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Der Katzenritter.

Auf schwellendem Lager Schön-Nella liegt,
Vom Frühroth die Kissen gesäumet,
Es glüht ihre Wange, der Athem fliegt,
Sie lächelt, sie seufzet und träumet.
Im Schlafen, im Wachen, o qualvolle Pein!
Verfolgt sie das Auge, die Stimme sein,
Wie soll sie vor ihnen sich retten?
O, daß er wollt' öffnen das schwarze Visir,
Damit sie sein Antlitz kann schauen,
So blitzen die Augen allein nur herfür
Und füllen mit Angst sie und Grauen,
Doch wundervoll sind sie, so strahlend und groß,
Und blicken so heiß und erbarmungslos,
Die Zauberaugen der Katze!
»Wer mag er wohl sein? und welch' Räthsel hält
Die Holzenburg heimlich umsponnen?
Und ob sich einst Wohlverleih's Sprüchlein erfüllt,
Das ihn mir zum Gatten ersonnen?
Ich weiß es ja, daß er kein Höllengeist ist,
Er trägt auf der Brust ein Kreuz wie ein Christ.«
So sinnet, so träumet Schön-Nella.
Wie sie gestern sich einsam im Burgfried erging,
Wo zum Wald führt die felsige Treppe,
Da huschte ein Kätzlein, ein herziges Ding,
Spielt zutraulich ihr um die Schleppe;
Erst wollt' sie es stoßen zurück voller Haß,
Bei seinem Anblick der Zorn sie erfaßt,
Es mahnet sie an den Verhaßten;
Doch gar zu lieb tändelt's – es stocket ihr Fuß,
Sie lockt es, um mit ihm zu scherzen,
Sie nimmt es empor, mit schüchternem Kuß
Beginnt sie das Thierlein zu herzen. –
»So steht es Euch gut. Es gebühret der Katz'
An Euerem Herzen ja längst schon der Platz!«
Ruft's plötzlich hervor aus dem Busche,
Und abermals, gleich wie gestampft aus der Erd',
Steht Er da! Doch schnell wieder springet
Zurück er zum Abhang, – dann schnaufet ein Pferd,
Sein Hufschlag thaleinwärts verklinget.
Da schleudert das Kätzlein sie wild von sich fort:
»So bin ich denn sicher an keinem Ort
Vor diesem frechen Gesellen?«
Doch ob sie auch zornig verzieht das Gesicht,
Beschämt ihm zu zürnen, dem Kecken,
Ihr stolz will es wohl, doch ihr Herz will es nicht,
Bewundert den muthigen Recken;
Die Eitelkeit flüstert ihr leis in das Ohr:
»Was wagt er für Dich nicht, der närrische Thor,
Das thut für 'ne Andre kein Andrer!« –
Da schmettert ein Hornstoß, und Nella erwacht,
Sieht sonnigen Morgen rings prangen,
Und hastig scheucht sie die Träume der Nacht
Hinweg von den rosigen Wangen.
Es hasten und rennen im Hofe die Leut',
Herrn Heinrichs Namenstag feiert man heut'
Mit Pauken und mit Trompeten.
Es widerhallet der Jubel im Thal,
Ein Flöten und Jauchzen und singen,
Beim Festbankett in dem Rittersaal
Die güldenen Becher erklingen;
Auch hat man zum Lobe der Kühnheit und Kraft
Ein Lanzenstechen der Ritterschaft
In Eisenach vorbereitet.
Ganz nahe der Stadt, auf dem Wiesenplan,
Hat man die Tribüne erbauet,
Von welcher Sophia das Viereck der Bahn
Mit Heinrich bequem überschauet;
Viel Holzgerüste, sie schließen sich an,
Drauf eng gedränget der Bürgersmann
Das seltene Schauspiel erharret.
Auf schnaubendem Rosse, in gleißender Pracht,
Hersprengen die stolzen Gestalten,
Es klirren die Schwerter, der Schild erkracht,
Vom Lanzenstoße gespalten;
Und Horngeschmetter verkündet im Kreis,
Daß Treusche von Buttlar den ersten Preis,
Den goldenen Humpen, erhalten.
Und wiederum stampft es und wühlt den Sand,
Es rasselt und schnaufet und klinget:
Wohl dem, der aus Frau Sophias Hand
Die gestickte Schärpe erringet!
Es splittern die Schäfte. Heiß rennt man sich an,
Bis Walther von Romrod die Schärpe gewann,
Darreicht sie ihm Fürstin Sophia;
Der dritte Preis ist ein Kränzelein schlicht,
Das Petronella Eschwegen
Mit eigener Hand jetzt aus Rosen flicht,
Um des Siegers Stirn es zu legen.
Ein Hornstoß verkündet der Kämpen Nah'n,
Es sprengen die Rosse gar kühn in die Bahn,
Es nicken die Federn am Helme;
Doch Staunen malt plötzlich ein jedes Gesicht,
Und Murmeln erhebt sich verdrossen:
»Wer ist jener Blaue? wir kennen ihn nicht,
Er trägt das Visier ja geschlossen!
Ha, seltsame Helmzier! Der närrische Tropf,
Er trägt auf dem Haupt einen Katzenkopf,
Einen Handschuh fassen dess' Zähne!
O, schaut doch, schaut! auf dem lindenen Schild
Welch' unbekannt, wunderlich Wappen!
Da sieht man gemalt einer Katze Bild,
Thät just sich ein Mäuslein erschnappen;
Ueberm Kettenhemd, auf gesticktem Gewand,
Ein Katzenfell weht an blauseidenem Band,
Das flattert ihm keck um die Schulter!«
Und gelassen reitet der Fremdling einher,
Vor Sophia sein Roß zu pariren,
Da neigt er fein sittsam den kräftigen Speer,
Die Fürstin zu salutiren.
Schön Nella erbleicht, durch des Ritters Visier
Ein flammender Blick aufleuchtet zu ihr:
»Er ist es! erbarm' dich, o Himmel!«
Befremdet die Fürstin zum Marschalk sich wend't:
»Wie kommt's, daß verkappte Gesellen
So keck, ohn' daß man den Namen uns nennt,
Allhier in die Schranken sich stellen?«
Der Marschalk verneigt sich: »O, Herrin, verzeih',
Es gilt hier nur launige Mummerei,
Der Fremde verweigert den Namen;
Vier Edelleute steh'n für ihn gut
Und haben's mit Handschlag beschworen:
›Der Mann ist von ritterbürtigem Blut,
Freiherrlich und edel geboren!‹
So kann man ihm wehren die Schranken nicht;
Die Katze heut' gegen ein Mäuslein ficht,
Sein Gegner ist Niesemäusel.«
Da lacht Frau Sophia: »Die Kurzweil gilt
Wohl ganz besonderen Zwecken?
Laßt seh'n, ob die Katz' aus des Gegners Schild
Die Maus in den Sand wird strecken!
Der Niesemäusel ist weidlich bekannt
Als bester Kämpe im Thüringer Land, –
Hei, Katz'! halt' steif Deine Ohren!«
Auf das Herz preßt Nella die zitternde Hand
Und nagt an der farblosen Lippe:
»Vier Ritter, sie haben ihn gut genannt,
Er stammt aus hochedeler Sippe!
Doch wehe ihm, weh' für dies keckliche Spiel,
Nicht die Maus ist, Nellas stolz ist sein Ziel,
Den will er zu Boden werfen!
O, daß er besiegt würd', o, daß er erläg',
Mit Schimpf und Schande müßt' weichen!«
Doch sagen des Herzens so stürmische Schläg':
»Nur ihm möcht' mein Kränzlein ich reichen!«
Und athemlos starrt sie hernieder zum Plan.
Sie rennen sich an! Staub wirbelt die Bahn:
»Wer wird meine Rosen wohl tragen?«
Das nenn' ich ein Streiten! Das klirret und klingt
Und wankt doch auf keiner Seite;
Wild bäumet die Maus sich, – die Katze erringt
Das Feld nicht um Haares Breite.
Welch' hitziger Stoß jetzt; doch schnell und gewandt
Parirt ihn die Katze. Hernieder zum Sand
Splittert's vom lindenen Schilde;
Und eingeleget die Lanze mit Macht,
Auf die Maus wirft die Katze sich. – Beben
Faßt Nella. Wehe! – Es stampfet und kracht –
Die Maus aus dem Sattel zu heben,
Trifft furchtbar der Stoß, – sie wankt auch, sie sinkt,
Und schmetternder Hornstoß, Volksjubel erklingt:
»Die Maus, die Maus ist besieget!«
Zu Nellas Füßen der Sieger jetzt kniet,
Den duftigen Lohn zu empfangen,
Und als er der Holden ins Auge sieht,
Da glühen die farblosen Wangen,
Sie neigt sich hernieder, mit zitternder Hand
Das Kränzlein sie um die Stirne ihm wand,
Und starrt, und starrt in sein Auge.
Da drückt er die Hand ihr, ganz gegen den Brauch,
Und flüstert ihr leise entgegen:
»Besiegte die Katze die Gegnerin auch,
Hat zu Füßen sie doch ihr gelegen!
Und streckt' sie zum Sand auch das Mäuslein zur Stund',
Ist selber sie doch viel todeswund
Von ihm in das Herze getroffen!« –
Auf der Wartburg flackern die Kerzen im Saal,
Da tönen die Pauken und Geigen,
Da schreitet man nach dem festlichen Mahl
Mit Jubel und Lachen zum Reigen.
Der Katzenritter, wer hat ihn geseh'n?
Er nahm seinen Lohn nur, um schweigend zu geh'n?
Wo blieb er denn während der Tafel?
Die Flöten locken zum herrlichen Tanz,
Da schreitet empor er die Stiegen,
Noch liegt auf dem Helm ihm der rosige Kranz,
Ganz wie er vom Rosse gestiegen,
»In voller Rüstung tritt er herein,
Mit geschloss'nem Visier will er führen den Reih'n?«
So murmelt es schnell durch die Halle.
Er aber geht stolz und stracks durch den Saal,
Vor Sophia sich sittig zu neigen:
»Vergönnet, o Fürstin, ein einziges Mal
Zu führen gewappnet den Reigen.
Ihr wißt ja, es führt allezeit an der Tatz'
Die wehrhaften Krallen wohl jegliche Katz',
Selbst wenn sie ihr Kätzelein streichelt!«
Hei, schwirrten die Klänge! An seiner Hand
Wie träumend ist Nella gegangen,
Sein Auge hat still und unverwandt
An ihrem Auge gehangen;
Und als der Reigen beendet war,
Da führt er sie weiter noch immerdar,
Zum rebenumlaubten Altane.
Wie ist's da so heimlich; das Blattgewind' weht
Wie Schilfesgeflüster am Weiher,
Am tiefblauen Himmel der Vollmond steht,
Webt silberdurchleuchtete Schleier,
Ein Nachtfalter flattert und wiegt sich und flieht,
Es singet der Wind das urewige Lied
Von fernem, von traumhaftem Glücke!
Es bebet die Jungfrau. Noch hält ihre Hand
Des Ritters Rechte gepresset,
Da flüstert er heimlich, dicht zu ihr gewandt:
»Was je ich verschuldet, vergesset,
Und nehmet allhier Euer Kränzlein zurück,
Ich bin nicht der Sieger. Mein Leben, mein Glück,
Es liegt in den Händen des Mäusleins!
Freiwillig, Vielholde, legt mir es ums Haupt,
Treuinnig ans Herz mir geschmieget,
Dann erst, Petronella, die Katze glaubt,
Daß wirklich, daß ganz sie gesieget.
Und doch nicht gesieget; die Sieg'rin seid Ihr,
Denn Herz und Seele, Ihr nahmet sie mir,
Ich hob nur die Maus aus dem Sattel! –
Was zaudert Ihr, Nella, so haßt Ihr fürwahr
Noch immer mich? haßt für das Leben?«
Da reicht sie ihm zitternd den Siegerkranz dar
Und hauchet: »Ich hab' Euch vergeben!«
Da faßt ihn unendliche, jauchzende Lust,
Er preßt ihre Hand an die stürmende Brust:
»Geliebte!« jubelt er, »Nella!
O, sag', daß Du mein bist für ewige Zeit,
In minniglich süßem Bekennen,
Sag', daß uns hinfort nicht Wonne noch Leid
Im Leben und Tode mehr trennen!
Dann öffne ich, Nella, getrost mein Visier,
Dann nenn' ich den Namen, vertraue mich Dir, –
O, liebst Du mich, liebst Du mich, Nella?«
Wie träumend erhebt sie ihr Angesicht,
Ob solch ein Bekennen ihr tauge;
Sie lächelt, sie bebet, sie redet nicht,
Sie starrt und sie starrt in sein Auge,
Dann schrickt sie empor: »Euern Namen mir?
O, schweigt, sonst seid ewig verloren Ihr,
Euern Namen darf ich nicht wissen.
Drum fliehet mich, flieht! und wendet den Blick,
Denn wisset, in Leben und Sterben
Ward ich Euer furchtbar, unsäglich Geschick,
Ich will nicht, ich muß Euch verderben!
Verheimlicht für ewig den Namen vor mir
Und öffnet mir niemals das sich're Visier,
Es hieß' in den Tod Euch stürzen!
Euch zu verrathen dem Fuldaer Abt,
Hab' ich auf das Kreuz ihm geschworen,
Drum meidet mich, Ritter, drum bleibet verkappt,
Beim Himmel, sonst seid Ihr verloren!
Und wollt' ich Euch lieben, nun ist es vorbei,
Doch forsche ich nie, wer die Katze sei,
Und brauche Euch nie zu verrathen!«
Da klinget es laut von dem Hofe herauf,
Ein verworrenes schreien und schelten,
Einen Knappen umringet ein johlender Hauf':
»Wir glauben nicht an Deinen Helden!
Hui, fährt nicht zum Rüstzeug mit eiligem Satz
Als Büttel heraus Deine heimliche Katz',
Vielleicht auch als Bauer, als Schinder?!
Warum denn so heimlich? geschlossen Visier?
Das braucht doch kein Ritter, kein echter!«
»Oho!« brüllt der Knappe, »Ihr Krautschneider Ihr,
Ein Prinz ist nicht besser und schlechter!«
Und schlägt an das Schwert sich, berauschet vom Wein:
»So wiss't denn, die Katz' ist der Frankenstein,
Mein trutziglich, edeler Herre!« –
Ein leiser Aufschrei! Am Gatterrand
Des Altanes ist Nella gesunken,
Wie fiebernd preßt sie des Ritters Hand:
»Er log es – o, sagt, daß er trunken!«
Ernst schüttelt das Haupt er: »Vieltrauteste, nein,
Er redete wahr. Ich bin Frankenstein,
Der wilde Junker geheißen.«
Da schnellt sie empor, da blicket sie wild:
»Ihr thatet den Beilstein ermorden?«
Verwandelt ist jählings das liebliche Bild,
Die Taube ist Löwin geworden:
»O, Fluch dann und ewiger Haß jener Hand,
Die schändend die meine so heuchelnd umspannt,
Aus meinen Augen, Verbrecher!
Ihr wagt es, zu werben um eine Maid,
Der Ihr den Oheim erschlagen?
Der Ihr die Heimath zerstört alle Zeit,
Die zum Raubnest empor Ihr getragen?
Ha, wohl mir, daß ich den Namen gewann,
Jetzt ohne Bedenken klag' ich Euch an,
Ich will's, und ich hab' es geschworen!«
Mit ruhiger Stimme, doch ernst und gefaßt
Spricht Robert: »Was Ihr geschworen,
Das müßt Ihr erfüllen. Wen Berthold haßt,
Der ist wohl für immer verloren;
Doch sei's drum, ich fürchte kein weltlich Gericht,
Ihr aber, Nella, Ihr solltet mich nicht
So ungerechtfertigt verdammen!«
»Rechtfertigen? Euch?! Welch' verwegenes Wort,
Das soll mich, bei Gott, nicht bethören,
Geht hin vor den Richter, verantwortet's dort,
Laßt dort Eure Redekunst hören!
Daß Ihr habt erschlagen den Oheim mein,
Wäscht keins Eurer glatten Worte mir rein,
Drum spart sie und woll't mich verlassen,
Verlassen für heut' und für ewige Zeit,
Nie seh' ich Euch wieder im Leben!
Was Ihr mir schufet an bitterem Leid,
Mag Gott es Euch gnädig vergeben!«
Fort stürmt sie. – Er murmelt: »Das Spiel schon aus?
Nein, jetzt erst beginnt es, hei, Katz' und Maus!
Nun vorwärts, nun wollen wir kämpfen!«


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