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Gnädige Frau!

An Ihrer Stelle würde ich diesen Roman doch lesen und sein Name darf nicht die Befürchtung in Ihnen wachrufen, daß die große Sünde der Zeit abermals in einem lüsternen Gewande an Sie herantritt.

Aber Sie sollen auch nicht glauben, daß diese Blätter eine Wiederholung dessen enthalten, was die zeitgenössische Literatur nicht selten brachte, denn mein Buch will nicht nur die Lebensgeschichte eines Freudenmädchens schildern, sondern Ursache und Wirkung in ein reineres Licht rücken.

Daß dieses Licht unbarmherzig hell wirkt, liegt an dem Stoff.

Es ist eine Unmöglichkeit, gnädige Frau, von Ihren gefallenen Schwestern zu sprechen, ohne mitten hinein in das Geschlechtsleben zu greifen, und wenn die Wahrheit gezeichnet werden soll, so darf sie auch das Häßliche und selbst das Gemeine nicht scheuen.

Denn alle Wahrheit ist mit Schlamm behaftet.

Aber wenn Sie in diesem Roman auch nur ein einziges Wort finden, in dem die Freude am Gemeinen durchlugt, so sollen Sie und Ihre Genossen ein Scherbengericht über mich abhalten; im entgegengesetzten Falle bitte ich um Ihr Nachdenken.

Es ist sehr schwer, eine glückliche und anständige Frau darüber aufzuklären, daß auch in dem geschlechtlich tief gesunkenen Weibe ein Hang nach Geschlechtsreinheit wühlt, der sich sogar bis zu der Ehe veredeln möchte; denn das gesamte Leben eines solchen Weibes schlägt dem Ehebegriff in das Gesicht.

Wenn aber dennoch diese Sehnsucht vorhanden ist, so kann sie als ein Beweis dafür gelten, daß die Sünde gegen das sechste Gebot nicht aus einem niedrigen und eingeborenen Triebe emporwächst, sondern was allein dem Weibe von der Natur mitgegeben ward, das ist ein Gebot der Notwendigkeit; die Männer aber haben es in ihrer Herrenlaune zu einer Mißgeburt gemacht. Dennoch oder darum möchten viele am liebsten nichts davon hören. Zu einer Zeit, wo das Gewissen des Einzelnen eine Brünne, und das Gewissen der Gesamtheit eine Netzhaut trägt, glauben wir genug getan zu haben, wenn der Polizeibesen die Gasse reinkehrt, und den Unrat in einem heimlichen Hause abladet – draußen an den Grenzen der Stadt, wo im Mittelalter der Schindanger und der Richtplatz lag.

In ein solches Haus muß ich Sie führen, gnädige Frau, um Ursache und Wirkung zu beleuchten.

Und ich habe meiner Heldin den Namen der Schmerzensreichen gegeben, denn wenn jemals der Irrtum und die Lüge gegen die Wahrheit mit Hohn sündigten, so geschah es durch das Wort von dem »Freudenhause«. Aber die Sitte will ihr Opfer haben und fordert es auch von dem Autor. Darum rede ich in dem Titel dieses Buches von einem Freudenhaus.

Ich leite Sie durch dieses Haus und zurück in die Welt, denn um des letzten Zieles willen habe ich mein Werk geschrieben.

Die Gefallene kann eine Ehe führen, es ist sogar das Wort von ihrer ehelichen Treue geprägt worden, und wenn ich es auch nicht in allen Fällen unbedingt unterschreiben möchte, so birgt es doch mehr als ein Körnchen Wahrheit.

Denn ein gebranntes Kind scheut das Feuer.

Nicht an der Ehe schlechthin scheitert meine Heldin, sondern an ihrer letzten und höchsten Bestimmung.

Dort liegt das große Geheimnis.

Die Verfasserin.


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