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Zehntes Kapitel.

Eine Stunde war vergangen, und noch hatte Chala sich in der plötzlichen Umänderung seines Lebens nicht gefaßt, noch ging er in der heftigsten Aufregung umher und seine entgegengesetzten Gefühlsströmungen wogten gewaltig gegeneinander als eine Botschaft kam, daß Frau von der Burg augenblicklich seinen Besuch wünsche.

Alix hatte ihrer Mutter ganz einfach erklärt, daß sie so eben ihren Brautstand aufgehoben habe. Als Grund hatte sie die gewonnene Gewißheit angegeben, daß der Charakter des Grafen und der ihrige nicht zum gegenseitigen Glücke geschaffen wären. »Dein Charakter!« hatte die Majorin anfänglich mit Achselzucken wiederholt, »Du hast ja noch gar keinen. Dein Mann erst kann ihn bilden, und Dein Mann zu werden, wird Chala hoffentlich noch die Güte haben, wenn Du ihn Deiner Albernheit wegen erst um Entschuldigung gebeten hast.« Die gebietende Frau mußte jedoch bald zu ihrem größten Erstaunen erfahren, daß Alix bereits nicht allein einen Charakter, sondern auch einen ganz sichern eigenen Willen habe. Mit Bescheidenheit, aber mit ruhiger Entschiedenheit zugleich wiederholte das junge Mädchen, sie werde nie den Grafen Chala heirathen.

Der Major wurde zum Rathe gezogen. Er erstaunte und schwieg, nachdem er Alix befragt und dieselbe Antwort erhalten hatte. Frau von der Burg schickte nun zu Chala. Alix zog sich, trotz des Befehles der Mutter, augenblicklich zurück. »Das Abschiednehmen ist nicht angenehm genug, um eine Wiederholung zu wünschen,« sagte sie.

Frau von der Burg kam dem Grafen im höchsten Unwillen auf Alix entgegen. Chala erwiederte: die Entscheidung des Fräuleins sei ebenso gerecht, wie sie ihn in tiefster Seele unglücklich gemacht habe. »Also wünschen Sie wenigstens das Bestehen des Verhältnisses?« fragte die Majorin. »Gnädige Frau, es ist Fräulein Alix, die ich verloren habe;« antwortete Chala mit wahrem Schmerze. »Sie sollen sie nicht verlieren;« sprach die heftige Frau. »Ich will, daß sie die Ihre werde.« – »Gnädige Frau, glauben Sie, daß ich einen erzwungenen Besitz annehme?« – »Ich werde Ihnen das thörichte Mädchen mit ihrer freien Einwilligung wieder zuführen; irgend ein Romangedanke ist in ihr kleines Gehirn gekommen.« – »Nein, gnädige Frau, die Ueberzeugung meiner Unwürdigkeit ist es;« antwortete Chala niedergeschlagen. Frau von der Burg lächelte und verließ den Saal. Der Major hatte doch so viel richtiges Gefühl, um den jungen Mann nicht zu unterhalten. Dieser stand gegen den Kamin gelehnt mit verschränkten Armen und athmete schwer und innerlich. Er hoffte nicht mehr und die Minuten dünkten ihm endlos. Endlich hörte man das Kommen der Majorin. Aufgeregt kam sie herein. »Die alte Antwort,« sprach sie heftig. »Ich erkenne meine Tochter nicht mehr.« – »Ich sagte es Ihnen, gnädige Frau,« sprach Chala, dessen Blässe noch tiefer geworden war. Erlauben Sie, daß ich auch Ihnen Lebewohl sage. Es drängt mich fort. Ich bitte unverzüglich um Urlaub.« – »Aber, mein Gott, das Aufsehen, welches entstehen wird!« – »Es würde dadurch, daß ich bliebe, nicht vermieden werden, und wäre das selbst möglich – ich könnte nicht bleiben,« antwortete Chala, jetzt seinerseits heftig, denn er fühlte sich wie auf der Folter festgehalten. Frau von der Burg fühlte das nicht; sie fragte ihn noch, welcher Grund gegen die Gesellschaft angegeben werden sollte. »Der wahre, gnädige Frau; daß Fräulein Alix mich aufgegeben, weil sie mit mir nicht glücklich zu werden glaube;« erwiederte der junge Mann mit seiner letzten Beherrschung. Dann setzte er mit der deutlichsten Betonung hinzu: »Ich bitte nochmals um Erlaubniß, mich Ihrer Gnade empfehlen zu dürfen.« Die Majorin entließ ihn kalt; er hatte ihr widersprochen – er war ihr gegenüber gereizt gewesen – eine solche Beleidigung genügte bei ihr, um das lebhafteste Gefühl in einem Augenblicke auszulöschen. Dem Major bot Chala im Vorübergehen die Hand; der gute Mann wollte etwas sagen und konnte nicht; er schämte sich, daß er nasse Augen hatte. Chala hatte einen Augenblick den Gedanken, ihm Alix an das Herz zu legen; der arme Major war jedoch im Hause so gut, wie gar nichts; der junge Mann schwieg daher, grüßte nochmals Frau von der Burg und verließ das Haus, wo er geliebt worden war, wie es selten das Loos eines Menschen ist.

Aufgeregt kam er zum Oberstlieutenant und bat, dieser möge ihm augenblicklich Urlaub ertheilen und seine Bitte um einen längeren einsenden und unterstützen. Der Oberstlieutenant war ein freundlicher Vorgesetzter; eine Untugend nur hatte er – seine Offiziere, wenn sie eben recht eilig waren, an einem Knopfe festzuhalten und ihnen Geschichten zu erzählen, die an und für sich ganz belustigend waren, nur eben die Ungeduldigen nicht belustigen konnten. Bei ernsten Gelegenheiten jedoch konnte der Oberstlieutenant auch ganz ernsthaft sein, und daß es sich hier um etwas Ernstliches handelte, sah er gleich. Er bewilligte daher den Urlaub ohne irgend eine Frage, versprach auch, das Gesuch des Grafen zu bevorworten. Dieser sagte: »Sie werden meine Stimmung, meine Ungeduld fortzukommen erklärlich finden, sobald ich Ihnen gesagt, daß so eben mein Verhältniß mit Fräulein von der Burg aufgehört hat.« Der Oberstlieutenant bedauerte aufrichtig und fügte hinzu: »Da werde ich Sie versetzen müssen.« – »Ich benutze meinen Urlaub, um auf Versetzung vom Regimente anzutragen,« erwiederte Chala. »Auch da werde ich Ihre gütige Verwendung in Anspruch nehmen, Herr Oberstlieutenant.« Davon wollte der Oberstlieutenant anfänglich nichts wissen; Chala, der alle Untüchtigkeit geringschätzte, war, da er nun einmal Soldat sein mußte, ein so ausgezeichneter, als wäre er mit Leib und Seele Maschine, und deshalb war er ein besonderer Liebling des Oberstlieutenants, der ihn nicht verlieren mochte und ihm vorstellte, daß der gute Major ja doch bald den Abschied entweder nehmen, oder erhalten werde. »Dann haben Sie ja nicht länger einen Grund, ungern hier zu sein,« setzte der Oberstlieutenant hinzu, »und bis dahin läßt jede unangenehme Berührung sich durch eine Garnisonsänderung ganz leicht vermeiden. Also bleiben Sie jedenfalls bei uns.« Chala konnte nicht antworten, daß Bertha immer hier bleiben werde und daß mit seiner neuen Freiheit wieder in ihrer Gegenwart auszuhalten ihm unmöglich sei; aber er antwortete: »Ich kann nicht hier bleiben – ich ertrage die Gegend nicht länger. Glauben Sie nicht, daß Ihre Güte einen Undankbaren finde – ich bin Ihnen wahrhaft dankbar; doch bleiben, wiederkommen ist über meine Kraft, und müßte ich den Abschied nehmen.« – »Das sollen Sie nicht,« sprach der Oberstlieutenant; »sind Sie so entschieden, so verspreche ich Ihnen, Alles zu thun, was ich kann; aber ich thue es ungern.« Der junge Mann nahm, nachdem Alles besprochen war, von seinem wohlwollenden Oberen so herzlich Abschied, wie es militärisch nur immer erlaubt ist; dann eilte er, seine Angelegenheiten auf eine längere Abwesenheit zu ordnen. Er wollte in der ersten Frühe nach der Garnison reiten, wo Andernach stand, und nach einem Abschied von diesem, dem einzigen, den er noch nahm, mit der Post weiter. Es war schon spät, als er mit den kleinlichen Geschäften begonnen hatte, die selbst das wichtigste Ereigniß begleiten, sobald dieses eine Reise mit sich bringt; es war schon lange Mitternacht vorüber, als er fertig wurde. Er trank ein Glas Wein und ging körperlich abgemüdet aber geistig noch immer fieberhaft erregt, hinaus nach der Meierei. Da schritt er den kleinen Pfad auf und ab und sah hinauf zu den Fenstern des jungen Mädchens, von dem er heute geschieden war. Sie waren dunkel; das ganze Haus schien zu schlafen – Alix schlief wohl nicht – ihr hatte er auf lange den Schlaf gestört – das fühlte er, das nagte ihm am Herzen. Er, der von Gott für sich nichts hoffte, betete für Alix. Es war eine laue, stille Nacht, voll Sternflimmern im Frühlingsduft ein Gebet konnte ungestört hinauf. Chala betete heftig, daß Alix genesen und von ihm der schwere Gedanke genommen werden möge, daß sie sein Opfer geworden. »Nicht um meinetwillen,« rief er innerlich, aber um ihretwillen. Ich verdiene die Erleichterung nicht, doch meine Strafe ist ihr Unglück, darum Erbarmen für sie, Herr und Gott! Lasse es ihr sein, als habe ich nie gelebt; das ist der beste Segen, den ich habe – erfülle ihn an ihr.« Er riß sich endlich los, blieb an einer Straße ungewiß stehen, wollte sie nicht einschlagen und that es doch und stand nun vor Bertha's Hause. Da betete er nicht; denn die volle irdische Qual kam über ihn; Alix war ihm immer ein Engel gewesen – Bertha aber das Weib seiner einzigen Liebe. Er hätte das Dach anzünden mögen, unter dem sie jetzt ahnungslos schlief, während es ihm hier draußen das Herz zerriß. Auch hielt er es nicht lange aus; stürmend kam er in sein aufgewühltes und darum doppelt unheimliches Zimmer zurück. Es war schon gegen Morgen; die weiße Dämmerung begann im warmen Dunkel; der Athem des Erwachens regte sich bereits. Chala schrieb an Bertha den ersten und letzten Brief, denn er an sie schreiben sollte:

 

»Gnädigste Frau!

Dies ist der Abschiedsgruß eines Menschen, den Sie unglücklich gemacht haben, weil Sie ihn durch eine Liebe an sich ketteten, die ihn zum Sklaven machte, der ohne Lohn und ohne Erlösungshoffnung dienen mußte.

Ich liebte Sie, ehe ich ging, und als ich zurückkam, noch mehr – mit meiner ganzen Entwickelung, mit meiner ganzen Heftigkeit; Alles, was Sie an mir tadelten, womit ich Sie gelangweilt habe – es war meine unselige Liebe; ich warb um Alix, und Sie waren's doch, die ich liebte; ich betrog meine Braut – jetzt hat sie mich aufgegeben, weil ihr meine Kälte erbärmlich gedünkt hat für ihre Liebe – ich verdenk' es ihr nicht – ich reise ab – vorher will ich es Ihnen einmal hinschleudern was ich gelitten habe – dann gehe ich und komme nicht mehr zurück – ich nehme keinen andern Abschied, als diesen – er ist auf ewig – ich will nicht mehr so leben – o, es ist mir überhaupt ganz und gar ein Ekel, das Leben – nichts thun, nichts haben, nichts glauben – das heißt Leben, mein Leben. Ich schenkte es jedem Bettler, wenn er es wollte; aber ein Bissen Brod wäre ihm besser.

Gnädige Frau, ich habe für meine gewesene Braut gebetet – Ihnen kann ich keinen Segen geben, denn Sie haben mir Elend gegeben – ich wollte, Sie wären todt – dann wären Sie doch nicht sein – ich müßte nicht seinen Besitz sehen, der mein wäre, wenn es eine Gerechtigkeit im Himmel gäbe, wegen der Liebe, die ich verschwendet habe, die Alix glücklich gemacht hätte. Alix – – Gott, mein Gott, erbarme Dich dieses Engels! Aber Ihnen – Ihnen wünsche ich etwas von der Qual, wie ich sie in mir habe. O, wenn Sie mich liebten – ich habe es manchmal gedacht, daß es doch möglich wäre, und er stürbe, und ich könnte Sie haben als mein Weib! Wenn Sie mich liebten – doch nein, es ist nicht – Sie sind kalt in Ihrer Reinheit. Ich bin gewiß ein seltener Liebhaber – manches junge Mädchen würde sich einen wünschen, wie ich bin; aber Sie können mich nicht brauchen – Sie sind heilig, und ich – ich möchte Sie vielleicht nicht anders, selbst wenn Sie dann mein würden; ich liebe Sie vielleicht eben darum so unerhört, weil ich nie wagte, es Ihnen zu gestehen, weil ich Sie so unsäglich achten mußte. Eine Ahnung nur möchte ich haben, daß ich Ihnen nicht gleichgültig gewesen, daß – Gnädige Frau, ich habe die Ehre mich zu zeichnen als

Ihr unterthäniger

Carlos, Graf Chala.

 

Als Bertha diesen Brief las, da ging eine Glorie über ihr auf, und ihr Herz schlug einmal in ihrem stillen hingegebenen Leben in jener wundervollen Berauschung, die nur die Gewißheit geben kann, das Geliebteste liebe uns auch. Kein Gedanke war mächtig genug, um, dieser Seligkeit zu wehren. Bertha strafte sich mit bitterer Reue, sie nannte sich untreu, unwürdig selbstsüchtig, sie klagte sich wegen Alix an, wollte unglücklich sein über das Leiden des Geliebten, und – die unsägliche Seligkeit war in ihr. Am Abend gab sie den Brief langsam dem Lichte hin; doch sie hatte ihn vorher zum zweitenmale gelesen, und er war in ihr Gedächtniß unauslöschlich eingegraben. Es wäre vielleicht mehr, als menschlich gewesen, das nicht zu thun.

Chala trat am Morgen, als es kaum acht Uhr war, schon in Alberts Zimmer.

Dieser saß am Flügel. Die Musik war seine Gesellschaft, die einzige Linderung seines noch immer tiefen Schmerzes.

Erstaunt trat er dem Grafen entgegen. Chala war seit seinem Verlobungsabende nicht mit Albert zusammengewesen, und dieser konnte, trotz aller Güte und Resignation ihn doch nicht ohne ein höchst unangenehmes Gefühl empfangen.

Chala warf sich, aufgeregt durch einen heftigen Ritt und alle die losgerissenen Empfindungen, auf einen Stuhl; Albert blieb in unklarer Erwartung vor ihm stehen; Chala's Gesicht kündigte ihm etwas Unerwartetes an; aber was das sei, wagte er nicht zu ahnen.

»Du brauchst mich nicht länger zu hassen;« sagte Chala, indem er mit düsterflammendem Blicke zu Albert aufsah.

Das Herz schlug Albert gewaltsam ahnungsvoll, als er antwortete: »Ich habe Dich nie gehaßt.«

Chala versetzte: »Du hattest das Recht dazu, und Du hättest es auch noch – doch es wäre unnütz. Ich bin nicht länger der Bräutigam des Fräulein von der Burg.«

»Du bist's nicht länger?« wiederholte Albert mechanisch.

»Gestern lös'te unser Verlöbniß sich auf, und heute reise ich und auf immer.« Das sprach er mit einem unwillkührlichen Schauer; sein eisiges Leben lag leichenhaft vor seinem Auge.

»Liebtest Du sie denn nicht?« fragte Albert langsam und finster.

»Nein. Sie liebte mich und gab mich auf.«

»Und warum bist Du denn da zwischen uns getreten mit Deiner falschen Bewerbung?« schrie Albert, plötzlich von Wuth entstellt. »Warum hast Du mir da mein Glück gestohlen; denn wenn Du nicht kamst –«

»Da wurde sie Dein,« sprach Chala mit düsterer Ruhe, indem er sich auf dem Stuhle aufrichtete und Alberts funkelndem Blick mit unbewegtem Auge antwortete. »Das weiß ich, das wußte ich, und doch warb ich ohne Liebe um sie.«

»Ich frage Dich, warum?«

»Um Dich um Dein Glück zu bringen, um etwas Böses zu thun, um eine Liebe zu haben, mit der ich nichts anzufangen wußte.«

»Aber das ist nichtswürdig.«

»Das ist es. Glaubst Du, ich habe dieses Urtheil nicht schon längst selbst über mich gefällt?«

Albert wurde ruhiger vor dieser Ruhe, die er sich nicht mit einer solchen Schlechtigkeit zusammendenken konnte. Er glaubte, er habe Chala zu viel gethan, dieser sich aus irgend einer Großmuth ungerecht angeklagt. »Erkläre mir Dein Benehmen, Deine jetzigen Antworten;« sprach er. »Es ist kaum möglich, daß Du gehandelt haben kannst, wie ich glaubte, wie Du es eingestehst. Sprich, ich bitte Dich – that ich Dir Unrecht?«,

»Nein,« antwortete Chala, jetzt mit einem traurigen Lächeln. »Dein Glaube war richtig, und ich antwortete wahr.«

Albert ging im schmerzlichsten Kampfe durch das Zimmer. »Ich begreife Dich nicht;« sagte er dann, wieder zu Chala zurückkehrend. »Das glaube ich;« antwortete dieser. Albert konnte auch mit seinem wahren Herzen, seinem geraden rechtlichen Sinne den unglücklichverwickelten Charakter Chala's nie begreifen.

Er blickte den Grafen noch immer ungewiß über ihn und mit sich selbst an.

Chala sprang auf und faßte heftig mit einem an ihm ganz ungewöhnlichen Gefühle Alberts Hand.

»Quäle Dich nicht,« sagte er; »ich verdiene es nicht, wie ich auch Alix nicht verdiente. Etwas hätte ich verdient – das wird mir nie gegeben werden – ich kann Dir nicht sagen, was – ich kann Dir nicht erklären, warum ich schlecht gewesen. Es ist nun einmal so. Ich bin furchtbar unglücklich – das allein kann ich Dir sagen. Kannst Du mir, meines freien Geständnisses wegen etwas von Deiner Achtung noch zurückgeben, so wäre es viel für mich – kannst Du es nicht – ich darf es nicht fordern – aber nicht darum kam ich her, sondern um Dich zu bitten, Du mögest an Alix gutmachen was ich Böses gethan.«

»Das kann ich nicht,« antwortete Albert. »Du hast uns auf immer getrennt.«

»Das hoffe ich nicht;« sprach Chala mit wahrer Ueberzeugung. »Du liebst sie noch.« Er blickte Albert fest an. Albert schwieg und wich diesem Blicke aus. Dein Schweigen antwortet,« fuhr Chala fort, »und Du darfst sie auch noch lieben – es ist nicht wider Deine Ehre; sie hat Dich nicht betrogen, nur mich geliebt –«

»Weiter nichts,« sagte Albert bitter, »und sie liebt Dich noch.«

»Jetzt, ja;« versetzte der Graf; »aber gewiß nicht lange mehr, denn – sie kann mich nicht mehr recht achten, und mit der Achtung endet bei einem Mädchen, wie Alix ist, nothwendigerweise auch bald die Liebe.« Ein Schatten des Schmerzes fuhr über sein Gesicht – er empfand, welchen köstlichen Besitz er sich absprach; doch er setzte mit der innersten Aufrichtigkeit hinzu: »Gott gebe es, daß es so sein möge; es ist meine einzige Hoffnung für Alix.«

Albert hatte in kämpfenden Gedanken auf den Boden gestarrt. Diesen, nicht dem Grafen antwortend, sagte er jetzt hastig: »Nein, das kann nicht sein. Ich möge sie noch lieben, oder nicht mehr – die Erinnerung an Dich ist ewig ein schneidend Schwert zwischen uns.«

»Gut, sei es denn so, wenn Dein Gefühl so entschieden ist,« antwortete der Graf überzeugt scheinend. »Doch daß Du ihr als Freund beistehst bei dem schweren Erkämpfen eines neuen Lebens – darf ich das erwarten? Sieh – es quält mich furchtbar ihretwegen – ich weiß sie halbzerknickt und ohne Stütze – der Vater ist keine und die Mutter lieblos – sei ihr Freund – Du erzeigst dadurch mir eine Großmuth.«

»Ich will sehen was ich kann.«

»Mehr will ich nicht.«

»Aber Du?«

»Mein Gott, nichts ist gleichgültiger, als mein Geschick; doch ich will Dir darüber schreiben, wenn es Dich irgend interessiren kann.«

Die Post kam eben an. Der Graf bat Albert noch, einige Aufträge zu übernehmen. Albert war bereit zu Allem; es dünkte ihm manchmal, er träume, besonders als der Graf abgefahren war. Dessen letzter Blick war schneidend schmerzlich gewesen; denn er hatte daran gedacht, Albert würde Bertha wiedersehen und er nie mehr.


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