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Fünfzehntes Kapitel.
Weihnachten in der neuen Heimat

Als Mühlberg Saubert das nächstemal auf dessen Heimstätte besuchte, berichtete ihm dieser das Ergebnis seines Ferngesprächs mit Burkhart.

Burkhart habe über die Schurkerei des durchtriebenen Burschen zuerst geflucht wie ein Lumberjack, dann aber die Absicht ausgesprochen, gleich am nächsten Morgen loszufahren und die Felle aus der Höhle abzuholen. Auf dem Rückwege wollte er die Hütte des jungen Leech aufsuchen, um ihm die schlimmste Tracht Prügel zu verabreichen, die er wohl jemals in seinem Leben empfangen hatte. Die Felle wollte er dann an einen Pelzhändler senden, und das Bürschchen mochte sich die Hälfte des Erlöses bei ihm abholen – wenn es Lust dazu verspürte.

Diese Angelegenheit war also geordnet, und man sah dem Weihnachtsfest entgegen.

Saubert hatte seine beiden Schweine geschlachtet, eine Arbeit, die ein Farmer aus der Nachbarschaft, der früher Fleischer gewesen war, ausführte. Saubert und Mühlberg hatten wacker dabei geholfen, und der Fleischer erhielt seine Bezahlung in der Form von Fleisch und Würsten.

Das Wetter hatte sich in diesen Tagen wieder sehr verschlechtert, und als sie am Heiligen Abend bei Tische saßen, mit den brennenden Kerzen am Christbaum auf einer mit rotem Zeug überdeckten Kiste daneben, hörten sie den Sturm draußen an der Hütte rütteln und mit einem wütenden Geheul über die Landschaft fegen.

Hier drinnen war es aber sehr gemütlich. Der eiserne Ofen strahlte eine behagliche Wärme aus. Auf dem Tische verbreitete der Gänsebraten einen verführerischen Geruch, und der Duft gebratener Äpfel und sonstiger Herrlichkeiten, in Verbindung mit ein paar Gläsern Grog von gutem Rum, erzeugte eine richtige Weihnachtsstimmung.

»Wie arm doch eigentlich die Kinder in Amerika und Canada sind, daß sie keine Märchen haben,« bemerkte Frau Saubert. »Zwingt einen der Sturm und Schnee da draußen nicht, die Landschaft mit Märchengestalten zu beleben? Denken Sie an Hänsel und Gretel und ihr Pfefferkuchenhäuschen. Aber vielleicht gehört auch dazu ein deutscher Wald. Der canadische Wald ist so anders, so gar nicht märchenhaft, und Hänsel und Gretel würden darin nur zu Tode frieren.«

»Das ist es,« erwiderte Mühlberg. »Die Indianer hatten Märchen, aber es waren keine Märchen für Kinder, und es fehlte ihnen daher der Zauber des deutschen Märchens. Wenn die Ethnologen aufgehört haben werden, sich mit ihnen zu beschäftigen, wird man sie nicht mehr kennen. Sie leben nicht im Volksmunde weiter, vererben sich nicht von Geschlecht auf Geschlecht. Es waren mehr Dichtungen, wie wir sie in der germanischen Mythologie finden, mit ihren Ungeheuerlichkeiten. Die lehrt man auch bei uns nur auf den Schulen, während wir die Märchen von der Großmutter gehört haben. Der amerikanischen Dichtung fehlen eben die Brüder Grimm, Andersen und Bechstein, weil der Boden hier nicht vorhanden ist, auf dem solche Dichter wachsen und gedeihen. Der gehört dazu. Unsre deutschen Märchendichter haben von ihrer Umgebung, von dem deutschen Walde so viel empfangen, wie sie ihnen gegeben haben. Ich bin manchmal durch einen deutschen Wald gegangen, und immer war es mir, als ob ich mitten in einem Märchen stünde, die Zwerge und andere Märchengestalten zwischen den Bäumen dahinhuschen sähe. In den canadischen Wäldern sind mir niemals solche Gedanken gekommen.«

Eine Weile war es still. Jeder schien seinen Gedanken nachzuhängen. Sauberts mochten an das vergangene Weihnachten in Deutschland denken. Und an das nächste, an dem sie nicht mehr allein vor dem Christbaum sitzen würden, sondern ein paar Ärmchen sich den brennenden Lichtern entgegenstrecken und ein dünnes, helles Stimmchen laut aufjubeln würde. Die Ankunft dieses neuen Erdenbürgers wurde Ende Februar erwartet, und Saubert hatte bereits eine weise Frau aus Edson für diese Zeit bestellt.

Am nächsten Morgen in aller Frühe schirrten Saubert und Mühlberg die Pferde ein. Der Sturm hatte etwas nachgelassen, wütete aber immer noch heftig genug. Sie ließen sich aber dadurch von ihrer Fahrt nicht abhalten. Es waren nahezu fünfzig Meilen bis nach Edson und alles, was die Pferde in einem Tage leisten konnten. Sie rechneten aber damit, noch in den Nachmittagsstunden dort einzutreffen.

Auf der Mühlbergschen Heimstätte machten sie einen kurzen Halt. Sie wollten sich überzeugen, ob sich dort alles noch in Ordnung befand. Das war auch der Fall. Leech schien keine Lust zu haben, seine Schurkereien, bei denen er stets Gefahr lief, der größere Verlierer zu sein, fortzusetzen. Trotzdem fühlte sich Mühlberg nicht ruhig und fürchtete stets eine andere Teufelei, denn es lag nicht im Charakter des Mannes, eine Niederlage ruhig hinzunehmen.

Als sie noch ein paar Meilen weitergefahren waren, kam ihnen ein Schlitten aus östlicher Richtung entgegen. Es war Carter, der Mann vom Biberteich, der nach dem Shining Bank Lake fuhr, um sich einen Vorrat von Fischen zu fangen.

»Well, wie haben Sie beim Trappen abgeschnitten?« fragte Mühlberg nach einer kurzen gegenseitigen Begrüßung.

»Schlecht, sehr schlecht,« entgegnete Carter mißmutig. »Meine ganze Arbeit ist fast umsonst gewesen. Ich hatte einen Wolwerin auf meinem Gebiet, und der raubte mir nicht nur alles, was sich in den Fallen gefangen hatte, sondern zerstörte mir auch die Fallen oder verschleppte die, in die kein Tier gegangen war. Ich kann Ihnen nicht sagen, was ich alles aufgestellt habe, die Bestie zu erwischen, aber ich habe nicht einmal so viel wie ein Schwanzbüschel ihrer Haare zu Gesicht bekommen.«

»Er war also auf Ihrem Gebiete,« sagte Saubert. »Well, jetzt sind Sie ihn ja los. Der junge Burkhart, dessen Trappgebiet, wie ich glaube, an das Ihrige stößt – –«

»Ich habe davon gehört,« unterbrach ihn der Mann. »Merkwürdig, was so ein Junge manchmal für Glück hat. Well, ich muß ihm wohl dankbar sein, denn er hat mir wenigstens die Hälfte von der Trappzeit gerettet.«

»Und wie war es mit Leech? Hat der sich die Biber geholt?«

Carter spuckte wütend über den Rand seines Schlittens in den Schnee.

»Drei oder vier wird er wohl bekommen haben. Es war eine große Familie. Ich habe sie beobachtet während der fünfjährigen Schonzeit. Sie hatten drei Jahrgänge von Jungen. Sie wissen, die Biber behalten ihre Jungen bis zum dritten Jahre bei sich, dann erst gründen die sich eigene Familien. Und mehr als einmal habe ich die Jungen schreien hören; es klingt wie eine Kinderstimme. Well, ich habe mir die Verwüstung angesehen, die der Schuft angerichtet hat. Er hat ihr Haus aufgebrochen; denn die Biber halten so etwas wie Winterschlaf und kommen aus ihrem Bau nur heraus, wenn ihre Nahrungsvorräte drinnen knapp werden und sie sich neue holen wollen. Oder auch um frische Luft zu schöpfen, denn davon haben sie nicht viel in ihrem Bau. Die Decke haben sie aus so vielen Lagen von Holz und Lehm hergestellt, der im Winter natürlich steinhart gefroren ist, daß der Frost nicht durchkann, aber auch keine Luft. Er ist dabei ganz planmäßig vorgegangen. Die Lage des Hauses konnte er leicht feststellen, denn da unten liegen ein paar Baumstämme, die sie durchgenagt hatten, die das Hochwasser aber mal über den Damm gespült haben muß. Nun wird es ihm ja bekannt gewesen sein, daß die Biber niemals Bäume unterhalb, sondern immer oberhalb ihres Dammes durchnagen, damit die Strömung sie an ihre Arbeitsplätze trägt. Er zerstörte den Damm, damit noch mehr Wasser abfloß, und nachdem er die Ausgänge des Hauses mit Pfählen verschlossen hatte, die er durch das Eis trieb, öffnete er es von oben. Einige von den Tieren werden ihm wohl entkommen sein, aber, wie ich schon sagte, drei oder vier wird er bekommen haben. Ich wünschte, sie hätten ihm die Hände durchgebissen.«

*

Wie sie erwartet hatten, erreichten sie Edson in den späteren Nachmittagsstunden und fuhren zuerst nach dem Bahnhof, um ihre Felle nach Montreal zu versenden.

Mehrere Einkäufe, die sie zu machen hatten, besorgten sie noch am gleichen Abend, da sie am nächsten Morgen zeitig nach der Burkhartschen Farm aufbrechen wollten. Sie beabsichtigten, dort die Nacht zu verbringen, um den Pferden einen Rasttag zu gönnen. Am folgenden Tage wollten sie dann die Rückfahrt antreten.

Burkhart hatte seit seiner Übernahme der Farm, zusammen mit dem Jungen, viel Arbeit darauf geleistet. Sie hatten zehn Acker Land geklärt und die Stumpen ausgerissen. Die Ernte, die noch dem früheren Besitzer gehörte, war infolge der ganz außergewöhnlichen Trockenheit eine Mißernte gewesen und hatte nur einundzwanzig Bushel vom Acker ergeben. In den älteren östlichen Provinzen würde das immer noch als eine gute Ernte gegolten haben, aber hier war man an andere Zahlen gewöhnt. Er war daher auch froh, sie nicht auf dem Halme übernommen zu haben, denn das wäre sicher auf Grund einer höheren Wahrscheinlichkeitsziffer geschehen, und er hätte Geld zugesetzt, wozu er nicht in der Lage war.

Der verspätete Regen war dann noch kurz vor und nach der Ernte gekommen, und zwar in solchen Güssen, daß es selbst für den ausgetrockneten Boden fast zu viel wurde. Eine Zeitlang fürchtete er, die Nässe würde ihm das Herbstpflügen unmöglich machen. Es war ihm aber doch gelungen, alles Land, auch die neugeklärten zehn Acker, zu pflügen, bevor die heftigeren Schneefälle einsetzten und der Arbeit auf den Feldern ein Ende machten. Er war jetzt fertig für die Einsaat im April oder auch schon im März.

Rudolf befand sich zu Hause. Er hatte seinen Vater auf der Fahrt nach der Höhle begleitet, und zu ihrem Erstaunen hatten sie dort nicht nur den jungen Leech, sondern auch dessen Vater überrascht, der mit seinem Schlitten gekommen war, um den Jungen, zusammen mit den Pelzen, nach Hause zu holen.

Es hatte eine heftige Auseinandersetzung gegeben, bei der allerdings der Vorteil des Wortreichtums auf der Seite der beiden anderen war. Burkhart verstand bei weitem nicht genug Englisch, um ihnen das zu sagen, was er ihnen sagen wollte. Was ihm aber an Worten fehlte, ersetzten die Flinten, mit denen er und Rudolf die Höhle betreten hatten, während Leech Vater und Sohn, da sie sich ganz sicher wußten, die ihrigen in dem Schlitten gelassen hatten. Dort waren sie freilich nicht mehr vorhanden, denn Burkhart hatte, als er den Schlitten sah und Stimmen hörte, die Sachlage sofort begriffen und zunächst die Gewehre beider unbemerkt an sich genommen und nach seinem eigenen Schlitten gebracht. Männern gegenüber, wie dieser Leech einer war, durfte keine Vorsichtsmaßregel versäumt werden.

Der Kerl sah auch im Augenblick ein, daß sich alle Trümpfe in der andern Hand befanden, denn wenn es etwa zu einer Anzeige bei der Polizei kam, war es sicher, daß die Sache ein sehr unangenehmes Aussehen für ihn bekommen würde. Er verlegte sich deshalb auf Ausreden. Burkhart verstand aber nur so viel von dem, was er hervorsprudelte, daß sein Junge die Sache als eine Überraschung für seinen Partner gedacht habe. Die war es ja schließlich auch, nur in einem anderen Sinne.

Nachdem er aber einmal diese Verteidigungslinie gewählt hatte, deren Dreistigkeit Burkhart allein schon Lust machte, die Sache der Polizei zu übergeben, konnte er sich nicht weigern, die Felle auf dessen Verlangen zu teilen. Rudolf schaffte dann seinen Packen nach dem Schlitten. Burkhart blieb noch eine Weile zurück, um noch einige Bemerkungen an die beiden zu richten, deren Gebrauch ihm völlig geläufig war, denn sie gehörten zu denjenigen, die ein Farmer in Canada zuerst lernt. Rudolf bedauerte es ungemein, daß sein Freund Leech auf diese Weise der in Aussicht genommenen Tracht Prügel entging. Da war aber nichts zu machen.

Zurückkehren auf sein Trappgebiet würde er nicht mehr. Er konnte von der Farm aus trappen. Wölfe und Füchse zum mindesten waren hier vorhanden; denn es verging keine Nacht, ohne daß sie das Geheul der ersteren hörten, und einige Nächte vorher war ein Fuchs in den Stall eingedrungen und hatte ein halbes Dutzend Hühner abgewürgt, bevor er durch den Hofhund verscheucht worden war. Das Fell des erlegten Wolwerins hatte er behalten, als Jagdtrophäe, denn sein Wert für den Pelzhändler war nur gering. Es lag jetzt in dem Schlafzimmer seiner Schwestern.

Als sie am Nachmittag in der Stube beisammen saßen und sich gegenseitig die Pläne für den weiteren Ausbau der Farmen mitteilten, sagte Mathilde, als eine Pause in der Unterhaltung eingetreten war: »Ich habe einen Brief von Gertrud Wrobel erhalten.«

»Ah, das ist ja interessant. Was schreibt sie denn? Hat sie die Scheidungsklage schon eingereicht?« fragte Mühlberg.

Mathilde lächelte.

»Ich glaube nicht. Es geht ihr gut, aber sie vermißt Deutschland doch und vor allen Dingen Berlin. Mir scheint, sie hat etwas Heimweh. So was gibt's nämlich auch heute noch.«

»Leiden Sie auch daran?«

»Manchmal. Man vermißt so vieles, was einem lieb und teuer geworden war. Das empfindet man immer erst, wenn man es verloren hat. Freilich, es gibt hier Ersatz dafür. Der ist einem aber noch zu neu, um Ersatz zu sein. Die alten Freunde und Bekannten fehlen.«

»Sie haben aber doch so viel neue Freunde hier.«

»Das ist es eben. Neue Freunde können die alten nie ersetzen. Sie sprechen alle von Dingen, die einem auch neu und fremd sind. Wir bekommen ja manchmal Briefe aus Deutschland – aber das Heimweh bleibt doch. Es ist gut, daß man so viel Arbeit hat und nicht immer daran denken kann. Das schreibt Gertrud Wrobel auch. Sie hat viel Mühe, ihren Mann zu erziehen. Es sei viel schwerer als Kindererziehung. Sie bewohnt ein hübsches kleines Haus und hat ein gutes Dienstmädchen, Sie wissen, was man so eine Perle nennt. Leider ist das Mädchen hübsch, was Frau Schumann, wie sie jetzt heißt, für den Frieden ihres Hauses fürchten läßt. Sie hat schon daran gedacht, daß sie entweder das Mädchen wird fortschicken müssen oder ihren Mann. Wahrscheinlich wird es der Mann sein, denn einen Mann bekommt sie immer wieder, ein gutes Dienstmädchen aber nicht.«

»Schreibt sie etwas von ihrer Schwester?«

»Ja, der geht's auch gut, aber sie hat schreckliches Heimweh. Das hatte ich bei ihr vorausgesehen, denn sie ist eine gefühlvolle Seele und gehört nicht zu den Mädchen, die man in die Fremde gehen lassen soll. Sie wäre wohl auch niemals gegangen ohne ihre Schwester. Frau Schumann hat übrigens auch einmal Herrn Presser getroffen. Er ist in Montreal angestellt, in einem Automobilwerk, glaube ich, und verdient acht Dollar den Tag.«

»Dann hat er ja erreicht, was er suchte, und kann sich jetzt etwas sparen.«

»Mit fünf und sieben Dollar für eine Flasche Whisky?« bezweifelte Valeska.

Durch die halb offenstehende Küchentür kam eben die Katze herein.

»Wirst du machen, daß du hinauskommst, Mimi!« rief ihr Valeska zu.

Erschreckt von dem zürnenden Tone und wahrscheinlich schuldbewußt schlich das Tier sich wieder hinaus.

»Sie hat nämlich unsern Kanarienvogel gefressen,« erklärte Mathilde.

»Ja, und nun wird sie sich einbilden, sie kann singen, und wir werden nachts nicht schlafen können,« bemerkte Valeska.

Die Unterhaltung wurde hier durch die Ankunft eines neuen Besuchers unterbrochen. Es war Mr. Horton, der Verlobte Valeskas. Er kam in seinem Automobil, und Valeska sprang auf, ihn zu begrüßen.

Frau Burkhart hatte inzwischen den Kaffee bereitet, und man setzte sich an den großen ausgezogenen Tisch, um ihn einzunehmen.

Die Hochzeit Valeskas und Mr. Hortons sollte im Sommer stattfinden. Inzwischen hatte ihr Mr. Horton jeden Morgen wichtige Dinge durch den Fernsprecher mitzuteilen.

Bei der Anwesenheit so vieler Leute war es für Mühlberg nicht schwer, im Laufe des Nachmittags eine Gelegenheit zu einem unbelauschten Gespräch mit Mathilde zu finden, und er legte ihr eine bedeutungsvolle Frage vor. Es war das eigentlich nicht seine Absicht gewesen, denn er wußte ganz genau, daß die Zeit dafür noch nicht gekommen war. Aber er sah dringende Gefahr für seine Wünsche, wenn er noch länger zögerte. Besuche von jungen Leuten auf der Farm, die nach der Verlobung Valeskas nur noch Mathilde gelten konnten, waren zu zahlreich, als daß er geglaubt hätte, länger schweigen zu sollen.

»Ich wünschte, Sie hätten nicht gesprochen. Noch nicht,« sagte sie mit glühenden Wangen. »Ich hätte doch auf Sie gewartet. Aber es ist ausgeschlossen, daß meine Mutter ihre Einwilligung zu unserer Heirat gibt. Ich meine schon jetzt. Wenn Sie Ihren Besitztitel auf Ihre Heimstätte erhalten haben, ist das vielleicht etwas anderes. Und auch dann ist es noch zweifelhaft. Zu viele halten nur gerade so lange auf ihrer Heimstätte aus, bis sie ihr Patent haben, dann verkaufen sie sie gegen eine geringe Anzahlung und den Rest gegen die üblichen Abzahlungen und gehen nach der Stadt, wo sie das bißchen Geld in irgendeinem kleinen Geschäft anlegen und sich dann in der Regel noch schlechter stehen als auf der Heimstätte. Es ist das, wenn Leute zu uns kamen, oft genug besprochen worden.«

»Das trifft aber in meinem Falle nicht zu,« verteidigte sich Mühlberg. »Ich bleibe auf meiner Heimstätte. Ich habe einen zu guten Anfang, und die Aussichten sind auch gut, selbst wenn ich ein oder zwei Jahre Mißernten haben sollte, was aber hoffentlich nicht der Fall sein wird, da wir dieses Jahr schon eine hatten. Nach dem, was wir bisher beim Trappen erbeutet haben, rechne ich mit einer Summe von tausend Dollar, die ich diesen Winter verdiene. Davon will ich mir im Frühjahr ein Haus und einen Stall bauen. Dann habe ich auf meiner Heimstätte fünfzehn Acker baumfreies Land, wovon der Vorbesitzer schon zehn Acker unter Kultur hatte. Die will ich mit Hafer einsäen; denn ich möchte mir ein paar Pferde kaufen, mit denen ich im Sommer auf Arbeit ausgehen kann. Vorher will ich aber noch die andern fünf Acker brechen. Es wäre eine richtige Torheit von mir, meine Heimstätte im Stich zu lassen. Ich bin von den Ernten nicht abhängig, denn auch wenn sie in dem ersten und zweiten Jahre schlecht sein sollten, macht das bei den paar Ackern, die ich unter Kultur haben werde, nicht viel aus. Und vielleicht habe ich dann wieder Erfolg mit dem Trappen. Oder umgekehrt. Es ist anders mit den Heimstättern auf der Prärie, die nur selten Gelegenheit zum Trappen haben und ausschließlich auf ihre Ernten angewiesen sind.«

»Ich freue mich, daß Ihre Aussichten so gut sind. Aber so weit meine Mutter in Frage kommt, sind es doch nur Aussichten, und die werden sie nicht umstimmen. Sie ist der Meinung, daß niemand das Recht habe, zu heiraten, der nicht eine gesicherte Existenz hat.«

»Aber das würde ja dreiviertel aller jungen Männer am Heiraten verhindern.«

»Gewiß und die übrigbleibenden würden dann wohl alle über vierzig Jahre und zum Heiraten für ein junges Mädchen zu alt sein. Denn vorher wird sich wohl selten einer die ›gesicherte Existenz‹ geschaffen haben. O ja, die Ansichten meiner Mutter sind anfechtbar. Sie setzt auch die Frauen damit eigentlich um eine Stufe herab, denn sie macht sie zu einer Art Luxusgegenstand, den der Mann sich zulegt, wenn er es ›geschafft‹ hat. Während ich es mir doch gerade so schön denke, mit dem Manne von Anfang an zu arbeiten und mit ihm die Sorgen zu tragen. Unglücklicherweise sieht das aber meine Mutter nicht ein. Im allgemeinen wohl, nicht aber für ihre eigenen Töchter. Sie ist darin eben wie alle Mütter.«

»Meiner Meinung nach müßten aber die jungen Mädchen selbst am meisten sich gegen solche Ansichten auflehnen, denn die Zahl der heiratsfähigen Männer wird bei Anerkennung solcher Theorien doch erheblich eingeschränkt.«

»Ich glaube, das tun sie auch und rennen daher so oft kopflos in eine Ehe, was dann meiner Mutter wieder recht zu geben scheint … Sie hat es auch an Winken nicht fehlen lassen, daß ich einen der jungen Leute heiraten solle, die zu uns kommen. Ich habe ihr aber rundheraus erklärt, daß ich das nicht tun werde. Denn sie sind nur die Söhne ihrer Väter, haben keine eigene Farm, und das Geld gehört dem Vater. Ehe ich als Schwiegertochter in ein fremdes Haus ziehe und dort zwanzig und dreißig Jahre auf den Tod der Eltern warte, eher heirate ich – –«

Sie zögerte einen Augenblick.

»Well?« drängte Mühlberg.

»– – einen Heimstätter,« vollendete sie lächelnd. »Also warten wir noch, wir sind beide noch jung, und ich habe das Gefühl, als ob alles noch gut werden wird.«

Sie reichte ihm die Hand, die er im überwallenden Empfinden drückte.

Sie hatte recht. Er wußte das ganz genau. Und doch war ihm weh ums Herz.


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