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Das Buch «J'accuse»
Die Krise im Sommer 1914
Nachdem der Autor im ersten Teil des Buches «J'accuse» eine Vorgeschichte des Krieges zusammengefälscht hat, die allerdings den «dringenden Verdacht» ergeben müsste, dass «Deutschland und Oesterreich den Weltkrieg gewollt und vorbereitet haben», kommt er im zweiten Hauptteil, – dem dritten Abschnitt seines Buches, – zur eigentlichen Anklage, dass die selben Mächte «den von ihnen längst vorbereiteten und gewollten Krieg im Sommer 1914 absichtlich herbeigeführt haben, weil sie den Augenblick zum Losschlagen für besonders günstig hielten».
Die einleitenden Phantasien über die seelischen Vorgänge in den massgebenden Kreisen in Berlin und Wien übergehe ich; auch dem unkritischen Leser leuchtet ein, dass der Autor darüber nichts weiss und nichts wissen kann, dass er hier leere, wenn auch im Augenblick sehr beliebte Vermutungen ausspricht.
Es leuchtet auch ohne weiteres ein, dass die für diesen zweiten Teil erforderlichen Kenntnisse und Studien ganz anderer Natur sind, als die für den ersten notwendig gewesen wären. Für die Vorgeschichte des Krieges, die einen Zeitraum von Jahrzehnten umfasst, liegen eine umfangreiche historische Literatur und ein Aktenmaterial vor, deren Studium Jahre erfordert. Das der Autor, aus Oberflächlichkeit des Wesens, wahrscheinlich auch, weil ihm die Mühe zu gross war, sich diese Arbeit sparte, das geht aus seiner vollkommenen Unwissenheit hervor, die auf jeder Seite des ersten Teiles in die Augen fällt.
Für die Beurteilung der dramatischen Ereignisse in den entscheidenden zehn Tage des Sommers 1914 hingegen liegen fast nur die wenigen amtlichen Veröffentlichungen der kriegführenden Mächte in Gestalt des britischen Blaubuchs, des deutschen Weissbuchs und so weiter vor, wenige dünne Heftchen, die man zur Not in zweimal vierundzwanzig Stunden auslesen kann. Und so hat sie denn der Autor auch wirklich gelesen.
Die Folge ist, dass er im zweiten Teil scheinbar mit mehr Sachkenntnis schreibt als im ersten. Freilich nur scheinbar, denn wenn die erwähnten Hefte ein viel weniger umfangreiches und der Zeit nach leicht zu bewältigendes Material vorstellen, so sind sie dafür alle mehr oder weniger advokatisch zur Selbstrechtfertigung der herausgebenden Regierung verfasst und zusammengestellt, und es gehört wiederum mancherlei Kenntnis und beträchtliche Uebung in der Kritik amtlicher und historischer Aktenstücke dazu, sie in ihrem Zusammenhang zu verstehen und aus ihrem scheinbaren Inhalt den davon oft sehr verschiedenen wirklichen Sinn zu erschliessen. Mit welcher Kritiklosigkeit und wie flüchtig der Autor diese Akten gelesen hat, davon hatte man eine Probe bereits auf Seite 117 ff. des ersten Teiles.