Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Dies sind meine drei Glaubenssätze:
Erstens: Ich glaube an die heilige Vernunft in der Schöpfung, sie, die das ganze Weltall erhält, wenngleich sie ewig zerstört und Neues wirkt. Sie schafft aus dem Chaos den Kosmos, aus dem scheinbaren Wust immer wieder die Ordnung. Sie bildet neue Sterne und bewahrt in der Vernichtung den Kern und den Keim zu weiteren Welten. Wir dürfen sie nicht mit Menschenaugen verstehen wollen und mit unserm Geiste messen. Sie ist nichts Persönliches noch etwas, das an unserm Einzelwesen mitempfindend beteiligt ist. Sie ist das Leben, das sich immer wieder neu schafft, das ohne Anfang und Ende ist und niemals über sich ermüdet. Es ist unmöglich, sie in ein menschliches Wort zu fassen, noch mit unserm Gehirn zu begreifen, ebensowenig wie man das Meer mit einer Menschenhand ausschöpfen könnte. Der einzige Sinn des ganzen Seins ist der, sich ewig umzuschaffen und zu erneuern, also ein unaufhörliches Werden, in dem unser besonderes Dasein nur ein Wellenschlag ist.
Zweitens: Ich glaube an den Menschen und an seine Sendung auf diesem unserm Stern. Wie er allmählich in langen Jahrtausenden aus dem Tierreich emporgestiegen ist, dem er mit seinem Körper noch angehört und angehören wird bis an sein Ende, wird er weiter in die Gesittung und Bildung schreiten, die das Glück der Menge verbürgt. Mehr und mehr wird er die Überbleibsel seiner wilden Herkunft abstreifen und die häßlichen Triebe seiner rohen Selbstsucht. Auch in der Masse, in den Völkern, wird er einsehen, was dem Weisen bereits seit langem zum Bewußtsein gekommen ist, daß notwendig zur Vollkommenheit des Ich das Du gehört, und daß die Menschen sich im Moralischen ebenso ergänzen müssen wie im Physischen und Intellektuellen. Der Einzelne allein kann nie zu seinem vollen Glück und zu seiner Befriedigung gelangen, weder in der Liebe noch im Leben. Die Menschen zusammen machen erst die Menschlichkeit aus. Man kann an dem Einzelnen verzweifeln, aber niemals an der Gesamtheit, die in beständiger Entwicklung zum Guten ist und sein muß. Denn anders hätte sich die Menschheit schon längst selber vernichtet und aufgerieben. Die gegenseitige Liebe von Mensch zu Mensch, die »des Menschen Sohn« und die meisten andern irdischen Glaubensstifter in allen Erdteilen gelehrt haben, wird sich zunächst zur gegenseitigen Achtung auswachsen. Diese herrscht in ruhigen und gesunden Zeiten ja eigentlich schon heute auf der von Menschen bewohnten Erde. Sie wird sich weiter festigen von Jahrhundert zu Jahrhundert. Die Menschheit, die auf ihrem fast völlig erforschten Stern von Erfindung zu Erfindung fortgeschritten ist und sich mehr und mehr ausgedehnt hat, wird künftighin nach den Jahrzehnten äußerer Erfindungen und Verbesserungen tiefer innerlich Einkehr halten und sich ihr Gemeinsamkeitsleben auf diesem Stern so schön wie möglich gestalten. Die Wissenschaft hat mit der Himmelskunde begonnen, sie wird mit der Gesellschaftskunde enden. Sie hat zunächst vergebens Gott gesucht, um schließlich ihr letztes Ziel im Glück des Menschen zu finden.
Drittens: Ich glaube an den heiligen Geist des Fortschritts, wie er sich trotz allen Rückfällen und Umwegen bereits in der kurzen Geschichte der Menschheit bis heute zeigt. Wie das Licht sich durchsetzt, wird auch die Vernunft siegen. Und wenn wir auch die Völker,« sogar die des sogenannten gebildeten Europas, ab und zu in Abgründe tiefster Barbarei versinken sehen, so wird doch der Geist, der unsere Menschheit geleitet hat, sich aufs neue und notwendig immer heller offenbaren müssen»Er, ist der Stern, der unserm Menschheitsweg durch die Jahrtausende voranleuchtet. Ich glaube an eine künftige Verbrüderung der Völker dieser Erde zu einer heiligen allgemeinen Kirche. Und zwar einer Kirche nicht zur Verehrung irgend eines nebelhaften, unbekannten Gottes, von dem wir nichts wissen, noch von dem wir jemals etwas Bestimmtes erfahren werden, sondern einer Kirche zur Verehrung des Höchsten und Schönsten, was es für uns Sterbliche gegeben hat, gibt und geben wird: Zur Verehrung der Menschlichkeit. So möge es kommen!