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Das zweite Scheibchen – – – das war Jahre später und es war schon unangenehmer. Ich sass im Zuge, fuhr quer durch die Staaten, von New York nach San Franzisco. Da kam plötzlich der schwarze Speisewagensteward heran, nahm, ohne viel zu fragen, mir Bierflasche und Glas vom Tisch.
»Aber erlauben Sie mal, Sammy«, rief ich, »ich bin noch nicht fertig! Sehen Sie denn nicht, dass mein Glas noch ganz voll ist und die Flasche zur guten Hälfte?«
Aber der Nigger schüttelte den Kopf. »Nix zu machen, Herr!« grinste er. Und erklärte mir, dass wir eben über die Grenze des frommen und knochentrockenen Staates Kansas führen. Da sei jeder Alkohol verboten; alles müsse eingeschlossen und plombiert werden. Aber ich würde die Flasche schon wiedererhalten und sogar das Glas, sowie wir aus Kansas nur wieder heraus wären. Dann, in Colorado könne ich weiter trinken nach Herzenslust.
Das ging nun freilich nicht; ich hatte sechs Tage in Kansas zu tun. Ich kam nach Mitternacht in Kansas-City an; diesmal war ich schon gewitzigt und fragte im Hotel gar nicht erst nach einem Trank. Dafür aber war ich es, der gleich danach gefragt wurde. Für meinen Namen und meine Papiere hatte der Nachtportier nicht das allergeringste Interesse, nur dafür, ob ich einen Whisky-Soda aufs Zimmer haben wolle. Als ich nickte, händigte er mir zunächst den Zettel eines Arztes ein, auf dem bestätigt wurde, dass Herr Howard L. Taylor an Bauchgrimmen leide und zur äusserlichen Einreibung C 2H 6O bedürfe.
»C 2H 6O?« rief ich. »Aber das ist ja – – reiner Alkohol!«
»So?« machte der Portier. »Bei uns ist das Whisky!«
»Überdies – Howard L. Taylor!?« wandte ich ein. »So heisse ich wirklich nicht!«
Der Mann sah mich ob meiner Ahnungslosigkeit sehr geringschätzig an.
»Well, wenn Sie einen andern Namen vorziehen!«, grunzte er und zog noch ein Dutzend Ärztezettel aus seiner Brieftasche. »Hier: Ben F. Richardson! Hier: Sidney R. Williams! Hier – – bitte sich auszusuchen. Auch die Krankheiten können Sie nach Wunsch haben: Rheumatismus, Hexenschuss, Brandwunden, Hautjucken, Lungenspitzenkatarrh – – ganz wie Sie belieben!«
Ich blieb bei Taylor und der Portier trug also diesen Namen in sein Gästebuch ein. Nachdem er mir für das Rezept zwei Dollars abgeknöpft hatte, reichte er mir eine Quittung des Apothekers für eine Flasche C 2H 6O, wofür ich wieder zwei Dollars bezahlen musste.
»Und mein Whisky?« fragte ich.
»Steht schon auf Ihrem Zimmer!« erklärte er. »Zugleich mit einer Flasche Soda – die kostet fünfzehn Cents.«
Ich gab ihm die Nickelstücke, aber er schien noch immer nicht zufrieden.
»Na, und wo bleib' ich?«, fragte er.
Ich gab ihm einen Dollar, den er ohne Dank einsteckte – er hatte gewiss mehr erwartet.
Auf dem Nachtkastel am Bett, neben der Bibel, die an dieser Stelle in keinem amerikanischen Provinzhotel fehlt, stand ein erbärmliches, zwerghaftes Fläschchen; halb leer dazu; sein dünner Inhalt reichte kaum für ein halbes Glas und verlor sich in dem Sodawasser zu einem kaum schmeckbaren Gelabber. Wenn das C 2H 6O sein sollte, so war es gut durch fünfzig dividiert!
Und das elende Gesöff hatte mich fünf Dollars und fünfzehn Cents gekostet!
Nun, um die Wahrheit zu sagen, die Leute, die ich dann in Kansas kennenlernte, hielten mich schadlos dafür. Operngucker hatten sie zwar nicht – das schien eine Spezialität von Nebraska zu sein – auch war ihre Auswahl durchaus nicht so reichlich. Aber Kentuckywhisky bekam ich bei jeder Gelegenheit vorgesetzt, viel mehr, als mir lieb war. Dabei durfte man es wirklich nicht abschlagen; jedermann in diesem knochentrockenen Musterstaate schien sich eine Ehre daraus zu machen, mir zu den unmöglichsten Gelegenheiten einen Schluck anzubieten. Uebrigens dachte hierzulande kein Mensch mehr daran, seinen Whisky mit Wasser zu vermischen.
Alles zusammen – ich war froh, als ich nach fünf Tagen aus diesem Staate wieder herauskam, wieder trinken konnte, was mir und wann es mir beliebte und das hiess in diesem Falle: so wenig mir beliebte.
Zum andern Male war meine Trockenlegung schmählich misslungen.