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(Theoklymenos kommt mit Gefolge von der Jagd zurück)
Theoklymenos:
Grab meines Vaters, sei gegrüßt! Proteus, dich hab
Ich zur Begrüßung grade am Eingang beigesetzt,
Auf daß dich stets beim Ein- und Ausgehn hier dein Sohn,
Theoklymenos, Vater, dein gedenkend ehren kann!
Ihr nun, ihr Knechte, schafft die Jägernetze samt
Der Meute mir sofort hinein ins Fürstenschloß. –
Ich aber hab mir manchen Vorwurf schon gemacht,
Daß Übeltäter nicht die Todesstrafe traf!
Und jetzt erfahr ich klärlich, daß ein griechischer Mann
Ins Land hereinschlich, den die Wachen nicht bemerkt –
Gewiß zur Kundschaft, oder Jagd zu machen auf
Helenen heimlich. Trifft man ihn, so töt ich ihn!
Ha!
Ich finde, scheint es, alles längst schon abgetan!
Die Tyndarstochter hat den Sitz am Grabe leer
Gelassen, ist aus meinem Lande fortgeraubt!
Holla! Die Pforten aufgeschlossen, losgelöst
Die Rosse im Stall, ihr Diener, Wagen hergeschafft!
Sofern's an meiner Mühe liegt, soll nicht das Weib,
Um das ich werbe, heimlich aus dem Land entfliehn!
Doch halt! Ich seh sie, der die Jagd soll gelten, hier
Noch gegenwärtig, keineswegs davongeeilt!
(Helena tritt in Trauergewändern und mit geschorenem Haar aus dem Palast)
Ei, sprich, was hast du schwarzes Florgewand anstatt
Der hellen Kleidung angelegt? Vom edlen Haupt
Den Lockenschmuck durch Scherenschnitte weggemäht?
Was rollen helle Tränen über dein Gesicht
Im Weinen? Macht ein nächtlich Traumbild, dem du glaubst,
Dich also trauern? Ging dir wohl eine Kunde zu
Aus deiner Heimat, die dein Herz in Gram versenkt?
Helena:
Mein hoher Herr – denn dieser Titel ziemt sich jetzt –,
Ich bin gestürzt, verloren, hin ist all mein Glück!
Theoklymenos:
Worin besteht dein Ungemach? Was stieß dir zu?
Helena:
Mein Menelas – wie sprech ich's aus? o Gott! – ist tot!
Theoklymenos:
Woher erfuhrst du's? Sagte dir es Theonoe?
Helena:
Sie sagt' es und ein Schiffer, der ihn sterben sah.
Theoklymenos:
Erschien ein Bote, der es ganz gewiß verbürgt?
Helena:
Wohl kam er! Mag's ihm frommen so, wie mir es frommt!
Theoklymenos:
Wer ist er? wo? Genauer möcht ich's hören selbst!
Helena:
Hier sitzt er hingekauert an des Grabes Fuß.
Theoklymenos:
Gott, welch ein Anzug! Mißgestaltig und beschmutzt!
Helena:
Ach, leider! So sieht, denk ich, auch mein Gatte aus.
Theoklymenos:
Was für ein Landsmann? Und von wannen angelangt?
Helena:
Ein Griech, Achaier, Schiffsgenosse meines Manns!
Theoklymenos:
Und welchen Todes, sagt er, daß dein Gatte starb?
Helena:
Des jammervollsten: in der nassen Meeresflut!
Theoklymenos:
Und wo, auf welchem welschen Meere segelt' er?
Helena:
Auf Libyens unwirtbaren Klippen scheitert' er.
Theoklymenos:
Und wie entkam der von desselben Schiffes Bord?
Helena:
Mehr Glück hat oft der schlechtre als der beßre Mann.
Theoklymenos:
Wo ließ er dann das Wrack zurück und kam hierher?
Helena:
Da, wo er sterben konnte, nur nicht Menelas!
Theoklymenos:
Der ist dahin! – Auf welchem Boote landet' er?
Helena:
Ihn nahm ein Schiff auf, sagt er, das vorüberfuhr.
Theoklymenos:
Lebt noch das Unheil, das für dich nach Troja kam?
Helena:
Das Nebelbildnis meinst du? Dies verschwand zur Luft.
Theoklymenos:
O Trojerland und Priam, um ein Nichts verderbt!
Helena:
Das Los der Priamskinder duld ich leider mit!
Theoklymenos:
Birgt deinen Mann die Erde? Liegt er ohne Grab?
Helena:
Ganz unbestattet! Ach, das bittre Herzeleid!
Theoklymenos:
Drum schorst du wohl des blonden Haares Locken ab?
Helena:
Lieb ist mir, der sich da befindet, wie's auch sei!
Theoklymenos:
Und ist die Trauer um dieses Unglück richtig auch?
Helena:
Wie? Kann man deine Schwester hintergehn so leicht?
Theoklymenos:
Das freilich nicht! Nun? Bleibst du ferner hier am Grab?
Helena:
Wozu mich jetzt verhöhnen? Laß die Toten ruhn!
Theoklymenos:
Du bleibst ja deinem Gatten treu und meidest mich!
Helena:
Das ist vorbei! Nun ordne mein Vermählungsfest.
Theoklymenos:
Spät freilich kommst du, doch ich bin's zufrieden so!
Helena:
Hör, was ich sage! Lassen wir Vergangnes ruhn!
Theoklymenos:
Um welchen Preis? Denn Gunst um Gunst gewähr ich gern.
Helena:
Wir wollen Frieden schließen, und verzeihe mir.
Theoklymenos:
Vergessen sei der Hader, fortgeweht vom Wind!
Helena:
Nun denn bei deinen Knieen hier, mein edler Freund –
Theoklymenos:
Was will der Fußfall? Was begehrt dein Flehen hier?
Helena:
Dem toten Gatten möcht ich Grabesehre weihn!
Theoklymenos:
Wieso? Ein Nichts bestatten? Seine Leich ist fern!
Helena:
Nach Griechenbrauch wird, wer im Meer ertrunken ist –
Theoklymenos:
Was wird er? Pelops-Enkel sind hierinnen klug!
Helena:
Bestattet im Gewebe leerer Tücher, Fürst!
Theoklymenos:
So opfr ihm, bau ihm, wo du willst im Land, das Grab!
Helena:
So bringt man nicht zur Ruhe, wen das Meer verschlang!
Theoklymenos:
Wie sonst? Die Griechenbräuche sind mir unbekannt.
Helena:
Wir schaffen, was der Tote braucht, ins Meer hinaus.
Theoklymenos:
Was soll ich dann dir reichen für den toten Freund?
Helena (auf Menelaos deutend:)
Der kennt es; frei von Trauer bisher, weiß ich's nicht!
Theoklymenos:
Nun, Fremdling! Deine Meldung lautet angenehm –
Menelaos:
Nur nicht für mich, auch für den Hingeschiednen nicht!
Theoklymenos:
Bei euch wie ehrt man Tote, die das Meer verschlang?
Menelaos:
Je aufs Vermögen eines jeden kommt es an.
Theoklymenos:
Was das betrifft, so fordre nur: ihr geb ich's gern.
Menelaos:
Zuerst ein Schlachttier fällt den Mächten jener Welt.
Theoklymenos:
Und welches? Nur gefordert! Und ich richt es aus!
Menelaos:
Ermiß es selbst! Man nimmt zufrieden, was du gibst.
Theoklymenos:
Ein Stier ist bei uns Welschen oder Roß im Brauch.
Menelaos:
Nur, wenn du's gibst, so laß es nicht Gemeines sein.
Theoklymenos:
Gesegnet sind die Herden, und kein Mangel dran!
Menelaos:
Auch eine leere Bahre trägt man, zugedeckt.
Theoklymenos:
Es sei! Was fordert sonst der Brauch zum Opfer noch?
Menelaos:
Auch Eisenrüstung; denn er war ein Kriegesheld!
Theoklymenos:
Die Gabe soll des Pelops-Enkels würdig sein!
Menelaos:
Auch sonst noch, was der Boden trägt an hübscher Frucht.
Theoklymenos:
Wie dann? in welcher Weise senkt man's in die Flut?
Menelaos:
Dazu sind Ruderknechte nötig und ein Schiff.
Theoklymenos:
Und welche Weite trennt das Boot vom festen Land?
Menelaos:
Daß man vom Ufer kaum das Rudern mehr gewahrt.
Theoklymenos:
Ei wie? Warum übt Hellas diesen Brauch? Wozu?
Menelaos:
Daß nicht die Flut die Opfer spül ans Land zurück.
Theoklymenos:
Ein hurtig Fahrzeug aus Phönikien geb ich her.
Menelaos:
Das wäre hübsch dem Menelas zulieb getan!
Theoklymenos:
Genügt es nicht, wenn du's allein tust ohne sie?
Menelaos:
Der Mutter, Gattin oder Kindern liegt es ob.
Theoklymenos:
Des Manns Bestattung, meinst du, fordert ihre Hand?
Menelaos:
Der Frömmigkeit ziemt's, Heilges nicht zum Schein zu tun.
Theoklymenos:
Es sei! Der Gattin Frömmigkeit ist mir Gewinn.
Den Totenschmuck nun auszuwählen, geh ich hin
Ins Haus, und nicht mit leerer Hand entsend ich dich.
Und das geschieht nur ihr zulieb. Und weil du mir
Die frohe Nachricht brachtest, sollst du Speis und Kleid
Statt dieser Lumpen haben, um bequem nach Haus
Zu reisen; denn jetzt siehst du gar erbärmlich aus.
Du aber, Arme, gräm dich nicht im Übermaß,
Ob diesem Unglück, das sich nicht mehr ändern läßt,
Dich krank zu härmen. Menelas hat ausgekämpft –
Du kannst ihn doch vom Tode nicht erwecken mehr!
Menelaos:
Dir, junge Frau, ziemt's, deinen gegenwärtgen Mann
Zu lieben, den zu lassen, welcher nimmer ist.
So ist's am besten, da der Würfel also fiel.
Gewinn ich Rettung und gelang nach Griechenland,
So werd ich deinem frühren Leumund steuern, wenn
Du deinem Mann das, was du sein mußt, wirklich bist.
Helena:
Es soll geschehn. Mein Gatte wird zufrieden sein
Mit mir: du selbst wirst Zeuge sein; du bist dabei!
Doch geh, du Armer, um ein Bad zu nehmen und
Dich umzukleiden! Ohne Aufschub möcht ich dir
Wohltat erweisen; denn gewogner wirst du dann
Die Opfer meinem teuren, teuren Menelas
Darbringen, wenn ich dir erweise, was sich ziemt.
(Alle ab)
Chor:
Die Berggöttin, die Geistermutter, rannt einst mit eilendem Fuß
Durch Waldtäler und Höhn,
Längs den Gewässern strömender Bäch, über die Flut dumpfbrausender See,
Suchte sehnsuchtsvoll die geraubt
Unnennbare Maid.
Und laut und alldurchdringend scholl der tolle Klapperlärm; und samt
Der Mutter, welche dahinfuhr auf wildem Löwengespann
Der Jungfrau nach, welche dem Spiel, dem Rundtanz der Mädchen, entschwand,
Mit der Eile des Sturmes rennt
Die Pfeilschützin Artemis hier, die Speerheldin Pallas in Wehr
Dort; allein vom himmlischen Thron herabspähend leitet' es Zeus
Zu ganz andrer Entscheidung!
Und als, müde der weiten Irrfahrt, die Mutter ruhte vom Lauf,
Vom Aufsuchen des Trugs
Des spurlos entwendeten Kinds, siehe, da liegt im Idagebirg
Die Hochwart der Nymphen zerstört!
Sie stürzt leidbetrübt
Den dichtbeschneiten Bergesforst, läßt auf Gefilden keine Saat
Mehr keimen hinter dem Pflug, verdirbt jede Menschengeburt.
Und kein Futter sprosset dem Vieh in saftgrünem rankendem Laub,
Und der Hunger bedrängt das Volk,
Und kein Gott sieht Opferer nahn, kein Brot glimmt auf heiligem Herd,
Nirgends läßt sie perlendes Naß hellen Wassers quellen empor
Vor unendlichem Grame.
Doch als der Gottheit und der Welt die Lust der Mahlzeiten geraubt
War, sänftigt Zeus die in Haß grollende Erdmutter und spricht:
"Heilge Huldgöttinnen, geht
Und verscheuchet die Herzensqual der trostlos trauernden Frau,
Der Demeter Zorn um ihr Kind!
Ihr Musen, singet und tanzt und laßt schallen dumpfes Gebraus
Fellbespannter Trommeln von Erz."
Da nahm Kypris, die liebreizende, mit
Holdlächelndem Blick zuerst
Unter den Seligen
Die schallende Flöte, entzückt von dem Jubel.
Und dieses Glück heiliger Weihn, du hast's verschmäht stolz im Gemach
Hast, liebe Tochter, den Festdienst der Erdmutter versäumt:
Drob ihr Zorn rächend dich traf!
Denn gewaltige Wirkung übt des Rehfells scheckiger Schmuck,
Des Efeus grünlaubige Zier,
Dem Thyrsosstabe vereint, des Kreisels schwirrender Tanz,
Dem die Luft dröhnend erbebt,
Das Haar, flatternd dem lusttobenden Gott,
Und heilige Feiernacht!
Schlafend beleuchtete
Dein Auge der Mond da: dir genügte die Schönheit!
(Helena und Menelaos kommen aus dem Palast)
Helena:
Da drinnen, liebe Frauen, ging es glücklich. Denn
Die Proteustochter, die mit mir im Bunde steht,
Verriet des Gatten Gegenwart dem Bruder nicht,
Befragt von ihm, und sagte mir zulieb, er sei
Verschieden, unterm Boden, sehe nicht das Licht.
Dann hat mein Mann die schönste Rüstung aufgerafft:
Die Waffen, die er in die See versenken soll,
Die trägt er hier am Leibe, seine Heldenfaust
Dem Griff gefüget, und die Rechte faßt den Speer,
Als mitzuwirken bei des Toten Ehrendienst.
Er hat zur Abwehr recht den Leib gerüstet, wie
Um obzusiegen über hundert Welsche mit
Der Macht des Armes, wenn wir stehn am Schiffesbord,
Und Kleidung statt schiffbrüchiger Hüllen angelegt.
Ich hab ihn ausgestattet, seinem Leib ein Bad
Gereicht, Erquickung frischen Taus nach langer Frist!
(Theoklymenos tritt heraus)
Hier aber tritt der König aus der Halle, der
Sich im Besitze meiner Hand schon sicher dünkt.
Ich schweige still: ihr aber müßt behilflich sein
Getreulich und den Mund beherrschen, daß wir, selbst
Gerettet, euch auch retten einst, wenn's möglich ist!
Theoklymenos:
Zieht nach der Reihe, wie der Fremd' es ordnete,
Ihr Knechte, mit den seeischen Totenopfern hier. –
Helena, wenn mein Rat dir nicht mißfällig ist,
Folg mir und bleibe! Gleichen Dienst erweisest du
Abwesend deinem Gatten wie anwesend auch.
Ich muß besorgen, daß dich ein Verlangen dort
Ergreift, dem Manne nachzustürzen in die See,
Von alter Lieb zu jenem hingerissen; denn
Du weinst zu heftig, wo du doch ganz ferne bist!
Helena:
O du mein neuer Gatte, mir gebeut die Pflicht,
Den ersten und den bräutlich-holden Bund
Zu ehren. Selbst ihm nachzusterben wär ich wohl
Vor Liebe fähig, aber ach! was frommte ihm
Mein Tod zu seinem Tode? Aber laß mich ziehn
Und selbst die Leichenehren weihn dem toten Mann!
Dir schenke dann der Himmel, was mein Herz dir wünscht,
Und diesem Fremden, welcher dies vollbringen hilft!
Du wirst mich dann zur Gattin haben, wie's gebührt,
Im Hause nach dem Liebesdienst an Menelas
Und mir: zu irgendeinem Glück entscheidet sich's!
Und nun gebiete, wer das Schiff, worin wir dies
Hinfahren, beischafft, daß die Gunst vollkommen sei.
Theoklymenos (zu einem Diener:)
Du gehe hin und schaff ein fünfzigrudriges
Sidonerfahrzeug her, bemannt mit Ruderern.
Helena:
Und wer die Leiche ordnet, der befehligt auch?
Theoklymenos:
Gewiß!
(zum Diener)
Die Schiffer sollen dem gehorchen hier!
Helena:
Befiehl's noch einmal, daß von dir man's deutlich hört!
Theoklymenos:
Zweimal und dreimal sag ich's, wenn du's haben willst.
Helena:
Dich segn ich drum und segne mich für meinen Rat!
Theoklymenos:
Verweine mir, verdirb dich nur nicht gar zu sehr!
Helena:
Noch heut erscheint die Probe meiner Dankbarkeit.
Theoklymenos:
Die Toten sind nichts! Qual um sie ist ganz umsonst.
Helena:
Ach, meine Sehnsucht weilet dort und weilet hier!
Theoklymenos:
Kein schlechtrer Gatt als Menelas werd ich dir sein.
Helena:
An dir ist nichts zu tadeln, nur Glück braucht es noch!
Theoklymenos:
Das hängt von dir ab, wenn du nur mir Liebe schenkst.
Helena:
Du lehrst mich nicht erst, wie man Lieb um Liebe gibt.
Theoklymenos:
Willst du, so leit ich selbst die Fahrt und wirke mit!
Helena:
Mitnichten! Sei nicht deiner Knechte Knecht, mein Fürst!
Theoklymenos:
Wohlan! Was geht der Pelopiden Leichenbrauch
Mich an? Mein Haus ist unbefleckt und Menelas
Nicht hier verschieden! Mach ein Diener schnell sich auf
Und heiße meine Reichsvasallen zum Palast
Hochzeitsgeschenke bringen; und im ganzen Land
Muß Jubel schallen, muß Helenens Bund mit mir
Durch Brautgesang glückwünschend hochgepriesen sein!
Du, Fremdling, zieh indessen hin, dem Schoß des Meers
Für ihren frühren Gatten dies zu weihen hier;
Dann eile rasch mit meiner Braut zum Schloß zurück,
An ihrem Hochzeitsschmause teilzunehmen, dann
Nach Haus zu kehren oder reich zu wohnen hier.
(Ab)
Menelaos:
O Zeus, man nennt dich Vater und höchstweisen Gott,
Blick her auf uns, erlös uns aus der Leidensnot!
Wir ziehen keuchend unsre Last die steile Höh
Hinan: Oh, greif an, rühre mit dem Finger nur
Daran, und wir gelangen ans ersehnte Ziel!
Der Leiden, die wir trugen bisher, sind genug.
Ihr Götter, leider rief ich euch schon gar zu oft
Vergeblich! Soll ich ewig denn unglücklich sein?
Niemals mit vollen Segeln gehn? Ein einzig Mal
Gönnt eure Gunst, so werd ich fortan glücklich sein!
(Menelaos und Helena ab)
Chor:
Sidonisches punisches Schiff, des rascher Kiel Wogengebrause zeuget,
Tanzend in Rudertakt,
Und führt den spielliebenden Delphinenchor, wenn der Wind fährt,
Über die Seefläche; es ruft
Des Meergotts blauäugiges Kind, die Meerstille, den Schiffern:
"Wohlauf, breitet die Segel aus, gebt sie schwellenden Winden hin,
Faßt die fichtenen Ruder an! Holla! Ho! Ihr Matrosen, auf!
Bringt hin zum gastlichen Port von Perseus' Geschlechte das Weib, Helena!"
Am Wellenbett wirst du daselbst, vielleicht am Erztempel der Pallas, Leukipps
Töchtern begegnen und
So spät dem Tanzreigen und Chor wieder nahn in der Lustnacht
An Hyakinths wonnigem Fest,
Den einst Apoll, mächtigen Schwungs zum Ziel schleudernd den Diskos,
Wider Willen erschlug, weshalb Phoibos Opfertage der Feier
In Lakedaimon gestiftet hat; und vermählest das junge Reh,
Das deiner harret im Haus, welchem die Hochzeitsfackel noch nicht geleuchtet!
Oh, könnten wir jetzt im Flug durch die Luft aus Libyen fort
Gleich Zugvögeln entfliehn!
Sie lassen Sturm und Regen zurück
Und ziehn, der Pfeife des Hauptmanns folgend, welcher voran
Mit lautem Schreie fliegt, entlang den regenlos
Fruchtgesegneten Fluren.
O Gefieder mit schlankem Hals, Nachbarsegler des Wolkenzugs,
Schwebt beim Siebengestirn vorbei, unter Orions nächtlichem Glanz,
Ruft laut die Kund in das Land, am Eurotas sitzend, daß jetzt
Menelas in die Heimat kehrt, Dardans Burgen erstürmt hat!
Oh, kommet im Viergespann durch die Lüfte geschwinden Flugs,
Tyndarszwillige, die
Ihr unterm Wirbel des Firmaments
Vereint den Himmlischen thront, erscheint Helenen zum Heil
Und sendet über blaue Flut und dunklen Schwall
Der weißschäumigen See hin
Günstig wehenden Windeshauch aus dem Äther dem Segelschiff.
Nehmt der Schwester die Schmähung ab, daß sie dem welschen Buhlen sich gab.
Sie büßt' unschuldig die Schuld des Wettstreits im Idagebirg,
Nahte Ilions Mauern nie, nie den Türmen Apollons.
(Theoklymenos kommt aus dem Palast. Ein Bote eilt herbei)
Bote:
O Fürst, gelegen treff ich dich zu Hause, daß
Ich gleich das überraschend Unglück melden kann.
Theoklymenos:
Was gibt es?
Bote: Wirb um eine andre Braut, sofern
Du freien willst: Helena ist aus dem Land entflohn!
Theoklymenos:
Auf Flügeln schwebend? Oder rührt ihr Fuß den Grund?
Bote:
Zu Schiffe hat sie Menelas hinweggeführt,
Der selbst, für tot sich meldend, hier erschienen ist.
Theoklymenos:
Entsetzlich! Welche Reederei denn hat sie hier
Vom Land entführt? Unglaublich klingt die Zeitung mir!
Bote:
Die, die du selbst dem Fremdling gabst: er ist, auf daß
Ich's kurz erzähl, mit deinen eignen Schiffern fort.
Theoklymenos:
Wie ging es zu? Laß hören! Denn ich kann mir nicht
Vorstellen, daß ein einziger Arm obsiegen je
Der ganzen Mannschaft könnte, die ich mitgesandt.
Bote:
Indem die Tochter Zeusens, hier das Königshaus
Verlassend, nach der Meeresküste wandelte,
Beweinte sie, mit zartem Fuße schreitend, schlau
Den nicht gestorbnen Gatten, der zur Seite ging.
Und wir, zum Rüsthaus-Hof gekommen, ließen rasch
Vom Stapel ein sidonisch nagelneues Schiff
Mit fünfzig Bänken und der angemeßnen Zahl
Von Rudern. Ein Werk schloß sich dann ans andre an:
Der setzt den Mast ein, der die Schaufeln handlich und
Das Ruderwerk, der zieht die blanken Segel auf
Und läßt das Steuerruder in sein Joch hinab.
Bei dieser Arbeit schleichen griechische Männer her
Zur Küste, die den Augenblick wohl abgepaßt,
Gefährten Menelaens, in schiffbrüchiger
Bekleidung, sehr verkommen, aber wohlgestalt.
Und wie sie Atreus' Sprößling vor sich stehen sah,
So sprach er mit verstellter Mitleidsmiene so:
"Ihr armen Männer! Wie? Aus welchem griechischen
Seeschiffe, das gestrandet ist, wohl kommt ihr her?
Wollt etwa mitbestatten Atreus' armen Sohn,
Dem hier die Tyndarstochter leere Opfer weiht?"
Und sie, die Heuchler, Tränen weinend, stiegen dann
An Bord des Schiffes mit den Seeversenkungen
Für Menelas. Uns aber kam bereits Verdacht
Und gegenseitig Flüstern ob der großen Zahl
Der Eingestiegnen, aber dennoch schwiegen wir,
Treu deiner Vorschrift. Dein Gebot, der Fremde soll'
Im Schiff befehlen, hat die Sache ganz verderbt!
Das andre nun ward ohne Müh an Bord gebracht
In leichtem Heben, nur der Stierfuß sträubte sich,
Gerade hinzutreten auf den Bretterpfad.
Er brüllte laut und rollt' im Kreis das Aug umher,
Den Rücken trotzig krümmend, schielend nach dem Horn,
Und ließ sich nicht anrühren; aber jetzo rief
Helenens Gatte: "Ihr Erobrer Ilions,
Wohlan, im Nu nach Griechenart den Leib des Stiers
Mit jugendlichen Schultern rüstig angepackt
Und aufs Verdeck geworfen" – und er hielt dabei
Das Schwert am Griff –, "das Opfer für den toten Freund!"
Und aufs Kommando fertig, hat man alsobald
Den Stier gepackt und auf das Vorderdeck geschafft.
Darauf dem Reitpferd Stirn und Mähne streichelnd sanft,
Bewog es Menelaos, mit zu Schiff zu gehn.
Zuletzt, nachdem schon alles war an Bord gebracht,
Durchmaß die Leiterstufen mit dem netten Fuß
Helena und ließ sich nieder mitten im Verdeck,
Und neben ihr der totgesagte Menelas.
Die andern saßen an der recht und linken Wand,
Mann neben Mann, gleich viele, Schwerter unterm Kleid
Verborgen haltend, und im Chore widerhallt'
Es bei den Rudern, als des Rufers Stimm erscholl.
Und als wir weder allzufern noch allzunah
Vom Lande waren, fragte so der Steuermann:
"Soll man noch weiter schiffen, Fremdling, oder ist's
So passend? Denn der Schiffsbefehl ist dir vertraut."
Der sprach: "Genug!" Und schreitet mit gezücktem Schwert
Zum Vorderdecke. Hin zur Opferung des Stiers
Getreten, dacht er keines Abgeschiednen mehr:
Die Kehle schneidend, fleht' er: "Der im Meere thront,
Seegott Poseidon, keusche Nereustöchter ihr,
Bringt heil mich samt der Gattin heim nach Nauplias
Gestaden ohne Schaden!" – und die Ströme Bluts,
Sie schossen, Glück dem Fremden deutend, in die Flut!
Da sagte mancher: "Tückisch ist die Schifferei!
Kommt, laßt uns rückwärts steuern gleich. Gebiete du's,
Und wende du das Steuer!" Atreus' Sohn jedoch
Trat hin und rief den Fremden nach der Opferung:
"Ihr Helden, Blüten griechischen Landes, nicht gesäumt!
Und haut die Welschen nieder, stürzt sie über Bord
Ins Meer hinab!" Vom Oberbootsmann scholl indes
Der Ruf zum Widerstande deiner Schifferschar:
"Auf! schwinge der entzweigebrochne Stangen, der
Banktrümmer, reißt die Ruderschaufeln los und schlagt
Die Köpfe blutig diesen tückischen Fremdlingen!"
Und gradan stürmen alle: Stümpfe hatten die
Vom Takelwerke, jene Schwerter in der Hand.
Die Barke schwamm im Blute, da erscholl der Ruf
Helenens her vom Steuer: "Wo bleibt euer Ruhm
Von Troja? Zeigt's den Welschen!" Hier stürzt' einer hin
Vor Eifer, der stand wieder auf, doch mancher lag
Tot hingestreckt, und Menelas in voller Wehr,
Wo seine Kampfgenossen litten, spähend, war
Stets allen nahe mit dem Schwert in starker Faust,
Uns über Bord zu sprengen, bis die Ruder leer
Von deinen Leuten wurden. Und ans Steuer trat
Der Fürst gebietend: "Dreht den Kiel nach Hellas hin."
Man hißt die Segel, und ein günstiger Wind erscheint.
Sie sind verschwunden! Ich entrann dem blutgen Tod,
Ins Meer hinab mich lassend längs dem Ankertau,
Und als ich sinken wollte, warf ein Fischer mir
Ein Ankertau zu, und ich kam ans trockne Land,
Dir dies zu melden. Kluges Mißtrauen geht gewiß
Weit über alles, ist das Allernützlichste!
Chor:
Ich hätt es nie geahnet, Fürst, daß Menelas,
Anwesend heimlich, mich betrügen könnt und dich.
Theoklymenos:
Weh, durch Weiberkünste bin ich überlistet jämmerlich!
Meine Braut ist fort! Und wäre durch Verfolgung noch das Schiff
Einzuholen, keine Mühe spart ich, fing die Fremden leicht.
Jetzo soll's die Schwester büßen, die mich preisgegeben hat,
Und den Menelas im Hause wissend, mir's verheimlichte.
Keinen Menschen soll sie fürder täuschen durch ihr Sehertum.
(Er will in das Haus stürzen, aber ein Diener Theonoes tritt ihm in den Weg)
Diener:
Halt! Wo rennst du hin, Gebieter? Welche Mordtat hast du vor?
Theoklymenos:
Dorthin, wo das Recht es fordert. Fort, und geh mir aus dem Weg!
Diener:
Nein, ich lasse dein Gewand nicht: großes Unglück stellst du an!
Theoklymenos:
Sklave, deinem Herrn gebieten willst du?
Diener: Ja, ich mein es gut!
Theoklymenos:
Nicht mit mir, sofern du nicht mich lässest –
Diener: Nein, ich laß dich nicht!
Theoklymenos:
Töten meine schlechte Schwester!
Diener: Deine fromme Schwester, sprich!
Theoklymenos:
Diese Falsche!
Diener: Edle Falschheit, die den Freund zur Tugend zwingt!
Theoklymenos:
Die dem Fremdling meine Braut gab!
Diener: Dem sie mehr als dir gebührt!
Theoklymenos:
Wem gebührt das Meine?
Diener: Dem sie war vom Vater angetraut!
Theoklymenos:
Aber mir verlieh das Glück sie!
Diener: Und das Schicksal nahm sie dir.
Theoklymenos:
Nicht geziemt's dir, hier zu richten.
Diener: Wenn ich Beßres rate, wohl!
Theoklymenos:
Somit wär ich euer Diener?
Diener: Dienen sollst du bloß dem Recht.
Theoklymenos:
Lüstert's wohl dich nach dem Tode?
Diener: Töte mich, nur sollst du nicht,
Wenn's an mir liegt, deine Schwester töten; denn zu sterben für
Ihre Herrschaft ist für edle Diener wohl der schönste Tod!
(Die Dioskuren erscheinen über dem Hause)
Die Dioskuren:
Halt an im Zorne, der dich treibt mit Ungebühr,
Theoklymnos, König dieses Lands! Die Zwillinge,
Wir Dioskuren, rufen, welche Leda samt
Helenen, die entronnen ist, gebar. Du zürnst
Um eine Gattin, die dir nicht beschieden war.
Auch hat des Nereus Tochterkind dir nichts zuleid
Getan, die Schwester Theonoe, nur treu erfüllt
Der Götter und des Vaters tugendhaft Gebot.
Helenen war es bis zur gegenwärtigen Zeit
Bestimmt, in deinem Haus zu wohnen immerdar,
Allein nachdem zertrümmert Trojas Festen sind,
Ihr Name aufgeopfert ist den Göttinnen,
Nicht mehr: sie knüpft den frühern Ehbund wiederum,
Gelangt zur Heimat, lebt mit ihrem Ehgemahl.
Drum bleibe mit dem Schwerte von der Schwester fern,
Erkenne, daß sie tugendhaft gehandelt hat.
Wir hätten unsre Schwester längst gerettet wohl,
Nachdem uns Zeus zur Göttlichkeit erhöhet hatt,
Allein dem Schicksal und dem Götterwillen, die
Es also fügten, durften wir nicht widerstehn.
Dir diese Mahnung! Meiner Schwester meld ich dies:
Fahr heim mit deinem Gatten bei der Winde Gunst!
Wir, deine Brüder, fahren dir zur Seite, dich
Beschützend, und geleiten dich ins Vaterland.
Und wenn du einst am Ziel der Bahn verschieden bist,
So wirst du Göttin heißen, Spenden von der Welt
Empfangen mit uns Brüdern, Gastgeschenke, die
Man uns Geschwistern weihet; also will es Zeus.
Und wo zuerst dich Maias Sprößling hin entrückt'
Aus Sparta, deiner Wohnung am Eurotas dich
Geheim entführend, daß dich Paris nicht erhielt,
Das länglich Eiland, welches quer vor Akte liegt,
Das wird Helena von der Welt fortan genannt:
Herberge war es dir vom Haus Entführten einst.
Den umgetriebnen Menelas erwartet einst
Ein Sitz bei Göttern auf der selgen Inselwelt,
Denn hochgesinnte Menschen sind den Göttern lieb.
Theoklymenos:
O Söhne Zeusens und der Leda, meinen Groll
Um eure Schwester laß ich fahren allbereits,
Und meiner Schwester werd ich nichts zuleide tun.
Sie mag zur Heimat immer ziehn: der Himmel will's!
Höchst edel und höchst tugendhaft, des seid gewiß,
Ist jene, deren Brüder eines Bluts ihr seid.
Drum Heil euch ob des hohen, reinen Tugendsinns
Helenens, des sich manche Frau nicht rühmen kann!
(Chor:
Das Göttliche zeigt sich in mancher Gestalt.
Es vollenden die Götter, was keiner geahnt.
Wovon wir geträumt, das verwirklicht sich nicht.
Was unmöglich uns schien, das ist möglich für Gott.
So hat es auch hier sich bewiesen!)