Freiwilligen Gegenbewegungen, die wenig Erfolg brachten. Die Sache der Prinzen schien auch im Norden verloren, wenn nicht die Spanier, mit denen Condé einen Bund geschlossen hatte, den Monsieur gerne ableugnete, zu Hilfe kamen. Sie hatten eben, die französische Zwietracht benützend, Gravelingen erobert, und sandten jetzt in der Tat den Herzog Karl IV. von Lothringen zum Entsatz von Etampes, der durch eine angesichts der französischen Eroberungspläne doppelt törichte, treulose Politik sein Land an Frankreich verloren hatte, jetzt als Condottiere umherzog und mit geworbenen Truppen auf fremde Rechnung Krieg führte.

Am 1. Juni langte er mit seiner abenteuerlichen Armee von etwa viertausend Reitern und ebensoviel Fussvolk, einem ungeheuren Tross von etwa doppelt soviel Köpfen, unendlichen Wagen, geraubten und zusammengetriebenen Rinder- und Schafherden, dem ganzen lebenden Kapital dieses merkwürdigen Unternehmers, vor Paris an. Freudenfeuer und Raketen auf dem Pont Neuf und in den Strassen und der Jubel des Volkes begrüssten ihn. Zwischen dem Prinzen von Condé und dem Herzog von Orléans ritt er am nächsten Tage nach dem Luxembourg. Die Prinzen fühlten sich gerettet; die Pariser, die glaubten, dass Mazarin nun vernichtet sei, und dass es nur Mazarin zu vernichten gelte, sahen in dem wüsten, alten Feldherrn den Friedensbringer. Er war Madames Bruder, seine Ehe mit seiner Base Nicole von Lothringen hatte er eines Tages für nichtig erklärt und sich mit der schönen Beatrix de Cusance, der Witwe des Fürsten von Cantecroix, vermählt; in Männerkleidung ritt sie auf seinen Feldzügen mit ihm; beide waren dafür exkommuniziert worden. Die Pariser konnten ihn in seiner wunderlich zusammengestoppelten unmodischen Kriegertracht in ihren Strassen sehen; man sprach nur von ihm, seinem seltsamen Kleide, seinen witzigen Antworten, seinen tollen Launen. »Ein Gebetbuch! lasset uns beten, der Priester kommt!« rief er, als während einer Beratung beim Herzog von Orléans Retz eintrat. In den ernstesten Unterredungen fing er plötzlich an zu singen, zu tanzen, Guitarre zu spielen. Bei einem Essen beim Fürsten von Rohan-Guémenée erzählte er, dass seine Krieger in der Not immer Menschenfleisch und zwar mit Vorliebe gesottenes Nonnenfleisch ässen. Den schönen Damen machte er pathetisch, öfter aber unflätig den Hof. Er war es, der den berühmten Ausspruch tat: »Wir Fürsten sind ja alle mehr oder weniger Schwindler!« »Wüsste man nicht, dass er einer der tapfersten Offiziere ist, man würde ihn für einen Narren halten,« schreibt Mademoiselle in ihren Memoiren. Aber unter seinem tollen Gebaren, unter diesen durchaus bewussten Possen barg er eine unergründliche und schädliche Verschlagenheit.

Die Pariser verloren bald ihre Freude an seiner Nähe, und das Landvolk geriet in Verzweiflung, als die Truppen, die anfangs friedlichen Tauschhandel mit ihnen getrieben hatten, zu rauben begannen, die Landhäuser niederbrannten, Frauen vergewaltigten, hausten, wie Kriegsvolk damals zu hausen pflegte. In den Pariser Vorstädten errichteten die Bewohner Barrikaden gegen die gefährlichen Marodeure.

Die Prinzen, zu deren Dienst er kam, und von denen er sich wie von den Spaniern für seinen Marsch nach Paris grosse Geldsummen hatte auszahlen lassen, ahnten nicht, dass der brave Bundesgenosse auch von Mazarin Geld genommen hatte und dafür besonders langsam marschiert war. Als man ihm nach seiner Ankunft einen schnellen nächtlichen Marsch auf Etampes vorschlug, fragte er: »Wie? marschiert man in diesem Lande auch bei Nacht?« Wenn er seiner »Base«, der Frau von Chevreuse, Besuche machte, traf er den alten Châteauneuf, traf er den Abbé Foucquet bei ihr, die ihm Anträge von seiten des Hofes machten; Karl II. und Edelleute der Königin Henriette Marie, die ihn in seinem Lager besuchten und dem französischen Hof gefällig sein wollten, taten das Gleiche. Wie alle Condottieri schonte der Herzog sein lebendes Kapital und setzte es nur ungern einer wirklichen Schlacht aus. Im Grunde schadete er beiden Teilen mit Freuden, denn die französische Regierung hatte sein Land besetzt, und Condé persönlich besass drei seiner besten Festungen. Zuletzt kam durch Karl Stuarts Vermittlung ein geheimer Vertrag zustande, den der Herzog und Châteauneuf am 6. Juni unterzeichneten. Turenne gab die Belagerung von Etampes, wo der Besatzung bereits die Munition ausging, scheinbar durch die Nähe der Lothringer gezwungen, in der Tat über einen geheimen Befehl des Hofes auf. Der Herzog hatte sich seinerseits verpflichten müssen, sein raubendes und plünderndes Heer wieder aus Frankreich hinauszuführen. Während Condé, der noch nichts ahnte, Entscheidendes zu unternehmen hoffte, wurden nur Paraden abgehalten, die Stellungen gewechselt, Versprechungen gegeben, und nichts geschah. Wenn man den Herzog drängte, warf er sich auf die Erde, erklärte todkrank zu sein, sagte, dass er Rücksichten auf die Damen nehmen müsse, oder erzählte Anekdoten.

Und eines Tages, am 16. Juni, war der Herr von Lothringen verschwunden, war mit seinen Truppen in Eilmärschen abgezogen. Es scheint, dass er einen Versuch gemacht, auch den Hof zu prellen und sich und sein Heer weiter auf Kosten der Pariser Umgebung zu erhalten, bis Turenne, der bereits auf sein Lager marschierte, ihm sagen liess, dass er ihn augenblicklich angreifen werde, wenn er nicht sofort wirklich abzöge.

Es war nur eine Episode mehr in der grossen Komödie gewesen, die nun rasch nicht nur für die Opfer, auch für die meisten Mitspieler eine tragische wurde.

»O der böse Mensch, der Verräter!« sagte der Herzog von Orléans; und noch bestürzter war Madame über das Verhalten ihres Bruders; sie hatte sein Kommen als ihr Verdienst gerühmt. In Paris war verdoppelte Wut über die Täuschung und den Schaden. Alle Lothringer waren in Lebensgefahr; aber auch Karl Stuart und seine Mutter durften nicht wagen, den Louvre zu verlassen; man schrie, und der Herzog von Beaufort als erster: »Man müsse sie ins Wasser werfen!« »Sie wollten«, sagten die Leute, »nun Frankreich zugrunde richten, wie sie ihr eigenes Land zugrunde gerichtet!«

Immer aufgeregter wurde das Pariser Volk, immer müder der sinnlosen Quälerei die ganze Stadt. Am 11. Juni hatte der Bürgermeister eine grosse Prozession angeordnet. In einer Mitternachtsmesse wurde der kostbare Schrein der heiligen Genoveva, der Schutzpatronin von Paris, herabgenommen und am Morgen feierlich unter Friedensgebeten nach Notre Dame gebracht. Das war nur selten in den Jahrhunderten, in Zeiten der grössten Not geschehen. Der alte kranke Erzbischof von Paris, Retz' Oheim, hatte sich auf einer Sänfte mittragen lassen und der ungeheuren Volksmenge seinen Segen erteilt; das Parlament, die Geistlichkeit, die Korporationen folgten; Condé und Beaufort waren hinter dem Schrein gegangen und hatten ihn zur Erbauung des gerührten Volkes wiederholt inbrünstig geküsst. »Der gute fromme Prinz!« riefen die Zuschauer.

Der grösste Teil des Volks sah in Mazarin, dem Fremden, den Verderber, in Condé den Retter. Das Parlament und die Bürgerschaft wünschten zwar nicht den Kardinal, aber den König und die Ordnung zurück. Darum hüteten sich Schöffen und Räte vor dem endgültigen erklärten Anschluss an die Sache der Prinzen, während die Prinzen diesen Anschluss durch alle Mittel zu erreichen suchten, durch Reden in Güte oder durch Einschüchterung und Gewalt. Der Kampf mit Reden, Streitschriften und Maueranschlägen wurde fortgeführt. Wenn Beaufort durch die Strassen ritt und zu seinen Getreuen vom Markt sprach, wenn begeisterte oder bezahlte Hasser das Volk gegen Mazarin aufhetzten, so hatte auch der Kardinal seine Agenten in der Stadt, die die Leute bewogen oder bezahlten, wo es anging, »Friede! Friede!« zu schreien. Aber die andere Partei war die gewalttätigere; sie hatte jene namenlose »Nation der Armen von Paris« in Sold genommen, »die nichts von Gott weiss, auch sonst kein Wissen besitzt und kein Gesetz kennt, die alles tut, was sie ungestraft tun kann.« Und diese Nation war nie zahlreicher und unglücklicher als in den Tagen der Fronde. Für wenige Groschen rotteten sie sich zusammen, bedrohten Beamte, Räte und Schöffen und wer sonst als Mazariner galt; hinter Wagen und Sänften schrien sie: »Nieder mit dem Mazariner!« und man konnte von Glück sagen, wenn es bei Worten blieb; der Bischof von Bayeux, François Molé, der Sohn des ersten Präsidenten, wurde halbtot vor Angst in den Luxembourg gebracht, wo man ihn am liebsten der Menge ausgeliefert hätte; die Herzogin von Bouillon, die mit ihren Kindern Paris verlassen wollte, wurde von einem Menschen am Brusttuch gepackt, das er ihr um den Hals schnürte; nur ihre Ruhe und Geistesgegenwart rettete sie. Die Schreier drangen ins Parlament und machten allen, die nicht mitschrien oder als Parteigänger gekannt waren, das Leben in der Stadt ungemütlich, den Ängstlichen zu einem dauernden Schrecken. Raub und Plünderungen waren tägliche Vorfälle; wegen eines Worts, einer Feindschaft wurden Kaufleute aus ihrem Laden geholt und niedergemacht; die Trödler erschlugen einen jungen Mann unter vielen Misshandlungen, weil er sie »die Herren von der Synagoge« genannt hatte. Wenn es zu schlimm wurde, rückte die Bürgerwehr aus, aber man konnte sich auch auf sie nicht verlassen, und es kam vor, dass, weil die Leute einer Kompagnie die der andern »Mazarins« schimpften, beide aufeinander feuerten, dass an vierzig Tote auf dem Platz blieben. Am 25. Juni wurden fast alle Räte, als sie aus dem Palais kamen, von dem wütenden Gesindel geprügelt, bespuckt, an den Bärten gerissen, so dass die meisten sich überhaupt nicht mehr hinwagten. Und trotz alledem erreichten die Prinzen nicht, was sie wollten, weder vom Parlament die gewünschten Vollmachten, die ihnen den Schein gesetzmässigen Handels gegeben hätten, noch von der Stadt Truppen oder was sie noch nötiger brauchten, Geld.

Nach dem Abzug der Lothringer hatte Condé seine geschwächten Mannschaften aus dem verwüsteten Etampes, das nur mehr ein von Bettlern und Kranken bewohnter Trümmerhaufen war, nach Paris geführt und in den westlichen Vororten, in Saint-Cloud, Meudon, Suresnes Quartier nehmen lassen. Turenne war ihnen sogleich gefolgt, und nur die Seine trennte die beiden Heere. Die königliche Armee hatte bedeutende Verstärkungen unter La Ferté erhalten, und als Turenne bei Epinay eine Brücke zu schlagen begann, fand Condé die Lage zu gefährlich und ordnete in der Nacht vom 1. zum 2. Juli den Abmarsch nach Charenton an der Ostseite von Paris an. Vergeblich bat er, dass seinen Regimentern das Tor de la Conférence – dort wo heute die Place de la Concorde liegt, – und das von Saint-Honoré geöffnet, der kurze sichere Weg durch die Stadt gewährt würde; Monsieur, der nie ganz Partei nahm, war aus Angst oder geheimer Bosheit der erste, der es weigerte. So musste er den Weg rund um die Stadtmauern – den heutigen grossen Boulevards entlang – über Felder oder durch die Vorstädte, längs den Basteien und Gräben nehmen, mit all den unvermeidlichen Verzögerungen und Missverständnissen, all den Schwierigkeiten auf den schlechten, für Artillerie und Tross viel zu engen Wegen. Als der Prinz um Mitternacht, wie er angekündigt, an der Porte Saint-Martin erschien, hörte er mit Bestürzung, dass man noch keine Truppen vorbeikommen gesehen; durch die Stadt zurücksprengend, fand er den grössten Teil noch auf dem Cours la Reine. Die Unordnung und Gefahr dieses nächtlichen Zuges, die steigende Aufregung des folgenden Tages hat Mademoiselle in ihren Memoiren mit grosser, ungewollter Kunst geschildert. Die ganze Nacht hatte sie in ihrer Wohnung in den Tuilerien die Trommeln und Trompeten gehört; bis zwei Uhr war sie am Fenster gestanden und hatte den Signalen gelauscht. Um sechs Uhr morgens wurde an ihr Tor gepocht: der Graf von Fiesco liess sich bei ihr melden und berichtete atemlos, der Prinz sei bei Tagesanbruch in der Nähe des Montmartre angegriffen worden. Die Prinzessin eilte nach dem Luxembourg. In den Strassen traf sie bereits verwundete Offiziere. Der Generalprokurator Foucquet hatte dem Kardinal durch einen Mann, der sich in der Nacht über die Stadtmauer hinabliess, einen Zettel nach Saint-Denis gesandt, wo der Hof war, und ihn von Condés Abmarsch verständigt. Turenne hatte sofort den Befehl zum Angriff erhalten, und schon belästigte die königliche Reiterei unter Navailles den Nachtrab des Prinzen. Condé war überall; er liess zunächst ein Regiment Front machen und wehrte die Angriffe ab; nahm dann mit seinen geringen Truppen in der Vorstadt von Saint-Antoine, an den zum Schutz vor den Lothringern errichteten Barrikaden, schwer zu bezwingende Stellungen. Der 2. Juli 1652 war ein heisser Sommertag. Mit unerhörter Bravour wurden die Barrikaden von beiden Seiten gestürmt, verteidigt und wiedergewonnen; von beiden Seiten fielen bei den immer erneuten wütenden Angriffen die besten Männer. Condés Anordnungen, sein Ringen, seine Energie schienen übermenschlich. Als er, triefend von Schweiss, in den Kleidern und dem schweren Kürass fast erstickend, nicht mehr weiterkonnte, liess er sich die Stiefel ausziehen und entkleiden, warf sich nackt in eine Wiese und wälzte sich im Gras, »wie die Pferde, wenn sie sich wohltun wollen«, liess sich sofort wieder anziehen und waffnen und stürzte wieder in den Kampf.

Während dort blutig gerungen wurde, war der Herzog von Orléans nicht zu bewegen, irgend etwas zu tun. Obgleich mit dem Prinzen verbündet, freute er sich, ihn in Not zu wissen. Scheltend und stöhnend gab er seiner Tochter, da sie ihm keine Ruhe liess, schliesslich die Erlaubnis, für ihn zu handeln. Sie beschwor ihn noch, sich wenigstens zu Bett zu legen, damit die Schande geringer sei, dann eilte sie von einigen Herren und Damen, bangen Frauen kämpfender Offiziere, begleitet, nach dem Stadthaus, verlangte im Namen ihres Vaters 2000 Mann der Bürgerwehr zur Verstärkung Condé's, verlangte, woran ihr am meisten lag, dass man seinen Truppen beim Rückzug die Stadttore öffne. Der Gouverneur machte Einwendungen, ebenso der Vorstand der Kaufmannschaft. Da die Prinzessin mit feurigen Worten drängte, wollten sie überlegen. Mademoiselle »trat ans Fenster und betete leise«. Mehr als ihr Drängen und Bitten wirkten die Drohungen, die von der Strasse tönten. Sie erreichte, was sie wollte, und musste noch den Gouverneur vor dem auf dem Platz angesammelten Pöbel schützen, der den »Mazariner« erschlagen wollte.

Nun fuhr sie nach Saint-Antoine. Schon kamen ihr Züge von Verwundeten entgegen. »In der Rue de la Tixanderie sah ich den kläglichsten und schrecklichsten Anblick: Herrn von La Rochefoucauld, dem eine Musketenkugel bei dem einen Auge hinein und bei dem andern wieder hinausgedrungen war: beide Augen schienen ihm aus dem Kopf zu fallen, sein ganzes Gesicht war voll Blut; er schnob immerfort, als fürchtete er durch das Blut, das ihm in den Mund lief, zu ersticken. Sein Sohn hielt ihn bei der einen Hand, Gourville bei der andern, denn er konnte ja nichts sehen. Er war zu Pferd, sein weisser Leibrock war über und über blutbefleckt, ebenso die der beiden andern; beide weinten; auch ich hätte nie geglaubt, dass er davonkommen würde … Ein Edelmann kam melden, dass Herr von Nemours verwundet sei … Am Eingang der Rue Saint-Antoine traf ich Guitaut zu Pferde, ohne Hut, den Leibrock aufgeknöpft; ein Mann hielt ihn; er war bleich wie der Tod. Ich schrie aus dem Wagen: ›Musst du sterben?‹ Er machte mir mit dem Kopf ein Zeichen von ›Nein‹ und hatte doch einen schweren Schuss durch den Leib erhalten. Dann sah ich Vallon, der in einer Sänfte gebracht wurde: er hatte nur eine Kontusion an den Hüften, aber da er sehr fett war, so war rasches Verbinden nötig. Er sagte: ›Ja, meine gute Herrin, wir sind alle verloren!‹ Ich versicherte ihn eines andern. ›Sie geben mir das Leben wieder!‹ rief er. Und so auf jedem Schritt in der Strasse Saint-Antoine traf ich auf Verwundete, die einen am Kopf, die andern an dem Leib, an den Beinen verletzt, manche zu Pferde, andre zu Fuss; auf Brettern, Leitern, Tragbahren brachte man sie, auch viele Tote.«

Dicht an der Bastille lag ein Haus, dessen Fenster auf die Strasse Saint-Antoine gingen. Auf die Einladung des Hausherrn trat sie dort ein, und war kaum in einem Zimmer, als der Prinz selbst erschien. »Er war in einem kläglichen Zustand; fingerdicker Staub im Gesicht, die Haare wirr; Kollett und Hemd blutig, obgleich er nicht verwundet war, der Kürass verbeult von Hieben; in der Hand hielt er den nackten Degen, die Scheide hatte er verloren; er gab ihn meinem Reitknecht. ›Sie sehen einen Verzweifelten,‹ sagte er, ›ich habe alle meine Freunde verloren: die Herren von Nemours, von La Rochefoucauld und Clinchamp sind auf den Tod verwundet! Verzeihen Sie meinem Schmerz!‹ und er warf sich in einen Stuhl und weinte. Ich versicherte ihn, dass es mit ihnen nicht so schlimm stünde, dass die Ärzte sie gar nicht für so gefährlich verwundet hielten. Das beruhigte ihn ein wenig.«

Er eilte wieder in den Kampf zurück. Vor den Fenstern kam weiter der ununterbrochene Zug der Verwundeten vorüber. »Der Marquis von La Roche-Giffard lag auf einer Leiter ausgestreckt, ohne Bewusstsein, er war am Kopfe verwundet; er tat mir sehr leid, er war ein schöner wohlgestalteter Mann und sah selbst in diesem Zustand gut aus; und was schlimmer war, er war Protestant … Den ganzen Tag kamen Tote und Verwundete vorbei; man gewöhnte sich zuletzt daran. Am meisten dauerten mich die armen Deutschen, die nicht wussten wohin und nicht einmal klagen konnten, weil sie unsere Sprache nicht redeten. Ich liess sie in die Spitäler oder zu den Wundärzten bringen, je nach ihrem Range.«

Die Prinzessin blieb auf ihrem Posten; Ordonnanzen kamen und gingen und nahmen ihre Befehle. Sie sorgte für den Durchzug der Bagage des Prinzen und verteilte die Musketiere der Bürgerwehr nach den Toren. Aber in all ihrer Arbeit hatte sie Zeit zu bemerken, und fand es wichtig aufzuschreiben, dass Frau von Châtillon, die sie nicht leiden konnte und die zu ihrem Ärger nachgekommen war, an diesem Tag einen schlechten Teint hatte, und dass der Prinz sie nicht gut behandelte.

Von neun Uhr morgens bis zwei Uhr nachmittag schlug man sich draussen in der Vorstadt in dieser fürchterlichen Weise. Um zwei erschien der Marschall von La Ferté mit neuen Truppen und mit Artillerie. Turenne hatte vorher kaum Geschütze gehabt und nur ungern den Kampf begonnen. Jetzt wäre Condés kleine Armee verloren gewesen. Der junge König, der von den Hügeln von Charonne den Gang der Schlacht verfolgte, schickte ausdrückliche Befehle nach der Stadt, dass man die Tore unter allen Umständen geschlossen halten sollte.

Mademoiselle hatte sich inzwischen auf die Wälle der Bastille begeben, liess die Kanonen, die alle mit der Mündung nach der Stadtseite gerichtet standen, nach der andern Seite rollen, und hiess sie laden; mit einem Fernglas beobachtete sie die feindlichen Truppen, die sich im Sonnenglanz über die Hügel bewegten; sie sah – oder vielleicht machte ein Offizier sie darauf aufmerksam, sie ist in solchen Dingen nicht immer ganz aufrichtig – dass die Reiterzüge drüben sich teilten, um den Prinzen zwischen der Vorstadt und den Gräben abzuschneiden. Sogleich hiess sie einen ihrer Pagen mit verhängten Zügeln zum Prinzen reiten, der vom Glockenturm der Abtei von Saint-Antoine das Treffen leitete, und liess ihm das bedrohliche Manöver melden. Da befahl Condé den Rückzug nach der Stadt. Die Tore öffneten sich, und da die königlichen Truppen nachdrängten, wurde auf den schriftlichen Befehl Monsieurs, den seine Tochter ihm abgerungen und dem Gouverneur übergeben hatte, aus den Geschützen der Bastille auf sie gefeuert: ganze Kavalleriereihen fielen, und Turenne gab den Angriff auf. Dieser Befehl des Herzogs von Orléans, wie der Zettel, den Foucquet an Mazarin sandte, die beiden Papierblätter, die den Tag entschieden, sind erhalten.

Ruhmbedeckt, beinahe siegreich, zogen die erschöpften Regimenter in Paris ein, dreizehn erbeutete königliche Fahnen trugen sie mit. Der Bürgerkrieg, der zu Ende gewesen wäre, konnte fortdauern. »Als ich des Abends daran dachte, und so oft ich heute noch daran denke, dass ich diese Armee gerettet,« schreibt Mademoiselle in ihren Erinnerungen, »fühle ich eine grosse Befriedigung darüber, und doch auch zugleich ein grosses Erstaunen, dass durch mein Tun die spanischen Kanonen durch die Pariser Strassen rollten, die Fahnen mit dem Kreuz des heiligen Andreas durch sie zogen! Die Freude über den grossen Dienst, den ich der Partei erwiesen, und dass ich mich in so ungewöhnlicher Weise benommen hatte, wie vielleicht nie eine Frau meines Standes, liess mich nicht zu andern Betrachtungen kommen, die immerhin möglich gewesen wären.« Der alte Omer Talon aber schrieb in sein Tagebuch: »Die Tore hätte bei dem Feuer und der Erregung der Bürgerschaft niemand wehren können, und wenn man es selbst gewollt, die Truppen hätten den Eintritt erzwungen; aber was auf der Bastille geschah, ist das Verbrechen einer einzigen Person, über die das Stadthaus keine Macht hat.«

Das Fräulein von Montpensier hatte die Freude, aber keinen Lohn von ihrer heroischen Torheit. Von Liebe unberührt, lebte sie seit Jahren ihren ehrgeizigen Heiratsplänen. Als die reichste Erbin in Europa hatte sie fast alle Monarchen und ansehnlichen Prinzen als Freier gesehen und erwogen; am liebsten wäre sie Königin von Frankreich geworden, der Unterschied der Jahre zählte ihr nicht. Sie hatte es zu erzwingen gedacht und hatte es verscherzt. »Mit den Kanonen der Bastille hat sie ihren Mann erschossen,« sagte Mazarin. Und von Condé, den sie gerettet, wurde ihr in späteren Jahren das schlimmste Leid ihres Lebens zugefügt.

Die Königin hatte den Tag zu Saint-Denis in Gebeten vor dem Altar verbracht. Am Abend war auch das Städtchen voll von Verwundeten, die in den Hallen der Abtei gebettet wurden; und man fand nicht genug Stroh für sie, noch Nahrung. Als die ängstliche Frau von Motteville, die nebenan schlief oder zu schlafen suchte, am Morgen durch den Saal ging, sah sie fast lauter Sterbende: die gute Dame wunderte sich, dass »fast alle mit unglaublicher Gier zu essen verlangten, – nicht einer dachte an sein Seelenheil!«

Unter den Gefallenen befand sich Mazarins Neffe Paolo Mancini. Er war im Februar heimlich, unter grossen Gefahren, von der Grenze nach Paris gekommen, und war dann an den Hof geeilt. Er, der junge Fouilloux und der Sohn des Staatsekretärs von Brienne, waren Ludwigs XIV. bevorzugte Gespielen, und Mancini war ihm der liebste gewesen. Noch nicht fünfzehn Jahre alt hatte er bereits als Oberst ein Regiment geführt und die zweimal Weichenden zweimal zum Sturm auf die Barrikaden mitgerissen; dort war der heldenhafte Knabe »wie ein Löwe kämpfend« gefallen. Er hatte einen Schuss in den Unterleib erhalten, die Wunde schien tödlich, dennoch gaben die Ärzte nicht jede Hoffnung auf, und er wäre vielleicht davongekommen, aber als der Hof und die Damen St. Denis verliessen, hatte der Kardinal für die Sicherheit seines Neffen gefürchtet und den allzu schwer Verletzten auf einer Tragbahre mit nach Pontoise führen lassen, wo er am 18. Juli verschied. Schön, tapfer, liebenswürdig und begabt, wurde er von allen betrauert, die ihn kannten, auch von denen, die dem Oheim das Schlimme gönnten. Der König brachte ihm, als letzte Freude wenige Stunden vor seinem Tod, in Person die Ernennung zum Kapitän-Leutnant der Chevaulegers seiner Garde – deren Kapitän er selbst war – und legte das Patent auf das Bett des Sterbenden. »Er war sehr stolz und hatte wenig Freunde gehabt, nur mich und Fouilloux liebte er,« sagt der jüngere Brienne in seinen Memoiren. Fouilloux war mit ihm gefallen.

Siehe Bildunterschrift

Anne Marie Louise, Herzogin von Montpensier (Mademoiselle),
nach einem Stich von Simon d. Ält. im Berliner Kupferstichkabinett.

Der Kardinal hatte seinen Neffen zum Erben seines Namens bestimmt, er war für ihn der Träger höchster Hoffnungen gewesen. Wer will sagen, was die Quellen seines Schmerzes waren, da selbst seine Schwester Mancini in ihrem Brief über den Tod ihres Sohnes nur das Scheitern so vieler Pläne mit ihm bedauert!

Wir wissen nicht, was aus Paolo Mancini geworden wäre: der schöne, kühne, junge Römer ist, so rasch er vorübergeht, eine der besten Erscheinungen in dieser merkwürdigen Familie, und wenn die Grabschrift »An die Nachwelt und an die Ewigkeit«, die der Kardinal ihm setzen liess, sonst in peinlicher Berechnung und Schmeichelei vor allem die Hingabe an die Sache des Königs hervorhebt, so schliesst sie doch schön mit den Worten: »Gehe, Wandrer, und sei nicht länger in Leid darüber, mich wie eine Blume im Frühling des Lebens gepflückt zu sehen, sondern danke es der göttlichen Güte, die, indem sie das Ende meines Lebens in mein fünfzehntes Jahr und an den 18. Juli 1652 setzte, erlaubte, dass unter den Lilien auf mein Grab geschrieben würde:

Meine Blüten sind Früchte
Der Ehre und der Tugend gewesen.«

»Er zahlte mit seinem Leben und Blut,« schreibt die Motteville, »das Unheil seines Oheims, dessen Person der Vorwand dieses ungerechten Krieges schien.«


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