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Nero hatte das Richtige getroffen; sein Versprechen beruhigte das murrende Volk augenblicklich. Unter allen Schauspielen, mit denen seine Ädilen, seine Prätoren und seine Cäsaren es ergötzten, waren ihm die Tierjagden und Gladiatorenkämpfe die liebsten. Pompejus kam einst auf den Gedanken, beide zu vereinigen, indem er während seines zweiten Konsulats bei Gelegenheit der Einweihung des Tempels der siegreichen Venus mit Wurfspießen bewaffnete Gätuler gegen zwanzig wilde Elephanten kämpfen ließ.
Scipio Nasika und P. Lentulus ließen dreiundsechzig afrikanische Panther in den Zirkus bringen. Als man später glaubte, das Volk sei solcher Vergnügungen müde, übertrug Segurus das Schauspiel in ein anderes Element. Er ließ das Amphitheater mit Wasser füllen und in diesem künstlichen Meer fünfzehn Nashörner und dreiundzwanzig Krokodile schwimmen. Der Prätor Sulla hatte eine Löwenjagd mit hundert Löwen veranstaltet; der große Pompejus eine solche von dreihundertfünfzehn, und Julius Cäsar eine mit vierhundert Löwen. Augustus endlich ließ gar an dem Feste zu Ehren seines Enkels gegen dreitausendfünfhundert Löwen, Tiger und Panther auftreten. Ein gewisser P. Servilius gab ein Fest, zu dem dreihundert Bären und ebensoviele Panther und Löwen aus den afrikanischen Wüsten herbeigebracht wurden.
Allein unter allen hatte Nero doch die blutigsten, reichsten und mannigfaltigsten Feste veranstaltet. Außer der Silbersteuer, die er den eroberten Provinzen auferlegte, schätzte er auch den Nil und die Wüste, das Wasser und den Sand ein, die ihm ihren Tribut an Löwen, Tigern, Panthern und Krokodilen liefern mußten. Die Gladiatoren wurden durch die Kriegsgefangenen und Christen vorteilhaft und ausgiebig ersetzt. Wohl fehlten diesen die Kunstgriffe und die Geschicklichkeit, aber sie zeigten dafür außergewöhnlichen Mut und seelische Erregung, die ihrem Todeskampf einen neuen, eigenartigen Reiz verliehen. Das war alles, was nötig war, um die Neugierde aufzustacheln.
Ganz Rom stürzte also in den Zirkus. Man hatte dieses Mal mit vollen Händen in der Wüste und in den Gefängnissen geschöpft. Es waren so viele wilde Tiere und so viele Opfer vorhanden, daß das Fest den ganzen Tag und die ganze Nacht in Anspruch nahm. Dazu hatte der Kaiser versprochen, den Zirkus auf eine neue Art zu beleuchten. Er wurde mit einstimmigen Jubelrufen empfangen. Diesesmal erschien er als Apollo gekleidet und trug Bogen und Pfeile wie der pythische Gott, denn in den Zwischenpausen des Kampfes wollte er Proben seiner Geschicklichkeit ablegen. Einige Bäume waren in den Albaner Bergen mit den Wurzeln ausgegraben und mit ihren Ästen und Blättern in den Zirkus nach Rom verpflanzt worden. Auf diesen Bäumen stellten Pfauen und Fasanen ihr prächtiges Gefieder aus und boten Zielscheiben für die Pfeile des Kaisers. Auch kam es vor, daß der Cäsar mit einem verwundeten Tier Mitleid empfand oder Haß gegen ein anderes, das seine Henkersarbeit ungeschickt verrichtete, dann griff er entweder zum Bogen oder zum Wurfspieß und sandte von seinem Throne aus das tödliche Geschoß an das andere Ende des Zirkus, wie der Blitze schleudernde Jupiter.
Kaum hatte sich der Kaiser niedergelassen, so erschienen die Fechter auf Wagen. Diejenigen, welche die Kampfspiele eröffneten, wurden gewöhnlich von den Festgebern bezahlt, aber da die Feierlichkeit außergewöhnlich großartig war, gesellten sich auch einige junge Patrizier zu den berufsmäßigen Gladiatoren, um dem Kaiser den Hof zu machen. Man sagte sogar, daß sich unter diesen zwei junge Edle befanden, die ihr Vermögen durch ihre Ausschweifungen verloren und sich hier vermietet hatten, der eine um eine Summe von zweimalhundertfünfzigtausend, der andere um dreimalhunderttausend Sesterzien.
Als Nero eintrat, befanden sich die Gladiatoren in der Arena; sie warteten auf das Zeichen des Beginnes und übten sich gegenseitig, wie wenn die Kämpfe, die sie miteinander ausfechten sollten, einfache Festspiele wären. Aber kaum war der Ruf: der Kaiser, der Kaiser! in dem Zirkus erschallt, kaum hatte man Cäsar-Apollo auf seinem Thron gegenüber den Vestalinnen Platz nehmen sehen, so traten die Festordner in den Zirkus mit scharfgeschliffenen Waffen, welche die Kämpfenden gegen die stumpfen Waffen, mit denen sie sich geübt hatten, eintauschten. Hierauf zogen sie an Neros nur acht bis zehn Fuß über die Arena erhöhtem Thronsitz vorüber, indem sie die Schwerter, zu ihm erhoben, damit er sich versichere, daß sie scharf und schneidend seien.
Man legte ihm die Liste der Fechter vor, damit er die Reihenfolge der Kämpfe bestimme. Er entschied, daß ein Netzfechter und ein Gladiator die Spiele eröffnen, und daß nach ihnen zwei Schwertkämpfer und nach diesen zwei Gladiatoren mit verbundenen Augen fechten sollten. Zum Beschluß dieses ersten Teiles sollten dann noch gegen Mittag zwei Christen, ein Mann und eine Frau, den wilden Tieren überlassen werden. Das Volk schien von diesem Programm ganz befriedigt, und unter den Rufen: Es lebe Nero! Ruhm dem Cäsar! Glück dem Kaiser! betraten die beiden ersten Gladiatoren den Zirkus durch einander gegenüberliegende Tore.
Es waren der Gladiator und der Netzkämpfer, wie es der Cäsar bestimmt hatte. Der eine, welchen man secutor nannte, weil es öfter vorkam, daß er seinen Gegner verfolgte, als daß er verfolgt wurde, trug eine blaßgrüne Tunika mit schrägen Silberstreifen, die um den Leib mit einem Gürtel aus ziseliertem Kupfer zusammengehalten war, worin Einlagen von Korallen glänzten. Sein rechtes Bein war mit einer bronzenen Schiene geschützt; ein Helm mit Visier, wie ihn die Ritter des XIV. Jahrhunderts trugen, mit einem Helmstutz gekrönt, der den Kopf eines Auerochsen mit langen Hörnern darstellte, bedeckte sein Gesicht. In der linken Hand hielt er einen großen, runden Schild und in der rechten einen Wurfspieß und eine mit Blei versehene Keule. Es war die Rüstung und das Kostüm der Gallier.
Der Netzkämpfer hielt in der rechten Hand das Netz, dem er seinen Namen verdankte, das ungefähr dem Wurfgarn unserer Fischer glich, und in der linken, die durch einen leichten, runden Schild gedeckt war, einen langen Dreizack aus Ahorn mit einer dreifachen Stahlspitze. Seine Tunika war aus blauem Tuch, seine Halbstiefel aus blauem Leder, seine Beinschienen aus vergoldeter Bronze. Im Gegensatz zu dem Gallier blieb sein Gesicht unbedeckt, und sein Kopf hatte keinen anderen Schutz als eine lange Mütze aus blauer Wolle, an der ein goldenes Netz hing.
Die beiden Gegner näherten sich einander, aber nicht in gerader Linie, sondern kreisförmig. Der Netzkämpfer hielt sein Netz bereit, und der Gladiator wog seinen Wurfspieß in der Hand. Als sich der Netzkämpfer in Wurfweite glaubte, machte er einen raschen Sprung nach vorwärts und warf zur selben Zeit sein Netz, das sich entfaltete. Aber keine seiner Bewegungen war dem Gladiator entgangen, der durch einen ähnlichen Sprung nach rückwärts auswich, so daß das Netz vor seinen Füßen niederfiel. Im selben Augenblick, und ehe der Netzkämpfer Zeit gehabt, sich mit seinem Schilde zu decken, schleuderte der Gladiator seinen Wurfspieß. Sein Feind sah die Waffe kommen, er bückte sich, doch nicht tief genug, so daß der Stoß, der ihn auf die Brust hätte treffen sollen, ihm seine elegante Kopfbedeckung wegnahm.
Obwohl der Netzkämpfer mit seinem Dreizack bewaffnet war, wandte er sich zur Flucht, indem er sein Netz hinter sich herzog, denn er konnte sich seiner Waffe zum tödlichen Stoße nur bedienen, wenn er den Gegner in den Maschen gefangen hatte. Der Gladiator suchte ihn zu verfolgen, aber da ihn die schwere Keule und die Schwierigkeit, durch die kleinen Öffnungen des Visiers zu sehen, im Laufen hinderten, gewann der Netzkämpfer Zeit, sein Netz von neuem bereit zu halten. Alsbald nahm er seine anfängliche Stellung wieder ein, und der Gladiator eine verteidigende.
Während des Laufes hatte der secutor seinen Wurfspieß wieder aufgerafft und die Mütze des Netzkämpfers als Trophäe an seinen Gürtel gehängt. So hatte jeder der Kämpfer wieder seine Waffen in Bereitschaft. Diesesmal eröffnete der Gladiator den Kampf. Er schleuderte mit der ganzen Kraft seines Armes den Wurfspieß, der mitten in den Schild des Netzkämpfers traf, die bronzene Stichplatte durchbohrte, durch den siebenfachen Lederbelag drang und die Brust streifte. Das Volk glaubte schon, er sei tödlich verwundet, und von allen Seiten hörte man den Ruf: Er hat's! Er hat's! Aber sogleich entfernte der Netzkämpfer den Schild, in dem der Wurfspieß stecken blieb, von seiner Brust und zeigte, daß er nur leicht verletzt sei. Da erfüllte ein Freudengeschrei die Luft, denn nichts fürchteten die Zuschauer mehr als einen schnell entschiedenen Kampf, weshalb man auch die Gladiatoren, welche den Kopf trafen, mißachtete, obwohl es nicht verboten war.
Der Gladiator ergriff die Flucht; denn seine Keule, die eine schreckliche Waffe war, wenn er den Netzkämpfer verfolgte, wurde für ihn beinahe unnütz in dem Augenblick, wo ihm der Gegner das Netz um die Schultern warf, und wenn er diesem nahe genug kam, um ihn zu treffen, konnte er ihn mit Leichtigkeit in die tödlichen Maschen verwickeln. Jetzt begann das Schauspiel einer regelrechten Flucht, denn die Flucht ist auch eine Kunst. Aber das zweite wie das erste Mal fand sich der Gladiator durch seinen Helm gehindert. Schon war der Netzkämpfer so nahe, daß die Rufe der Menge den Gallier auf die Gefahr aufmerksam machten. Er begriff, daß er verloren sei, wenn er sich nicht rasch seines Helmes entledige. Während des Laufes öffnete er die eiserne Schnalle, die ihn geschlossen hielt, riß ihn ab und warf ihn von sich. Jetzt erkannte man mit Erstaunen in dem Gladiator einen jungen Mann, namens Festus, der einer der edelsten Familien Roms angehörte, und diesen Helm mit Visier mehr zu seiner Verhüllung als zu seiner Verteidigung gewählt hatte. Diese Entdeckung verdoppelte das Interesse, das die Zuschauer an dem Kampfe nahmen.
Jetzt gewann der junge Patrizier einen Vorsprung vor dem anderen, dem sein Schild beschwerlich fiel, weil darin der Wurfspieß steckte, den er doch nicht herausziehen wollte, damit sich sein Feind nicht wieder der Waffe bemächtige. Erregt durch die Rufe der Zuschauer und durch die fortgesetzte Flucht seines Gegners, warf er aber endlich den Schild mitsamt dem Geschoß von sich und war nun frei in seinen Bewegungen. Sei es, daß der Gallier die Unklugheit seines Gegners benutzen wollte, sei es, daß er des Fliehens müde war, er blieb plötzlich stehen und schwang die Keule um sein Haupt. Auch der Netzkämpfer hielt wieder seine Waffe in Bereitschaft, aber ehe er seinem Gegner auf Wurfweite nahekommen konnte, flog die Keule sausend wie der Balken aus einer Wurfmaschine und traf den Netzkämpfer mitten auf die Brust. Dieser schwankte und stürzte nieder, von den Maschen seines eigenen Netzes bedeckt. Festus sprang hinzu, riß seinen Wurfspieß aus dem Schilde, befand sich mit einem Satze bei seinem Gegner, legte die Spitze seiner Waffe an dessen Kehle und fragte das Volk, ob er ihn töten oder Gnade gewähren solle. Alle erhoben die Hände, die einen verschlungen, um Gnade zu erflehen, die andern einzeln mit gesenktem Daumen. Aber da es inmitten der Menge unmöglich war, die Mehrheit zu erkennen, ertönte der Ruf: Zu den Vestalinnen! Zu den Vestalinnen! Das war die entscheidende Instanz in zweifelhaften Fällen. Festus wandte sich nach dem Podium. Die zwölf Vestalinnen erhoben sich, acht hielten den Daumen gesenkt. Die Majorität war für den Tod. Da ergriff der Netzkämpfer selbst die Spitze des Speeres, legte sie an seine Kehle, und nach einem letzten Ruf: Cäsar ist Gott! fühlte er, ohne einen Klagelaut von sich zu geben, wie der Spieß des Festus die Halsader durchschnitt und ihm tief in die Brust drang.
Das Volk klatschte dem Sieger wie dem Besiegten Beifall, denn der eine hatte mit Geschicklichkeit getötet, der andere war schön gestorben. Festus machte im Amphitheater die Runde, um die Huldigungen entgegenzunehmen, und verließ dasselbe durch das eine Tor, während die Leiche seines Feindes zum gegenüberliegenden hinausgetragen wurde.
Hierauf kam ein Sklave mit einem Rechen und verwischte die Blutspuren im Sande, dann erschienen zwei neue Kämpfer auf dem Ringplatz. Es waren die beiden Schwertkämpfer, die raffiniertesten Fechter zur Zeit Neros; ohne Helm, ohne Panzer, ohne Schild, ohne Beinschienen kämpften sie nur mit einem Schwert in jeder Hand, wie die Kavaliere der Fronde in ihren Duellen auf Degen oder Dolch. Diese Gefechte galten für die Blüte der Kunst, zuweilen wurden sie von den Fechtmeistern selbst ausgeführt; diesesmal war es ein Lehrer mit seinem Schüler. Der letztere hatte sich die Kunstgriffe seines Meisters so vollkommen angeeignet, daß er diesen mit seinen eigenen Finten angriff. Die schlechte Behandlung, die er einst von seinem Lehrer erfahren, hatte in seinem Herzen einen glühenden Haß gegen diesen erzeugt, aber er hielt ihn geheim, und in der Absicht, sich eines Tages an ihm zu rächen, setzte er seine täglichen Übungen fort und lauschte ihm alle Geheimnisse seiner Kunst ab. Es war für die sachverständigen Zuschauer von Interesse, diese beiden Männer zum ersten Mal von den Scheingefechten zu einem wirklichen Kampf nicht mit stumpfen, sondern mit scharfen, schneidenden Waffen übergehen zu sehen. Ihr Erscheinen rief dreimalige Beifallsrufe hervor, die verstummten und dem tiefsten Stillschweigen Platz machten, sobald der Festordner auf einen Wink des Kaisers das Zeichen zum Beginn des Kampfes gab. Die Fechter gingen einander entgegen, belebt von dem tiefen Haß, den jede Rivalität einflößt; aber dieser Haß, der wie Blitze in ihren Augen aufloderte, verlieh dem Angriff und der Verteidigung besondere Behutsamkeit, denn sie kämpften nicht allein für das Leben, sondern auch für den Ruf, den der eine besaß und der andere zu erwerben begann.
Endlich kreuzten sich ihre Schwerter; zwei spielende Schlangen und zwei zuckende Blitze sind leichter in ihrer flammenden Geschwindigkeit zu verfolgen, als es die Bewegungen der Schwerter waren, die sie in der rechten Hand zum Angriff schwangen, während sie mit dem Schwert in der linken wie mit einem Schilde parierten. Mit bewunderungswürdiger Regelmäßigkeit vom Angriff zur Verteidigung übergehend, zwang zuerst der Schüler den Meister, bis an die Stufen des kaiserlichen Thrones zurückzuweichen, dann aber drängte der Meister den Schüler bis zu dem Podium der Vestalinnen zurück. Hierauf erschienen beide unverletzt in der Mitte des Zirkus, obwohl zwanzigmal die Spitze jedes Schwertes der Brust so nahe war, daß sie die Tunika zerriß, unter der sie das Herz suchte. Endlich machte der Jüngere einen Sprung nach rückwärts, die Zuschauer riefen: Er hat's! Aber, obwohl das Blut durch den unteren Teil der Tunika an seinem Schenkel herabfloß, kehrte er noch hartnäckiger als zuvor sogleich zum Kampfe zurück, und schon nach zwei Gängen verriet der Meister durch eine unmerkliche Bewegung, die einem minder geübten Publikum entgangen wäre, daß das kalte Eisen in seine Adern gedrungen sei. Die gespannteste Neugier ist stumm; bei einigen geschickt parierten Stößen vernahm man nur das dumpfe Schauern, das dem Schauspieler anzeigt, daß es nicht Mangel an Teilnahme ist, wenn das Publikum nicht applaudiert, sondern daß es im Gegenteil sein Spiel nicht unterbrechen will. Die beiden Fechter verdoppelten ihren Eifer und schwangen ihre Schwerter mit gleicher Gewandtheit hin und her, so daß der seltsame Kampf kein anderes Ende zu nehmen schien, als die gegenseitige Erschöpfung der Kraft. Da glitt der Lehrer, als er vor seinem Schüler einen Schritt zurückwich, plötzlich aus und fiel nieder; sein Fuß hatte auf dem Boden frische Blutspuren hinterlassen. Der Schüler benützte den Vorteil, den ihm der Zufall bot, und stürzte sich auf ihn, aber zum großen Erstaunen des Publikums sah man weder den einen noch den andern sich erheben. Das ganze Volk erhob die verschlungenen Hände und rief: Gnade! Freiheit! Aber keiner der beiden Fechter antwortete. Der Festordner trat in den Zirkus, er brachte die Siegespalmen und Freiheitsstäbe vom Kaiser, aber es war zu spät. Die beiden Streiter waren schon, wenn auch nicht siegreich, so doch frei; sie hatten sich gegenseitig durchbohrt und getötet.
Auf die Schwertkämpfer sollten, wie gesagt, die Blindfechter folgen. Ohne Zweifel war dies so angeordnet, um das Volk durch den Gegensatz zu ergötzen; denn diesen neuen Kämpfern war Kunst und Gewandtheit völlig unnütz. Ihr Kopf war vollkommen in einen Helm eingeschlossen, der nur eine Öffnung zum Atemholen an der Stelle des Mundes und zwei Löcher vor den Ohren freiließ, damit sie hören konnten; sie kämpften also blind. Übrigens freute sich das Volk sehr an diesem schrecklichen Blindekuhspiel, wo jeder Schlag traf, da die Gegner keine Schutzwaffe zur Abwehr oder Abschwächung führten.
In dem Augenblick, wo diese Unglücklichen, denn Kämpfer kann man diese Opfer kaum nennen, unter dem schallenden Gelächter des Publikums die Arena betraten, näherte sich Anicetus dem Kaiser und übergab ihm einige Briefe. Nero las sie mit großer Unruhe, und bei dem letzten malte sich tiefe Bestürzung in seinen Zügen. Er versank kurze Zeit in Nachdenken, dann stand er plötzlich auf und stürzte zum Zirkus hinaus, indem er dem Spielordner ein Zeichen machte, daß das Fest in seiner Abwesenheit seinen Fortgang nehmen solle. Dieser Zwischenfall hatte an sich nichts Ungewöhnliches; es kam oft genug vor, daß dringende Staatsgeschäfte die Cäsaren unvorhergesehen mitten aus einem Feste heraus auf das Forum, in den Senat oder auf den Palatin riefen, wodurch das Vergnügen der Zuschauer keineswegs gestört wurde, die dadurch im Gegenteil neue Freiheiten genossen, da das Volk, unbeeinträchtigt durch die Gegenwart des Kaisers, jetzt wirklich der König des Festes wurde. Die Spiele nahmen also ihren weiteren Verlauf, obwohl der Cäsar nicht mehr den Vorsitz führte.
Die beiden Streiter setzten sich von entgegengesetzten Seiten aus in Bewegung, um sich in der Mitte zu begegnen. Je näher sie einander kamen, desto mehr bemerkte man, wie sie den Gesichtssinn durch das Gehör zu ersetzen und die Gefahr, die sie nicht sehen konnten, durch das Gehör zu vermeiden suchten. Es ist leicht zu begreifen, wie trügerisch in solchem Falle die Raumschätzung wird; noch waren sie weit voneinander entfernt, als sie schon mit den Schwertern nacheinander schlugen. Angeregt durch die Zurufe: Vorwärts! Vorwärts! Nach rechts! Nach links! gingen sie mit mehr Kühnheit gegeneinander vor und schossen aneinander vorüber, ohne sich zu berühren, schließlich drehten sie sich den Rücken und fuhren immer noch fort, sich gegenseitig mit dem Schwert zu bedrohen. An dem Geschrei und Hohngelächter des Publikums erkannten sie, wie die Sache stand, und drehten sich beide mit einer raschen Bewegung um, so daß sie einander gegenüberstanden und sich mit den Schwertern treffen konnten. Ihre Waffen berührten sich gleichzeitig und trafen an verschiedenen Stellen. Der eine erhielt einen Stich mit der Spitze in den rechten Schenkel, der andere einen Stoß mit dem Schaft auf den linken Arm. Jeder der beiden Verwundeten machte einen Schritt zur Seite, so fanden sich die beiden Gegner von neuem getrennt, ohne zu wissen, wie sie sich wieder finden sollten. Da setzte sich der eine auf die Erde, um auf das Geräusch der Schritte zu horchen und seinen Gegner zu überfallen, und wirklich wie eine ruhende Schlange, die plötzlich hervorschießt und sticht, traf der liegende Gladiator seinen Gegner zum zweiten Mal. Dieser fühlte sich gefährlich verletzt, machte einen Schritt nach vorwärts, stieß mit dem Fuß an den Körper seines Feindes und fiel zwei oder drei Spannen entfernt von ihm nieder, erhob sich aber sogleich wieder und beschrieb mit seinem Schwert einen so raschen und wuchtigen Kreis, daß die Waffe, die seinen Gegner an der Stelle traf, wo ihn der Helm zu decken aufhörte, den Kopf so geschickt vom Rumpfe trennte, wie es ein Henker nicht besser hätte tun können.
Während der Kopf in seiner eisernen Hülle weitab rollte, blieb der Rumpf noch einen Augenblick stehen, machte einige unsinnige Schritte, wie wenn er nach ihm suchen wollte, und stürzte dann in den Sand, den er mit Blut überschwemmte. An dem Geschrei der Menge erkannte der Gladiator, daß der Streich, den er geführt hatte, tödlich gewesen sein mußte, aber er fuhr nichtsdestoweniger fort, sich gegen den im Todeskampf befindlichen Feind zur Verteidigung bereitzuhalten. Da trat einer der Festordner ein, löste ihm den Helm und rief:
Du bist frei und Sieger.
Er verließ den Zirkus durch das Tor, das sana vivaria hieß, weil nur die Kämpfer hindurchgingen, die dem Tod entronnen waren, während man die Leichen in das spoliarium brachte, eine Art Höhle, die unter den Stufen des Amphitheaters lag, wo die Ärzte die Verwundeten erwarteten und wo zwei Männer auf- und niedergingen, von denen der eine als Merkur, der andere als Pluto gekleidet war. Merkur berührte die scheinbar leblosen Körper mit einem rotglühenden Schlangenstab, um zu prüfen, ob sich noch ein Funke Lebenskraft darin befinde, während Pluto diejenigen, welche die Ärzte für unheilbar erklärten, mit einem Hammer erschlug.