Fjodor Dostojewski
Arme Leute
Fjodor Dostojewski

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Den 11. Juni.

Wie dankbar bin ich Ihnen für den gestrigen Spaziergang nach den Inseln, Makar Alexejewitsch! Wie frisch und schön es da war, und was für ein herrliches Grün! Ich hatte so lange nichts Grünes gesehen; als ich krank war, glaubte ich immer, ich müßte sterben, mein Tod sei sicher; da können Sie sich selbst sagen, was ich gestern empfinden und fühlen mußte! Seien Sie mir nicht böse deswegen, weil ich gestern so traurig war; ich fühlte mich sehr wohl und leicht; aber gerade in meinen glücklichsten Augenblicken werde ich seltsamerweise immer traurig. Und daß ich weinte, das hat weiter nichts zu bedeuten; ich weiß selbst nicht, warum ich immer weine. Meine Nerven befinden sich in einem Zustande schmerzhafter Reizbarkeit; meine Empfindungen haben etwas Krankhaftes. Der wolkenlose, blasse Himmel, der Sonnenuntergang, die Abendstille, alles das . . . ich weiß nicht, wie es zuging . . . aber ich befand mich gestern in der Stimmung, alle äußeren Einwirkungen wie etwas Drückendes, Qualvolles zu empfinden, so daß mir das Herz übervoll wurde und meine Seele nach Tränen verlangte. Aber warum schreibe ich Ihnen das alles? Es ist schwer, sich selbst über all so etwas klarzuwerden, und noch schwerer, es einem andern klarzumachen. Aber vielleicht verstehen Sie mich doch! – Traurigkeit und Lachen zu gleicher Zeit! Wie gut Sie doch sind, Makar Alexejewitsch! Gestern blickten Sie mir so viel in die Augen, um in ihnen meine 67 Empfindungen zu lesen, und waren entzückt über mein Entzücken. Ein Strauch, eine Allee, ein Wasserstreifen – auf alles machten Sie mich aufmerksam und standen ganz stolz vor mir und sahen mir immer in die Augen, als ob Sie mir Ihre eigenen Besitzungen zeigten. Das beweist, daß Sie ein gutes Herz haben, Makar Alexejewitsch. Und ebendeswegen liebe ich Sie. Nun leben Sie wohl! Ich bin heute wieder krank: Ich habe mir gestern nasse Füße geholt und mich infolgedessen erkältet. Fedora ist ebenfalls krank, so daß wir jetzt beide herumkrunksen. Vergessen Sie mich nicht, und besuchen Sie mich recht oft!

Ihre

W. D.

 

Den 12. Juni.

Mein Täubchen, liebe Warwara Alexejewna!

Ich hatte geglaubt, liebes Kind, Sie würden mir den ganzen gestrigen Spaziergang in richtigen Versen beschreiben, und da bekomme ich von Ihnen nur ein einziges, einfaches Blättchen! Indes muß ich sagen: Sie haben mir auf Ihrem Blättchen zwar wenig geschrieben, aber dafür alles sehr schön und hübsch geschildert. Die Natur und die verschiedenen Landschaftsbilder und alles übrige, was sie da von den Gefühlen sagen – kurz, das haben Sie alles sehr gut beschrieben. Sehen Sie, ich meinerseits habe dazu kein Talent. Und wenn ich zehn Seiten vollschmiere, so kommt doch nichts Vernünftiges dabei heraus, keine ordentliche Schilderung. Ich habe es schon probiert. – Sie haben mir gesagt und geschrieben, meine Beste, daß ich ein guter, sanftmütiger Mensch sei, unfähig, dem Nächsten Schaden zuzufügen, und voll Verständnis für die Güte Gottes, die sich in der Natur offenbart, und haben mir noch manche andere derartige Lobsprüche erteilt. Das ist alles wahr, liebes Kind, das ist die volle Wahrheit; ich bin wirklich so beschaffen, wie Sie es sagen, und weiß das selbst; aber wenn man so etwas liest, wie Sie es da schreiben, dann wird einem unwillkürlich das Herz gerührt; nachher jedoch kommen 68 einem allerlei schmerzliche Gedanken. Hören Sie nun einmal zu, liebes Kind; ich will Ihnen etwas erzählen, meine Beste.

Ich beginne damit, daß ich erst siebzehn Jahre alt war, als ich in den Dienst trat, und jetzt bald eine dreißigjährige Dienstzeit hinter mir habe. Na, was ist da viel zu sagen: Ich habe eine ziemliche Anzahl von Uniformröcken abgetragen, bin ein Mann geworden, bin zu Verstand gekommen und habe die Menschen kennengelernt; ich habe, das kann ich sagen, ich habe auf der Welt so gelebt, daß meine Vorgesetzten mich sogar einmal für das Verdienstkreuz vorschlagen wollten. Sie glauben das vielleicht nicht; aber ich lüge Ihnen wirklich nichts vor. Es kam jedoch nicht dazu; es fanden sich schlechte Menschen, die es hintertrieben! Aber so viel kann ich Ihnen sagen, meine Beste: Wenn ich auch ein ungebildeter Mensch, vielleicht auch ein dummer Mensch bin, so habe ich doch ein ebensolches Herz wie ein anderer. Wollen Sie also wissen, liebe Warwara, was so ein schlechter Mensch mir antat? Man schämt sich, es zu sagen, was er getan hat; Sie fragen wohl, weshalb er es getan hat? Deshalb, weil ich ein friedlicher, stiller, gutherziger Mensch bin! Ich war nicht ein Mensch nach ihrem Sinne; darum hackten sie auf mich los. In der ersten Zeit hieß es: »Hören Sie mal, Makar Alexejewitsch, so und so, haben Sie sich da auch nicht versehen?« Dann wurde daraus: »Es wird wohl Makar Alexejewitsch gewesen sein, der es falsch gemacht hat.« Und jetzt ist es schließlich darauf hinausgekommen: »Na, selbstverständlich ist es wieder Makar Alexejewitsch gewesen!« Sehen Sie, liebes Kind, so hat sich die Sache entwickelt; immer ging's über Makar Alexejewitsch her; sie haben es verstanden, mich in unserer ganzen Kanzlei als ungeschickten Menschen in Verruf zu bringen. Und nicht genug damit, daß sie meinen Namen fast zu einer Art von Schimpfwort gemacht haben: auch über meine Stiefel, über meine Uniform, über mein Haar und über meine Figur hielten sie sich auf; alles war nicht nach ihrem Geschmacke, alles mußte ganz anders sein! Und das wiederholt sich so schon seit undenklichen Zeiten jeden Tag, den Gott werden läßt. 69 Ich habe mich daran gewöhnt, weil ich mich an alles gewöhne, und weil ich ein friedlicher, unbedeutender Mensch bin; aber ich frage mich doch: Womit habe ich das alles verdient? Was habe ich jemandem Böses getan? Habe ich jemandem beim Avancement eine bessere Stelle weggeschnappt? Habe ich jemanden bei den Vorgesetzten angeschwärzt? Habe ich eine besondere Gratifikation für mich erbeten? Sie würden sich versündigen, wenn Sie so etwas von mir auch nur dächten, liebes Kind! Also wie komme ich denn zu all diesen Anfeindungen? Sehen Sie mich doch nur an, meine Beste: Besitze ich denn hinreichende Fähigkeiten, um ein Ränkeschmied und Streber zu sein? Also wofür erleide ich all dieses Ungemach, Gott verzeihe es ihnen? Sie, meine Teure, halten mich doch für einen ehrenhaften Menschen, und Sie sind unvergleichlich viel besser als alle diese Leute, liebes Kind. Worin besteht die größte bürgerliche Tugend? Jewstasi Iwanowitsch sprach sich neulich in einem Privatgespräche dahin aus: die größte bürgerliche Tugend bestehe darin, daß man verstehe, Geld zu verdienen. Er sagte das im Scherz (ich weiß, daß er es im Scherz sagte); aber es lag darin die Moral, man müsse imstande sein, sich selbst zu unterhalten, und dürfe keinem andern zur Last fallen. Nun, ich falle niemandem zur Last! Ich habe mein eigenes Stück Brot, allerdings nur ein einfaches Stück Brot, das sogar manchmal alt und hart ist; aber ich habe es doch; es ist durch Arbeit erworben und wird in gesetzlich erlaubter, tadelloser Weise verwendet. Was ist zu machen? Ich weiß ja selbst, daß es keine großartige Leistung ist, wenn ich Abschriften mache; aber doch bin ich darauf stolz: Ich arbeite und vergieße meinen Schweiß. Na, was ist denn eigentlich dabei, daß ich Abschriften mache? Ist es etwa eine Sünde, wenn man Abschriften macht? »Ach«, heißt es, »er macht immer nur Abschriften!« Aber was ist denn daran unehrenhaft? Meine Handschrift ist deutlich und gut und sieht recht hübsch aus, und Seine Exzellenz sind damit zufrieden; ich schreibe für Seine Exzellenz die wichtigsten Aktenstücke ab. Na, Stil besitze ich nicht; das weiß ich ja selbst, daß ich dieses verdammte Ding nicht besitze; darum 70 bin ich auch im Dienste nicht vorwärtsgekommen, und darum schreibe ich jetzt auch an Sie, meine Beste, ganz einfach, ohne kunstvolle Wendungen, so wie mir jeder Gedanke aus dem Herzen kommt. Ich weiß das alles; aber ich muß doch sagen: Wenn alle Leute nur konzipieren wollten, wer würde dann die Abschriften machen? Das ist die Frage, die ich aufwerfe, und ich bitte Sie, sie zu beantworten, liebes Kind. Na, ich bin mir also jetzt bewußt, daß ich notwendig und unentbehrlich bin, und daß diejenigen unrecht tun, die einen Menschen durch leeres Geschwätz irremachen wollen. Na, mag ich auch meinetwegen eine Ratte sein, wenn man gefunden zu haben glaubt, daß ich mit diesem Tiere Ähnlichkeit habe! Aber, diese Ratte ist notwendig; diese Ratte bringt Nutzen; auf die Leistungen dieser Ratte wird Wert gelegt, und diese Ratte wird eine Gratifikation erhalten, – sehen Sie, so eine Ratte ist das! – Indessen genug von diesem Gegenstande, meine Beste; ich wollte ja eigentlich gar nicht davon reden, aber ich bin ein bißchen in Hitze geraten. Indessen ist es ganz gut, wenn man von Zeit zu Zeit sich selbst Gerechtigkeit widerfahren läßt. Leben Sie wohl, meine Beste, mein Täubchen, Sie meine gutherzige Trösterin! Ich werde zu Ihnen kommen, werde bestimmt zu Ihnen kommen; ich werde Sie besuchen, mein Sternchen. Langweilen Sie sich bis dahin nicht! Ich werde Ihnen ein Buch mitbringen. Na, nun leben Sie wohl, liebe Warwara!

Ihr Freund, der Ihnen von Herzen alles Gute wünscht,

Makar Dewuschkin.

 

Den 20. Juni.

Geehrter Herr Makar Alexejewitsch!

Ich schreibe Ihnen in großer Eile; denn ich muß eine Arbeit zu einem bestimmten Termine fertigstellen. Hören Sie, um was es sich handelt: Sie können einen guten Kauf machen. Fedora sagt, ein Bekannter von ihr habe einen funkelnagelneuen Uniformrock nebst Beinkleidern, Weste und Mütze zu verkaufen, und zwar, wie es heißt, alles sehr billig; sehen 71 diese Sachen sollten Sie sich kaufen. Sie sind ja jetzt nicht in Geldnot, sondern haben Geld; Sie sagen ja selbst, daß Sie welches haben. Also bitte, Seien Sie nicht geizig; Sie brauchen das ja alles notwendig. Sehen Sie sich nur einmal selbst an, in was für einem alten Anzuge Sie herumlaufen; es ist eine Schande! Alles geflickt! Neue Kleider besitzen Sie nicht; das weiß ich, obwohl Sie behaupten, Sie hätten welche. Gott weiß, wo Sie sie gelassen haben. Also hören Sie auf mich und kaufen Sie, bitte, die Sachen! Tun Sie es mir zu Gefallen; wenn Sie mich lieben, so kaufen Sie sie!

Sie haben mir Wäsche als Geschenk geschickt; aber hören Sie mal, Makar Alexejewitsch, Sie richten sich ja zugrunde. Es ist kein Spaß, wieviel Sie da für mich ausgegeben haben; das ist ja eine schreckliche Menge Geld! Was sind Sie für ein Verschwender! Ich bedurfte doch nichts; all das war vollkommen unnötig. Ich weiß und bin überzeugt, daß Sie mich lieben; es ist wirklich überflüssig, daß Sie mich durch Geschenke daran erinnern; mir aber ist es peinlich, sie von Ihnen anzunehmen; ich weiß, wieviel sie Ihnen kosten. Ein für allemal: Lassen Sie es nun genug sein; hören Sie wohl? Ich bitte Sie inständig darum. Sie bitten mich, Makar Alexejewitsch, Ihnen eine Fortsetzung meiner Aufzeichnungen zu schicken; Sie wünschen, ich möchte diese Aufzeichnungen zu Ende führen. Ich weiß nicht, wie ich dazu gekommen bin, das niederzuschreiben, was ich niedergeschrieben habe! Aber meine Kraft reicht nicht dazu aus, jetzt von meiner Vergangenheit zu sprechen; ich mag nicht einmal an sie denken; diese Erinnerungen ängstigen mich. Von meiner armen Mutter zu reden, die ihr armes Kind diesen Ungeheuern zur Beute zurücklassen mußte, das wäre mir das Allerschrecklichste. Das Herz blutet mir bei der bloßen Erinnerung. Alles dies ist noch gar zu frisch; ich habe noch keine Zeit gehabt, meine Gedanken zu sammeln, geschweige denn mich zu beruhigen, obgleich das alles schon über ein Jahr her ist. Aber Sie wissen ja alles.

Ich habe Ihnen schon von Anna Fjodorownas jetzigen Plänen gesprochen. Sie beschuldigt mich der Undankbarkeit und weist ihrerseits jede Beschuldigung zurück, als 72 hätte sie mit Herrn Bykow im Einverständnis gehandelt! Sie fordert mich auf, zu ihr zurückzukehren; sie sagt, ich sei jetzt geradezu eine Bettlerin und sei auf schlechte Wege geraten. Wenn ich zu ihr zurückkäme, so werde sie es auf sich nehmen, die ganze Sache mit Herrn Bykow in Ordnung zu bringen; sie werde ihn veranlassen, alles, was er mir zuleide getan hat, wiedergutzumachen. Sie sagt, Herr Bykow wolle mir eine Mitgift geben. Ich will damit nichts zu tun haben. Es geht mir auch hier gut, im Verkehr mit Ihnen, bei meiner guten Fedora, die mich durch ihre Anhänglichkeit an meine selige Kinderfrau erinnert. Sie sind zwar nur ein entfernter Verwandter von mir; aber Sie beschützen mich durch Ihren geachteten Namen. Aber jene Menschen kenne ich nicht; ich werde sie vergessen, wenn ich es vermag. Was wollen sie noch von mir? Fedora sagt, das sei alles nur leeres Geschwätz, und sie würden mich schließlich in Ruhe lassen. Das gebe Gott!

W. D.

 

Den 21. Juni.

Mein Täubchen, mein liebes Kind!

Ich will Ihnen schreiben; aber ich weiß nicht, womit ich anfangen soll. Es ist doch gar zu seltsam, liebes Kind, daß ich jetzt so mit Ihnen zusammenlebe. Ich sage das in dem Sinne, daß ich meine Tage noch nie so freudvoll verbracht habe. Es ist gerade, als hätte mich der liebe Gott mit einem Häuschen und mit einer Familie gesegnet! Sie sind mein Kindchen, mein allerliebstes Kindchen! Aber was reden Sie da von den vier Hemdchen, die ich Ihnen geschickt habe! Sie hatten sie doch nötig; das hatte ich von Fedora gehört. Mir aber, liebes Kind, ist das eine ganz besondere Freude, Ihnen irgendwelchen Dienst zu erweisen; das macht mich glücklich; also lassen Sie mich nur gewähren, liebes Kind; stören Sie mich darin nicht, und protestieren Sie nicht dagegen! – Ich habe noch nie in dieser Weise gelebt wie jetzt, mein Herzchen. Ich komme jetzt ordentlich mit Menschen in Verkehr. Erstens lebe ich zu zweien, da Sie zu meiner 73 Herzensfreude in meiner nächsten Nähe leben; und zweitens hat mich heute ein anderer Mieter, mein Nachbar Ratasjajew, ebender Beamte, bei dem die literarischen Abendgesellschaften stattfinden, zum Tee eingeladen. Heute findet eine Zusammenkunft statt; es soll etwas Literarisches vorgelesen werden. Sehen Sie, liebes Kind, so lebe ich jetzt, so lebe ich! Na, nun leben Sie wohl! Ich habe das alles ja nur so ohne jede besondere Absicht geschrieben, bloß um Sie von meinem Wohlergehen zu benachrichtigen. Sie haben mir durch Teresa sagen lassen, mein Herzchen, daß Sie farbige Seide zum Sticken brauchen; ich werde Ihnen welche kaufen, liebes Kind, ich werde Ihnen welche kaufen, ich werde die Seide kaufen. Gleich morgen werde ich die Freude haben, Sie vollständig zufriedenzustellen. Ich weiß auch schon, wo ich sie kaufen werde. Ich selbst aber verbleibe

Ihr aufrichtiger Freund

Makar Dewuschkin.

 

Den 22. Juni.

Geehrtes Fräulein Warwara Alexejewna!

Ich teile Ihnen mit, meine Beste, daß in unserer Wohnung ein sehr betrübendes Ereignis stattgefunden hat, ein Ereignis, das das tiefste Mitleid erwecken muß! Heute morgen zwischen vier und fünf Uhr ist bei Gorschkows der kleine Knabe gestorben. Ich weiß nicht woran; ob es Scharlach gewesen ist, Gott mag es wissen! Ich machte ihnen einen Besuch. Ach, liebes Kind, wie ärmlich sieht es bei denen aus! Und was herrscht da für eine Unordnung! Es ist ja auch kein Wunder: Die ganze Familie wohnt in einem einzigen Zimmer, das nur um des Anstandes willen durch einen kleinen Bettschirm geteilt ist. Es steht auch schon ein kleiner Sarg bei ihnen, ein ganz einfacher, aber recht hübscher kleiner Sarg; sie haben ihn fertig gekauft; der Knabe war etwa neun Jahre alt und soll gute Hoffnungen erweckt haben. Aber es ist ein Jammer, die Leute anzusehen, liebe Warwara! Die Mutter weint nicht, ist aber so furchtbar traurig, die Ärmste. Sie werden es ja jetzt vielleicht etwas 74 leichter haben, da ihnen die Kinderlast um eines verringert ist; aber es sind ihnen noch zwei geblieben, ein Säugling und ein kleines Mädchen; so etwas über sechs Jahre wird sie alt sein. Was muß das auch für ein Schmerz sein, ein Kind leiden zu sehen, und noch dazu ein eigenes Kind, und ihm nicht helfen zu können! Der Vater sitzt in einem alten Frack voller Fettflecke auf einem zerbrochenen Stuhle. Die Tränen laufen ihm über das Gesicht, aber vielleicht nicht einmal vor Gram, sondern nur so gewohnheitsmäßig, denn die Augen triefen ihm immer. Er ist ein so wunderlicher Mensch! Immer errötet er, wenn man mit ihm spricht, wird verlegen und weiß nicht, was er antworten soll. Das kleine Mädchen, das Töchterchen, stand an den Sarg gelehnt da; das arme Ding war so ernst und trübsinnig! Ich mag das nicht, liebe Warwara, wenn ein Kind trübsinnig ist; das ist mir ein schmerzlicher Anblick! Eine Puppe aus Lumpen lag neben ihr auf dem Fußboden; sie spielte nicht damit, sie hatte ein Fingerchen an die Lippen gelegt; so stand sie still da, ohne sich zu rühren. Die Wirtin gab ihr ein Stückchen Zuckerwerk; sie nahm es hin, aß es aber nicht. Das ist traurig, liebe Warwara, nicht wahr?

Makar Dewuschkin.

 

Den 25. Juni.

Liebster Makar Alexejewitsch! Ich schicke Ihnen Ihr Buch zurück. Das ist ja ein ganz wertloses Ding, das man überhaupt nicht in die Hand nehmen sollte. Wo haben Sie denn diesen Schatz ausgegraben? Ohne Scherz, gefallen Ihnen denn solche Bücher wirklich, Makar Alexejewitsch? Sie versprachen mir doch neulich bestimmt, mir etwas zum Lesen zu verschaffen. Ich werde auch mit Ihnen teilen, wenn Sie wollen. Jetzt aber auf Wiedersehen! Ich habe wirklich keine Zeit mehr zum Schreiben.

W. D. 75

 

Den 26. Juni.

Liebe Warwara! Die Sache ist nämlich die, daß ich das Büchelchen tatsächlich nicht gelesen hatte, liebes Kind. Allerdings, ein bißchen habe ich darin gelesen; ich sah, daß es dummes Zeug war, nur so zum Amüsement geschrieben, um die Leute zum Lachen zu bringen; na, dachte ich, es wird wohl wirklich ein lustiges Buch sein; vielleicht gefällt es meiner lieben Warwara; na, und da habe ich es Ihnen ohne weiteres geschickt.

Aber nun hat mir Ratasjajew versprochen, mir etwas wirklich Wertvolles zum Lesen zu geben; na, da werden Sie reichlich mit Büchern versorgt sein, liebes Kind. Ratasjajew ist ein Kenner, ein feiner Kopf; er schreibt selbst; ach, und wie schreibt er! Er führt eine so kühne Feder und hat riesig viel Stil, das heißt, in jedem Worte liegt so etwas drin, in dem unbedeutendsten, gewöhnlichsten, geringsten Worte, wie ich zum Beispiel manchmal etwas zu Faldoni oder zu Teresa sage, auch in so etwas weiß er Stil hineinzulegen. Ich nehme jetzt auch an seinen Abendgesellschaften teil. Wir rauchen Tabak, und er liest uns vor, manchmal fünf Stunden lang, und wir hören immer zu. Es sind wahre Leckerbissen der Literatur! Etwas ganz Entzückendes, Blumen, geradezu Blumen; aus jeder Seite könnte man einen Strauß binden! Er ist ein so umgänglicher, gutherziger, freundlicher Mensch. Na, was bin ich ihm gegenüber, ja was? Ein Nichts. Er ist ein Mann von Ruf, und was bin ich? Ich existiere einfach nicht; und doch erweist er mir Wohlwollen. Ich mache ihm manchmal Abschriften.

Aber glauben Sie nur ja nicht, liebe Warwara, daß er dabei einen materiellen Vorteil im Auge hätte und mir sein Wohlwollen ebendeswegen erwiese, weil ich für ihn Abschriften mache. Schenken Sie solchen Klatschereien keinen Glauben, liebes Kind; schenken Sie diesen häßlichen Klatschereien keinen Glauben! Nein, ich tue das ganz von selbst, aus freien Stücken, um ihm eine Freude zu machen; und wenn er mir sein Wohlwollen erweist, so tut auch er das seinerseits, um mir eine Freude zu machen. Ich weiß das Taktvolle seines Benehmens zu würdigen, liebes Kind. Er ist 76 ein guter, sehr guter Mensch und ein unvergleichlicher Schriftsteller.

Sie ist doch eine schöne Sache, die Literatur, liebe Warwara, eine sehr schöne Sache; das habe ich erst noch vorgestern von denen gehört. Eine tiefe Sache! Sie stärkt den Menschen das Herz und belehrt sie, und noch vieles andere steht darüber in einem Buche geschrieben, das sie da haben. Das ist darin sehr schön auseinandergesetzt. Die Literatur ist ein Gemälde, das heißt in gewissem Sinne ein Gemälde und ein Spiegel; da sind Leidenschaften und treffender Ausdruck und feine Kritik und Anleitung zu erbaulichem Nachdenken; die Literatur ist ein Dokument. Das sind alles Gedanken, die ich bei denen eingeheimst habe. Ich sage Ihnen offenherzig, liebes Kind: Wenn ich da unter ihnen sitze und zuhöre (und wohl auch, ebenso wie sie, meine Pfeife rauche), und wenn sie dann anfangen zu debattieren und über allerlei Gegenstände zu disputieren, dann passe ich schon einfach, liebes Kind; Leutchen wie Sie und ich müssen da reinweg passen. Ich komme mir dann geradezu wie ein dummer Tölpel vor und schäme mich vor mir selbst. Ich suche dann den ganzen Abend über in meinem Gehirnkasten nach, um wenigstens ein kleines Wörtchen zu der gemeinsamen Erörterung des Gegenstandes beizusteuern; aber selbst so ein kleines Wörtchen vermag ich absolut nicht zu finden! Und ich tue mir selbst leid, liebe Warwara, daß ich so gar nichts Ordentliches, nichts Rechtes bin, daß bei mir, wie man sich ausdrückt, der Verstand nicht mit dem Körper mitgewachsen ist. Was tue ich denn jetzt in meiner freien Zeit? Ich schlafe wie ein kompletter Dummkopf. Aber statt zu schlafen könnte man sich doch auch mit etwas Angenehmem beschäftigen; man könnte sich hinsetzen und etwas schreiben. Davon hätte man selbst Nutzen und andere Leute Vergnügen. Und sehen Sie nur einmal an, liebes Kind, wieviel diese Menschen einnehmen; es ist eine wahre Sünde! Da ist zum Beispiel gleich Ratasjajew – was hat der Mensch für Einnahmen! Einen Bogen vollzuschreiben, das ist für ihn gar nichts, und an manchem Tage hat er schon fünf Stück vollgeschrieben, und für jeden Bogen bekommt er, wie er 77 sagt, dreihundert Rubel. Da schreibt er irgendeine kleine Anekdote oder sonst etwas Interessantes: »Fünfhundert Rubel; gib's oder gib's nicht; meinetwegen platze vor Ärger; aber gib's! Wenn nicht, dann nehme ich ein andermal tausend!« Was sagen Sie dazu, Warwara Alexejewna? Und noch mehr: Er hat da ein Heftchen mit Gedichten, und es sind alles nur so kleine Gedichtchen; dafür verlangt er siebentausend Rubel, liebes Kind; nun denken Sie mal an! Dafür kann man ja schon ein Gut kaufen oder ein Zinshaus! Er sagt, fünftausend seien ihm geboten worden; das wolle er aber nicht nehmen. Ich habe ihm zugeredet und gesagt: »Nehmen Sie doch die fünftausend Rubel von ihnen an, bester Freund, und drehen Sie dann den Kerlen den Rücken zu; fünftausend Rubel, das ist doch schon ein schönes Stück Geld!« »Nein«, sagt er, »sie sollen siebentausend geben, die Schurken.« So ein geriebener Patron ist er, wahrhaftig!

Da ich aber nun einmal darauf zu reden gekommen bin, so werde ich Ihnen, liebes Kind, in Gottes Namen eine kleine Stelle aus den »Italienischen Leidenschaften« herschreiben. So heißt nämlich eines seiner Werke. Lesen Sie also, liebe Warwara, und urteilen Sie selbst!

». . . Wladimir fuhr zusammen; die Leidenschaften brodelten wild in ihm, und sein Blut siedete . . .

›Gräfin‹, rief er, ›Gräfin! Wissen Sie, wie furchtbar diese Leidenschaft ist, wie grenzenlos dieser Wahnsinn? Nein, meine Zukunftsträumereien haben mich nicht betrogen! Ich liebe, liebe enthusiastisch, rasend, wahnsinnig! Alles Blut deines Mannes wird nicht vermögen, das wahnsinnige, siedende Entzücken meiner Seele zu löschen! Nichtige Hindernisse werden das alleszerstörende höllische Feuer, das meine erschöpfte Brust durchfurcht, nicht aufhalten. O Sinaida, Sinaida! . . .‹

›Wladimir! . . .‹ flüsterte die Gräfin außer sich und lehnte sich an seine Schulter.

›Sinaida!‹ rief der entzückte Smelski.

Aus seiner Brust stieg dampfend ein Seufzer. Mit heller Flamme schlug das Feuer auf dem Altar der Liebe in die Höhe und durchfurchte die Brust der beiden unglücklichen Dulder. 78

›Wladimir!‹ flüsterte die Gräfin wie berauscht. Ihre Brust hob sich, ihre Wangen färbten sich dunkelrot, ihre Augen brannten . . .

Die neue, schreckliche Ehe wurde vollzogen!

*

Eine halbe Stunde darauf trat der alte Graf in das Boudoir seiner Frau.

›Was meinst du, mein Herzchen? Wollen wir nicht für unsern lieben Gast den Samowar aufstellen lassen?‹ sagte er und klopfte seiner Frau sanft auf die Backe . . .«

Nun, da haben Sie eine Probe, und jetzt frage ich Sie, liebes Kind: Wie finden Sie das? Es ist ja allerdings ein bißchen frei; das will ich nicht bestreiten; aber dafür ist es schön. Was schön ist, bleibt schön! Und nun erlauben Sie, daß ich Ihnen noch ein Bruchstück von einer Novelle »Jermak und Suleika« beschreibe.

Stellen Sie sich vor, liebes Kind, daß der Kosak Jermak, der wilde, grausame Eroberer Sibiriens, in Suleika, die Tochter des sibirischen Königs Kutschum, die er gefangengenommen hat, verliebt ist. Das Ereignis fällt, wie Sie sehen, gerade in die Zeiten Iwans des Schrecklichen. Hier ist das Gespräch Jermaks und Suleikas.

›Du liebst mich, Suleika! Oh, sage es noch einmal, noch einmal! . . .‹

›Ich liebe dich, Jermak!‹ flüsterte Suleika.

›Himmel und Erde, ich danke euch! Ich bin glücklich! . . . Ihr habt mir alles, alles gegeben, wonach mein aufgeregter Geist seit meinen Knabenjahren gestrebt hat. Also hierher hast du mich geführt, mein Leitstern; also deswegen hast du mich hierher geführt über den steinernen Gürtel des Ural! Der ganzen Welt werde ich meine Suleika zeigen, und die Menschen, diese rasenden Ungeheuer, werden es nicht wagen, mich zu beschuldigen! Oh, wenn ihnen die geheimen Leiden der zarten Seele dieses Mädchens verständlich wären, wenn sie fähig wären, zu sehen, welch eine Poesie in einer einzigen Träne meiner Suleika liegt! Oh, laß mich mit Küssen diese Träne trocknen; laß mich sie wegtrinken, diese himmlische Träne . . . du überirdisches Wesen!‹ 79

›Jermak‹ sagte Suleika, ›die Welt ist böse, und die Menschen sind ungerecht! Sie werden uns verfolgen und über uns den Stab brechen, mein teurer Jermak! Was wird das arme Mädchen, das inmitten der heimatlichen Schneefelder Sibiriens in der Jurte seines Vaters aufwuchs, in eurer kalten, eisigen, herzlosen, eigennützigen Welt anfangen? Die Menschen werden mich nicht verstehen, du mein Teurer, mein Geliebter!‹

›Dann wird mein Kosakensäbel ihnen pfeifend um den Kopf fahren!‹ schrie Jermak, wild die Augen rollend . . .«

Aber was meinen Sie? Wie wird diesem Jermak nun zumute sein, liebe Warwara, wenn er erfährt, daß seine Suleika ermordet ist? Der blinde alte Kutschum hat sich, die Dunkelheit der Nacht nutzend, in Jermaks Abwesenheit in dessen Zelt geschlichen und seine eigene Tochter ermordet, um seinem Feinde Jermak, der ihm Zepter und Krone geraubt hat, einen tödlichen Schlag zu versetzen.

›Ich will mein Eisen am Steine schärfen!‹ schrie Jermak in wildem Grimme und wetzte sein stählernes Messer am Schamanensteine. ›Ich muß das Blut aller dieser Menschen sehen, ihr Blut! Martern will ich sie, martern, martern! ! !‹«

Und zum Schlusse stürzt Jermak, der nicht imstande ist seine Suleika zu überleben, sich in den Irtysch, und damit endet alles.

Und nun noch beispielsweise ein kleines Bruchstück im scherzhaften Genre; es ist absichtlich dazu geschrieben, um die Leute zum Lachen zu bringen.

»Kennen Sie Iwan Prokofjewitsch Scheltopus? Na, das ist der, der einmal Prokofi Iwanowitsch ins Bein gebissen hat. Iwan Prokofjewitsch ist ein Mann, der einen unbeugsamen Charakter, dafür aber auch seltene Tugenden besitzt; im Gegensatze zu ihm ist Prokofi Iwanowitsch ein großer Freund von Rettig mit Honig. Nun also, als noch Pelageja Antonowna mit ihm bekannt war . . . Sie kennen doch Pelageja Antonowna? Na, das ist die, die immer ihren Rock mit dem Futter nach außen anzieht . . .«

Das ist doch Humor, liebe Warwara, richtiger Humor! Wir 80 schüttelten uns vor Lachen, als er es uns vorlas: So ein Mensch ist das, Gott verzeihe es ihm! Übrigens, liebes Kind, ist das ja zwar ein bißchen phantastisch und sehr spaßhaft, aber dabei doch harmlos, ohne die geringste Freidenkerei und ohne liberale Anschauungen. Ich muß noch bemerken, liebes Kind, daß Ratasjajew sich vorzüglich zu benehmen weiß und ebendarum ein ausgezeichneter, von anderen stark verschiedener Schriftsteller ist.

Aber was meinen Sie, es kommt mir manchmal der Gedanke in den Kopf . . . na, wie wär's, wenn ich etwas schriebe? Na, was würde dann geschehen? Nehmen wir zum Beispiel an, daß plötzlich mir nichts dir nichts ein Büchlein in der Welt erschiene mit dem Titel: »Gedichte von Makar Dewuschkin«! Na, was würden Sie dann sagen, mein Engelchen? Wie würde Ihnen das vorkommen, und was würden Sie dabei denken? Was mich betrifft, liebes Kind, so kann ich Ihnen sagen: Sowie mein Büchelchen in der Welt erschienen wäre, würde ich entschieden nicht mehr wagen, mich auf dem Newski-Prospekte zu zeigen. Wie würde mir zumute sein, wenn jeder sagte: »Da geht der Schriftsteller und Dichter Dewuschkin; das ist Dewuschkin selbst!« Na, was sollte ich dann zum Beispiel mit meinen Stiefeln anfangen? Beiläufig bemerkt, liebes Kind, die sind fast immer geflickt, und auch die Sohlen sehen (die Wahrheit zu sagen) manchmal sehr wenig anständig aus. Na, was wäre das für eine Geschichte, wenn alle erführen, daß der Schriftsteller Dewuschkin geflickte Stiefel trägt! Wenn so eine Gräfin oder Herzogin das erführe, was würde die dazu sagen, mein Herzchen? Sie würde es vielleicht selbst nicht bemerken; denn ich denke mir, Gräfinnen und Herzoginnen kümmern sich nicht um Stiefel, und noch dazu um Beamtenstiefel (denn zwischen Stiefeln und Stiefeln ist noch ein Unterschied); aber andere würden ihr alles erzählen, und meine eigenen Freunde würden mich verraten. Ratasjajew würde der erste sein, der mich verriete; er verkehrt bei der Gräfin W. und besucht sie, wie er sagt, jedesmal ganz ohne Umstände. Er sagt, sie sei eine Seele von Frau, eine literarisch gebildete Dame. Ein schlauer Kunde, dieser Ratasjajew. 81

Aber nun genug von diesem Gegenstande; ich schreibe das ja alles nur so zum Spaß, mein Engelchen, um Sie ein bißchen zu amüsieren. Leben Sie wohl, mein Täubchen! Ich habe Ihnen hier vieles zusammengeschrieben; aber das kommt besonders daher, daß ich mich heute in sehr vergnügter Stimmung befinde. Wir haben heute alle zusammen bei Ratasjajew zu Mittag gegessen, und da setzten sie (es ist ein ausgelassenes Völkchen, liebes Kind), so einen süßen Likör in Gang . . . na, was soll ich Ihnen davon noch weiter schreiben! Denken Sie nur dabei nichts Schlechtes von mir, liebe Warwara! Was ich da schreibe, ist ja alles nicht so ernst gemeint. Bücher werde ich Ihnen schicken; ganz bestimmt werde ich Ihnen welche schicken. Es geht hier jetzt ein Buch von Paul de Kock von Hand zu Hand; aber den Paul de Kock sollen sie nicht bekommen, liebes Kind. Nein, nein! Paul de Kock, der ist nichts für Sie. Man sagt von ihm, liebes Kind, er versetze alle Petersburger Kritiker in eine edle Entrüstung. Ich schicke Ihnen ein Pfündchen Konfekt; ich habe es extra für Sie gekauft. Essen Sie es, mein Herzchen, und denken Sie bei jedem Stückchen an mich! Nur knabbern Sie den Kandis nicht, sondern lutschen Sie ihn bloß; sonst tun Ihnen die Zähnchen weh. Vielleicht mögen Sie auch gern kandierte Früchte? Schreiben Sie mir das doch! Na, nun leben Sie wohl, leben Sie wohl! Christus sei mit Ihnen, mein Täubchen! Ich verbleibe für immer

Ihr treuester Freund

Makar Dewuschkin.

 

Den 27. Juni.

Geehrter Herr Makar Alexejewitsch!

Fedora sagt, wenn ich wolle, so gebe es Leute, die sich meiner gern annehmen und mir bei einer Familie eine sehr gute Stelle als Gouvernante verschaffen würden. Wie denken Sie darüber, mein Freund: Soll ich es tun oder nicht? Ich würde Ihnen dann allerdings nicht mehr zur Last fallen, und es scheint auch eine einträgliche Stelle zu sein; aber andrerseits ist es mir ein bängliches Gefühl, in ein 82 unbekanntes Haus zu gehen. Es ist eine Gutsbesitzerfamilie. Sie werden über mich Erkundigungen einziehen; sie werden mich neugierig befragen; was werde ich ihnen da sagen? Zudem bin ich so menschenscheu, eine Freundin der Einsamkeit; ich sitze gern so lange wie möglich in meinem gewohnten Stübchen. Am wohlsten fühlt man sich da, wo man zu leben gewohnt ist: Wenn man da auch halb Freude halb Leid hat, man fühlt sich da doch am wohlsten. Außerdem müßte ich von hier nach auswärts ziehen; und Gott weiß, worin meine Obliegenheiten bestehen würden; vielleicht würden sie mich einfach die Kinder warten lassen. Und es müssen doch auch eigentümliche Menschen sein: Sie wechseln jetzt schon zum dritten Male in zwei Jahren die Gouvernante. Ich bitte Sie inständig, Makar Alexejewitsch, geben Sie mir einen Rat: Soll ich es tun oder nicht? – Aber warum kommen Sie niemals selbst zu mir? Sie zeigen sich so sehr selten! Wir sehen uns ja fast nur sonntags bei der Messe. Wie menschenscheu Sie sind! Sie sind geradeso wie ich! Ich bin ja auch beinah Ihre Verwandte. Sie lieben mich gewiß nicht, Makar Alexejewitsch; ich aber fühle mich oft, wenn ich so allein bin, sehr traurig. Da sitze ich nun manchmal, besonders in der Dämmerzeit, so mutterseelenallein da. Fedora ist in Geschäften ausgegangen. Ich sitze und denke und denke, und da erinnere ich mich an längst Vergangenes, an Freudiges und Trauriges; alles zieht vor meiner Seele vorüber; alles taucht wie aus einem Nebel auf. Bekannte Gesichter erscheinen (ich sehe sie beinah leibhaftig vor mir); am häufigsten sehe ich meine Mutter . . . Und was habe ich für Träume! Ich fühle, daß meine Gesundheit erschüttert ist; ich bin so schwach; heute zum Beispiel, als ich am Morgen aus dem Bette aufstand, wurde mir schlecht; und außerdem habe ich auch einen so bösen Husten! Ich fühle, ich weiß, daß ich bald sterben werde. Wer wird mich beerdigen? Wer wird hinter meinem Sarge hergehen? Wer wird um mich trauern? Und da werde ich nun vielleicht an einem fremden Orte sterben müssen, in einem fremden Hause, in einem fremden Kämmerchen! . . . O Gott, wie traurig ist das Leben, Makar Alexejewitsch! – Warum füttern Sie mich immer mit 83 Konfekt, mein Freund? Ich weiß wirklich nicht, wo Sie so viel Geld hernehmen. Ach, mein Freund, sparen Sie das Geld; ich bitte Sie inständig, sparen Sie es! – Fedora ist jetzt dabei, einen Teppich zu verkaufen, den ich gestickt habe; es werden dafür fünfzig Rubel Papier geboten. Das ist ein sehr guter Preis; ich hatte weniger erwartet. Ich werde Fedora zehn Rubel geben, und mir werde ich ein Kleid machen, ein ganz einfaches, aber warmes. Ihnen werde ich eine Weste machen; ich werde sie selbst nähen und einen guten Stoff dazu aussuchen.

Fedora hat mir ein Buch verschafft: »Belkins Erzählungen«, das ich Ihnen schicke, wenn Sie es lesen wollen. Ich bitte nur, es nicht zu beflecken und es nicht zu lange zu behalten, da es fremden Leuten gehört; es ist ein Werk von Puschkin. Vor zwei Jahren las ich diese Novellen mit meiner Mutter zusammen, und jetzt war es mir eine so traurige Empfindung, sie wieder durchzulesen. Wenn Sie irgendwelche Bücher haben, so schicken Sie sie mir, aber nur wenn Sie sie nicht von Ratasjajew bekommen haben. Er wird Ihnen gewiß etwas von seinen eigenen Schriften geben, wenn er schon etwas hat drucken lassen. Wie können Ihnen nur seine Schriften gefallen, Makar Alexejewitsch? So ein wertloses Zeug . . . Nun, dann leben Sie wohl! Wie ich ins Plaudern hineingeraten bin! Wenn mir traurig zumute ist, dann macht es mir immer Freude zu plaudern, worüber es auch sei. Das ist für mich eine Arzenei: Es wird mir sogleich leichter, besonders wenn ich alles aussprechen kann, was ich auf dem Herzen habe. Leben Sie wohl, leben Sie wohl, mein Freund!

Ihre W. D.

 

Liebste Warwara Alexejewna!

Nun lassen Sie es genug sein mit dem Grämen! Schämen Sie sich denn gar nicht? Na, hören Sie nun damit auf, mein Engelchen; wie können Ihnen nur solche Gedanken in den Kopf kommen? Sie sind nicht krank, mein Herzchen, ganz und gar nicht krank; Sie sehen blühend aus, wirklich 84 blühend; ein bißchen blaß, aber doch blühend. Und was sind das für Träume und Visionen! Schämen Sie sich, mein Täubchen, und hören Sie auf damit; scheren Sie sich nicht um diese Träume, scheren Sie sich einfach nicht darum! Warum schlafe ich denn gut? Warum passiert mir denn nichts? Sehen Sie nur einmal mich an, liebes Kind! Ich lebe gleichmäßig dahin, schlafe ruhig, bin ganz gesund und ein forscher, flotter Kerl; es ist eine wahre Freude, mich anzusehen. Hören Sie auf damit, hören Sie auf damit, mein Herzchen; schämen Sie sich! Bessern Sie sich! Ich kenne ja Ihr Köpfchen, liebes Kind: Sowie es irgendein Thema gefunden hat, da fangen Sie auch gleich an, sich Gedanken zu machen und sich über etwas zu grämen. Hören Sie mir zuliebe damit auf, mein Herzchen! Ob Sie zu fremden Leuten gehen sollen? Niemals! Nein, nein und noch einmal nein; was ist das für ein Einfall? Was kommt Ihnen denn da in den Sinn? Und noch dazu nach auswärts! Nein, liebes Kind, das erlaube ich nicht; einem solchen Plane widersetze ich mich mit aller Kraft. Ich werde meinen alten Frack verkaufen und im bloßen Hemde auf den Straßen umhergehen; aber Sie sollen bei uns keine Not leiden. Nein, liebe Warwara, nein; ich kenne Sie ja doch! Das ist Unsinn, der reine Unsinn! Aber an alledem ist gewiß nur Fedora schuld; dieses dumme Frauenzimmer hat Sie offenbar auf solche Gedanken gebracht. Glauben Sie nichts, was sie sagt, liebes Kind! Sie kennen sie gewiß noch nicht gründlich genug, mein Herzchen: Sie ist eine dumme, zänkische, alberne Person und hat auch ihren verstorbenen Mann aus der Welt geärgert. Nein, nein, liebes Kind, unter keinen Umständen! Und was würde denn dann aus mir werden? Was sollte ich dann anfangen? Nein, beste Warwara, schlagen Sie sich das aus dem Sinn! Was fehlt Ihnen denn bei uns? Wir können uns über Sie gar nicht genug freuen, und Sie haben uns ja auch lieb; also bleiben Sie hier, und leben Sie still und ruhig weiter; sticken Sie, oder lesen Sie, oder sticken Sie meinetwegen auch nicht, – ganz gleich, nur bleiben Sie bei uns! Sagen Sie selbst: Wie würde das denn aussehen, wenn Sie weggingen? Ich werde Ihnen Bücher verschaffen, und dann können 85 wir ja auch einmal wieder zusammen einen Spaziergang irgendwohin unternehmen. Nur geben Sie diese Idee auf, liebes Kind, geben Sie sie auf; nehmen Sie Vernunft an, und seien Sie nicht um nichts und wieder nichts eigensinnig! Ich werde zu Ihnen kommen, und zwar sehr bald; aber lassen Sie mich Ihnen offen und ehrlich bekennen: Das war nicht schön von Ihnen, mein Herzchen, gar nicht schön!

Ich bin ja freilich ein ungebildeter Mensch und weiß selbst, daß ich ungebildet bin und mein Schulunterricht nur ein paar Groschen gekostet hat; aber davon wollte ich eigentlich nicht reden, und es handelt sich jetzt nicht um meine Person, sondern ich möchte mit Ihrer Erlaubnis für Ratasjajew eintreten. Er ist mein Freund; daher trete ich für ihn ein. Er schreibt gut; sehr, sehr und nochmals sehr gut schreibt er. Ich bin mit Ihnen nicht einverstanden und kann Ihnen in keiner Weise zustimmen. Es ist blumenreich geschrieben, kurz und knapp, mit schönen Redewendungen, und es sind allerlei Gedanken darin; mit einem Worte, es ist sehr gut geschrieben. Sie haben es vielleicht ohne rechtes Gefühl gelesen, liebe Warwara, oder Sie sind nicht bei Stimmung gewesen, als sie es lasen, haben sich vielleicht über Fedora geärgert gehabt, oder es war Ihnen sonst etwas Unangenehmes begegnet. Nein, lesen Sie es einmal mit Gefühl, am besten, wenn Sie zufrieden und vergnügt sind und sich in angenehmer Stimmung befinden, zum Beispiel, wenn Sie ein Stückchen Konfekt im Munde haben; dann müssen Sie es lesen. Ich bestreite nicht (und wer kann es bestreiten?), daß es noch bessere Schriftsteller als Ratasjajew gibt, sogar weit bessere; aber sowohl die sind gut, als auch ist Ratasjajew gut; sie schreiben gut, und er schreibt auch gut. Er schreibt so in seiner besonderen Art, und daran tut er sehr gut. Na, nun leben Sie wohl, liebes Kind; ich kann nicht mehr schreiben; ich muß mich beeilen, ich habe zu tun. Geben Sie sich nur Mühe, sich zu beruhigen, liebes Kind, Sie mein allerliebstes Sternchen; Gott möge mit Ihnen sein, und ich verbleibe

Ihr treuester Freund

Makar Dewuschkin. 86

P. S. Ich danke Ihnen für das Buch, meine Beste; lesen wir also Puschkin! Heute abend werde ich ganz bestimmt zu Ihnen kommen.

 

Mein teurer Makar Alexejewitsch!

Nein, mein Freund, nein; ich kann nicht länger bei Ihnen beiden hier wohnen bleiben. Ich habe darüber nachgedacht und gefunden, daß ich sehr übel handeln würde, wenn ich diese vorteilhafte Stelle ausschlüge. Dort werde ich wenigstens mein sicheres Brot haben; ich werde mir alle Mühe geben, mir das Wohlwollen der fremden Menschen zu erwerben; ich werde sogar versuchen, meinen Charakter zu ändern, wenn es nötig sein sollte. Allerdings ist es eine schwere, schmerzliche Aufgabe, unter fremden Leuten zu leben, nach ihrer Gunst zu trachten, sich im Hintergrunde zu halten und sich Zwang aufzuerlegen; aber Gott wird mir helfen. Ich kann doch nicht mein Lebelang eine Einsiedlerin bleiben. Es ist mir auch früher schon ähnlich gegangen. Ich denke an die Zeit, wo ich als kleines Mädchen in einer Pension war. Den ganzen Sonntag pflegte ich zu Hause umherzutollen und umherzuspringen, so daß meine Mutter sogar manchmal schalt; aber das machte mir nichts; ich fühlte mich so wohl und war so vergnügt. Wenn dann der Abend herankam, wurde ich todtraurig; um neun Uhr mußte ich wieder in die Pension zurück, und dort war alles so fremd, so kalt, so ernst, und die Gouvernanten waren montags so ärgerlich, und ich fühlte mich manchmal so bedrückt, daß ich weinen mußte; ich ging in einen Winkel und weinte ganz allein und verbarg meine Tränen. Man sagte dann, ich sei faul; aber ich weinte ganz und gar nicht deswegen, weil ich lernen sollte. Nun, und was geschah? Ich gewöhnte mich daran, und als ich später die Pension verließ, weinte ich ebenfalls beim Abschiede von meinen Freundinnen. Es ist nicht recht von mir, daß ich Ihnen beiden hier zur Last falle. Dieser Gedanke ist mir eine Qual. Ich sage Ihnen das alles offenherzig, weil ich gewohnt bin, Ihnen gegenüber offenherzig zu sein. Sehe ich etwa nicht, wie Fedora täglich 87 in aller Frühe aufsteht, sich an ihre Wäsche heranmacht und bis spät in die Nacht hinein arbeitet? Und doch bedürfen alte Knochen der Ruhe. Sehe ich etwa nicht, daß Sie sich um meinetwillen zugrunde richten und Ihre letzte Kopeke für mich ausgeben? Das verträgt sich nicht mit Ihrer Vermögenslage, mein Freund! Sie schreiben, Sie würden eher das Letzte hingeben, als daß Sie mich Not leiden ließen. Ich glaube an Ihr gutes Herz, mein Freund; aber das sagen Sie jetzt so. Jetzt haben Sie Geld; Sie haben unerwartet eine Gratifikation erhalten; aber wie wird es später werden? Sie wissen selbst, daß ich immer krank bin; ich kann nicht so arbeiten wie Sie, obwohl ich es von Herzen gern tun würde, und ich habe auch nicht immer Arbeit. Was soll ich da machen? Soll ich mich zergrämen, wenn ich sehe, wie Sie beide, Sie guten Menschen, für mich arbeiten? Wie kann ich Ihnen auch nur den geringsten Nutzen bringen? Und inwiefern bin ich Ihnen so unentbehrlich, mein Freund? Was habe ich Ihnen Gutes getan? Ich bin Ihnen nur von ganzem Herzen zugetan und liebe Sie warm und innig und von ganzer Seele; aber (und das ist mein bitteres Schicksal) ich verstehe zwar zu lieben und bin imstande zu lieben, aber weiter auch nichts; Gutes zu tun, Ihnen Ihre Wohltaten zu vergelten, das vermag ich nicht. Halten Sie mich nicht länger zurück; überdenken Sie die Sache, und sagen Sie mir dann Ihre endgültige Meinung! In Erwartung derselben verbleibe ich

Ihre Sie liebende

W. D.

 

Den 1. Juli.

Unsinn, Unsinn, liebe Warwara, einfach Unsinn! Wenn man Sie sich selbst überläßt, so hecken Sie in Ihrem Köpfchen alles mögliche Zeug aus, wovon dies nicht richtig ist und das nicht richtig ist! Ich sehe klar, daß das alles Unsinn ist. Was fehlt Ihnen denn bei uns, liebes Kind; sagen Sie nur selbst! Wir haben Sie lieb, und Sie haben uns lieb; wir sind alle zufrieden und glücklich; was will man noch 88 mehr? Na, und was werden Sie bei fremden Leuten anfangen? Sie wissen gewiß noch nicht, was es mit dem Leben unter fremden Leuten auf sich hat. Nein, da fragen Sie mich einmal; dann werde ich Ihnen sagen, wie die fremden Leute beschaffen sind. Ich kenne sie, liebes Kind; ich kenne sie ganz genau; ich bin in der Lage gewesen, mein Brot bei ihnen zu essen. Böse sind sie, liebe Warwara, böse, so böse, daß einem das Herz verzagen möchte; so martern sie einen mit Vorwürfen und Zurechtweisungen und feindseligen Blicken. Sie haben es bei uns schön und behaglich; Sie sitzen wie in einem warmen, sicheren Nestchen. Und uns, uns würde es, wenn Sie fortgingen, so sein, als ob uns ein Glied vom Leibe abgehauen würde. Was sollten wir ohne Sie anfangen, was sollte ich alter Mann dann anfangen? Sie wären uns nicht notwendig? Nicht nützlich? Wieso denn nicht nützlich? Nein, liebes Kind, überlegen Sie einmal selbst, ob das richtig sein kann. Sie sind mir sehr nützlich, liebe Warwara. Sie üben einen so wohltätigen Einfluß auf mich aus. Zum Beispiel gleich jetzt: Ich denke an Sie, und es wird mir froh zumute. Ich schreibe Ihnen manchmal einen Brief und lege Ihnen darin alle meine Gefühle dar und erhalte von Ihnen eine ausführliche Antwort darauf. Kleiderchen habe ich Ihnen eingekauft und ein Hütchen machen lassen; manchmal bekomme ich von Ihnen einen Auftrag, dann besorge ich Ihnen den. Wie können Sie sagen, daß Sie mir nicht nützlich seien? Und was sollte ich auf meine alten Tage anfangen, wozu würde ich taugen? Daran haben Sie vielleicht gar nicht gedacht, liebe Warwara; aber denken Sie mal gerade darüber nach: »Wozu wird er ohne mich taugen?« Ich habe mich ganz an Sie gewöhnt, meine Beste. Wenn Sie fortgingen, was wird die Folge sein? Ich werde an die Newa laufen, und dann hat die Sache ein Ende. Ja, wirklich, so etwas wird geschehen, liebe Warwara; was bleibt mir dann anderes übrig, wenn ich Sie nicht mehr habe? Ach, mein Herzchen, liebe Warwara! Sie wollen offenbar, daß man mich auf einem Karren nach dem Wolkowski-Kirchhof hinausfährt und irgendeine alte, verkommene Bettlerin als einziges Gefolge hinter meinem 89 Sarge hergeht und man da den Sand über mich wirft und wieder weggeht und mich da allein läßt. Schämen Sie sich, liebes Kind, schämen Sie sich! Wahrhaftig, Sie sollten sich schämen, weiß Gott, Sie sollten sich schämen!

Ich schicke Ihnen Ihr Büchelchen zurück, liebe Freundin, und wenn Sie, liebe Warwara, mich nach meiner Meinung darüber fragen, so muß ich sagen, daß ich in meinem Leben noch kein so prächtiges Buch gelesen habe. Ich frage mich jetzt, liebes Kind, wie ich nur habe bisher als ein solcher Holzkopf leben können, Gott verzeih es mir! Was habe ich überhaupt getan? Ich bin der reine Waldmensch gewesen. Ich kenne ja nichts, liebes Kind; absolut nichts kenne ich! Gar nichts kenne ich! Ich will Ihnen ganz offenherzig sagen, liebe Warwara, ich bin ein ungebildeter Mensch: Ich habe bis jetzt wenig gelesen, sehr wenig, fast nichts: »Das Bild des Menschen« habe ich gelesen, ein kluges Buch, dann »Der geschickte kleine Glockenspieler« und »Die Kraniche des Ibykus« – das ist alles; mehr habe ich nie gelesen. Jetzt habe ich den »Stationsinspektor« hier in Ihrem Buche durchgelesen, und da muß ich Ihnen sagen, liebes Kind: Es kommt vor, daß man so dahinlebt, ohne zu wissen, daß neben einem ein Büchelchen existiert, in dem das eigene Leben, das man führt, mit allen Einzelheiten vorgetragen ist. Und auch was einem selbst vorher unklar war, das kommt einem hier, wenn man in einem solchen Büchelchen zu lesen anfängt, allmählich alles wieder ins Gedächtnis und wird einem begreifbar und verständlich. Und dann noch ein Grund, weshalb mir Ihr Büchlein so gefällt: Manche Schrift, mag sie sein, wie sie will, die liest und liest man, manchmal, daß einem der Kopf brummt; aber es ist alles darin so verschmitzt, daß man es nicht versteht. Ich zum Beispiel, bin schwer von Begriffen (das bin ich schon von Natur) und kann allzu hohe Bücher nicht lesen; aber wenn ich dieses hier lese, dann ist es mir, als hätte ich es selbst geschrieben, als hätte ich sozusagen mein eigenes Herz, mag es sein, wie es will, genommen und vor allen Menschen umgekrempelt, das Innere nach außen, und alles genau beschrieben, – ja, so ist es mir! Und dabei ist es eine so einfache Sache, Herr du mein 90 Gott! Ja, noch mehr: Wahrhaftig, ich hätte es ebenso schreiben können; warum sollte ich das nicht gekonnt haben? Ich fühle ja doch dasselbe, ganz genau so, wie es in dem Buche steht, und habe mich selbst manchmal in ebensolcher Lage befunden wie beispielshalber dieser arme Kerl, der Samson Wyrin. Und wie viele Samson Wyrins laufen unter uns herum, ebenso herzensgute Unglücksmenschen! Und wie geschickt ist alles beschrieben! Mir flossen die Tränen nur so, liebes Kind, als ich las, wie er traurig wurde und sich bis zur Bewußtlosigkeit betrank, der Sünder, und den ganzen Tag unter dem Schafpelz schlief und sein Leid mit Punsch hinunterspülte und kläglich weinte und sich mit dem schmutzigen Rockschoß die Augen wischte, als er an sein verirrtes Schäfchen, sein Töchterchen Dunjascha, dachte! Nein, wie naturgetreu ist das! Lesen Sie es nur einmal: Das ist naturgetreu! Das lebt ordentlich! Das habe ich selbst alles schon mit angesehen; das lebt alles um mich herum. Da ist zum Beispiel Teresa; wir brauchen gar nicht weit zu gehen! Da ist zum Beispiel auch unser armer Beamter; der ist ja vielleicht ebenso ein Samson Wyrin, nur daß er einen andern Namen hat und Gorschkow heißt. Das ist etwas allen Gemeinsames, liebes Kind, und kann auch Ihnen und mir passieren. Und auch so ein Graf, der am Newski-Prospekt oder am Quai wohnt, auch dem kann es ebenso gehen, nur daß er sich dabei anders präsentieren wird, weil bei ihnen alles auf ihre Art zugeht, im höheren Ton; aber auch ihm kann es ebenso gehen, es kann ihm dasselbe begegnen, und mir kann auch dasselbe begegnen.

Sehen Sie, so ist das, liebes Kind; und da wollen Sie nun von uns fortgehen, und ein solches Unglück droht über mein Haupt zu kommen, liebe Warwara. Sie würden damit sich selbst und mich zugrunde richten, meine Beste. Ach, mein Sternchen, schlagen Sie sich doch um des Himmels willen alle diese wilden Gedanken aus Ihrem Köpfchen, und martern Sie mich nicht unnötig! Sie sind ja noch so ein schwaches, unflügges Vögelchen; wie können Sie sich selbst ernähren und sich vor dem Verderben bewahren und sich 91 gegen böse Menschen schützen? Hören Sie auf damit, liebe Warwara; bessern Sie sich; hören Sie nicht auf alberne Ratschläge und Redereien, sondern lesen Sie Ihr Büchelchen noch einmal durch, lesen Sie es mit Aufmerksamkeit durch; das wird Ihnen nützlich sein.

Über den »Stationsinspektor« habe ich mit Ratasjajew gesprochen. Er sagte mir, daß das alles veraltet sei, und daß jetzt lauter Bücher mit Bildern und allerlei Schilderungen herausgegeben würden; ich bin wirklich nicht recht klug geworden aus dem, was er mir so sagte. Er schloß aber damit, Puschkin sei gut, er habe das heilige Rußland verherrlicht; und er sagte mir auch sonst noch vieles über ihn. Ja, diese Schrift von ihm ist gut, liebe Warwara, sehr gut; lesen Sie sie noch einmal mit rechter Aufmerksamkeit; folgen Sie meinen Ratschlägen, und machen Sie mich alten Mann durch Ihren Gehorsam glücklich! Dann wird der liebe Gott Sie dafür belohnen, meine Teure; er wird Sie sicherlich dafür belohnen.

Ihr aufrichtiger Freund

Makar Dewuschkin.

 

Geehrter Herr Makar Alexejewitsch!

Fedora hat mir heute zweiundfünfzig Rubel gebracht. Wie freute sich die Arme, als ich ihr zehn Rubel gab! Ich schreibe Ihnen in Eile. Ich schneide jetzt eine Weste für Sie zu; es ist ein wunderhübscher Stoff: gelb mit Blümchen. Ich schicke Ihnen ein Büchelchen; es sind verschiedene Erzählungen darin; ich habe ein paar davon gelesen; lesen Sie doch die mit dem Titel »Der Mantel«.Eine Erzählung von Gogol (A. d. Ü.) – Sie reden mir zu, mit Ihnen ins Theater zu gehen; wird das auch nicht zu teuer werden? Allenfalls auf die Galerie. Ich bin schon sehr lange nicht mehr im Theater gewesen und kann mich wirklich nicht erinnern, wann ich zum letzten Male darin war. Ich fürchte immer nur, daß uns das Vergnügen gar zu viel kosten wird. Fedora schüttelt nur den Kopf dazu. Sie sagt, Sie hätten 92 angefangen weit über Ihre Mittel zu leben, und ich sehe das auch selbst; wieviel Geld haben Sie für mich allein ausgegeben! Seien Sie nur auf Ihrer Hut, mein Freund, daß kein Unglück daraus entsteht. Fedora hat mir so schon von Gerüchten gesagt: Sie schienen mit Ihrer Wirtin wegen rückständiger Zahlungen Streit gehabt zu haben; ich bin um Sie in großer Sorge. Nun leben Sie wohl; ich bin eilig. Ich habe eine kleine Arbeit vor: Ich setze mir andere Bänder auf den Hut.

P. S. Wissen Sie, wenn wir ins Theater gehen, dann werde ich meinen neuen Hut aufsetzen und die schwarze Mantille umhängen. Wird das nicht hübsch aussehen?

 

Den 7. Juli.

Geehrtes Fräulein Warwara Alexejewna!

. . . Ich denke immer noch an unser gestriges Gespräch. Ja, liebes Kind, auch ich habe seinerzeit Tollheiten begangen. Ich verliebte mich in eine Schauspielerin, verliebte mich in sie bis über die Ohren; und das wäre noch nichts gewesen; aber das Wunderliche war, daß ich sie fast gar nicht gesehen hatte und nur ein einziges Mal im Theater gewesen war und mich trotzdem verliebte. Es wohnten damals Wand an Wand mit mir fünf junge lebenslustige Leute. Ohne es eigentlich zu wollen, kam ich mit ihnen in Verkehr, hielt mich aber dabei immer in angemessenen Grenzen. Na, um kein Spielverderber zu sein, stimmte ich in ihren Ton mit ein. Sie erzählten mir von dieser Schauspielerin! Jeden Abend, wenn Vorstellung war, ging die ganze Bande (für Nötiges hatten sie nie einen Groschen übrig) ins Theater, auf die Galerie, und da klatschten sie mächtig und riefen immer nur diese Schauspielerin heraus – wie die Rasenden gebärdeten sie sich! Und nachher ließen sie einen nicht einschlafen; die ganze Nacht über redeten sie von ihr; jeder nannte sie seine Dulcinea; alle waren in sie verliebt; sie war die Herzenskönigin eines jeden. Da stachelten sie auch mich Wehrlosen auf; ich war ja damals noch sehr jung. Ich weiß 93 selbst nicht, wie es zuging, daß ich mich auf einmal mit ihnen im Theater befand, vier Treppen hoch, auf der Galerie. Sehen konnte ich nur ein Zipfelchen des Vorhangs; aber dafür hörte ich alles. Die Schauspielerin hatte ein allerliebstes Stimmchen, hell und honigsüß wie das einer Nachtigall. Wir klatschten, daß uns fast die Hände abfielen, und schrien aus voller Kehle; kurz, die Polizei wollte schon dagegen einschreiten, und einer von uns wurde auch wirklich hinausspediert. Ich kam nach Hause – ich ging wie von Ofendunst betäubt! In der Tasche hatte ich nur noch einen Rubel, und bis zur nächsten Gehaltszahlung waren noch gut zehn Tage. Was meinen Sie, liebes Kind, daß ich tat? Am andern Tage, ehe ich zum Dienste ging, trat ich an einen französischen Parfümerieladen und kaufte dort für mein ganzes Kapital Parfüms und wohlriechende Seife; warum ich das alles damals kaufte, das weiß ich jetzt selbst nicht mehr. Ich aß nicht zu Hause Mittagbrot, sondern ging immer vor ihren Fenstern auf und ab. Sie wohnte am Newski-Prospekt, im vierten Stock. Ich kam nach Hause, ruhte mich ein Stündchen aus und ging wieder nach dem Newski-Prospekt, nur um vor ihren Fenstern auf und ab zu gehen. Anderthalb Monate lang schnitt ich ihr auf diese Weise die Cour; alle Augenblicke nahm ich Droschken erster Klasse, und immer machte ich ihr Fensterparade: Ich vergeudete all mein Geld, stürzte mich in Schulden und hörte dann auf, sie zu lieben: Die Sache war mir langweilig geworden! Da sehen Sie, was so eine Schauspielerin aus einem ordentlichen Menschen zu machen vermag, liebes Kind! Aber ich war noch sehr jung; sehr jung war ich damals! . . .

M. D.

 

Den 8. Juli.

Mein geehrtes Fräulein Warwara Alexejewna!

Ich beeile mich, Ihnen Ihr Büchelchen, das ich am sechsten dieses Monats erhalten habe, wieder zuzustellen, und beeile mich gleichzeitig, mich in diesem Briefe mit Ihnen 94 auseinanderzusetzen. Es ist nicht hübsch von Ihnen, liebes Kind, gar nicht hübsch von Ihnen, daß Sie mich in diese Notwendigkeit versetzt haben. Erlauben Sie, liebes Kind: Einem jeden Menschen ist vom Allerhöchsten sein Stand zugewiesen worden. Dem einen ist die Bestimmung zuteil geworden, Generalsepauletten zu tragen, dem andern, seinen Dienst als Titularrat zu tun; der eine hat zu befehlen, der andere ohne zu murren und in Furcht zu gehorchen. Das ist nun einmal je nach den Fähigkeiten so verteilt; der eine ist hierzu befähigt, der andere dazu, und die Fähigkeiten hat Gott selbst so eingerichtet. Ich bin schon ungefähr dreißig Jahre im Dienste; ich versehe mein Amt vorwurfsfrei, führe einen nüchternen Lebenswandel und bin nie auf Ordnungswidrigkeiten betroffen worden. Was mich als Privatmann anlangt, so bin ich nach meinem eigenen Urteil der Ansicht, daß ich meine Mängel, zugleich aber auch meine Tugenden besitze. Meine Vorgesetzten achten mich und selbst Seine Exzellenz sind mit mir zufrieden, und obgleich Dieselben mir bisher noch keine besonderen Beweise von Wohlwollen gegeben haben, so weiß ich doch, daß Dieselben zufrieden sind. Meine Handschrift ist recht hübsch und deutlich, nicht zu groß und nicht zu klein, kursivartig, aber jedenfalls befriedigend; bei uns schreibt höchstens Iwan Prokofjewitsch ebensogut. Ich bekomme schon graues Haar; aber einer großen Sünde bin ich mir nicht bewußt. Freilich, wer hätte nicht im Kleinen gesündigt? Jeder sündigt, und sogar Sie sündigen, liebes Kind! Aber bei großen Vergehungen und Dreistigkeiten bin ich nie betroffen worden, daß ich mich etwa gegen die gesetzliche Ordnung vergangen oder die öffentliche Ruhe gestört hätte; dabei bin ich nie betroffen worden; so etwas ist bei mir nicht vorgekommen; beinah hätte ich sogar ein Kreuzchen erhalten –, na, aber davon ist weiter nichts zu sagen! Das alles müßten Sie doch wissen, liebes Kind, und auch Gogol hätte es wissen müssen; wenn er es einmal unternahm, das zu schildern, dann war es seine Pflicht, sich über alles zu orientieren. Nein, das hätte ich von Ihnen nicht erwartet, liebes Kind, nein, liebe Warwara! Gerade von Ihnen hätte ich das nicht erwartet! 95

Wie? Dann könnte unsereiner ja nicht einmal mehr friedlich in seinem noch so geringen Kämmerchen leben? Ich trübe, wie man sich ausdrückt, kein Wässerchen und komme niemandem zu nahe und lebe in Gottesfurcht und Selbsterkenntnis, möchte aber auch, daß mir keiner zu nahe kommt. Aber nein, auch in mein Hundeloch dringen diese Menschen ein und revidieren: wie ich bei mir zu Hause lebe, und ob ich zum Beispiel eine gute Weste habe, und ob ich das nötige Unterzeug habe, und ob ich Stiefel besitze, und wie sie besohlt sind, und was ich esse und trinke, und was ich abschreibe. Und was ist denn dabei, liebes Kind, daß ich zum Beispiel da, wo das Pflaster schlecht ist, manchmal auf den Fußspitzen gehe, um die Stiefel zu schonen? Wozu braucht man von seinem Mitmenschen zu schreiben, daß er manchmal aus Mangel an Geld keinen Tee trinke? Als ob alle Menschen unbedingt verpflichtet wären, Tee zu trinken! Gucke ich denn etwa jedem in den Mund, um zu sehen, was für einen Bissen er kaut? Wen habe ich denn in dieser Weise beleidigt? Nein, liebes Kind, was hat man für ein Recht, andere zu beleidigen, die einem nicht zu nahe getreten sind? Na, da haben Sie gleich ein Beispiel, wie es einem geht: Man tut im Dienst eifrig und gewissenhaft seine Schuldigkeit, so daß einen sogar die Vorgesetzten achten (denn daß sie das tun, glaube ich unter allen Umständen sagen zu können), und da konterfeit einen nun jemand ohne alle erkennbare Ursache mir nichts dir nichts vor aller Augen in einem Pasquill ab. Gewiß, es ist wahr, wenn man sich manchmal etwas Neues hat machen lassen, dann freut man sich und kann vor Freude nicht schlafen; ein Paar neue Stiefel zum Beispiel zieht man mit einem wahren Wonnegefühl an; das ist richtig, das habe ich selbst empfunden; denn es ist angenehm, seinen Fuß in einem feinen, eleganten Stiefel zu sehen; das ist naturgetreu geschildert! Aber ich wundere mich doch aufrichtig darüber, wie unser Fjodor Fjodorowitsch ein solches Buch hat achtlos durchgehen lassen und nicht in seinem Interesse dagegen Einspruch erhoben hat. Er ist ja freilich für seine hohe Stellung noch recht jung und findet manchmal Vergnügen daran, seine Beamten 96 anzuschreien; aber warum soll er das auch nicht tun? Warum soll er unsereinen nicht ausschelten, wenn das nun einmal notwendig ist? Na ja, er schilt ja allerdings mitunter auch bloß so, um den richtigen Ton aufrechtzuerhalten; na, aber auch für den Ton ist das notwendig; man muß die Leute dressieren, ihnen gleichsam mit dem Stocke drohen; denn unter uns gesagt, liebe Warwara, ohne Stock im Hintergrunde tut unsereiner nichts; jeder möchte nur bei einer Behörde angestellt sein und das Gehalt schlucken, sich aber die Arbeit vom Leibe halten. Da es aber verschiedene Rangstufen gibt und jede Rangstufe eine ihr genau entsprechende Art von Schelte verlangt, so ergibt sich daraus ganz naturgemäß ein vielfach abgestufter Ton des Scheltens; das liegt in der Ordnung der Dinge! Darauf beruht doch die Welt, liebes Kind, daß wir alle immer einer den andern kommandieren und jeder von uns einen andern ausschilt. Ohne diese Vorsichtsmaßregel könnte die Welt nicht bestehen, und mit der Ordnung wäre es vorbei. Ich wundere mich aufrichtig darüber, daß Fjodor Fjodorowitsch eine solche Beleidigung hat unbeachtet hingehen lassen!

Und was hat es für einen Zweck, so etwas zu schreiben? Wozu ist das nötig? Fällt es deswegen einem der Leser ein, mir einen Mantel machen zu lassen oder mir ein Paar neue Stiefel zu kaufen? Nein, liebe Warwara, er liest es durch und verlangt noch gar eine Fortsetzung. Man gibt sich ja manchmal Mühe, seine schwachen Seiten zu verheimlichen und zu verbergen, und vermeidet es, sich irgendwo blicken zu lassen, weil man die üble Nachrede fürchtet, und weil die Leute alles mögliche in der Welt zu einem Pasquill verarbeiten – und nun wandert doch einem sein ganzes privates, häusliches Leben durch die Literatur; alles ist gedruckt, wird gelesen, belacht, bespöttelt! Man kann sich nicht einmal mehr auf der Straße zeigen; in der Novelle ist ja alles so genau geschildert, daß man unsereinen jetzt schon am bloßen Gange erkennt. Na, und wenn der Verfasser wenigstens gegen das Ende hin sich ein bißchen korrigiert, hier und da eine Abmilderung angebracht und zum Beispiel nach jener Stelle, wo dem armen Beamten Papierschnitzel 97 auf den Kopf gestreut werden, die Bemerkung hinzugefügt hätte, daß er doch ein tugendhafter, braver Bürger war und solche Behandlung von seiten seiner Kollegen nicht verdiente und seinen Vorgesetzten gehorchte (hier ließ sich irgendein Beispiel anführen) und niemandem Böses wünschte und an Gott glaubte und bei seinem Tode beweint wurde – wenn er ihn denn nun einmal durchaus sterben lassen wollte. Aber das Beste wäre allerdings gewesen, den armen Kerl nicht sterben zu lassen, sondern es so einzurichten, daß sein Mantel wiedergefunden wurde, und daß Fjodor Fjodorowitsch, nein doch, was sage ich! daß jener General Näheres über seine Tugenden erfuhr, seine Versetzung in seine eigene Kanzlei erwirkte, ihm einen höheren Rang verlieh und ihm ein gutes Jahresgehalt gab; sehen Sie, dann wäre es so herausgekommen: Das Böse wäre bestraft worden, und die Tugend hätte triumphiert, und seine Kollegen in der Kanzlei wären alle leer ausgegangen. Ich zum Beispiel hätte es so eingerichtet; denn so, wie die Erzählung jetzt ausgeht, was ist denn daran Besonderes und Schönes? Es ist ja bloß ein wertloses Beispiel aus dem ganz gewöhnlichen, alltäglichen Leben. Und wie haben Sie mir nur ein solches Buch schicken mögen, meine Beste? Das ist ja ein boshaftes Büchelchen, liebe Warwara; das ist geradezu unnatürlich, weil es einen solchen Beamten überhaupt nicht geben kann. Nein, ich werde eine Beschwerde einreichen, liebe Warwara; ich werde eine formelle Beschwerde einreichen.

Ihr gehorsamster Diener

Makar Dewuschkin.

 

Den 27. Juli.

Geehrter Herr Makar Alexejewitsch!

Die letzten Ereignisse und Ihre Briefe haben mich erschreckt, überrascht und in verständnisloses Staunen versetzt; aber Fedoras Erzählungen haben mir alles klargemacht. Aber warum mußten Sie denn gleich so verzweifeln, wie Sie es getan haben, und plötzlich in einen solchen Abgrund stürzen, Makar Alexejewitsch? Ihre Erklärungen 98 haben mich durchaus nicht befriedigt. Sehen Sie nun ein, daß ich recht hatte, als ich ernstlich wünschte, die vorteilhafte Stelle anzunehmen, die mir angeboten wurde? Obendrein ängstigt mich auch mein letztes Abenteuer nicht wenig. Sie sagen, Ihre Liebe zu mir habe Sie veranlaßt, manches vor mir geheimzuhalten. Daß ich tief in Ihrer Schuld war, sah ich auch schon damals, als Sie versicherten, Sie gäben für mich nur erspartes Geld aus, das Sie, wie Sie sagten, für jeden Fall auf der Sparkasse liegen hätten. Jetzt aber, wo ich erfahren habe, daß Sie überhaupt kein Geld besaßen, und daß Sie, als Sie zufällig von meiner ärmlichen Lage erfuhren, dadurch gerührt Ihr Gehalt für mich ausgaben und sich einen Vorschuß geben ließen und während meiner Krankheit sogar Ihre Garderobe verkauften, – jetzt bin ich durch die Aufdeckung aller dieser Tatsachen in eine so peinliche Lage versetzt, daß ich bis jetzt noch nicht weiß, wie ich das alles aufnehmen und was ich darüber denken soll! Ach, Makar Alexejewitsch! Sie hätten es bei Ihren ersten Wohltaten, die Ihnen Ihr Mitleid und Ihre verwandtschaftliche Liebe eingaben, bewenden lassen und nicht nachher Geld für unnötige Dinge verschwenden sollen. Sie haben an unserer Freundschaft Verrat begangen, Makar Alexejewitsch, weil Sie nicht offen gegen mich waren, und jetzt, wo ich sehe, daß Sie Ihr letztes Geld für mich ausgegeben haben, für Toilettengegenstände, Konfekt, Ausflüge, Theaterbillette und Bücher, jetzt bezahle ich alles dies teuer mit der Reue über meine unverzeihliche Leichtfertigkeit (denn ich habe das alles von Ihnen angenommen, ohne mir um Sie selbst Sorge zu machen), und alles das, womit Sie mir ein Vergnügen machen wollten, hat sich jetzt in Leid für mich verkehrt und nur ein fruchtloses Bedauern zurückgelassen. Ich hatte Ihre Niedergeschlagenheit in der letzten Zeit sehr wohl bemerkt; aber obgleich ich selbst voll Kummer irgend etwas Schlimmes erwartete, so kam mir doch das, was sich jetzt ereignet hat, nicht in den Sinn. Wie konnten Sie nur bis zu einem solchen Grade den Mut sinken lassen, Makar Alexejewitsch! Was werden jetzt alle, die Sie kennen, von Ihnen denken und sagen? Sie, den ich und alle 99 wegen Ihrer Herzensgüte, Bescheidenheit und Wohlanständigkeit hochachteten, Sie haben sich jetzt plötzlich einem so häßlichen Laster ergeben, das, soviel ich weiß, bisher nie an Ihnen wahrgenommen war. Wie wurde mir zumute, als mir Fedora erzählte, man habe Sie in betrunkenem Zustande auf der Straße gefunden und mit Hilfe der Polizei nach Hause gebracht! Ich war starr vor Staunen, obgleich ich etwas Ungewöhnliches erwartet hatte, da Sie schon vier Tage verschwunden waren. Aber haben Sie denn gar nicht daran gedacht, Makar Alexejewitsch, was Ihre Vorgesetzten sagen werden, wenn sie den wahren Grund Ihres Ausbleibens erfahren? Sie sagen, daß alle über Sie lachen, daß alle von unseren Beziehungen gehört haben, und daß Ihre Nachbarn auch mich in ihren Spöttereien erwähnen. Beachten Sie das nicht, Makar Alexejewitsch, und beruhigen Sie sich; ich bitte Sie inständig darum. Mich ängstigt auch noch die Affäre, die Sie mit diesen Offizieren gehabt haben; ich habe ein dunkles Gerücht darüber gehört. Erklären Sie mir, was es damit auf sich hat! Sie schreiben, Sie hätten sich gescheut, mir alles mitzuteilen; Sie hätten gefürchtet, meine Freundschaft zu verlieren; Sie seien in Verzweiflung gewesen, weil Sie nicht gewußt hätten, wie Sie mir in meiner Krankheit helfen sollten; Sie hätten alles verkauft, um mich zu unterhalten, damit ich nicht ins Krankenhaus gebracht zu werden brauchte; Sie hätten sich Geld geliehen, so viel Sie hätten bekommen können, und hätten jetzt täglich Unannehmlichkeiten mit Ihrer Wirtin, – aber indem Sie mir das alles verheimlichten, haben Sie das Schlechtere gewählt. Jetzt habe ich ja doch alles erfahren. Um mich zu schonen, wollten Sie mich nicht wissen lassen, daß ich an Ihrer unglücklichen Lage schuld war; aber jetzt haben Sie mir durch Ihre Aufführung doppelt soviel Kummer gemacht. Das alles hat mich sehr erschüttert, Makar Alexejewitsch. Ach, mein Freund, das Unglück ist eine ansteckende Krankheit. Die Armen und Unglücklichen müssen einander aus dem Wege gehen, um sich nicht noch mehr anzustecken. Ich habe Ihnen solches Unglück gebracht, wie Sie 100 es früher in Ihrem stillen, einsamen Leben noch nicht erfahren hatten. Alles das quält mich und drückt mich nieder.

Schreiben Sie mir jetzt alles offen, was mit Ihnen geschehen ist, und wie Sie dazu gekommen sind, so etwas zu tun! Beruhigen Sie mich, wenn es möglich ist! Es ist nicht Egoismus, was mich jetzt von meiner eigenen Beruhigung schreiben läßt, sondern meine Freundschaft und Liebe zu Ihnen, die durch nichts aus meinem Herzen getilgt werden können. Leben Sie wohl! Ich erwarte Ihre Antwort mit Ungeduld. Sie haben schlecht von mir gedacht, Makar Alexejewitsch.

Ihre Sie herzlich liebende

Warwara Dobrosjolowa.

 

Den 28. Juli.

Meine teuerste Warwara Alexejewna!

Jetzt, wo alles beendet ist und alles allmählich in den früheren Zustand wieder zurückgekehrt ist, möchte ich Ihnen folgendes sagen, liebes Kind. Sie beunruhigen sich über das, was man von mir denken wird; darauf beeile ich mich, Ihnen mitzuteilen, Warwara Alexejewna, daß mein guter Ruf mir über alles teuer ist. Infolgedessen füge ich dem Eingeständnis meiner Unglücksfälle und all dieser Ordnungswidrigkeiten die Mitteilung hinzu, daß noch keiner meiner Vorgesetzten etwas davon weiß und keiner etwas davon erfahren wird, so daß sie alle vor mir dieselbe Achtung hegen werden wie früher. Ich fürchte nur eines: Klatschereien fürchte ich. Bei uns zu Hause hat die Wirtin zuerst ein Geschrei erhoben; aber jetzt, wo ich ihr mit Hilfe Ihrer zehn Rubel einen Teil meiner Schuld bezahlt habe, brummt sie nur noch, weiter nichts. Was die übrigen anlangt, so ist auch von denen nichts Besonderes zu befürchten; man darf sie nur nicht bitten, einem Geld zu borgen; tut man das nicht, so sind sie harmlos. Zum Schlusse dieser meiner Mitteilungen aber sage ich Ihnen, liebes Kind, daß Ihre Achtung mir höher steht als alles in der Welt, und daß 101 ich mich mit dieser jetzt in meinen zeitweiligen Unannehmlichkeiten tröste. Gott sei Dank, daß der erste Schlag und die ersten Unruhen vorüber sind und Sie mich nicht deswegen für einen treubrüchigen Freund und selbstischen Menschen halten, weil ich Sie bei mir behielt und Sie täuschte; tat ich es doch nur, weil ich nicht imstande war, mich von Ihnen zu trennen und Sie als mein gutes Engelchen liebte. Ich habe mich jetzt wieder eifrig an meine dienstliche Tätigkeit gemacht und suche meine Pflicht gut zu erfüllen. Jewstafi Iwanowitsch hat kein Wort gesagt, als ich gestern an ihm vorüberging. Ich will Ihnen nichts verbergen, liebes Kind, daß mich meine Schulden und der üble Zustand meiner Garderobe schwer bedrücken; aber das ist eine Nebensache, und ich bitte Sie, auch deswegen nicht zu verzweifeln, liebes Kind. Sie schicken mir noch einen halben Rubel. Liebe Warwara, dieser halbe Rubel hat mir das Herz durchbohrt. So hat sich die Sache also jetzt gestaltet; so liegt die Sache jetzt! Jetzt helfe also nicht ich alter Dummkopf Ihnen, mein Engelchen, sondern Sie armes Waisenkind mir! Fedora hat gut daran getan, daß sie Geld beschafft hat. Ich habe vorläufig keine Aussicht, welches zu bekommen, liebes Kind; sobald sich irgendeine Hoffnung zeigt, werde ich Ihnen ausführlich über alles schreiben. Aber die Klatschereien, die Klatschereien, die beunruhigen mich am allermeisten. Leben Sie wohl, mein Engelchen! Ich küsse Ihr Händchen und flehe Sie an, recht bald wieder gesund zu werden. Ich schreibe deswegen nur kurz, weil ich schnell in den Dienst will; denn ich möchte durch Eifer und Fleiß wieder einholen, was ich während meiner schuldhaften Abwesenheit versäumt habe; weitere Mitteilungen über alles Vorgefallene, auch über die Affäre mit den Offizieren, verschiebe ich auf den Abend.

Ihr Sie verehrender und herzlich liebender

Makar Dewuschkin. 102

 

Den 28. Juli.

Liebste Warwara!

Ach, liebe Warwara, liebe Warwara! Jetzt ist aber die Sünde auf Ihrer Seite, und Sie werden sie auf dem Gewissen behalten. Durch Ihren Brief hatten Sie mich vollständig aus der Fassung gebracht und mich ganz verstört, und erst jetzt, nachdem ich in Ruhe in das Innerste meines Herzens hineingeschaut habe, habe ich gesehen, daß ich recht hatte, vollständig recht hatte. Ich rede nicht von meiner Ausschweifung (lassen wir das abgetan sein, liebes Kind!), sondern davon, daß ich Sie liebe, und daß es durchaus nicht unvernünftig von mir war, Sie zu lieben, durchaus nicht unvernünftig. Sie wissen davon nichts, liebes Kind; aber wenn Sie nur wüßten, woher das alles gekommen ist, und warum ich Sie lieben muß; dann würden Sie anders reden. Sie sagten das alles nur so vernunftmäßig; aber ich bin davon überzeugt, daß Sie in Ihrem Herzen ganz anders darüber denken.

Liebes Kind, ich weiß selbst nicht und erinnere mich nicht mehr genau an alles, was ich mit den Offizieren gehabt habe. Ich muß Ihnen bemerken, mein Engelchen daß ich mich bis dahin in der schrecklichsten Verlegenheit befand. Stellen Sie sich vor, daß mein Schicksal schon einen ganzen Monat lang sozusagen nur an einem Faden hing. Meine Lage war eine äußerst bedrängte. Vor Ihnen verbarg ich mich, und zu Hause ebenfalls; aber meine Wirtin machte viel Lärm und Geschrei. Ich hätte mich nicht darum gekümmert; mochte das nichtswürdige Weib schreien; aber erstens war es doch eine Schande, und zweitens hatte sie, Gott weiß wie, von unseren Beziehungen Kenntnis erlangt und schrie dies im ganzen Hause in einer solchen Weise aus, daß ich ganz starr wurde und mir die Ohren zuhielt. Aber leider hielten die andern sich die Ohren nicht zu, sondern benutzten sie im Gegenteil, um möglichst viel zu hören. Ich weiß auch jetzt noch nicht, liebes Kind, wo ich mich vor ihnen lassen soll.

Sehen Sie, mein Engelchen, alles das, dieser ganze Mischmasch von allerlei Nöten, hatte mich völlig kaputtgemacht. 103 Da hörte ich auf einmal von Fedora eine sonderbare Geschichte: Es sei ein gemeiner Mensch zu Ihnen in Ihre Wohnung gekommen und habe Sie durch einen gemeinen Antrag beleidigt; daß er Sie beleidigt, tief beleidigt haben muß, das schließe ich aus meiner eigenen Empfindung, liebes Kind; denn ich selbst fühlte mich tief beleidigt. Da nun, mein Engelchen, wurde ich ganz fassungslos, geriet außer mir und verlor völlig den Kopf. In einer unerhörten Wut, liebe Warwara, lief ich aus dem Hause; ich wollte zu ihm, dem schändlichen Buben, hingehen; ich wußte selbst nicht, was ich tun wollte; denn daß jemand Sie, mein Engelchen, beleidigt, daß dulde ich nicht! Na, mir war traurig zumute: Regen, Schlackerschmutz und der schreckliche Gram! Ich wollte schon wieder umkehren. Da war's, wo ich zu Fall kam, liebes Kind. Ich traf Jemeljan Iljitsch; er ist Beamter, das heißt, er war Beamter; jetzt ist er aber nicht mehr Beamter, weil er bei uns vom Amte entfernt worden ist. Er treibt jetzt ich weiß nicht was und schlägt sich irgendwie durch; mit dem ging ich also zusammen. Da . . . na, wozu soll ich Ihnen das erzählen? Freude kann es Ihnen ja nicht machen, von dem Unglück Ihres Freundes zu lesen, von seinen Nöten und von den Versuchungen, die er zu erleiden hatte. Am dritten Tage abends (Jemeljan hatte mich aufgestachelt) ging ich zu ihm, zu dem Offizier. Seine Adresse hatte ich mir von unserm Hausknecht sagen lassen. Da nun einmal die Rede auf ihn gekommen ist, liebes Kind, so will ich noch bemerken, daß ich auf diesen jungen Menschen schon lange ein Auge hatte und ihn beobachtete, als er noch bei uns im Hause wohnte. Jetzt sehe ich freilich ein, daß ich mich unpassend benommen habe, weil ich nicht nüchtern war, als ich mich bei ihm melden ließ. Was dann weiter geschah, darauf kann ich mich wirklich nicht mehr besinnen; ich erinnere mich nur, daß sehr viele Offiziere bei ihm waren; oder ob ich sie doppelt sah – Gott weiß. Ich habe auch nicht mehr im Gedächtnis, was ich sagte; ich weiß nur, daß ich in meiner gerechten Entrüstung viel sprach. Na, dann jagten sie mich hinaus und warfen mich die Treppe hinunter, das heißt, nicht daß sie mich richtig 104 hinuntergeworfen hätten, sondern sie stießen mich nur so aus dem Zimmer. Wie ich nach Hause zurückkam, das wissen Sie schon, liebe Warwara; sehen Sie, das ist die ganze Geschichte. Gewiß, ich habe mich sehr blamiert, und mein Ehrgefühl hat schwer gelitten; aber es weiß es ja doch niemand; von Unbeteiligten weiß es niemand als Sie; na, und dann ist es doch ganz ebenso, wie wenn es gar nicht geschehen wäre. Vielleicht habe ich darin recht, liebe Warwara; wie denken Sie darüber? Ich kenne zuverlässig einen ähnlichen Fall: Im vorigen Jahre wurde bei uns auf der Kanzlei Axenti Ossipowitsch in derselben Weise gegen Pjotr Petrowitsch tätlich, aber im geheimen; er tat es im geheimen. Er rief ihn in das Zimmer des Hauswarts (ich sah alles durch eine Ritze), und da verfuhr er mit ihm, wie es nötig war, aber in anständiger Weise, da es niemand außer mir sah; na, und daß ich es sah, schadete nichts; das heißt, ich will sagen, ich habe es niemandem mitgeteilt. Na, und nachher taten Pjotr Petrowitsch und Axenti Ossipowitsch, als wäre nichts vorgefallen. Wissen Sie, Pjotr Petrowitsch besitzt ein großes Ehrgefühl und hat daher niemandem etwas davon gesagt; und so grüßen Sie denn jetzt einander freundlich und drücken sich die Hände. Ich bestreite es nicht, ich will nicht mit Ihnen darüber streiten, liebe Warwara, daß ich tief gefallen bin; und was das allerschrecklichste ist, ich habe in meiner eigenen Achtung verloren; aber das ist mir gewiß schon bei der Geburt so bestimmt worden; das ist gewiß so mein Schicksal, und seinem Schicksal kann, wie Sie selbst wissen werden, niemand entgehen. – Na, da haben Sie nun also eine ausführliche Darlegung meines Unglücks und meiner Leiden, liebe Warwara; sie sehen, es ist alles von der Art, daß man nichts verliert, wenn man es nicht liest. – Ich bin recht krank, liebes Kind, und habe meine ganze Frische verloren. So verbleibe ich jetzt mit der Versicherung meiner Anhänglichkeit, Liebe und Verehrung, geehrtes Fräulein Warwara Alexejewna,

Ihr gehorsamster Diener

Makar Dewuschkin. 105

 


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