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Die Holzenburg.

Mit Sternen besäet und wolkenlos spannt
Der Himmel sich über das thüringer Land,
Und über die Berge, den schlummernden Hain
Hinjagen die silbernen Nebelfei'n,
Von luftigen Rossen, da wogen so fahl
Und wehen die Schleier gespenstisch zum Thal,
Und Perlen träufen wie blitzender Thau
Aus flatternden Mähnen hernieder zur Au.
Es baden die Nymphen im Bächlein so klar
Und strählen im Winde ihr lockiges Haar,
Und lautlos zieht in der nächtlichen Stund
Die weiße Hinde durch blumigen Grund
Und äset so heimlich und blicket so hold
Und trägt auf dem Haupte ein Krönlein von Gold;
Das klinget und singet im Hörselberg.
Im Drachensteine hauset der Zwerg,
Der huscht jetzt hernieder zum schilfigen Moor,
Zuweilen leuchtet Spitzflämmchen hervor,
Das wilde, das tanzende, tückische Licht;
Wer kennt das Laternchen des Heinzelmanns nicht?
An der Hochwalds Grotte aus kluft'gem Gestein
Aufsprießt eine Blüthe wie Lilie so rein,
Die Wunderblume, die Zaubrin im Thal,
Sie schwanket, sie wiegt sich im Mondesstrahl,
Sie flammt wie ein Sternlein in bläulichem Licht;
Heil, Wandersmann, Dir, dessen Finger sie bricht!
Grau ragen die Burgen im Düster empor,
Gehoben die Brücke, geschlossen das Thor.
Ein einsames Horn von der Wartburg noch schallt
Als letzter Gruß zu dem nächtlichen Wald,
Dann Stille rings um, von dem Himmelszelt
Blickt Vollmond schweigend herab auf die Welt. –
Was dröhnet da plötzlich durch schlummernden Hag
Und wuchtet hernieder wie Hammerschlag?
Was klopfet und hämmert, und rasselt und schallt,
Und säget und splittert die Stämme im Wald?
Was schnaufet und keuchet, und hastet und rennt,
Was pochet und raspelt und klettert behend?
Was klinget und tönet und stampfet und schwirrt,
Was wälzet die Steine, und meißelt und klirrt?
Auf dem Breitengescheide, der felsigen Wand,
Was steiget so zauberhaft schnell aus dem Sand?
Ist's Blendwerk der Hölle, ist's Zauberei?
Vermummte Gestalten, sie eilen herbei,
Sie fällen die Stämme, sie lockern den Grund,
Sie bauen ein Schlößlein zur Geisterstund!
Geheimnißvoll auf des Berges Kamm
Aufthürmen sie Steine und Stamm auf Stamm;
Da wächst es empor, da dehnt es sich aus,
Ein trutziglich hölzern gezimmertes Haus.
O nennt mir den Zaubrer, der Baumeister war! –
In dunkelen Kutten ist's seltsame Schaar,
Durch Dornen und Hecken auf heimlichem Pfad,
Vom Kloster Johannis her sind sie genaht,
An ihrer Spitze, auf schäumendem Roß
Ein Rittersmann befehligt den Troß,
Visir geschlossen, die hohe Gestalt
In eiserner Rüstung, vom Mantel umwallt.
Sie schaufeln den Graben, sie pflöcken das Thor,
Sie thürmen die niedere Brüstung davor.
Die Wände der Veste sind schmucklos und roh
Aus Brettern gefüget, das Dach ist von Stroh,
Doch also geschickt ist das Burglein gebaut,
Daß es gar stattlich zum Thale hinschaut,
Da scheinet die Baute wohl doppelt so breit,
Als wie man sie schaut von der Bergesseit',
Und zwiefach so hoch an dem Abgrund sie schwebt,
Als wie sie im Rücken vom Boden sich hebt!
So täuscht sie das Auge dem fahrenden Mann,
Blickt er vom Thalgrund zum Schlößlein hinan;
Da ist eine Halle, vier Wände, das Dach,
Ein schmucklos, ungedieltes Gemach,
Durch Luken kommt ihm das Tageslicht ein,
Bläst ungehindert der Wind herein,
Holztische und Schemel, und rings an der Wand
Viel Fässer und Kisten, des Schlößleins Proviant.
Daneben anreiht sich ein Zimmerlein,
Gedehnet und schmal, und wenn auch recht klein,
So dennoch behaglich und besserer Art.
An Hausgeräthen scheint hier nichts gespart:
Ein eichener Tisch, und um ihn gereiht
Gedrechselte Stühle, hochlehnig und breit,
Und kissenbeleget, sogar in der Mitt
Ein Rittersessel, nach edler Sitt,
Davor soeben noch legt ein Gesell
Ein büffelgehörntes, schwarzzottiges Fell,
Dieweilen ein Anderer fürsorglich spannt
Ein Teppichgeweb vor die hölzerne Wand.
Roth flammt es im Osten am Himmel empor,
Doch rastlos noch schaffet der seltsame Chor,
Bis endlich der Ritter dem Waidgesell winkt,
Bis kurzer, dreimaliger Hornstoß erklingt,
Bis es wie wimmelnder Ameisenschwall
Von allen Seiten hernahet dem Schall,
Sich stauend um des Geharnischten Roß,
Ein kuttenumwalleter, mönchischer Troß.
Da rufet er: »Wollt meinen Dank nun empfahn,
Mit Euerer Hülfe das Werk ist gethan,
Was jetzo noch fehlet dem lustigen Haus,
Das führen die Mannen und Knechte mir aus,
Drum ziehet zurück nun, die Sonne erwacht,
Und schirmt im Gebete das Werk dieser Nacht!«
Ein: »Deus vobiscum« rings flüsterts im Kreis,
Das Zeichen des Kreuzes, – und heimlich und leis
Enteilt es von dannen, und huschet und flieht
Auf lautlosen Sohlen durch Hecke und Ried
Zum Grunde hernieder, von Felsen umringt,
Draus mahnend vom Kloster das Glöcklein erklingt,
Dort öffnet das Thor sich, dort ziehen sie ein;
Wer könnte sie nächtlicher Wandrung noch zeihn? –
Hinsauset der Wind durch das Thüringerland
Und tilget die Fußspur, die frische, im Sand,
Und fern, wo des Rhönlandes dämmernde Firn
Aufrichtet zum Himmel die zackige Stirn,
Da fliehet auf bleichem, wild hastendem Roß
Der Nebelfeien gespenstiger Troß,
Denn Sonnenstrahl, jener keckliche Fant,
Im güldenen Panzer, den Speer in der Hand,
Der hat sie im schlummernden Thale entdeckt,
Mit stürmischem Glühen die Scheuen erschreckt,
Verfolgt sie, und hat wohl in zorniger Hast
Die weiten, langwallenden Schleier erfaßt
Und reißt sie herab in der Hufe Gestampf;
Nach wallen sie über den Wiesen wie Dampf.
Auch längst ist zum dunkelen Forste entflohn
Die zaubrische Hinde mit goldener Kron',
Die Zwerge bliesen Spitzflämmchen wohl aus
Und schlüpften zurück in ihr schachtiges Haus,
Im Hörselberge ward's still, und die Wand,
An welcher die Blume, die leuchtende, stand,
Die glüht jetzt und gleißet im Sonnenschein
wie köstlich geaderter Marmelstein,
Doch über dem Moose, gleich bläulichem Duft,
Ein Falter sich wieget in schimmernder Luft.
In Purpur getauchet, in sonnigem Brand,
Ein Flammenzeichen im thüringer Land,
Die Zinnenkrone auf lachender Stirn,
Gleich rosiger, reigengeschmücketer Dirn
Erhebet die Wartburg das fürstliche Haupt
Vom nächtlichen Schlummer, eichenumlaubt,
Und öffnet die Lippen mit erzenem Sang
In jubelndem, grüßendem Warthornklang:
»Gelobt sei Gott! – es wich die Nacht,
Ihr Schläfer rings, erwacht! erwacht!
Am Himmel stieg' die Sonn' herauf,
Zu Freud und Leid, wacht auf, wacht auf!
Den jungen Tag, oh schaut ihn gern,
Thut Eure Pflicht und lobt den Herrn!
        Wacht auf!«


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