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Wenn man vom Neuseeländer spricht, dann muß man auch der Flachslilie ( Phormium tenax) Erwähnung tun. Diese nützliche Pflanze ist derart mit dem Maori verwachsen, daß sie den weitesten Raum in seinem Leben einnimmt. Sie ist ihm unentbehrlich geworden, da sie ihm Kleidung, Wohnung, Hausgerät und gleichzeitig Handelsartikel darbietet. – Das Blatt der Flachslilie liefert mit seiner Faser das Material zu den oft künstlerisch schön und geschmackvoll gearbeiteten Mänteln und Röcken der Frauen. Die Hütten werden mit Flachslilienblättern gedeckt. Sie bieten durch die Art ihres Flechtwerks Schutz gegen den stärksten Regen. Matten bedecken die Wände der Hütten und verhindern das Eindringen der Kälte, und wenn der fremde Reisende die gastfreie Einladung des Maori annimmt, so wird er auf dem Tische Platten und Körbchen finden, die von geschickten Mädchenhänden geflochten, unsere Teller und Schüsseln vollkommen ersetzen. Aus weichen Phormium-Matten besteht das Bett und eine feine, sehr warme Decke aus demselben Blatte schützt den Schläfer vor Kälte. – Die Männer unterstützen die Frauen bei der Herstellung der Handelsartikel aus der Phormiumfaser. Sie drehen Schnüre und Bindfaden, Seile bis zur Stärke dickster Schiffstaue. Sie flechten Körbe, weben Mäntel, spinnen Garne und stricken Fischnetze – alles aus der Faser der Flachslilie. Sogar die Segel ihrer schön gearbeiteten und reichverzierten Kanoes sind aus dem gleichen Material hergestellt. Die Form der Phormiumblätter erinnert an unsere Schwertlilie. Aus der zwiebelartigen Wurzel der Pflanze treiben zahlreiche Blätter, die bei einer Breite bis zu zehn Zentimetern eine Höhe von zwei bis drei Metern erreichen. Die Farbe ist dunkelgrün mit roten Streifen auf der Rückseite der Blätter. Die Flachslilie blüht nur einmal, und zwar im fünfzehnten oder zwanzigsten Jahre. Sie treibt dann einen langen Schaft empor, der mit zahlreichen süßlich duftenden roten Blüten bestanden ist. – Die Verarbeitung des Blattes geschieht heute mit Maschinen, die den fleischigen Teil entfernen und die Faser bloßlegen. Diese letztere wird in ähnlicher Weise behandelt, wie der Flachs bei uns.
Kehren wir nach dieser Abschweifung auf den kaum erkennbaren rauhen Gebirgspfad zurück, den meine Diener mir vorgeschlagen hatten. Hier in diesen Bergen war Pu Nambu aufgewachsen und hier wollte er mir noch einen Rest echt neuseeländischen Lebens, in dem Dörfchen eines seiner Verwandten zeigen, der mit der vordringenden europäischen Kultur auf gespanntem Fuße stand. Mein Diener machte mich von vornherein darauf aufmerksam, daß ich mich auf anstrengende Kletterpartien gefaßt machen müsse und daß wir unsere Pferde nur bis zu einem bestimmten Punkte benutzen könnten. An einem Gebirgssee müßten wir sie unter der Obhut Toas zurücklassen.
Durch einen noch jungfräulichen Bergwald, in dem der Baum der Insel, die Kaurifichte vorherrschte, erkletterten unsere Pferdchen eine Hochebene, die uns eine herrliche Fernsicht bot. Trotz der vorgerückten Jahreszeit standen noch viele Wiesenblumen in Blüte und selbst eine alte Bekannte aus der Heimat, die Erdbeere bot ihre süßen Früchte dar. Allerdings wich diese in der Farbe von ihrer europäischen Schwester ab. Sie trug goldgelbe Früchte, die aber in Geschmack und Aroma ganz unserer Erdbeere glichen.
Da der Himmel während des ganzen Tages graue, zerfetzte Wolken von Westen nach Osten gejagt hatte, beschlossen wir, an dieser Stelle die Nacht zu verbringen. Zu dem Zwecke mußten mir meine beiden Maori einen Rancho bauen, wie ich dies in Südamerika meistens zu tun pflegte. Während sie sich damit beschäftigten, hing ich die Büchse um und wanderte in den Wald hinauf, um nach jagdbarem Wilde Ausschau zu halten. Mein Diener hatte zwar Zweifel geäußert, ob außer ein paar Taubenvögeln noch andere größere Lebewesen in den Felsen anzutreffen wären, aber unsere Vorräte mußten noch längere Zeit vorhalten und jede Bereicherung durch Wild war willkommen.
In einer Sandreiße kletterte ich aufwärts. Ich hatte mir eine bewachsene Kuppe zum Ziele genommen, deren saftiges Grün auf Vorhandensein von Wasser deutete, und wenn irgendwo, so mußte sich dort wild befinden, das Weide und Wasser an einer Stelle fand. – Ich mochte etwa eine halbe Stunde gestiegen sein, als ich links über mir ein dumpfes Pochen vernahm. Die Schläge fielen mit einer gewissen Regelmäßigkeit und schienen von Menschenhänden auszugehen. Da ich nicht die geringste Lust verspürte, mit Weißen oder sonstigen Kulturmenschen zusammenzutreffen, so verließ ich die geröllhaltige Einsenkung und stieg rechts in den Wald, wo ich allerdings ein recht schwieriges Gelände fand. Der Baumbestand war mit Brombeersträuchern dicht bewachsen und ich hatte oft Mühe eine lichte Stelle zu finden, die mir einen Schritt weiter gestattete. So arbeitete ich mich langsam zu dem vorbezeichneten Punkte empor. Dort fand ich auch meine Voraussetzung bestätigt. Ein Reh äste arglos das saftige Gras und mußte seine Unachtsamkeit mit dem Tode büßen. – Nachdem ich das Tier aufgebrochen hatte, warf ich die Büchse wieder auf die Schulter und betrachtete noch eine Weile die eben hinter dem Taranaki – oder Mount Egmont (2500 Meter), wie ihn die Engländer nennen – verschwindende Sonne. Der Berg lag klar im Aether und sein schneegekrönter Gipfel leuchtete in den prächtigsten Farben. Da wo ihn der letzte Sonnenstrahl voll traf, glühte der Firn wie lauterstes Gold, während die südlicher liegenden Hänge als violett und grün leuchtendes Silber erschienen.
Ich war so in das großartige Schauspiel vertieft, daß ich gar nicht bemerkte, wie sich nächtliche Schatten über den Wald legten und mir den Abstieg zu meinem Rancho unmöglich machten. – Als ich mich endlich von der hehren Pracht losriß, erschrack ich leicht. Finsternis gähnte mir aus der Tiefe entgegen, und wenn ich an den dornigen Aufstieg dachte, wußte ich, daß ich für diese Nacht an kein wärmendes Feuer, noch weniger aber an Essen denken durfte. Ich hatte nichts bei mir. Sogar Decke und Feuerzeug waren unten zurückgeblieben. – Die Kosenamen, die man sich bei derartigen Wahrnehmungen zu geben pflegt, ersparte ich auch mir nicht. Aber damit änderte sich meine Lage um keines Fingers Breite. – Eine schwache Hoffnung setzte ich auf meine Leute. Sie wußten, wo ich zu finden war. Ob sie wohl soviel Verständnis für meine Lage aufbrachten, daß einer von ihnen zu mir aufstieg?
Ich ließ einen lauten, kräftigen Jodler erschallen, der in dem Namen Tao-ho ausklang – und tat unvorsichtigerweise damit das dümmste, das ich tun konnte. Hätte ich kein Lebenszeichen von mir gegeben, so würde man mich gesucht haben. Nun aber hörte ich die lauten Antwortrufe meiner Leute, deren Wortsinn mir aber ebenso verloren ging, wie ihnen meine Worte.
Endlich gab ich es auf. Auch diese Höhe begann sich in ihre nächtlichen Schleier zu hüllen und es wurde empfindlich kalt. Ich schleppte den Rehbock etwas tiefer in den Wald, lehnte mich mit dem Rücken an einen gewaltigen Fichtenstamm und benutzte das tote Wild als Decke für meine Füße. So ergab ich mich in mein Schicksal, fest überzeugt, ganze elf Stunden frierend und hungernd hier zubringen zu müssen. Von unten herauf tönten noch einige Rufe, die ich jedoch nicht beantwortete. Ich war wütend auf meine Leute, die doch keinerlei Schuld an meinem Mißgeschick trugen. – So ist oft der Mensch!
An meinen harten Baum gelehnt, überdachte ich nochmals den beim Anstieg zurückgelegten Weg. Ich wußte, daß in einigen Stunden eine noch genügend stark leuchtende Mondscheibe den Wald erhellen mußte und prüfte mangels anderer Gedanken die Möglichkeit eines Abstiegs durch die Reiße, wobei ich allerdings auf den Transport meiner Beute verzichten mußte. Ich verhehlte mir auch nicht, daß es dabei auf ein paar Risse in Haut und Kleidern nicht ankommen dürfe.
Mitten in diesen Gedankengang schob sich ein fremdartiger Ton. Das Klirren von Eisen auf Stein. Irgendwo in meiner Nähe hielten sich Menschen auf. Mein Schuß hatte sie auf mich aufmerksam gemacht und ich konnte ruhig deren Ankunft abwarten. Wenn sie hier oben ihren Wohnsitz hatten, würden sie dem Knall des Gewehrs nachgehen. Ich ersparte mir durch das Verharren an meinem Platze den unbequemen Weg durch den unbekannten Wald und kam doch zu einem Obdach, wenn die Leute überhaupt ein solches zu vergeben hatten.
Lange vernahm ich keinen Laut. Ich überlegte, ob ich rufen sollte. Gab aber den Gedanken auf. Mir fiel wieder die Warnung meines gastfreundlichen Landsmannes ein und ich entschied mich für ein Ausharren in meiner Lage, bis mich der kommende Morgen erlöste. Mit dem Gesindel, das hier in den Bergen nach Metallen suchte, wollte ich nichts zu tun haben.
Der Mond ging auf und versilberte mit seinem weißen Lichte die wie eine schwarze Wolkenwand vor mir liegenden Wälder. Ueber die Waldblöße huschte flüchtigen Fußes ein Reh. – »Schau, schau!« sagte ich leise vor mich hin. »Also bekomme ich doch Besuch, das Tier würde sonst nicht so rennen!« Langsam entsicherte ich meine Büchse und legte sie auf die Knie. Mein Auge hing suchend an der Umgebung.
Plötzlich standen zwei Männer auf der Lichtung. Beide trugen Gewehre, die sie schußbereit in der Hand hielten. Der eine führte eine Laterne mit sich, die kaum hell genug brannte, um die dem Boden eingeprägten Spuren meiner Stiefel erkennen zu können. Sie waren allem Anscheine nach meiner Fährte gefolgt, und hatten sie auf dem harten Grasboden verloren. Die unsichere Haltung der Männer, ihr verwahrlostes Aeußere, das der Mondschein noch mehr hervortreten ließ, und das Zusammenzucken bei jedem Knacken eines herunterfallenden Zweiges, ließen den Schluß zu, daß ich es hier mit Individuen zu tun hatte, die sich nicht ohne zwingende Gründe in die Einsamkeit dieser Berge verkrochen hatten.
Ich gab kein Lebenszeichen von mir, beobachtete aber genau die Bewegungen der beiden Unbekannten. Daß sie mich suchten, schloß ich aus den Gesten des einen, eines bartlosen, schmächtigen Gesellen, der die Sandreiße hinab deutete und den Kameraden zu überreden schien, ihm dorthinunter zu folgen. Der andere, eine wilde Gestalt, mit großem schwarzen Barte, schien jedoch anderer Meinung zu sein. Er betrachtete die Sträucher am Rande des mich schützenden Waldes und mußte zweifellos zu einem richtigen Schlusse gekommen sein, denn er hob das Gewehr und zielte in der Richtung meines Versteckes, wenn er aber die Absicht zu feuern wirklich gehabt hatte, so brachte ihn sein Kumpan davon ab. Dieser rief plötzlich ein paar Worte, die den andern veranlaßten, sich rasch in den Schatten der hohen Tannen zu verbergen. Er stand nun keine zehn Schritte von mir entfernt, aber fünf bis sechs Meter höher. Sein Schuß, wenn er nicht gerade Schrote geladen hatte, würde mich nicht getroffen haben. Ich aber hatte ihn, falls er böse Absichten nährte, jedenfalls in meiner Gewalt.
Noch grübelte ich darüber nach, was den Kerl wohl zu dem Versteck getrieben haben könnte, da hörte ich, wie sich links von mir ein Stein löste. In größeren Absätzen sprang er von Baum zu Baum, bis sich das Geräusch in der Tiefe verlor. Darauf war es minutenlang totenstill um mich her. Eine Stille, die ein Ereignis in sich birgt, das sich unseren Sinnen schon im voraus mitteilt. Man weiß, daß sich etwas ereignen wird und bereitet sich darauf vor.
Zu meiner Linken knackte ein Zweig. Rasch flogen unsere Augen nach der Richtung hin. Der Bärtige hob das Gewehr. Ich unterschied eine Gestalt, die sich vorsichtig weiter aufwärts schob – zweifellos ein Mensch. War es Furcht, die ihn so geräuschlos durch den Wald kriechen ließ oder war es ...
»Ein Gendarm!« entfuhr es unwillkürlich meinen Lippen, denn ich hatte glitzernde Tressen gesehen. So leise das Wort gehaucht war, der Mann über mir hatte es vernommen. Blitzschnell fuhr er herum und suchte in der Dunkelheit des Waldes den Sprecher zu erkennen. Durch die Stämme gedeckt blieb ich für ihn unsichtbar und nun mochte ihm der Aufenthalt an jener Stelle doch nicht mehr recht geheuer erscheinen. Er sank zu Boden und glitt wie eine Schlange rechts in die Büsche. – Mein leises Wort hatte ein Menschenleben gerettet, denn der Mann hätte sicher geschossen.
Wieder nahm die lautlose Stille den Wald gefangen. Vier Menschen befanden sich auf einen kleinen Kreis zusammengedrängt. Jeder glaubte in dem anderen den Todfeind zu sehen, dem er durch einen wohlgezielten Schuß zuvorkommen müsse. Jetzt wußte jeder von der Anwesenheit des anderen, aber keiner wußte, was er von dem Nächsten zu erwarten hatte. War es da nicht ratsam, sich zu melden?
Die Frage wälzte ich längere Zeit im Kopfe herum. Wenn ich den Gendarm anrief? Würde da nicht der Bärtige, der mich von seinem Versteck aus gut sah, sofort auf mich feuern? Oder würde der Kumpan des Bärtigen, der zweifellos an der Reiße in den Büschen lag, nicht auf den Gendarm feuern, falls sich dieser meldete? – Ich legte die Entscheidung in Gottes Hand. Ruhig verharrte ich in meinem Versteck und harrte der weiteren Entwicklung der Dinge. Meine Blicke richteten sich auf die Lichtung. Dort allein konnte sich unser nächtliches Intermezzo entscheiden. Andernfalls mußten wir bis Tagesanbruch im Walde liegen bleiben und jeden Augenblick der Kugel des Nachbarn gewärtig sein.
Mich fror und hörbar schlugen meine Zähne aufeinander. Vom Berge herüber blies nunmehr ein frischer Wind, der ein Rauschen in die Wipfel legte. Nun wurde es im Walde unruhig. Aeste brachen herunter. Tannenzapfen fielen dumpf pochend zu Boden. Zweige und junge, nebeneinander stehende Stämmchen brachten durch gegenseitige Reibung quietschende Töne hervor. Alte Stämme knarrten. Hie und da kollerte ein Stein den Berg hinunter.
Den schwachen Lärm mußten die beiden Männer, falls sie ein schlechtes Gewissen trieb, benutzen, um aus der unheimlichen Nachbarschaft zu fliehen. Und sie taten es. Der Bärtige flog plötzlich wie ein Pfeil vom Bogen in den gegenüberliegenden Wald, wo er den Blicken entschwand. Nur Sekunden brauchte er, um die Lichtung zu überqueren. Jedenfalls war er nun vor dem Gewehre des Gendarmen sicher. Daß dieser schießen wollte, bewies mir das deutliche Schlagen des Schlosses. Das veranlaßte mich auch, dem Beamten meine Anwesenheit zu melden.
»Bleiben Sie ruhig liegen, Gendarm!« rief ich ihm zu. »Decken Sie sich nach oben und nach links. Mehr wie zwei Mann sind nicht da.«
»Wer ist da? Wer ruft mich?«
»Ein Deutscher, der hier von der Nacht überrascht wurde.«
»Sie gehören zu dem Lager da unten?«
»Jawohl! – Aber Mann, bleiben Sie liegen! Im Walde sind ein paar Kerle, die Ihnen das Lebenslicht schon ausgeblasen hätten, wenn mir nicht ein Wort entschlüpft wäre.«
»Ich weiß, daß sich hier ein paar Verbrecher versteckt halten. Meine Kameraden streifen ebenfalls nach ihnen. Sind sie bewaffnet?«
»Beide haben Gewehre!«
»Teufel auch, wo haben sie die gestohlen!«
»Bedauere, danach fragte ich sie nicht.«
»Können sie zu mir kommen? Ich sehe sie nicht.«
»Hm, das wird schwer halten. Aber ich will versuchen, weiter abwärts einen Halt zu finden. Dort erwarte ich sie. Kriechen sie langsam zurück und sorgen sie, wie gesagt, dafür, daß Ihnen der da drüben kein Loch in die Uniform schießt.«
»Danke für die Warnung.«
Meinen Bock an einem Laufe packend, ging ich langsam abwärts, von Baum zu Baum in Deckung springend. Bald nahm die Finsternis so zu, daß ich Gefahr lief, mir an den dürren Aesten die Augen aus dem Kopfe zu stoßen. Ich blieb neben einem größeren Stein stehen und gab durch einen kurzen Ruf dem Gendarm zu erkennen, daß ich einen geschützten Platz gefunden hatte. Unvorsichtigerweise beantwortete der Beamte den Anruf. Er verriet dadurch seinen Stand und gab den Banditen Gelegenheit, einen Schuß anzubringen. Auf dem Knall erfolgte ein lauter Aufschrei. Dann gellte das Signalhorn durch den Wald.
»Herr des Himmels! Mann, sind sie verwundet?« rief ich, ohne mein Versteck zu verlassen.
»Ja, ich kann mich nicht mehr rühren. Aber bleiben sie um Gottes willen, wo sie sind. Mir ist nicht mehr zu helfen,« schallte es zurück.
»Aber ich muß Ihnen doch Beistand leisten ...«
»Nein, nein. Rühren sie sich nicht, sonst ist's auch mit Ihnen aus!«
Diese Worte wurden von einem todeswunden Röcheln begleitet.
Das Ereignis hatte mir einen Schauer durch die Glieder gejagt. Ich stand im Begriff, aufzuspringen, um den Beamten zu rächen. Aber ich weiß nicht, was mich veranlaßte, davon abzusehen. War es die klare Stimme, die so gar nicht zu einem Sterbenden paßte, oder bannte mich der Selbsterhaltungstrieb an dem Ort? Ich machte keinerlei Anstalten, mein Versteck zu verlassen.
Da fiel plötzlich in meiner Nähe ein Revolverschuß, auf den ein Schrei antwortete. Eine frohlockende Stimme rief:
»Ah, bist du darauf hereingefallen, du Grünschnabel? Du wirst in diesem Leben auf keinen Beamten mehr schießen!«
»Halloh, Gendarm, sind Sie das?« rief ich verwundert.
»Ja! Der Kerl ist richtig auf den Leim gegangen. Er glaubte einen Sterbenden zu finden. Jetzt wird er daran glauben. – Verdammt schlechter Schütze, der Hund. Fehlt mich auf zehn Schritte!«
»Ist er tot?«
»Noch nicht. Ich hoffe ihn noch lebendig nach Cooktown hinunterzubringen, damit ihn seine Freunde hängen sehen. – Ein feiner Spaß. Hahaha!«
»Vergessen Sie nicht, daß noch einer da oben liegt. Geben Sie sich keine Blöße!« rief ich warnend zurück.
»Keine Angst! Uebrigens kommen meine Kameraden.«
»Ich höre nichts. Man müßte sie auch warnen.«
»Nicht nötig! Sie kommen von unten. Ich habe zweimal das Zeichen gehört.«
»So – was für ein Signal ist denn das?«
»Sie werden es verstehen, wenn ich Ihnen die Antwort schuldig bleibe. Es könnte auch andere Leute interessieren, die hier herumlaufen. – Da, gleich werden sie hier sein.«
»Guten Morgen, mein Herr!« sagte da eine Stimme neben mir. »Haben Sie keine Sorge. Ich bin von der Polizei.«
Vergeblich suchte ich die Dunkelheit zu durchdringen, um den Sprecher zu erkennen. Die tiefen Schatten verschlangen alles ringsum.
»Ich gebe Ihnen den Gruß mit Dank zurück,« erwiderte ich, »obgleich ich Sie nicht sehe. Wo sind Sie?«
Aus dem dunklen Umriß eines Baumes streckte sich mir ein Arm entgegen. Nun begriff ich sofort, warum mir der Mann unsichtbar blieb. Die körperliche Ausdünstung verriet den Farbigen. Die nachtgraue Uniform verschmolz mit der dunklen Hautfarbe in dem finstern Walde zu einem unerkennbaren Schatten. Selbst die Knöpfe der Uniform waren schwarz gehalten.
»Ihr Kamerad hat eben einen guten Fang gemacht«, sagte ich. »Er hat einen der Banditen anscheinend schwer getroffen.«
»Dachte es mir gleich, daß der erste Schmerzensschrei fingiert war,« erwiderte der Beamte, der nun dicht neben mich trat. »Aber was liegt denn da vor Ihnen? Ein Stück Wild?«
»Ich schoß uns einen Bock zum Abendessen, auf den ich leider verzichten mußte, weil ich den Weg nicht zurückfand.«
»Ah, dann schossen Sie kurz vor Sonnenuntergang?«
»Allerdings. Und der Schuß zog mir die beiden Buschklepper auf den Hals.«
»Und die Polizei,« ergänzte er. »Denn ohne den Schuß hätten wir unsern Ritt durch das Tal fortgesetzt. Da ja nur sehr wenige Privatpersonen Waffen führen dürfen, dachten wir gleich an lichtscheues Gesindel.– Sie haben doch einen Waffenschein?«
»Natürlich!« entgegnete ich lachend. »Aber bei dieser Beleuchtung werden Sie wohl auf das Vorzeigen verzichten.«
»Ich glaube Ihnen aufs Wort. Uebrigens wissen wir, daß ein Deutscher hier in der Gegend umherzieht, der einen Waffenschein besitzt. Wir vermuteten Sie aber auf der Straße im Flußtale.«
»Da habe ich nichts zu suchen,« entgegnete ich.
»Was suchen Sie denn hier in den Bergen? Etwa Gold?«
»Nein,« erwiderte ich lachend. »Das wäre wohl verlorene Mühe. Ich suche vor allem unverfälschte Eingeborene. Ich möchte Maori kennen lernen, die noch der Ueberlieferung ihrer Väter leben ...«
»Dann beeilen Sie sich nur. Unser Volk stirbt aus. Nur sehr wenige Pa's gibt es noch, wo Greise mit ihrer Familie noch den überlieferten Gebräuchen leben. Ob diese Sie aber in ihre Dörfer kommen lassen, bezweifle ich sehr.«
»Mein Diener Pu Nambu stellte mir einen Besuch auf dem Dorfe eines seiner Vorfahren in Aussicht.«
»Ah, Pu Nambu ist bei Ihnen? Ich glaubte ihn in Wellington. Er stammt aus einer alten Häuptlingsfamilie, und es ist möglich, daß sein Großvater noch lebt. – Versuchen Sie es immerhin, ihn zu sprechen.«
»Schrie da nicht ein Seevogel?« fragte ich unvermittelt, denn der Ruf des Albatros hier auf dem Lande setzte mich in Erstaunen.
»Ach, Sie kennen den Schrei?« fragte der Polizist. »Das ist auch selten, daß man hier im Innern jemand antrifft, der das weiß.«
»Jetzt verstehe ich erst. Es ist Ihr Signal. Sind Ihre Kameraden in der Nähe?«
»Oben auf der Lichtung.«
»Um Gottes willen, warnen Sie sie. Da ist der andere Bandit versteckt!«
»Glauben Sie, daß der standgehalten hat, als er seinen Kameraden fallen hörte? – Immerhin werde ich sie warnen.«
Der schrille Schrei der Möve zitterte durch die Fichten. Dann rief wieder die Nachtschwalbe. Gleich darauf knackten Aeste im Walde über uns und wenige Minuten später sprangen zwei Männer durch die Dunkelheit. Nach einigen orientierenden Worten standen sie vor uns.
»Wen hast du da?« fragte eine Stimme. »Einen Gefangenen?«
Der Beamte gab kurz Aufschluß und sagte dann: »Ich rief euch, weil mir der Herr hier sagte, daß da oben ein Bandit versteckt läge. Einen hat Lyons unschädlich gemacht.«
»In der Tat? Wo ist er denn?«
»Hier!« scholl es uns entgegen. »Es ist der junge Dampier. Er schoß auf mich und fehlte auf zehn Schritt, der Stümper. Dann kroch er auch noch auf den Leim, als ich den Sterbenden markierte. Jetzt liegt er da vorn an der Reiße mit einem Loch im Oberschenkel. Ich habe ihn solide gebündelt, möchte ihn aber doch in Sicherheit haben, wer hilft mir ihn hinuntertragen?«
»Jetzt, bei Nacht? Das geht wohl kaum.«
»Vielleicht macht er es nicht mehr lange. Die Wunde blutet stark.«
»Wenn Sie Licht haben, will ich ihn untersuchen,« erwiderte ich. »Ich verstehe genug von der Kunst.«
»Warum wollen wir uns so viele Mühe mit dem Banditen geben? Er wird ja doch in zwei Tagen gehängt,« antwortete einer wegwerfend.
»Es ist doch immerhin ein Mensch!« warf ich ein.
»Und was für einer!« lachte der andere. »Bei dem ist Mitleid am allerwenigsten angebracht. Er hat eine weiße Ansiedlerfamilie auf grausame Art hingemordet. Wegen seiner Jugend bekam er nur lebenslänglich. Er schnitt einem Aufseher den Hals ab und brannte durch. Mit dem sollen wir Mitleid haben?«
»Vielleicht holt ihn sein Kumpan,« sagte der als Lyons bezeichnete Beamte.
»Das wäre gerade recht. Dann fingen wir noch einen. Wer ist denn der andere? Kennen wir ihn nicht?«
»Ich habe ihn nicht gesehen,« bekannte Lyons.
»Ein starker Mann mit schwarzem Vollbart,« sagte ich. »Sonst sah ich nicht viel von ihm. Er führte eine Doppelflinte!«
»Was! Den Teufel auch! Sollte das der alte Waterstone sein, den wir seit Jahren suchen? Das wäre ein Tanz!«
»Unsinn! Der ist längst tot!« rief mein Nachbar.
»Wenn das der ist, dann holt er uns den Gefangenen zwischen den Händen weg. Einen verwegeneren Burschen kenne ich nicht. Jetzt bin ich wirklich in Sorge um meinen Gefangenen.«
»Laß doch die Grillen, Lyons. Der Alte ist längst tot. Und was du verschnürst, das hat so leicht keiner befreit.«
»Immerhin! Gehen wir zu dem Verwundeten. Der Doktor hier mag uns sagen, wie es steht.«
Wir brachen unter Anwendung der gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln auf. Voran schritt Lyons, der inzwischen seine Blendlaterne angezündet hatte und sie so trug, daß nur ein winziger Lichtfaden den Boden streifte. Eben genug, um uns zu zeigen, welche Richtung der Vordermann zwischen den Bäumen jeweils genommen hatte. Dicht vor der Stelle, wo der Angeschossene liegen mußte, hing er die Laterne an einen Ast und stieß einen zirpenden Ton aus.
»Niederlegen!« raunte mir mein Vordermann zu. Der Befehl war noch nicht ausgeführt, da klirrte es über unseren Köpfen, und donnernd brach sich das Echo eines Schusses in den Bergen. Der Bandit hatte auf den Lichtschein gefeuert und trotz des unsicheren Lichtes sehr gut getroffen.
Die Beamten gaben keinen Laut von sich. Mit angehaltenem Atem klebten wir am Boden, ängstlich besorgt, daß kein verräterischer Ton zu den Ohren des Verbrechers drang. Dieser selbst aber gab sich gar keine Mühe, sich zu verbergen. Ein höhnisches Lachen kam von der Geröllhalde herüber und eine tiefe Baßstimme rief:
»Ich bin nicht so dumm, wie der andere. Magst du getroffen sein oder nicht. Lebendig verläßt du den Platz nicht!«
Lautlos wanden sich die Polizeibeamten in das Unterholz, das den Rand der Reiße einfaßte. Hier ließ das Rauschen des Windes in den Wipfeln eine leise Verständigung zu. Lyons hauchte seinem Nebenmann die unangenehme Kunde ins Ohr:
»Der Gefangene ist fort.«
Die Kunde ging von Ohr zu Ohr, und das Knirschen der Zähne bewies, daß die Beamten davon aufs unangenehmste berührt wurden. Der Sergeant ließ an mich die Frage gelangen, ob ich groben Schrot bei mir hätte.
»Im rechten Lauf sind Rehposten, der Kugellauf neuner Kugeln.«
»Dann bitte ich um Ihre Büchse.«
Nur ungern kam ich dem Wunsche nach. Denn Büchse und Pferd leiht man nicht gern aus, weil beide verdorben werden können. In diesem Falle sah ich die Notwendigkeit ein. Unser aller Leben stand in Gefahr, wenn die Dämmerung dem Banditen freiere Rundsicht gewährte.
Wohl eine halbe Stunde lang lagen wir so an die Stelle gebannt. Von der andern Seite trug der Wind öfter das Knacken dürrer Aeste herüber. Auch ein unterdrücktes Stöhnen wollte einer gehört haben. Nichts aber gab einen Anhaltspunkt, wo die Banditen sich aufhielten.
Da flatterte plötzlich mit lautem Gekreisch ein Erdbrüter vom Neste und rettete sich in die Halde. In demselben Augenblick klatschte der Kugelschuß und die Rehposten streuten durch die Büsche. – Ein kurzer Aufschrei, dem ein lästerlicher Fluch folgte, gab uns die Gewißheit, daß der Bandit sich an jener Stelle aufhielt. Eine Sekunde später nahmen die Polizisten den Strauch unter Schnellfeuer – aber kein weiteres Zeichen von Leben wurde bemerkbar.
Wir krochen nach der Salve rasch vorwärts, um dem Banditen unsern Stand nicht zu verraten. Hinter einer Gruppe starker Fichten fanden wir Schutz und Zeit zum Laden.
»Ich glaube, wir haben beide ausgelöscht,« sagte der Sergeant. »Der Schrei war zu natürlich, um gemacht zu sein.«
»Wenn es der alte Waterstone wirklich ist, dann traue ich ihm jede List zu. Ich schlage vor, wir gehen abwärts und steigen in seinem Rücken an ihm vorbei. Dann nehmen wir ihn von vier Seiten.«
»Ich würde es anders machen,« sagte ich. »Es gibt hier Bäume genug, von deren Wipfel man das Buschwerk einsehen kann, wenn sich einer unter dem Schutze der Dunkelheit da oben festsetzt, kann er den Kerl beim ersten Dämmerschein abschießen.«
»Die Idee ist nicht schlecht, wer aber soll sie ausführen?«
»Alle vier,« schlug Lyons vor.
»Wir können den Herrn nicht ohne Schutz lassen.«
»Oh, darauf nehmen Sie keine Rücksicht. Ich warte hier, bis der Tag graut und nehme dann meinen Bock auf den Rücken. Dann finde ich schon den Weg zu meinen Leuten.«
»Donnerwetter, die haben wir ganz vergessen,« sagte der Sergeant. »Da unten stehen ja unsere Pferde. Wenn die der Bandit findet, sehen wir ihn für lange Zeit nicht wieder. Einer von uns sollte sofort hinuntergehen und dort Wache stehen. Lyons, das wäre ein Auftrag für dich. Du kennst den Wald gründlich..« »Und dienen mir bei der Gelegenheit als Führer, denn ich gehe mit Ihnen. Zu zweien können wir uns gegenseitig decken.«
Der Vorschlag wurde angenommen. Während drei Mann sich geeignete Beobachtungsposten suchten, trat ich mit dem Beamten den Rückweg zu meinem Lagerplatz an. Wir erreichten ihn auch, ohne eine Spur von den Banditen bemerkt zu haben. Uns selbst ging es aber bei dem steten Abrutschen durch Gestrüpp und Geröll ziemlich schlecht, und als ich beim Scheine des Lagerfeuers meinen äußeren Menschen betrachtete, mußte ich hell auflachen. – Ich war wieder in dem Zustande des echten Forschers. Haut und Kleidung wetteiferten miteinander in der Anzahl und Größe der Risse.
Pu Nambu hielt Wache bei einem klein gehaltenen Feuer. Beim Geräusch unserer Schritte sprang er auf und rief uns an.
»Halt! Keinen Schritt weiter, sonst schieße ich!« Wie er es von mir gehört hatte, so wandte er die Phrase in der Praxis an. – Ich gab mich zu erkennen und sprach ihm ein Lob über seine Wachsamkeit aus, was ihm sichtlich wohltat. – Ueber mein langes Ausbleiben verlor er kein Wort. Auch von den Schüssen erwähnte er nichts. Auf Befragen meinte er treuherzig: »Ich glaubte, der Herr fände viel Wild.« Daß ich seines Beistandes bedürfen konnte, war ihm gar nicht in den Sinn gekommen.
Die Pferde fanden wir dort vor, wo sie die Polizei zurückgelassen hatte. Daraus zog Lyons den Schluß, daß die Banditen sich noch im Walde befinden müßten. Ich überließ ihm nun die Sorge für unsere Sicherheit und warf mich, nachdem ich noch für sein leibliches Wohl gesorgt hatte, auf meine Decke, nahm den Sattel als Kopfkissen und war rasch eingeschlafen.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als ich erwachte. Mein erster Blick fiel auf die Gruppe der Polizeisoldaten, die vor dem Rancho lagerten und ungeduldig das Garwerden einiger Fleischstücke erwarteten, die sich langsam am Spieße bräunten.
»Wir müssen um Entschuldigung bitten, daß wir eigenmächtig über Ihren Bock verfügten, aber der Hunger trieb uns ...«
»Und ich danke Ihnen, daß Sie mir die Arbeit der Herrichtung abnahmen,« erwiderte ich. »Wie ist denn die Streife abgelaufen?«
»Dort stehen die Bahren,« sagte der Sergeant, nach dem Walde deutend. »Wir fanden beide in den Büschen in bewußtlosem Zustande. Sie sind gründlich getroffen worden, und es ist ein Wunder, wenn wir sie noch lebend zum Städtchen bringen. Uebrigens stehen auf dem Kopfe des Waterstone fünfzig Pfund Sterling Prämie, auf die eigentlich Sie den größten Anspruch haben ...«
»Und den ich Ihnen gern abtrete, wenn Sie mir ein Verhör oder derartiges ersparen. Es ist ja nicht notwendig, daß Sie meiner Person überhaupt Erwähnung tun.«
Ein Freudenschimmer lief über die Mienen der vier Beamten, als sie von meinem Verzicht auf die Kopfprämie hörten. Soviel Großmut hatten sie anscheinend nicht erwartet, denn für sie war die Summe ein kleines Vermögen. Um ihnen das Zusammentreffen mit mir aber noch nachhaltiger ins Gedächtnis zu schreiben, holte ich die Whiskyflasche hervor und bot jedem einen ordentlichen Trunk. Im Ueberschwange des Dankes rief der Sergeant:
»Wir sind nur kleine Beamte und können uns nicht erkenntlich zeigen. Aber eines kann ich tun. Geben Sie mir Ihr Notizbuch. Ich werde Ihnen eine Empfehlung an meine Kameraden hineinschreiben. Da Sie zweifellos öfter noch wegen der Waffen angehalten werden, so wird das Empfehlungsschreiben die Kontrolle bedeutend vereinfachen.«
Tatsächlich genügte später das einfache Vorzeigen des Geleitschreibens, um der umständlichen Prüfung des Waffenscheines und der Vergleichung der Waffen mit den Eintragungen in letzterem aus dem Wege zu gehen. Die Gewehre und Revolver werden in fast allen englischen Kolonien mit peinlichster Sorgfalt im Waffenpaß beschrieben, wobei Marke, Nummer, Maße und alle sonstigen Kennzeichen genau angegeben werden. Jeder Polizeibeamte hat das Recht, zu jeder Stunde die Vorzeigung des Erlaubnisscheines zu verlangen und die Uebereinstimmung der Waffen mit diesem zu prüfen. Wie umständlich das ist, kann man ermessen, wenn man bedenkt, daß viele Waffenfabriken auch an verborgenen Teilen der Waffe Nummern und Zeichen einhämmern. Um diese zu finden, muß natürlich das Gewehr oder der Revolver auseinander geschraubt werden. – Dies alles wurde mir durch das Papier des Sergeanten erspart. Er machte mir damit unbewußt ein Geschenk, das den Wert der fünfzig Pfund weit überstieg.
Kurz nach Mittag trennten wir uns. Die Beamten zogen mit ihrer traurigen Last der Stadt zu und ich machte mich auf den Weg in die Wildnis, um die letzten Vertreter einer einst mächtigen Rasse in ihren versteckten Dörfern aufzusuchen. Zwei Tagereisen brauchten wir, um ein Dörfchen zu erreichen, das schon in seiner weiteren Umgebung an entschwundene Zeiten erinnerte. Mitten im Walde sahen wir uns plötzlich einer gerodeten Lichtung gegenüber, auf der eine große Anzahl von Pflanzen der Flachslilie angebaut war. Das Feld war von einer buschähnlichen Staude eingezäunt, deren Wurzeln, wie ich später hörte, zum Färben der Matten und Kleider dient. An jeder Ecke des Feldes stand ein nicht gerade künstlerisch ausgeführtes Bildwerk auf kurzen Pfählen. Das Eigentumszeichen der Dörfler.
Die Phormiumpflanze hatte in mehreren Exemplaren ihren Blütenschaft entwickelt und ich ließ halten, um die langen Spindeln genauer zu betrachten. Pu Nambu machte sich unterdessen mit einem Bündel noch frischer Blätter zu schaffen, daß er von einem der Bildklötze herunternahm. Als ich wieder zu ihm trat, sagte er:
»Mein Großvater ist nicht zu Hause. Er ist mit seinen Enkelinnen vor Sonnenaufgang fortgegangen und wird erst mit der zweiten Sonne zurückkehren.«
»Woher weißt du denn das?« fragte ich erstaunt, da ich niemanden bemerkt hatte, der ihm die Kunde hätte bringen können.
»Er hat es geschrieben,« war die Antwort.
»Du erlaubst dir einen Scherz, Pu Nambu. Das solltest du nicht tun.«
»Wirklich, Herr. Er hat es geschrieben. Nicht an mich, sondern an diejenigen seiner Freunde, die ihn etwa zu besuchen kämen. Sehen sie diese Blätter an. Darauf steht es ausführlich.«
Der Maori faßte das Blätterbündel an der Spitze, löste eine Faser und legte die einzelnen Teile desselben vor sich auf den Boden.
»Sehen Sie die Schrift, Herr?«
»Ich sehe allerdings eine Anzahl Striche und Zeichen. Soll das die Schrift sein?«
»So schreiben unsere alten Leute noch. Wir haben in unserer Missionsschule gelernt, die Worte mit bestimmten Zeichen und die Zahlen mit andern Zeichen auszudrücken. Meine Vorfahren hatten aber nur Ziffern, mit denen sie alles ausdrückten. – Diese ersten Zeichen besagen ›Kei ahau‹ oder ›Wer kommt...‹ sie sind ausgedrückt durch die Zahlen 723. 1. 615. Das kann jeder lesen, der noch unsere alte Sprache und Schreibweise kennt. Und für diese ist die Mitteilung bestimmt. Alle derartigen Briefe werden in der gleichen Weise niedergeschrieben und dort hingelegt, wo sie dem Adressaten ins Auge fallen müssen. Ich werde unser Kommen jetzt anmelden.«
Er setzte sich nieder und begann seine Zeichen auf gleiche Manier mit einem Dorn in das Phormiumblatt einzuritzen. Hierauf legte er es zu dem Bündel und hing es wieder an seinen Platz.
»Wenn der Herr noch etwas Wild schießen will, so führe ich ihn an einen kleinen See. Dort ließen die weißen Ansiedler vor vielen Jahren Rehe und Hirsche frei, die sich stark vermehrten, seitdem die Ansiedler tot sind.«
»Gibt es hier in der Nähe Farmen?« fragte ich überrascht.
»Heute nicht mehr, seit vor vielen Jahren Tito Kowaru die Bewohner dieser Gegenden hat ermorden und – aufessen lassen. Das Land hier gehört noch den Maori und mein Großvater ist der Runangu (oberste Häuptling) des Landes.«
»Lieber wäre es mir, wenn wir jetzt gleich in das Dorf gingen. Ich habe dann Muße, mir alles gründlich anzusehen. Du wirst begreifen, daß es für mich und spätere Geschlechter von großem Werte ist, einen Einblick in die Lebensgewohnheiten dieser leider verschwindenden Menschenrasse zu bekommen.«
»Wir dürfen das Dorf in Abwesenheit des Häuptlings nicht betreten. Wenn Sie allein wären, nähme man Ihnen das vielleicht nicht übel. Aber mein Großvater weiß, daß ich seine Kunde lesen kann. Es wäre eine Beleidigung, würde ich sie dennoch dorthin führen.« »Nun, wenn es so ist, warte ich gern noch zwei Tage. Lasse uns abkochen und dann zu dem See reiten.« »Auch abkochen dürfen wir hier nicht, Herr ...«
»Gut! Ich achte alle Sitten und Gebräuche,« rief ich, indem ich mich in den Sattel schwang. »Führe mich, wohin du willst. Hier interessiert mich alles.«
Pu Nambu umging in großem Bogen das zum Dorfe gehörige Land und brachte mich in zweistündigem Ritt an die Ufer eines stillen Sees, der sich wie ein träumerisches blaues Auge in die hügelige Landschaft einschmiegte. Scharen von Enten belebten seine Ufer und in den klaren Fluten spielten zahlreiche Fische. Am meisten fielen mir die zwar vernachlässigten, aber reich mit Früchten behangenen Obstbäume auf, von denen ich mir einen ganz besonderen Genuß versprach.
»Ein herrliches Stück Erde!« rief ich begeistert aus, als ich mein Pferd inmitten eines Fichtenhaines verließ. »Hier halte ich es auch noch länger als zwei Tage aus.«
»Der Platz wird von allen gemieden, Herr. Schreckliches ist hier vorgefallen. Hier ließ Tito Kowaru die Weißen abschlachten.«
»Das sind allerdings traurige Erinnerungen. Aber wenn wir alle jene Orte für immer meiden wollten, an denen einstmals Menschen eines gewaltsamen Todes gestorben sind, so würde es uns schwer werden, auf der bewohnten Erde noch ein Unterkommen zu finden. – Steht das Haus noch?«
»Nur noch wenige Pfosten bezeichnen die Stelle. Aber die Grube wird noch vorhanden sein, in der die Gebeine der Weißen ruhen. Mein Großvater hat sie von den Tapuweibern sammeln und dorthin bringen lassen.«
»Was für Weiber sind das?«
»Heute ist der Gebrauch nur noch in einigen Dörfern. Früher gab es allgemein eine bestimmte Klasse von Frauen, meist solche, die sich gegen ihre Männer etwas zuschulden kommen ließen, denen es oblag, die Knochen der im Kampfe Gefallenen aufzulesen und sie an bestimmten Stellen niederzulegen. Das war ihre Strafe für Lebensdauer oder für eine bestimmte Frist. Während die Frauen unter dieser Strafe standen, durfte sich kein Mensch ihnen nahen. Nur ein einziger Diener des Häuptlings, der ihnen die Lebensmittel und was sie sonst brauchten, in ihre Hütten brachte, verkehrte mit ihnen.
»Warum begrabt ihr oder die Missionen aber die Gebeine nicht? Ihr seid doch Christen und müßt Glaubensgenossen auch ein christliches Begräbnis zuteil werden lassen.«
»Das wagt keiner, Herr. Wenn es der Häuptling erführe, würde er wiederum die Tiuha-Tiuha (Streitaxt) ausgraben und die jungen Leute zum Kampfe gegen jene aufrufen, die das befohlen.«
»Ist denn der Haß so groß, daß er noch über das Grab hinaus dauert?«
»Der Maori vergißt nicht, was ihm die Weißen genommen haben. Unser Stamm der Ngai-tahu war einst mächtig. Unsere Grenzen berührten an drei Seiten das Meer. Dann kamen die weißen Männer ...«
»Nun ja, die alte Geschichte, die sich überall da wiederholt, wo die gold- und landgierigen Engländer und Franzosen mit friedlichen Eingeborenen der Inselwelt zusammentreffen, was sich nicht gutwillig knechten läßt, das wird vernichtet. – Ich möchte die Grube sehen, wo ist sie?«
»Wenn sie dem linken Ufer des Sees folgen, treffen Sie eine kleine Bucht. Dort stand das Haus. Daneben ist die Grube.«
»Warum begleitest du mich nicht?«
»Herr, hier starben auch meine Vorfahren. Aber Coa wird Sie begleiten.«
Der gerufene junge Diener war von dem Auftrage auch nicht gerade entzückt. Er konnte jedoch keine Gründe für eine Weigerung vorbringen, und so ging er eben mit. Während des kurzen Spazierganges suchte ich auch manches über seinen Stamm zu erfahren, aber in ihm war jede Ueberlieferung erloschen. Er kannte nur den Namen und das Land, wo seine Ahnen begraben lagen. Irgendwelche Erinnerungen an diese hatte er nicht mehr.
Die bezeichnete Stelle fand ich leicht. Zwei vom Feuer geschwärzte Pfosten aus Eichenholz waren die einzigen Ueberbleibsel einer einst blühenden, ausgedehnten Farm. Dort, wo vielleicht der Blumengarten in den Obstgarten überging, standen noch einige alte Pfirsichbäume, deren reife Früchte ich mir zum späteren Gebrauche abzuholen beabsichtigte. Ueber gestürzten Stämmen waren junge Bäume emporgeschossen und an deren Früchten sah man, daß die pflegende Hand des Europäers sie nicht mehr betreut hatte. Ihre Tragfähigkeit war vermindert und die Frucht sauer und holzig. So ging es mit allen andern Obstsorten auch. Nur die Beerenfrüchte waren süß und in einer Ueppigkeit vorhanden, die das ganze Dorf hätte versorgen können. Ich schwelgte lange in den längst entbehrten Himbeeren und mein Toa, als er sah, daß mich bei der Beschäftigung weder Geister noch sonstige Fabelwesen störten, fand ebenfalls Geschmack an der saftigen Frucht. Er benutzte auch die Gelegenheit, zu verschwinden.
Die ominöse Grube schien sich eher einer gewissen Pflege zu erfreuen. Bei dem Reichtum an wuchernden Brombeeren und dergleichen hatte ich erwartet, die Schädelstätte unter Dornen und Schlingpfanzen ausgraben zu müssen. Ich fand jedoch eine rechteckige, gemauerte Vertiefung, die früher andern Zwecken gedient haben mochte, die frei von Unkraut und Wucherpflanzen gehalten war und unverkennbar Spuren sorgender Menschenhände trug. Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, daß Verwandte der hier Bestatteten von Zeit zu Zeit nach dem Rechten sehen. – Bestattet ist nicht der richtige Ausdruck für die Art, wie man hier die sterblichen Ueberreste froher Menschen der Erde übergab. Alle Knochen liegen wahllos durcheinandergeworfen in der Grube. Nur die Schädel haben die Mörder sorgsam nebeneinander an der Längsseite des Rechtecks aufgestellt. Vermutlich begeben sie sich noch jetzt zu bestimmten Zeiten hierher, um sich an der Erinnerung an jene Schreckenszeit zu erfreuen. Ich zählte die Schädel von acht Männern, vierzehn Frauen und elf Rindern. Frauen und Kinder waren durch Einschlagen der Hirnschale getötet worden. Die männlichen Köpfe zeigten Einschnitte von Beilen oder auch Kugelschüsse. Alle hier aufgeschichteten Gebeine aber tragen Spuren des Kannibalismus, die sich in der Farbe der Knochen am deutlichsten zeigten. Man hatte die Unglücklichen gebraten und aufgezehrt. – Wie ich später erfuhr, war der Großvater meines Dieners an den Mordtaten und dem abenteuerlichen Mahle hervorragend beteiligt gewesen.
Beim Besuche dieser Stätten einstmaligen blühenden Wohlstandes hatte ich mich verspätet. Ich kam am Seeufer erst wieder an, als die Dämmerung ihre grauen Schleier bereits über die dunklen Wasser zu breiten begann. In dieser Färbung übte der See einen eigenartigen Reiz auf mich aus. Er paßte so recht zu der trüben Stimmung, die sich meiner bemächtigt hatte, als ich allzu lange über das traurige Schicksal jener Unglücklichen nachdachte. Ich ließ mich auf einem moosbewachsenen Steine, einer einstmaligen Ruhebank, nieder und blickte träumend über den, durch nichts bewegten Spiegel. Um mich her zirpten Grillen. Mit lautlosem Flügelschlage durchschnitt die beutesuchende Fledermaus die laue Abendluft. – Meine Gedanken weilten rückblickend bei jenen weißen Ansiedlern, die hier einst im Kreise ihrer Lieben von mühevollem Tagewerk ausruhten, sie eilten zu jenen Kriegern, die in Verteidigung ihrer alten Rechte, den Weißen erst baten, dann aufforderten, die Stätte zu verlassen, auf der die Gebeine ihrer Vorfahren der Auferstehung entgegenschliefen. Ich sah im Geiste die überlegene Geste, mit der der fremde Einwanderer, auf die Stärke seiner heimischen Macht pochend, die braunen Söhne der Berge hohnvoll abwies, und sah vor meinem inneren Auge die heranschleichenden Krieger, wie sie im Schutze der Dämmerung von allen Seiten in die Farm einbrachen. Ich hörte den Schreckensschrei der geraubten Frauen, sah die braunen Eindringlinge mit ihrer jammernden Beute im Arme sich an den See flüchten...
Da berührte eine Hand meine Schulter. Aufblickend sah ich einen alten Maori. Das Gesicht mit der reichen Tätowierung eines Häuptlings verziert, blickte mich die Gestalt unbeweglich mit forschendem Auge an. In der rechten Hand trug sie die Tai-aha, das kurze schwertartige Messer...
Ich befand mich derart im Banne meiner Träumereien, daß ich beim Anblick des Mannes keinerlei Ueberraschung zeigte, sondern nur abwehrend die Hand ausstreckte. Eine Frage, die der Mann an mich richtete, brachte mich zurück in die Wirklichkeit. Sie war im schlechtesten Englisch gehalten und lautete:
»Was führt dich hierher, Fremder?«
Eine Ahnung sagte mir, daß der Häuptling ein Recht zu der Frage hatte. Ich antwortete daher:
»Ich warte auf die Rückkehr eines großen Häuptlings. Mein Freund Pu Nambu vom Stamme der Ngati toa weilt bei mir. Nach der zweiten Sonne brechen wir von hier auf.«
Es dauerte lange, bis der Maori diese mehrfach wiederholten Worte endlich verstanden hatte. Dann fragte er rasch:
»Wer bist du, daß du Pu Nambu deinen Freund nennst.«
»Ein Mann der Wissenschaft aus dem mächtigen Reiche der Deutschen. Ich machte die weite Reise über das Meer, um einen großen Häuptling, dessen Taten bis zu den Ohren meines Volkes drangen, persönlich kennen zu lernen.«
»Welchen Häuptling meinst du?«
»Er heißt Te Pehi und ist Herr über diese Länder.«
»Er steht vor dir!«
Obwohl mir die Antwort nicht überraschend kam, sprang ich doch von meinem Sitze empor und ergriff die Hand des Alten. Der Mann war »jeder Zoll ein König«. In seiner Ruhe imponierte er mir. Ich empfand etwas wie Freude, daß ich mich dem Manne gegenübersah, den man als den Urheber des hier einst stattgefundenen Blutbades bezeichnen durfte. Hoffte ich doch von ihm Aufschluß über die zu dem Ueberfall führenden Vorgänge zu erhalten. Da die Dunkelheit inzwischen eingetreten war und auf den Zügen des Alten nichts mehr zu erkennen war, so richtete ich die Frage an ihn, ob er mich nicht zum Feuer begleiten wolle, das Pu Nambu inzwischen angezündet haben mußte. Stolz erwiderte er:
»Pu Nambu hat zu mir zu kommen.«
»Dann erlaubst du, daß ich ihn rufe?«
»Warum weiß er nicht, daß sein Häuptling hier ist?«
Auf diese eigentümliche Frage wußte ich nichts zu antworten. Ich holte aber mein kleines Signalhorn hervor und gab das unter uns verabredete Zeichen. Zu meiner Verwunderung hörte ich Pu Nambu aus nächster Nähe antworten. Er sagte:
»Wenn der große Häuptling es erlaubt, wird sein Enkel an seine Seite treten.«
Geschmeichelt erwiderte dieser:
»Pu Nambu ist willkommen.«
Zwischen den beiden Männern entspann sich nun eine längere Unterhaltung in der mir unverständlichen Eingeborenensprache, die sich wohl in der Hauptsache um mich und meine Reisezwecke drehte. Ich konnte zwar nur die schattenhaften Umrisse der beiden Farbigen erkennen, fühlte aber trotzdem, wie das Auge des Alten forschend auf mir ruhte und wie er abwägte, ob er mich aufnehmen oder – meine Knochen zu jenen in der Grube werfen sollte. Kein Ort auf der Welt wäre wohl geeigneter zur Ausführung eines Mordes gewesen, wie dieser, den nie eines Weißen Fuß offen betreten durfte. – Insgeheim ließ ich meinen Revolver aus dem Gürtel in die Hosentasche gleiten.
Endlich erhob sich der Alte und verschwand, ohne mir auch nur ein Zeichen zu machen, in der Finsternis. Pu Nambu trat zu mir.
»Ich bemerkte den Häuptling bereits, als er vor Sonnenuntergang am See auftauchte. Ohne seine Aufforderung durfte ich ihn jedoch hier nicht begrüßen, denn es ist Sitte, daß man den Häuptling erstmals in seinem Pu (Dorf) aufsucht. Da ich von einem Zusammentreffen mit Ihnen Unheil befürchtete, schlich ich mich hier in die Nähe und hörte jedes Wort...«
»Wo ist der Häuptling jetzt? Wird er mich empfangen?«
»Er wird später zu unserm Feuer kommen und ein Stück Fleisch mit uns essen.«
»Donnerwetter! Ich vergaß ganz, daß ich ein Stück Wild schießen wollte. Was setzen wir ihm denn nun vor?«
»Toa fing einige Enten auf ihren Nestern. Auch Eier brachte er. An Nahrung fehlt es uns nicht. Wird der Herr von seinem ›Feuerwasser‹ anbieten wollen?«
»Welche Frage! Wenn der Häuptling es liebt, gern. Aber ich fürchte, wenn es ihm zu Kopfe steigt, wird er ungemütlich werden, wie?«
»Der Herr darf nicht zu viel zeigen. Wenn der Häuptling die ganze Flasche sieht, wird er sie haben wollen. Sieht er nur die halbe, dann will er auch diese. Also zeigen Sie recht wenig.«
Ich befolgte den Rat, als wir zu der Stelle kamen, an der Toa ein riesiges Feuer angezündet hatte. Ich nahm aus der Kiste eine halbe Flasche und trug sie zum nahen See. Dort leerte ich den halben Inhalt ins Wasser und füllte sie wieder auf. Eine Kostprobe überzeugte mich, daß der Whisky auch so noch genügend stark, wenn auch ziemlich ungefährlich war. Die Flasche legte ich oben auf in den Rucksack. – Ich ahnte nicht, daß meine Bewegungen von verräterischen Augen belauscht worden waren.
Die ersten Enten wollten wir drei ohne den hohen Gast verspeisen. Pu Nambu fürchtete, daß wir später nicht satt werden würden. Denn wenn der Häuptling Begleiter mitbrächte, was wohl keinem Zweifel unterlag, dann erforderte es die Sitte, daß man erst die Gäste sättigte, ehe man an den eigenen Magen dachte. Unter verhaltenem Kichern schlug sich jeder von uns mit seinem gebratenen Vogel in die Büsche zu den Pferden, um dort in Hast das leckere Mahl zu verzehren. Etwaige Beobachter wurden dadurch getäuscht, daß wir uns eifrig mit den Pferden beschäftigten. Ich trat mit Toa eben aus dem Dickicht in den Lichtkreis des Feuers zurück, den Mund und die Finger noch triefend vom Fett der saftigen Enten, und forderte Pu Nambu auf, seinerseits »Nach den Pferden« zu sehen, als plötzlich der Häuptling vor ihm stand. In seinem Gefolge befanden sich fünf Maorikrieger, alle mit den alten Streitäxten bewaffnet.
Pu Nambu erschrak derart vor dem unerwarteten Erscheinen seines gestrengen Großvaters, daß er diesem, wie abwehrend, die Ente entgegenstreckte und dabei ein paar konfuse englische Worte fallen ließ. – Ehe er sich seines Irrtums bewußt wurde, hatte Te Pehi den Vogel bereits erfaßt:
»Ich danke meinem Enkel für seine Aufmerksamkeit,« sagte er in vollkommen ruhigem Tone, so daß man im Zweifel sein konnte, ob er im Scherz oder im Ernst sprach. »Ich sehe darüber hinweg, daß er seinem Häuptling die Speise aus der Hand anbietet. Ihr werdet keine Schüsseln mit euch führen. Nun sorge auch dafür, daß meine Freunde bewirtet werden.«
Das Gesicht meines hungrigen Dieners zu beschreiben, ist unmöglich. So mitten aus dem Vorgefühl höchsten Genusses die delikate Speise opfern zu müssen, war hart. Ich glaube, der selige Tantalus machte auch kein schmerzlicheres Gesicht, als Pu Nambu bei den Worten des Großvaters. Er faßte sich jedoch rasch und sagte:
Auf so zahlreichen Besuch war mein weißer Freund (Herr durfte er nicht sagen) nicht vorbereitet. Wir haben nur drei Vögel am Feuer. Wenn mir der große Häuptling erlaubt, werde ich den Versuch machen, am See noch ein paar Enten zu schlagen.«
Pu Nambu erwartete eine zustimmende Antwort. Bei der Gelegenheit hätte er dann den Rest des Bockes aus dem Rucksack geholt und während der Jagd verzehrt. Aber auch das mißlang.
»Mein Enkel darf sich einer solchen Arbeit nicht unterziehen. Es ist keine Jagd, sondern ein einfaches Erwürgen schlafender Vögel,« antwortete der Alte nach kurzem Besinnen. »Der Weiße mag gehen. Die Maori sind Herren des Landes.«
Mir schwebte eine derbe Antwort auf den Lippen. Ich besann mich aber noch rechtzeitig, denn ich mußte mir den stolzen Alten ja warm halten. Ich tat, als hätte ich nicht auf die Worte geachtet und beschäftigte mich eifrig mit ein paar Enteneiern, die eben in der glühenden Asche gar gekocht waren. Da ich sie in Gegenwart der Gäste nicht essen durfte, bevor diese nicht auch ihr Essen hatten, so schob ich sie in die Tasche und stellte drei weitere Eier an deren Stelle. Von den Gästen nahm ich keinerlei Notiz. Mochte Pu Nambu sehen, wie er sich mit seinem Häuptling auseinandersetzte.
Auch Toa kochte Eier. Die drei gerupften Enten lagen hinter dem Sitze des Häuptlings im Gebüsch. Begreiflicherweise rührte keiner von uns den Finger, um sie den ungebetenen Gästen auszuliefern. Diese hatten noch keine Notiz von uns genommen. Wortlos starrten sie bald in die Flammen, bald auf den Häuptling, der mit seiner gemessenen Ruhe einen der zugespitzten Stäbe aufhob und die Ente daran aufspießte. Gelangweilt näherte er den Braten der Flamme, um ihn wieder zu erwärmen. Endlich brach er die peinliche Stille.
»Was gedenkt Pu Nambu seinen Gästen vorzusetzen. Sie sind hungrig und warten,« fragte er, ohne aufzublicken.
»Ich sagte bereits, daß ich auf den Besuch nicht vorbereitet war. Wir haben nicht genügend Fleisch bei der Hand. Am See aber sind Enten genug. Befiehlt der Häuptling, daß Pu Nambu sie holt?«
»Warum geht dein weißer Freund nicht?«
»Weil man in seinem Lande die Enten nur mit dem Gewehr erlegt,« antwortete ich. »Bei Nacht kann man aber kein Wild schießen, selbst wenn ich das Feuergewehr in der Hand hätte.«
Die Antwort überraschte die Maori, von denen wohl die meisten die englische Sprache verstanden. Daß man einem so deutlichen Befehle ihres Häuptlings nicht nachkam, ließ sie vor Erstaunen aufschauen. – Einlenkend fügte ich hinzu:
»Wenn der große Häuptling einen meiner Freunde mit mir gehen heißt, mag mir dieser zeigen, wie man die Ente auf dem Neste erwürgt. Der Weiße versteht das nicht.«
Das war nun noch schlimmer, nachdem der Alte eben erst zu verstehen gegeben hatte, daß die Art der Jagd eines Maori unwürdig sei. Pu Nambu hatte mit wachsender Besorgnis die sich mehr und mehr verfinsternden Gesichtszüge seines Großvaters bemerkt. Er kam nun auf den rettenden Gedanken, die drei Enten zu opfern. Hastig sprang er auf und griff in den Busch, in dem die Enten versteckt lagen. Ein quietschender Laut wurde hörbar und als er die Hand wieder zurückzog, hatte er ein Kiore (eine große Rattenart) umklammert. Diese Ratte ist für den Maori ein seltener Leckerbissen, der jeder anderen Speise vorgezogen wird. Pu Nambu begriff sofort den Wink des Schicksals. Er zeigte den zappelnden und um sich beißenden Nager dem Großvater und sagte:
»Mein Häuptling erhält hier die einzige, seiner würdige Speise. Er verzichte auf die Ente und gestatte seinem Enkel, ihm den Kiore sofort zu braten.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, erwürgte er das Tier und in weniger als fünf Minuten stak der blutige Klumpen auch schon am Spieß. Neidisch blickten die Begleiter des Häuptlings auf den zu erwartenden Genuß. Aber dessen gierige Blicke ließen keinen Zweifel, daß er den saftigen Leckerbissen für sich allein zu behalten gedachte. Auf meinen Wink holte Toa die Enten hervor und steckte sie an die Stäbe. Nun wurden auch die Mienen der Krieger heller, denn sie nahmen mit Recht an, daß nunmehr die vier Enten unter sie verteilt werden würden. Kaum waren die Vögel halb gar, da fielen die Krieger darüber her, als ob sie drei Tage lang gefastet hätten.
Mitten im Kauen fragte der Häuptling nach einem Getränk. Ich tat, als hörte ich die Frage nicht, denn mein Whisky reute mich jetzt, wo ich sah, daß Te Pehi nichts weniger als ein angenehmer Gesellschafter war. Pu Nambu warf mir einen bittenden Blick zu. Er wollte nicht sagen, daß wir nur Wasser tränken, denn das hätte uns kein Mensch geglaubt. Gab es doch damals kaum einen Fremden auf der Insel, der nicht seine Schnapsflasche mit sich führte. Der Häuptling wiederholte auch die Frage ziemlich ungnädig und da Pu Nambu gleichzeitig aufstand, erhob auch ich mich und holte die vorhin aufgefüllte Flasche, die ich Pu Nambu in die Hand drückte. Da er von meinem Taufvorgang nichts wußte, konnte er den Inhalt arglos als ein »des Häuptlings würdiges Getränk« bezeichnen. – Auf seine Aufforderung hin holte jeder der Gäste seinen Becher hervor und eben wollte Pu Nambu einschenken, als der Häuptling nach der Flasche griff und sie seinem Enkel entwand.
»Was will Pu Nambu den Gästen Te Pehis vorsetzen?« fragte er mit harter Stimme.
»Englisches Feuerwasser. Die Flasche habe ich selbst in Wellington gekauft.«
»Und ist der Inhalt wirklich Branntwein und nicht Wasser aus dem See der Verdammten?«
Hilflos blickte Pu Nambu zu mir herüber. Ich verstand sofort, daß mich der Alte gesehen hatte. Darum übernahm ich die Antwort:
»Der Inhalt ist scharfer Branntwein, gemischt mit Wasser. Wir können ihn nicht unverdünnt trinken. Ich füllte deshalb auf die Hälfte des gebrannten Wassers solches aus dem See. Für unseren Gebrauch ist er noch scharf genug, denn wir brauchen jederzeit klare Augen und frische Köpfe. Wir wußten nichts von Euerer Ankunft, sonst hätten unsere Gäste unverdünntes Feuerwasser bekommen.«
Der Alte nahm keine Notiz von meinen Worten. Er wandte sich wieder an seinen Enkel:
»Weiß Pu Nambu, daß der Inhalt dieser Flasche guter Branntwein ist?«
»Mein Großvater hat eben gehört, daß wir diese Mischung trinken.«
»Gut, dann mag er zuerst einen Becher leeren.«
Hastig reichte ich meine Trinkschale dem Diener hinüber und zog sie erst zurück, als sie recht voll war. Ebenso schnell leerte ich sie bis zur Neige. Sofort reichte ich sie nochmal zum Einschenken, aber jetzt schien der Alte um seinen Anteil besorgt zu werden, denn er verlangte die Flasche zurück und als er sie bekommen hatte, steckte er sie ohne weiteres in seinen Gürtel. Mochten die übrigen sehen, wie sie zu einem Trunke kamen.
Diese Unverfrorenheit ärgerte mich. Ich gedachte den braunen Heiden dennoch einen Streich zu spielen und zwar gründlich. In meinem Gepäck befand sich noch eine Flasche Spiritus, in dem ich allerdings bereits einen großen Tausendfuß konserviert hatte. Das sollten die Kerle saufen. – Ich wartete eine kleine Weile und als der Alte keine Anstalten traf, die Flasche der Allgemeinheit zugängig zu machen, fragte ich mit dem harmlosesten Gesicht:
»Nachdem der große Häuptling seinen Anteil an unseren Vorräten an sich genommen hat, darf ich seinen Begleitern wohl einen Trunk Branntwein bringen? Allerdings ist er noch nicht mit Wasser vermengt und man kann ihn erst trinken, wenn man den Becher weit über die Hälfte mit Wasser füllt.«
Die Krieger blickten erwartungsvoll auf ihren Häuptling. Doch dieser überlegte wohl gerade, wie er auch diese zweite Flasche in seinen Besitz bringen könnte und schwieg. – Nun sprach einer der Krieger:
»Der Weiße gebe uns die Flasche. Wir werden nach seinen Worten handeln.«
Das lag nun gerade nicht in meiner Absicht. Ich erwiderte daher:
»Wir haben noch viele Tage zu wandern, bis wir wieder an einen Ort kommen, wo wir das Getränk ersetzen können. Darum können wir nicht die ganze Flasche hergeben. Aber jeder soll einen genügend großen Anteil haben.«
Mit den Worten erhob ich mich, um die Flasche zu holen. Ich hatte aber noch keine zwei Schritte gemacht, da stand einer der Krieger neben mir. Er wollte wohl verhindern, daß ich das Mischexperiment auch jetzt wieder vornehme. – Das lag nun nicht in meinem Sinn, aber es war mir auch nicht möglich, den Tausendfuß vorher zu entfernen.
»Meinetwegen könnt ihr den auch haben,« dachte ich, als ich die Flasche hervorholte und entkorkte.
»Habt ihr Wasser geholt?« fragte ich den Krieger, der jede meiner Bewegungen aufmerksam mit den Blicken verfolgte.
»Wir brauchen kein Wasser,« erwiderte er. »Wir trinken den Whisky ohne Mischung.«
»Alle Achtung vor euerm Magen, Mann!« rief ich aus. »Das bringe ich nicht fertig. Aber das hier ist kein Whisky, das ist Gin.«
»Einerlei!« grinste er. »Wenn er nur recht scharf ist.«
»Das ist er. Verlaßt euch darauf. Aber ich übernehme keine Verantwortung für die Folgen.«
»Gebt nur dem Häuptling nicht zu viel. Der hat bereits eine Flasche voll, von der wir nichts bekommen.«
»Keine Sorge, Mann. Dem biete ich ihn gar nicht erst an.«
Wir waren wieder beim Feuer angekommen. Zu den Kriegern sprechend, rief ich:
»Hier ist scharfer Gin, der nicht ohne Wasser genossen werden darf. Man reiche mir die Becher. Ihr müßt das Getränk dann selbst mit Wasser verdünnen.«
Gewitzigt durch das Vorgehen ihres Häuptlings, sprangen die fünf Krieger hastig auf und umringten mich, ehe noch ihr Oberhaupt ein Wort dagegen sagen konnte. Nochmal warnte ich vor dem unverdünnten Getränk, dann schenkte ich jedem etwa zwei Finger hoch in den Becher.
Der erste brachte das Gefäß vorsichtig an die Nase, sog den durch die Ausscheidungen des großen Insekts wohl etwas veränderten scharfen Geruch mit Behagen ein, schnalzte mit der Zunge und – weg war es.
Erschrocken hielt ich inne. Ich hatte gerade den vierten Mann vor mir, der ungeduldig drängte.
»Mann, seid Ihr des Teufels?« rief ich entsetzt, »wie könnt Ihr das Zeug so unvermischt saufen?« Ein Leuchten ging, statt jeder Antwort über seine Züge. Der bittende Blick rief nach einer Wiederholung. Aber das war mir zu gefährlich. Denn nun tranken auch die andern den Spiritus so, wie er aus der Flasche kam. Der letzte gab meinem Arm sogar noch einen Stoß, damit er recht viel bekam. Auf ein Haar hätte er bei der Gelegenheit den Tausendfuß erwischt.
Um die Dinge nicht auf die Spitze zu treiben, entfernte ich mich rasch mit der Flasche in der Richtung auf den See zu. Aber auf halbem Wege holte mich Pu Nambu ein.
»Herr, mein Großvater möchte das Getränk kosten. Bringen Sie ihm die Flasche.«
»Aber, lieber Freund, das ist ja reiner Alkohol. Ein starkes Gift in unverdünntem Zustande. Außerdem schwimmt der Zentiped darin.«
»Nehmen sie ihn heraus, aber geben Sie mir die Flasche. Hören Sie den Lärm? Der Alte wird ungeduldig.«
»Nun gut,« erwiderte ich und goß noch ein größeres Quantum aus. Der Rest scheint ihm nicht zu schaden, denn nach allem, was ich sehe, sind deine Leute die reinsten Spiritusfässer. Ich hätte nie gedacht, daß ein Maori so etwas vertragen kann.«
»Herr, sie bekommen sehr selten Branntwein. Gönnen Sie ihnen den Genuß!«
»Nun ja, es ist nicht mein Schädel, der morgen früh brummt. Tue ihnen den Gefallen. Mehr aber bekommen sie nicht, verstanden?«
Er wurde der Antwort überhoben, denn aus der Dunkelheit tauchte der Häuptling vor uns auf. In der Hand trug er die Whiskyflasche.
»Wo ist das gute Getränk, das der Weiße meinen Kriegern gab? Warum bietet er es dem Häuptling nicht an?«
»Weil das kein Trunk für einen Häuptling ist. Te Pehi hat besseres in der Flasche.«
»Zeige mir das Getränk!«
Pu Nambu reichte ihm die Flasche. Er setzte sie an den Mund und verzog das Gesicht zu einer fürchterlichen Grimasse. Ich fürchtete schon, er hätte den Tausendfuß verschluckt. Daher rief ich schnell:
»Pu Nambu soll dem Häuptling eine seiner würdige Mischung machen. Er gieße die beiden Getränke zusammen.«
Dem Alten schien das einzuleuchten. Er reichte seinem Enkel die Whiskyflasche, die bereits halb leer war und ließ sich den Spiritus hineingießen. Hierauf setzte er die Mischung an den Mund und prüfte nochmal. Diesmal fand das Getränk Gnade vor seinen Augen. Er schnalzte wohlgefällig und kehrte zum Feuer zurück.
Hier herrschte jetzt eine fröhliche Stimmung. Die Krieger waren aufgetaut und begannen leise vor sich hinzusummen. Auch der Häuptling hatte eine andere Miene aufgesetzt. Er ließ Pu Nambu an seine Seite kommen und begann sich mit ihm zu unterhalten. Bald sprang das Gespräch auf alte Zeiten über und man erwähnte der Taten, die an eben diesem See den Namen der Ngatitoa gefürchtet gemacht hatten. Plötzlich rief der Häuptling dem Aeltesten seiner Begleiter zu:
»Wisse, Taua-to, an eben dieser Stelle verzehrten wir Tiaia, deine Schwester, die uns verraten wollte.«
Gleichmütig erwiderte der Angeredete:
»Es geschah ihr recht, wenn der Verrat erwiesen war.«
Der Nachsatz mußte wohl einen Vorwurf für den Häuptling in sich schließen, denn er erhob sich halb und rief:
»Er war erwiesen. Atua, der große Geist, hat es durch den Mund der Priester verkünden lassen.«
Ich witterte eine interessante Geschichte und die Stimmung ausnützend, fragte ich:
»Will der große Häuptling uns nicht den Hergang erzählen.«
»Ja, ja, er erzähle sie,« riefen nun auch die jüngeren.
Eine Weile zögerte der Alte, dann aber reckte er sich empor und mit seiner ruhigen Stimme hub er an:
»Ich war eben erst zum Häuptling unseres Stammes gewählt worden. Die Weißen drangen von allen Seiten auf uns ein, um uns zu unterwerfen. Wir aber waren stark und mächtig und schlugen sie, wo wir sie fanden, in die Flucht. Unsere Nachbarn aber, die jenseits des Sees das Dorf Pehia bewohnten, das wir seitdem niederbrannten, ließen sich von den Fremden überreden und unterwarfen sich ihnen.