Marie von Ebner-Eschenbach
Die arme Kleine
Marie von Ebner-Eschenbach

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Am folgenden Vormittag kam Leopold, wie immer heiter und gut gelaunt, und fand Luise 279 und Elika im Garten hinter dem Hause, mit dem Abnehmen der schönen Früchte eines Zwergapfelbaumes beschäftigt. »Fleiß und Arbeitsamkeit, wohin man schaut!« rief er ihnen zu. »Guten Tag, zwei Gute Tage!« erwiderte er die Begrüßung der Tante und der Schwester. »Wo war ich jetzt? – In Valahora. Ja, meine Damen, staunen Sie! Rühmst dich vor dem Patriarchen und den Erztanten dieser Visite beim Teufel nicht, habe ich mir vorgenommen und – wen finde ich beim Teufel? – den Papa.«

»Diesen Engelspapa!« sprach Elika ganz begeistert, und Leopold bewunderte auch, daß sich der Papa an das Geschwätz über Bornholm nicht kehrte. Aber komisch war es, wie ihn in Valahora nichts so sehr interessierte als die australischen Zeitungen. Bornholm . . .

»Wie geht's mit seinem Arm?« unterbrach ihn Luise, nahm einen letzten herrlichen Calvilapfel vom Baume und legte ihn sorgsam in den Korb, der schon die übrigen barg.

»Seid ihr fertig? darf ich das tragen?« fragte Leopold.

280 »Du darfst; darfst auch so viel nehmen als dir beliebt . . .«

»Wie es Bornholm geht, möchten wir wissen.« fuhr Elika ungeduldig drein.

»Davon war nicht die Rede. In den Rockärmel scheint er nicht hineingekommen zu sein, war in einen Plaid drapiert wie ein Schotte. Den Hansl hatte er schon gefüttert und longiert und beschäftigte sich eben . . . Aber darf ich erzählen? darf ich mich bei euch ein bißchen niederlassen, oder hast du zu tun, Tante, und schickst mich fort?«

»Wir haben nichts zu tun als dir zuzuhören. Also wie war's in Valahora?«

Sie setzten sich alle drei ins Gras unter einen alten Nußbaum, der teils ganz dürre, teils spärlich belaubte Äste gegen den Himmel reckte. Leopold lehnte behaglich den Rücken an seinen Stamm, streckte die langen Beine und sprach:

»Bornholm packt heute eine von den Kisten aus, die er sich hat nachschicken lassen. Pflanzen, Mineralien kommen zum Vorschein, alles von Josef etikettiert, katalogisiert. Bornholm sagt, 281 die Matura wird Josef nie bestehen, aber einen akademischen Grad als Naturforscher verdient er heute schon. Das hat den Papa gefreut.«

»Und freut mich – und dich – und dich!« rief Elika, sprang auf, umarmte Luise und Leopold nacheinander stürmisch und zärtlich und setzte sich wieder zwischen sie: »Und was war noch drin in der Kiste?«

»O, reizende Sächelchen! Zwei schneidige Katta-Twirris, durch und durch mit Blut getränkt, eine Waddy, an der noch die Haare des letzten kleben, der mit ihr erschlagen worden ist. Ein Trinkgefäß aus der Hirnschale eines Eingeborenen . . .«

»Entsetzlich,« unterbrach ihn Luise.

»Den australischen Weibern kommt es nicht so vor. Bornholm sagt, daß fast jedes von ihnen einen solchen Trinkbecher benutzt, den sich die Damen zurecht rösten und polieren.«

»Kannibalenart.«

»Du, Tante, denke nicht gering von den Kannibalen, wenn du's mit Bornholm nicht verschütten willst. Bornholm sagt, daß sie Gold sind im 282 Vergleich zu den Europäern, die ekelhafte Geldgier nach Australien treibt und die . . .«

»Laß gut sein. Da spricht Bornholms Vorliebe für die dem Tiere näherstehende Rasse.«

»Möglich, sie sind naiv, und Naivetät ist Unschuld, sagt Bornholm.«

Luise sah ihn mit gutmütigem Spotte an: »Sagt Bornholm. Ich möchte wissen, wie oft du das schon wiederholt hast. Eine Stunde warst du bei ihm und kommst zurück zum Überfließen mit seinem Geiste angefüllt. Überhaupt, meine lieben Kinder, seitdem der Mann da ist, wird nur noch von ihm gesprochen! Ich bitte um eine andere Konversation.«

*


 << zurück weiter >>