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Drittes Kapitel

Der Mensch verbraucht viele Mittel zu einem Zwecke, Gott dient ein Mittel zu vielen Zwecken.

Die Pflanze denkt, sie sei bloß für sich da, zu wachsen, im Winde sich zu schaukeln, Licht und Luft zu trinken, Düfte und Farben zu bereiten für ihren eigenen Schmuck, mit Käfern und Bienen zu spielen; – sie ist auch für sich da, aber zugleich ist sie nur eine Pore der Erde, worin sich Licht, Luft und Wasser begegnen und verwickeln in Prozessen, wichtig für das ganze Erdenleben; sie ist da, um für die Erde auszudünsten, zu atmen, ihr ein grünes Kleid zu weben und Menschen und Tieren Stoff zu Nahrung, Kleidung und Wärme darzubieten.

Der Mensch denkt, er sei bloß für sich da, sich zu vergnügen, zu wirken und zu schaffen für sein eignes leibliches und geistiges Wachstum; – er ist auch für sich da, aber zugleich ist sein Leib und Geist nur eine Wohnung, worein höhere fremde Geister eintreten, sich verwickeln und entwickeln und allerlei Prozesse untereinander treiben, die zugleich das Fühlen und Denken des Menschen sind und ihre höhere Bedeutung für die dritte Lebensstufe haben.

Des Menschen Geist ist ununterscheidbar zugleich sein Eigentum und das Eigentum jener höheren Geister, und was darin vorgeht, gehört stets beiden zugleich an, aber auf verschiedene Weise.

Gleichwie in dieser Figur, die kein Abbild, sondern nur ein Symbol oder Gleichnis sein soll, der in der Mitte stehende bunte (hier schwarz scheinende) sechsstrahlige Stern als ein Selbständiges, seine innere Einheit in sich Tragendes, betrachtet werden kann, dessen Strahlen alle von seinem Mittelpunkt abhängig und einheitlich dadurch verknüpft sind, anderseits aber doch wieder zusammengeflossen erscheint aus der Verkettung der sechs einfach gefärbten Kreise, deren jeder auch seine innere Einheit für sich hat, und wie jeder Strahl desselben sowohl ihm selbst als den Kreisen, durch deren Ineinandergreifen er entsteht, angehört, so ist es mit der menschlichen Seele.

Abb. Farbkreis

Der Mensch weiß oft nicht, woher ihm seine Gedanken kommen, es fällt ihm etwas ein; es wandelt ihn eine Sehnsucht, eine Bangigkeit oder Lust an, von der er sich keine Rechenschaft zu geben vermag; es drängt ihn eine Macht zu handeln oder es mahnt ihn eine Stimme davon ab, ohne daß er sich eines eignen Grundes bewußt ist. Das sind Anwandlungen von Geistern, die in ihn hineindenken, in ihn hineinhandeln von einem andern Mittelpunkte aus, als seinem eignen. Noch augenfälliger werden ihre Wirkungen in uns, wenn in abnormen Zuständen (des Schlafwachens oder geistiger Krankheit) das eigentlich gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihnen und uns sich zu ihren Gunsten entschieden hat, so daß wir nur noch passiv aufnehmen, was uns von ihnen zufließt, ohne Rückwirkung von unserer Seite.

Solange aber der menschliche Geist wach und gesund ist, ist er nicht das willenlose Spiel oder Produkt der Geister, die in ihn hineinwachsen oder aus denen er zusammengewachsen erscheint; sondern das, was ebendiese Geister verknüpft, der unsichtbare urlebenskräftige Mittelpunkt voll geistiger Anziehungskraft, in den alle zusammenströmen, in dem sich alle kreuzen und durch wechselseitigen Verkehr miteinander die Gedanken zeugen, dieser ist nicht erst durch die Kreuzung der Geister entstanden, sondern ist dem Menschen als sein Ureigentum bei der Zeugung eingeboren; und der freie Wille, die Selbstbestimmung, das Selbstbewußtsein, die Vernunft und der Grund aller geistigen Vermögen liegen hierin enthalten. Aber alles das liegt bei der Geburt noch darin wie in einem unaufgeschlossenen Keime, erst harrend der Entwickelung zum Organismus voll lebensvoller individueller Wirklichkeit. Sowie der Mensch in das Leben getreten ist, spüren es die fremden Geister und drängen sich von allen Seiten heran und suchen seine Kraft zu der ihrigen zu machen, um durch sie ein Moment ihrer selbst zu verstärken, aber indem ihnen dies gelingt, wird zugleich dies Moment Eigentum des Menschengeistes selbst, wird ihm eingebildet und trägt zu seiner Entwickelung bei.

Die in den Menschen eingewachsenen fremden Geister sind ebensowohl, obschon in anderer Weise, dem Einflusse des menschlichen Willens unterworfen, als der Mensch von fremden Geistern abhängig ist; er kann ebensowohl aus der Mitte seines geistigen Seins Neues in die in ihm verknüpften Geister hineingebären, als diese auf sein Innerstes bestimmend einwirken können; aber in dem harmonisch entwickelten Geistesleben hat kein Wille die Obermacht über den andern. Da jeder fremde Geist nur einen Teil seines Selbst mit dem einzelnen Menschen in Gemeinschaft hat, so kann der Wille des einzelnen Menschen nur einen anregenden Einfluß auf ihn haben, der mit seinem ganzen übrigen Teile außer dem Menschen liegt; und da jeder menschliche Geist eine Gemeinschaft sehr verschiedener fremder Geister in sich schließt, so kann der Wille eines einzelnen darunter auch nur einen anregenden Einfluß auf den ganzen Menschen haben, und nur, wenn der Mensch mit freier Willkür sich ganz seines Selbst an einzelne Geister entäußert, wird er der Fähigkeit verlustig, sie zu bemeistern.

Nicht alle Geister können unterschiedslos in derselben Seele zur Einheit sich verknüpfen; darum streiten sich die guten und die bösen, die wahren und die Lügengeister um den Besitz derselben, und wer im Streite siegt, behält das Feld. Der innere Zwiespalt, der so oft im Menschen Platz hat, ist nichts als dieser Kampf fremder Geister, die seinen Willen, seine Vernunft, kurz sein innerstes Wesen für sich gewinnen wollen. Wie der Mensch die Einigung der in ihm wohnenden Geister empfindet als Ruhe, Klarheit, Harmonie und Sicherheit seiner selbst, empfindet er ihren Kampf in sich als Unruhe, Zweifel, Schwanken, Verwirrung und Entzweiung seines Innern. Aber nicht als müheloser Preis oder träge Beute fällt er den stärkeren Geistern in diesem Streite anheim, sondern mit dem Quell selbsttätiger Kraft im Mittelpunkte seines Wesens steht er zwischen den entgegenstrebenden Kräften inne, die ihn an sich ziehen wollen, und streitet mit für welchen Teil er will, und vermag so den Sieg auch für den schwächern Antrieb zu entscheiden, indem er ihm seine Kraft gegen den stärkeren beigesellt. So bleibt das Selbst des Menschen inmitten des Geisterstreites ungefährdet, solange er sich die angeborene Freiheit seiner Kraft bewahrt und nicht müde wird, sie zu gebrauchen. Fällt er dennoch so oft den bösen Geistern anheim, so ist es darum, weil die Kraftentwickelung aus seinem Innern mit Mühseligkeit verbunden ist; und so reicht, um böse zu werden, oft hin, nur faul und lässig zu sein.

Je besser der Mensch schon ist, um so leichter wird es ihm, noch besser zu werden, und je schlechter er ist, um so leichter verdirbt er ganz und gar. Denn der gute Mensch hat schon viel gute Geister in sich aufgenommen, die sich nun mit ihm verbünden gegen die zurückgebliebenen und die neu andrängenden bösen Geister, und ihm die Kraftentwickelung aus seinem Innern ersparen. Der Gute tut das Gute ohne Mühe, seine Geister tun es für ihn; der Schlechte muß aber erst aus innerer Kraft alle bösen Geister dämpfen und überwinden, die ihm dabei entgegenstreben.

Zudem sucht und knüpft sich Verwandtes an Verwandtes und flieht sein Gegenteil, wenn es dasselbe nicht zwingt. Die guten Geister in uns locken die guten Geister außer uns, und die bösen Geister in uns das Böse außer uns. Gern kehren die reinen Geister in eine reine Seele ein, und an dem Bösen in uns faßt uns das Böse außer uns. Haben die guten Geister erst in unserer Seele überhand genommen, so flieht bald von selbst auch der letzte Teufel, der noch darin zurückgeblieben ist, es ist ihm in der guten Gesellschaft nicht geheuer; und so wird die Seele guter Menschen eine reine himmlische Wohnung für selige darin beieinander wohnende Geister. Aber auch die guten Geister, wenn sie verzweifeln, den übermächtig gewordenen bösen eine Seele abzustreiten, überlassen sie ihnen allein, und so wird sie zuletzt zu einer Hölle, einem Orte bloß für die Qualen der Verdammten. Denn die Pein des Gewissens und die innere Zerstörung und Ruhelosigkeit in der Seele der Bösen sind Schmerzen, welche nicht diese allein, sondern mit noch bitterem Wehe die verdammten Geister in ihnen fühlen.


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