Alexander Dumas
Das Halsband der Königin - 3
Alexander Dumas

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LXXX.

Die Brautbewerbung.

Die Königin und Charny wechselten einen so entsetzten Blick, daß ihr grausamster Feind in diesem Augenblick Mitleid mit ihnen gehabt hätte.

Charny erhob sich langsam und verbeugte sich vor dem König mit tiefer Ehrfurcht.

Man sah das Herz Ludwigs XVI. heftig unter den Spitzen seines Jabot schlagen.

»Oh!« sagte er mit dumpfer Stimme ... »Herr von Charny!«

Der Graf antwortete nur durch eine neue Verbeugung. Die Königin fühlte, daß sie nicht sprechen konnte, und daß sie verloren war.

Der König fuhr mit einer unglaublichen Maßhaltung fort:

»Herr von Charny, es ist nichts weniger als ehrenvoll für einen Edelmann, auf dem Verbrechen des Diebstahls ertappt zu werden.«

»Diebstahl!« murmelte Charny.

»Diebstahl!« wiederholte die Königin, welche noch an ihren Ohren die furchtbaren Anschuldigungen in Betreff des Halsbands zischen zu hören glaubte und vermuthete, der Graf sollte befleckt werden, wie sie.

»Ja,« sprach der König, »vor der Frau eines Andern niederknieen, ist ein Diebstahl; und wenn diese Frau eine Königin ist, mein Herr, so nennt man dieß Majestätsverbrechen; ich werde Ihnen das durch meinen Siegelbewahrer sagen lassen.«

Der Graf wollte sprechen, er wollte seine Unschuld betheuern, doch, ungeduldig in ihrer Großmuth, wollte es die Königin nicht dulden, daß man den Mann, den sie liebte, einer Schändlichkeit beschuldige; sie kam ihm zu Hilfe und sagte rasch:

»Sire, Sie sind, wie mir scheint, auf einem Wege schlimmer Verdachte und ungünstiger Muthmaßungen; diese Verdachte, diese vorgefaßten Meinungen treffen falsch, das muß ich Ihnen bemerken. Ich sehe, daß die Ehrfurcht die Zunge des Grafen fesselt; doch ich, die ich sein Herz aus dem Grunde kenne, werde ihn nicht anklagen lassen, ohne ihn zu vertheidigen.«

Hier hielt sie inne, erschöpft durch ihre Aufregung, erschrocken über die Lüge, die sie zu finden genöthigt sein sollte, verwirrt endlich, weil sie dieselbe nicht fand.

Doch dieses Zögern, das ihr, dem stolzen Geiste der Königin, selbst verhaßt vorkam, war ganz einfach die Rettung der Frau. In diesen gräßlichen Treffen, wo häufig um die Ehre und das Leben derjenigen, welche man ertappt, gespielt wird, genügt eine gewonnene Minute, um zu retten, wie eine verlorene Secunde genügt hatte, um in's Verderben zu stürzen.

Einzig und allein durch den Instinkt hatte die Königin die Gelegenheit des Aufschubs ergriffen; sie hatte den Verdacht des Königs plötzlich im Laufe aufgehalten; sie hatte seinen Geist irre geleitet und den des Grafen befestigt. Diese entscheidenden Minuten haben rasche Flügel, auf denen die Ueberzeugung eines Eifersüchtigen so fern weggetragen wird, daß sie sich beinahe nie wieder einfindet, wenn nicht der Schutzdämon der Liebesneidischen sie auf den seinigen zurückträgt.

»Werden Sie mir zufällig sagen,« erwiderte Ludwig XVI., der von der Rolle des Königs in die Rolle des beängstigten Gatten fiel, »werden Sie mir sagen, ich habe Herrn von Charny nicht vor Ihnen knieen sehen, Madame? Um aber niederzuknieen, ohne aufgehoben zu werden, muß ...«

»Muß, mein Herr!« sprach die Königin mit strengem Tone, »muß ein Unterthan der Königin von Frankreich eine Gnade von dieser zu erbitten haben ... Das ist, glaube ich, ein Fall, der ziemlich häufig bei Hofe vorkommt.«

»Eine Gnade von Ihnen erbitten!« rief der König.

»Und zwar eine Gnade, die ich nicht bewilligen konnte,« fuhr die Königin fort, »sonst wäre Herr von Charny nicht so dringlich gewesen, das schwöre ich Ihnen, und ich hätte ihn sehr rasch mit der Freude aufgehoben, einem Edelmann, den ich ganz besonders hoch schätze, seinen Wunsch zu bewilligen.«

Charny athmete. Das Auge des Königs war unentschieden geworden; seine Stirne entwaffnete sich allmälig von der ungewöhnlichen Drohung, welche diese Ueberraschung zu ihr aufsteigen gemacht hatte.

Mittlerweile besann sich Marie Antoinette, besann sich mit der Wuth, zu einer Lüge genöthigt zu sein, mit dem Schmerz, nichts Wahrscheinliches zu finden.

Indem sie sich unfähig bekannt, dem Grafen die Gnade zu bewilligen, um die er nachsuchte, hatte sie die Neugierde des Königs in Fesseln zu schlagen geglaubt; sie hatte geglaubt, das Verhör würde hiebei stehen bleiben. Sie täuschte sich; jede andere Frau hätte weniger Starrheit und mehr Geschicklichkeit an den Tag gelegt, aber für sie war es eine gräßliche Marter, vor dem Mann, den sie liebte, zu lügen. Sich unter dem elenden und falschen Lichte des Comödienbetrugs zeigen, hieß all diese Falschheiten, all diese Ränke, all diese Manöver der Intrigue des Parks durch eine ihrer Schändlichkeit entsprechende Entwicklung schließen; es hieß beinahe sich strafbar zeigen; es war schlimmer als der Tod.

Sie zögerte noch; sie würde ihr Leben gegeben haben, hätte Charny die Lüge gefunden; doch er, der redliche Edelmann, konnte es nicht, er dachte nicht einmal daran. Er fürchtete in seinem Zartgefühle zu sehr, auch nur einige Geneigtheit zur Vertheidigung der Königin zu verrathen.

Was wir hier in vielen, in zu vielen Zeilen vielleicht, obgleich die Lage furchtbar ist, schreiben, eine halbe Minute genügte für die drei Personen dieser Scene, es zu fühlen und auszudrücken.

Marie Antoinette wartete, an den Lippen des Königs hängend, auf die Frage, welche endlich vortrat.

»Sprechen Sie, Madame, sagen Sie, welche Gnade es ist, die Herr von Charny vergebens nachgesucht und die ihn veranlaßt hat, daß er vor Ihnen niederkniete?«

Und als wollte er die Härte dieser argwöhnischen Frage mildern, fügte der König bei:

»Ich bin vielleicht glücklicher, als Sie, Madame, und Herr von Charny wird nicht nöthig haben, vor mir niederzuknieen.«

»Sire, ich habe Ihnen schon gesagt, Herr von Charny verlange eine unmögliche Sache.«

»Nennen Sie mir dieselbe wenigstens.«

»Was kann man auf den Knieen erbitten?« sagte die Königin zu sich selbst ... »was kann man von mir erflehen, was zu bewilligen unmöglich ist? ... oh! mein Gott!«

»Ich warte,« sprach der König.

»Sire, die Bitte des Herrn von Charny ist ein Familiengeheimniß.«

»Es gibt keine Geheimnisse für mich, für den König, für ihn, der Herr seines Reiches, Familienvater und interessirt ist bei der Ehre, bei der Sicherheit aller seiner Unterthanen, die seine Kinder sind, selbst,« fügte Ludwig mit einer furchtbaren Würde bei, »selbst wenn diese entarteten Kinder die Ehre und die Sicherheit ihres Vaters antasten.«

Die Königin sprang unter dieser drohenden Gefahr auf.

»Herr von Charny!« rief sie, mit verstörtem Geist und zitternder Hand, »Herr von Charny wollte von mir verlangen ...«

»Was denn, Madame?«

»Eine Erlaubniß, um zu heirathen.«

»Wahrhaftig!« rief der König, zuerst beruhigt; dann aber sogleich wieder in seine eifersüchtige Bangigkeit zurücksinkend, sagte er, ohne zu bemerken, wie sehr die arme Frau in Folge ihrer Erklärung litt und wie bleich Charny durch das Leiden der Königin war:

»Nun! in wiefern ist es denn unmöglich, daß Herr von Charny heirathet? Ist er nicht von gutem Adel? Hat er nicht ein schönes Vermögen? Ist er nicht tapfer und schön? Wahrhaftig, um ihm den Zutritt in einer Familie zu verweigern und ihn auszuschlagen, muß eine Dame Prinzessin von Geblüt oder verheirathet sein; ich sehe nur diese zwei Gründe, welche eine Unmöglichkeit denkbar machen. Sagen Sie mir also den Namen der Frau, Madame, welche Herr von Charny gern heirathen möchte, und ist sie weder in dem einen, noch in dem andern Fall, so stehe ich dafür, daß ich die Schwierigkeiten besiegen werde ... um Ihnen zu gefallen.«

Hingezogen durch die immer mehr wachsende Gefahr, fortgerissen durch die Folge ihrer ersten Lüge, sprach die Königin mit Kraft:

»Nein, mein Herr, nein es gibt Schwierigkeiten, die Sie nicht besiegen können. Die, welche uns in Anspruch nimmt, ist von dieser Art ...«

»Ein Grund mehr, daß ich erfahre, was dem König unmöglich ist,« fiel Ludwig XVI. mit dumpfem Zorn ein.

Charny schaute die Königin an; sie schien dem Wanken nahe. Er hätte einen Schritt gegen sie gemacht, der König hielt ihn durch seine Unbeweglichkeit zurück ... Mit welchem Recht hätte er, der nichts für diese Frau war, seine Hand und seinen Beistand derjenigen angeboten, die ihr König und ihr Gatte verließ?

»Welches ist die Macht, gegen die der König keine Wirksamkeit hat?« fragte sie sich. »Mein Gott! noch diese Idee, diese Hülfe!«

Plötzlich durchzuckte ein Lichtstrahl ihren Geist.

»Ah! Gott selbst schickt mir diese Hilfe,« murmelte sie. »Diejenigen, welche Gott gehören, können ihm nicht genommen werden, nicht einmal durch den König.«

»Dann erhob sie das Haupt und sprach zu Ludwig XVI.:

»Sire, diejenige, welche Herr von Charny gern heirathen möchte, ist in einem Kloster.«

»Ah!« rief der König, »das ist ein Grund; es ist in der That schwierig, Gott sein Gut zu nehmen, um es den Menschen zu geben. Aber es ist seltsam, daß Herr von Charny so schnell diese Liebe gefaßt hat: nie hat Jemand mit mir davon gesprochen, nicht einmal sein Oheim, der Alles von mir erlangen kann. Wer ist die Frau, die Sie lieben, Herr von Charny? sagen Sie es mir, ich bitte Sie.«

Die Königin fühlte einen stechenden Schmerz. Sie sollte einen Namen aus Oliviers Munde kommen hören, sie sollte die Qual dieser Liebe erdulden, und wer weiß, ob nicht Charny einen einst geliebten Namen, eine noch blutende Erinnerung an die Vergangenheit, oder einen Namen, der der Keim einer Liebe, eine unbestimmte Hoffnung auf die Zukunft war, zu nennen im Begriff stand? Um diesen furchtbaren Schlag nicht zu empfangen, kam Marie Antoinette zuvor und rief plötzlich:

»Sire, Sie kennen diejenige, welche Herr von Charny zu heirathen verlangt, es ist ... es ist Fräulein Andrée von Taverney.«

Charny gab einen Schrei von sich und verbarg sein Gesicht in beiden Händen.

Die Königin drückte ihre Hand an ihr Herz und wäre beinahe ohnmächtig in ihren Lehnstuhl gefallen.

»Fräulein von Taverney,« wiederholte der König, »Fräulein von Taverney, die sich nach Saint-Denis zurückgezogen hat?«

»Ja, Sire,« antwortete die Königin mit schwachem Tone.

»Sie hat aber noch nicht das Gelübde abgelegt, so viel ich weiß?«

»Doch sie muß es thun.«

»Wir werden dabei eine Bedingung stellen,« sagte der König. »Warum sollte sie übrigens das Gelübde ablegen?« fügte er mit einem letzten Sauerteig von Mißtrauen bei.

»Sie ist arm ... Sie haben nur ihren Vater bereichert,« sprach Marie Antoinette mit hartem Tone.

»Das ist ein Unrecht, das ich wieder gut machen werde. Herr von Charny liebt sie ...«

Die Königin bebte und warf Charny einen gierigen Blick zu, als wollte sie ihn anflehen, daß er leugne.

Charny schaute Marie Antoinette starr an und antwortete nicht.

»Wohl!« sagte der König, der dieses Stillschweigen für eine ehrfurchtsvolle Beistimmung nahm, »und ohne Zweifel liebt Fräulein von Taverney Herrn von Charny? Ich werde Fräulein von Taverney aussteuern; ich gebe ihr die fünfmal hunderttausend Livres, die ich eines Tages für Sie Herrn von Calonne abschlagen mußte. Danken Sie der Königin, Herr von Charny, daß sie die Güte gehabt hat, mir diese Sache zu erzählen und so das Glück Ihres Lebens zu sichern.«

Charny machte einen Schritt vorwärts und verbeugte sich wie eine bleiche Bildsäule, der Gott durch ein Wunder einen Augenblick das Leben gegeben hätte.

»Oh! das ist wohl der Mühe werth, daß Sie noch einmal niederknieen,« sagte der König mit jener leichten Nuance von plattem Spott, der zu oft bei ihm den traditionellen Adel seiner Ahnen verminderte.

Die Königin bebte und reichte mit einer freiwilligen Bewegung dem jungen Mann ihre beiden Hände. Er kniete vor ihr nieder und drückte auf diese schönen eiskalten Hände einen Kuß, in dem er seine Seele aushauchen zu dürfen Gott anflehte.

»Auf!« sprach der König, »überlassen wir nun der Königin die Sorge für ihre Angelegenheiten, kommen Sie, mein Herr, kommen Sie.«

Und er ging sehr rasch voran, so daß sich Charny auf der Schwelle umdrehen und den unaussprechlichen Schmerz dieses ewigen Abschieds sehen konnte, den ihm die Augen der Königin zusandten.

Die Thüre schloß sich wieder zwischen ihnen, eine fortan unübersteigliche Schranke für unschuldige Liebe.


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