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Greifen wir noch einmal auf die Zeit zurück, in der Gutenberg in Straßburg weilte und sich bereits mit den Arbeiten beschäftigte, von denen wir annehmen müssen, daß sie zu der Erfindung des Schriftschnittes und -gusses in Beziehung standen. Ob Gutenberg in Straßburg schon Bücher druckte, ist mit Bestimmtheit nicht zu sagen, denn aus seinem damaligen Aufenthalt ist bis heut noch kein einziger Druck – nicht einmal ein Fragment – bekannt geworden. Es ist aber aus einer Reihe von Anzeichen darauf zu schließen, daß kleinere Druckschriften herausgekommen sind. Aus der Aussage, die Hans Dünne macht, geht hervor, daß er für Gutenberg mit Arbeiten für die Erfindung beschäftigt war und damit Geld verdiente. Es ist ferner im Prozeß die Rede von »Formen«, die bei den Gesellschaftern abgeholt wurden und die Gutenberg einschmelzen ließ; ebenso wird von der »Presse« gesprochen, aus oder von der die »Stücke« entfernt und auseinander-genommen werden sollten, so daß niemand wisse, was es sei. Unter diesen »Stücken« können wir uns Satz vorstellen, der in der Presse abgedruckt werden sollte; es kann aber auch ein Rahmen, der aus einzelnen Stücken bestand und mit »würbelin« zusammengehalten war, und schließlich kann auch damit das Gießinstrument gemeint sein. Genügend Klarheit ist aus den unzureichenden Angaben nicht zu erhalten. Gutenberg hatte seine Gesellschafter zur Geheimhaltung über die Arbeiten und Zwecke ihrer Vereinigung verpflichtet. Er gab ihnen aber nicht Gelegenheit, mit solchen Künsten Geld zu verdienen, die sie bei andern Goldschmieden lernen konnten (deshalb hätte er nicht nötig gehabt, den Zwang der Verschwiegenheit auszuüben), sondern es müssen Arbeiten ausgeführt worden sein, die nicht jedem zünftigen Goldschmiede geläufig waren. Für diese verpflichtete Gutenberg seine Teilhaber zur Verschwiegenheit und ließ sie an dem Gewinn erst teilnehmen, nachdem er geprüft hatte, wieweit er sich auf seine Mitarbeiter verlassen konnte. Daß sie treu waren, beweist der Prozeß Dritzehn – Gutenberg; denn obwohl die Zeugen mit ihren Aussagen nicht zurückhielten, gab doch keiner das Geringste preis.
Gutenberg konnte sich deshalb auf sie verlassen, weil er keine Erfindung ausbeutete, wodurch er dem Staate oder der damals noch mächtigeren Behörde, der Kirche, hätte schaden können; im Gegenteil, seine Teilhaber waren davon überzeugt, daß er mit seinen Arbeiten einen guten Zweck verfolgte, ihnen zu einträglichem Verdienst verhelfen konnte. Der Hauptgrund, weshalb Gutenberg Verschwiegenheit verlangte, blieb die Befürchtung, seine Ergebnisse könnten vorzeitig bekannt werden und andern Veranlassung zur Ausnutzung geben. Aber nicht viel weniger mußte ein Erfinder von so ausgeprägten Eigenschaften wie Gutenberg sie besaß, darum bemüht sein, zu verhindern, daß der Mitwelt Unfertiges vorgelegt würde. Wieviel feilte und besserte er noch, als die Aufgabe längst gelöst war! Ein Druckwerk nach dem andern entstand, und jeder zeigte Vervollkommnungen gegen das vorhergehende; bis zum Ende seines mühevollen und arbeitsreichen Daseins blieb er stets am Verbessern.
Alle Anzeichen und Schlüsse führen zu dem Ergebnis, daß Gutenberg seine ersten Typen aus Bleimatrizen gegossen hat. Versuche, an denen sich hervorragende Schriftgießereien in uneigennütziger Weise beteiligten, haben gezeigt, daß Bleimatrizen sehr wohl den Guß einer beschränkten Anzahl von Typen aushalten. Die Menge der zu gießenden Schrift war für die ersten Drucke, die uns bekannt find, nicht allzu groß. denn bei dem Verfahren, die geschriebenen Originale Seite auf Seite abzusetzen und nur eine Seite allein zu drucken, war ein geringeres Schriftquantum nötig gegenüber dem späteren Verfahren, Teile eines Werkes abzusetzen und danach erst die Seiten zusammenzustellen und dann halbbogenweise zum Druck zu bringen. Beim Türken-Kalender für das Jahr 1455, einem Druck Gutenbergs von sechs Blättern, wovon die drei letzten Seiten unbedruckt blieben, hatten nicht mehr als zwei Seiten auf einmal im Satz vorzuliegen. Dazu hätten 170 bis 200 gemeine e schon ausgereicht, wenn man annimmt, daß die Ligaturen und Buchstaben mit Kürzungszeichen nicht als besondere Typen aus einer besondern Mater gegossen wurden, vielmehr die Typen nur auf die Höhe des Bildes der Gemeinen ohne Oberlängen hergestellt und die Kürzungsstriche darüber gesetzt wurden.
Bei dem genannten Türken-Kalender kommen Typen vor, bei denen der Kürzungsstrich teils nach vorn, teils nach hinten überragt; er ist entweder nach links parallel oder auch trapezförmig abgeschrägt. Es können also übergesetzte, nach Art der hebräischen Akzente verwendete Zeichen sein. Doch ist die Linie der Typen ziemlich gleichmäßig, was bei Anwendung des genannten Verfahrens kaum möglich gewesen wäre. das Bild der Typen weist auch Fehler und Mängel auf, so daß man auf eine größere Zahl von Matern schließen muß. Die Type hat beim Guß mehr oder weniger und außerdem beim späteren Bearbeiten gelitten.
Daß Gutenberg seine ersten brauchbaren Stempel aus Stahl anfertigte, müssen wir als bestimmt annehmen. Vielleicht hat er seine ersten Versuche mit Messingstempeln gemacht und ist dann zu Stahlstempeln übergegangen, die beim Abformen oder Einschlagen in das Maternmetall ungleich widerstandsfähiger waren und schärfere Matern ergaben, ihn auch in die Lage versetzten, neue, beliebig viele Matern anzufertigen, wenn diese beim Guß schadhaft geworden waren. Die Anfertigung von Stempeln in Stahl bot dem Goldschmied und Metallgraveur Gutenberg sicher keine Schwierigkeiten.
Daß er seine Matern mittels Gravur hergestellt hat, erscheint ganz ausgeschlossen, denn die vertieft gelagerte Fläche der Mater vollständig eben zu gravieren, verlangte hohes, technisches Können und hatte schon an dem Fehlen jedes genauen Meßwerkzeuges scheitern müssen. Darum wird der Erfinder, den seine metalltechnischen Kenntnisse förmlich dazu herausforderten, sehr bald zum Schnitt von Stahlstempeln übergegangen sein, bei deren Herstellung ihm keine Schwierigkeiten erwuchsen; das positive Bild der Type in seiner bequem lesbaren Form zu schneiden, war bedeutend leichter und führte immerhin schneller zum Ziel. dagegen mußte der Erfinder schon beim Schnitt des Stempels auf die spätere Verwendung zum Abschlagen der Mater und den Guß erheblich mehr Rücksicht nehmen, als dies heut der Fall ist. das äußerst unvollkommne Gießinstrument, dessen sich Gutenberg bedient haben wird, ließ den Guß des Buchstabens nur in der Form zu, wie sie in Linie, Weite bzw. Dickte durch die Mater bedingt war. Er mußte also schon beim Stempelschnitt auf diese Punkte achten, um sich bei der weiteren Verwendung vor größeren Schwierigkeiten zu bewahren, während der heutige Stempelschneider aus Linie- und Weitestellung weniger Rücksicht zu nehmen brauch; das besorgt der Mechaniker (Justierer) bei den durch Stempeleinprägung hergestellten Matern, die einer äußerst sorgfältigen Bearbeitung bedürfen, bevor sie dem Gießer übergeben werden können und die um so peinlicher sein muß, je vollkommener der Maschinentyp ist.
Die ersten Matern, die Gutenberg zum Guß verwendete, müssen wir uns in Kompositionsmetall mittels Messingstempeln eingeschlagen hergestellt denken. die Matern in Hart-(Kompositions-) Metall eignen sich sehr gut zum Guß einer beschränkten Zahl von Typen, wie wir durch Versuch selbst festgestellt haben, und zwar um so mehr, weil das primitive Instrument ein starkes Erhitzen der Mater nicht verursachte und das Gießmetall durch Zusatz von Zinn und Blei genügend flüssig gehalten werden konnte.
Die Maternplättchen brauchten nicht die Höhe der heutigen Matern – etwa l cm – zu haben, denn sie wurden nicht von außen an das Instrument angedrückt, sondern, wie wir später sehen werden, in dieses hineingelegt, und der Guß erfolgte in den Hohlraum, der durch die Wandungen des Gießapparates gebildet wurde und die Typenhöhe umschloß.
Die Linie kam bei den Typen, die Gutenberg zu seinen ersten Drucken verwendete, aus diesem Grunde auch nicht so genau zum Ausdrucks aber das lag lediglich an der Bearbeitung der Mater. Die aus dem feststehenden Instrument gegossenen Typen zeigen diesen Mangel aufs deutlichste, so z. B. beim Weltgericht. Vergleichen wir damit den Guß der Typen zur B 42, so müssen wir uns sagen, daß Gutenberg dazu ein bedeutend verbessertes Instrument verwendet hat und daß er in der Bearbeitung der Matern eine bewunderswerte Fertigkeit erlangt hatte. Zum Guß dieser Typen sind Matern aus Hart-(Kompositions-)Metall nicht mehr verwendet worden, sondern vermutlich Kupfer- oder Bronze-Matern.
Daß die Mater zur B 42, die schon vorher zum Typenguß von Donat- und Kalender-Ducken gebraucht worden war, aus einem ziemlich widerstandsfähigen Material hergestellt war, geht daraus hervor, daß ein auf dem Körper schief stehendes d in allen diesen Drucken gefunden wird. das läßt darauf schließen, daß Kupfermatern Verwendung gefunden haben, und das würde zu dem weiteren Schluß führen, daß mit Stahlstempeln gearbeitet wurde. Die Mater hat demnach zum Abgießen einer größeren Menge von Typen gedient und wurde vielleicht deshalb nicht neu angefertigt, weil sie aus schwieriger zu bearbeitendem Metall bestand oder andere, wichtigere Arbeiten vorgingen. Es bleibt noch die dritte Annahme, daß dieser Bibeldruck von einem Drucker herrührt, dem die Matern nicht zugänglich waren – der sich also mit den vorhandenen Typen behelfen mußte.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß Gutenberg sich zur Anfertigung seiner ersten Typen eines Verfahrens bediente, das mit Hilfe des Formsandes ausgeführt wurde. Dem Metalltechniker wird auch dieses Verfahren nicht unbekannt gewesen sein. Wegen der Unzulänglichkeit desselben wird er die Versuche damit sehr bald aufgegeben haben, um Stempelschnitt und Maternherstellung zu bevorzugen, die ihm günstigere Ergebnisse in Aussicht stellten.
Was den Charakter der Type selbst anbetrifft, so war es sein Bestreben, das geschriebene Schriftbild in die starre Form des gedruckten, im Raum scharf umrissenen Buchstabens zu übertragen und dem Vorbild so nahe als möglich zu kommen. Das war für den Erfinder nicht leicht, weil ihm keine Anhaltspunkte gegeben waren. Ohne eine gewisse Schablone, ohne Vereinheitlichung der Charaktere konnte es dabei nicht abgehen; aber der Schöpfer der gotischen Druckschrift ging darin nie zu weit, das Wesentliche wußte er zu bewahren und auch die Nachbildung der Feinheiten wurde von ihm nicht vernachlässigt. Er hat sich dabei ein Schriftsystem ausgebildet, das wir nach den heutigen Begriffen als zu verwickelt und zu vielseitig bezeichnen müssen. Konnte dies aber anders der Fall sein bei der Nachschöpfung einer aus Willkürlichkeiten zusammengesetzten Schreibschrift? Wieviel Schwierigkeiten bereitete ihm allein der gleichmäßige Abstand der Typen voneinander, wenn der Raum zwischen den Grundstrichen, den senkrechten Balken gewahrt bleiben sollte! Schon von Anfang an war der Erfinder bemüht, diesen Abstand überall gleichmäßig zu gestalten. Wortverbindungen, in denen fe, fo, se, so oder ähnliche Typenbilder vorkamen, mußten sein fein entwickelten Gefühl für Schrift beleidigen, und diesem, durch Unzulänglichkeit seiner Meßinstrumente hervorgerufenen Übelstand mangelhafter Stellung mußte durch Abschleifen und Unterfeilen der ohne Überhang gegossenen Typen abgeholfen werden. Andrerseits wurde eine gewisse Anzahl von Typen als Anschluß- und spitzköpfige Formen ausgebildet, d. h. diese erhielten nicht den üblichen Anstrich von links oben nach rechts unten, sondern letzterer kam in Wegfall und die Type wurde nach vorn ganz scharf gestellt.
Beim Guß mußte auch das ausgefallene n durch Strich über dem Vokal Berücksichtigung finden. Hier mag sich der Erfinder bei den ersten Typen durch Abschneiden des Fleisches und Übersetzen des Striches geholfen haben; aber die Menge der auf diese Weise zu bearbeitenden Typen wurde immer größer und der Strich wurde daher mitgeschnitten und gegossen: zuerst über der Mitte des Buchstabens, und als es sich zeigt, daß die überhängenden Buchstaben störend sind, rückt der Strich mehr nach rechts, um Platz zu schaffen für den ausladenden Kopf der vorhergehenden Type. Dazu kommt die Schaffung doppelter Formen einzelner Buchstaben, die man schon bei der Type zum Weltgericht beobachten kann: das t mit breitem und mit schmalem Querstrich, das b mit kleinem Häkchen am ersten Balken und ein solches ohne dieses Häkchen, das s mit schrägem und flachem Kopf-Querstrich. Ganz auffällig ist die Zahl der verschiedenen i-Formen, die durch den Bogen über dem Grundstrich unterschieden sind; teils sitzt der Bogen genau über der Mitte, teils links, teils rechts davon; es mußte hierbei auf die Anschlußmöglichkeit nach beiden Seiten Rücksicht genommen werden. Der Erfinder war mit der Anfertigung von Matern nicht sparsam.
Daß die überhängend gegossene s-Type nur in der Hand eines verständigen Setzers die entsprechende Verwendung fand, beweist das Missale speciale, bei dem alle s-Typen abgeschliffen sind; der überhängende Teil ist stark verkürzt. Man kann nicht einmal sagen, daß die gekürzte Form weniger in die Schrift passe.
Die Zahl der Ligaturen, die weit umfangreicher war, als die heutigen Schrift-Alphabete sie enthalten, brachte eine weitere Erschwernis und dem Erfinder umfangreiche Arbeit und Aufenthalt durch die Anfertigung von Stempeln und Matern. Aber er ließ sich nicht durch unzureichende Hilfsmittel das Wortbild verderben, und wenn einige Ligaturen – wie do, de – im Anfang durch Anfeilen entstanden sein mögen, so waren dies sicher nur Ausnahmefälle. Den Erfinder konnten solche Behelfe nicht befriedigen; eine minderwertige Arbeit zu leisten, wäre ihm nicht möglich gewesen. Der spätere Besitzer der B 36-Type, dem vermutlich die Stempel und Matern nicht zur Verfügung standen und der auch die Absichten des Schriftschneiders nicht vollauf zu würdigen verstand, wußte sich auf eine Weise zu helfen, die freilich dem Schriftempfinden des Schöpfers nicht entsprach.
Auffällig muß es immerhin erscheinen, daß bei den vielen Neuschnitten mitunter Formen entstanden, die über die Majuskeln hinwegragten; dadurch erscheinen erstere als nicht ganz zur Type gehörig. Der Rubrikator hielt sich aber in der Höhe der Majuskeln auch nicht so genau an das Schriftbild, und daher mag der Erfinder sich nicht daran gestoßen haben, wenn diese Formen entstanden; auch hier wurde grundsätzlich die Nachbildung der Handschrift angestrebt, und die Buchstaben fanden Verwendung.
Haben wir bei den Druckwerken, die mit der DK-Type hergestellt wurden, den Erfinder von Anbeginn seines Schaffens beobachten können, sind ihm bei den zahlreichen Versuchen und Verbesserungen gefolgt, so stehen wir bei seiner Schöpfung der B 42-Type vor einer vollendeten Tatsache und müssen zugeben, daß er damit ein weitgestecktes Ziel erreichte und ein Werk von höchster technischer Vollendung schuf. Der Schöpfer der DK-Type ist auch der Verfertiger der B 42-Type, denn der ganze logische Aufbau des Schriftsystems der ersteren Type wiederholt sich hier in verbesserter Form, in der peinlich genauen Durchbildung und technischen Sorgfalt. Fust und Schöffer wären dieser Riesenleistung allein niemals gerecht geworden. Von Fust war überhaupt die praktische Betätigung im Druckereibetrieb nicht zu erwarten, da er keine technischen Kenntnisse mitbrachte. Wohl hatte Schöffer eine hohe Fertigkeit im Schreiben, war der Übertragung des Schriftbildes auf das Metall auch gewachsen; aber er war weder Schriftschneider noch -Gießer und mußte diese Fertigkeiten von Gutenberg erst lernen, der in jahrelangen Versuchen und Mühen reiche Erfahrungen gesammelt hatte. Für Schöffer war es unmöglich, sich in der verhältnismäßig kurzen Zeit, seit er mit der neuen Kunst in Berührung stand, so zu vervollkommnen, daß er eine Musterleistung wie die B 42, die im Schnitt und Guß der Typen, im Satz und Druck einzig dasteht, allein und ohne Unterstützung aufgebracht hätte.
Was beim Betrachten des Druckes der B 42 besticht, das ist die hohe Leistung hinsichtlich der Einheitlichkeit der Type, der außerordentlich gleichmäßigen Stellung der Grundstriche aller Wortbilder, die nie eine störende Enge oder Weite zeigen und dem gedruckten Text das Ruhige, fast mathematisch Genaue geben. Ein Schreiber hätte wohl das Empfinden dafür gehabt und sich auch die Fertigkeit dazu erringen können, ein Wert wie dieses zu schaffen; dem Schriftschneider und Gießer aber war es um so höher anzurechnen, weil er mit ungezählten Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, wenn er seine Schriftzeichen dem spröden Material in systematischer Form aufzuzwängen sich bemühte.
Die Balken der Buchstaben i, l, m, n waren grundlegend in Gestalt und Abstand und gaben die Richtlinien. Anders verhielt es sich mit den Buchstaben c, e, f, r, t und andern; die schrägen Absätze nach rechts am Kopf und Fuß der Type waren störend, so daß sich der Stempelschneider entschloß, ohne das Bild dadurch undeutlich zu machen, diese zu kürzen, wodurch ihm ermöglicht war, so dicht an die nächste Type heranzugehen, daß der gleichmäßige Grundstrichabstand erreicht wurde. Der Stempelschneider ging sogar noch weiter und ließ bei einer Reihe von Buchstaben – wie b, c, d, f, i, m, n, p, r, s, t, u, v – den vorderen, schrägen Ansatz ebenfalls wegfallen, so daß sie, stumpf anfangend, ein Herantreten der rechts offenen Type – wie c, e, f, r, s, t – ermöglichten und dadurch der fast ideale Grundstrichabstand eintrat: es sind dies sog. spitzköpfige Figuren. Freilich wurde damit die Zahl der Matern erheblich vermehrt, manche Buchstaben auch nicht einmal verbessert; aber das Ergebnis war ihm die Nichtarbeit wert und der regelmäßige Grundstrichabstand war ihm wichtiger als die Regelmäßigkeit der Type. Er strebte damit an, was uns heut noch bei der Schaffung jeder, in sich ausgeglichenen Schrift Grundsatz sein muß, und gab damit eine schöpferische Glanzleistung, die dem ersten Buchdruck zu dem Ansehen verhalf, wie es später so bald nicht wieder erreicht wurde.
Daß es dem Erfinder auf den Schnitt eines Stempels nicht ankam, zeigen die Formen fi, fu, si, su, ft st; ja er schnitt sogar Ligaturen, die unserer Erachtens gar nicht einmal nötig waren, wie da, do, ha, ho und andere, die auch nicht in allen Druckexemplaren vorkamen. Aber er brauchte diese Ligaturen beim Satz, um mit Hilfe dieser und der Abkürzungen Raum zu sparen, die Zeilen auszugleichen und bei normalem Ausschluß zu füllen.
Während des Druckes der ersten Werte wurde dauernd an der Verbesserung der Schriftbildes gearbeitet. Ob Materndefekt oder die Veränderung der Type Veranlassung gab, mag dahingestellt bleiben. Die neugeschaffenen Typen sind meist schmaler gehaltene Ligaturen, seltener neue Formen der Grundtypen. Beim Satz mag sich herausgestellt haben, daß diese Neuschnitte wünschenswert waren. Die Typen der B 42 treten später bei den Ablaßbriefen und selbst nach einem Zeitraum von etwa 40 Jahren noch bei den Schöfferschen Missalien auf: ein Beweis dafür, daß sie noch immer brauchbar waren oder mit Hilfe der vorhandenen Stempel und Matern neu gegossen werden konnten.
Zeigt uns der Guß der B 42-Type den Erfinder in der künstlerischen Vollendung der Schriftbildes aus der Höhe, so bringt uns die Ablaßbrieftype vom Ende des Jahres 1454 den Beweis dafür, daß er gußtechnisch das höchste Ziel erreicht hat. Die Type des 30zeiligen Ablaßbriefes, die wir Gutenberg zuschreiben müssen, zeigt in ihrer gedrungenen Form, im Kegel von 11 Punkten, daß ihm damit die allseitig befriedigende Bauart eines neuen Gießinstruments gelungen und daß er in der Lage war, kleinere Kegel zu gießen. Damit trat nun auch der Zeitpunkt ein, in dem mit Stahlstempeln und Kupfermatrizen gearbeitet wurde; denn wenn es vielleicht möglich war, eine ausreichende Anzahl Typen aus der Bleimatrize zu gießen, so war der Erfolg mit Kupfermatrizen ungleich größer, weil das Metall härter in der Legierung sein konnte und eine höhere Anzahl Drucke aushielt. Dazu kam, daß die Bearbeitung der Stahlstempel viel weniger Schwierigkeiten machte als die Herstellung solcher aus anderem Metall; die Erfahrungen im Stempelschnitt waren soweit fortgeschritten, daß die Behandlung des spröden Stahlmaterials dem Goldschmied und Stahlgraveur nicht schwer fallen konnte. – An Stelle der scharfkantigen Form der gotischen Type tritt eine halbrunde, die Ligaturen sind auf ein Mindestmaß beschränkt; bei der geringen Höhe des Schriftbildes hinsichtlich der Ober- und Unterlängen fallen kleine Ungenauigkeiten der Weitestellung nicht störend auf. Durch ausgesprochenes Ziehen des Grundstriches nach rechts im e ist der weite Abstand dieses Buchstabens vom folgenden vermieden. Das schräggelegte s und ss dagegen fällt aus der Einheitlichkeit des Schriftbildes heraus; diese Form war wohl nur gewählt worden, um den Charakter der Schreibschrift zu betonen. Der Buchstabe ist aber auch in andrer Hinsicht bemerkenswert, weil er zeigt, daß man nun in der Lage war, überhängende Typen zu gießen und das lästige Abschleifen oder Unterschneiden vermeiden konnte, weil das Instrument den Guß dieser Typen mit Überhang zuließ. Denn nicht allein die Ablaßbrieftype auch die späteren Schriftschnitte der Catholicon- und Bibeltype von 1462 zeigen deutlich, daß man bestrebt war, das Schriftsystem zu vereinfachen und daß das Gießinstrument vielseitiger und verwendungsfähiger geworden war. Der Bedarf an größeren Schriftmengen kleineren Kegels war zwingender Grund zur Benutzung von Kupfermatern; nur zum Guß geringeren Schriftbedarfs mag ab und zu die rascher herzustellende Bleimatrize noch Verwendung gefunden haben· Es steht fest, daß mit dem Gebrauch der kleineren Type auch der Druck nicht mehr seitenweise erfolgte, sondern zwei Seiten auf einmal in die Presse und ganze Werke in einer Anzahl von Bogen gleichzeitig in Angriff genommen wurden. Es stand also den Setzern ein umfangreicheres Schriftmaterial zur Verfügung.
Über die Art der Typen, das Aussehen und ihre Beschaffenheit, die Zusammensetzung des Metalls sind uns so gut wie gar keine Angaben aus der Erfinderzeit geworden. Die wenigen Funde von Typen, die beim Einfärben vom Ballen aus dem Satz gezogen wurden und auf der Druckform liegen blieben, beim Druck also mit zum Abdruck kamen, geben zur Genüge ein Bild von der Form, welche sie hatten. Madden entdeckte zuerst in dem von Konrad Winter von Homborch in Köln um 1476 gedruckten Werk Johann de Nidus, Leprae morales, eine solche Type, ebenso später A. Schmidt in der (vermutlich durch Eggesteyn in Straßburg gedruckten) Ausgabe von Petrus Lombardus, Sententiarum Libri quattuor, und in dem Werk Justinian Digestum novum cum glossa, gedruckt durch Berthold Rodt.
Die Type war demnach 21 bis 24 mm lang und 4 bis 5 mm breit. Sie trug am Kopfende, 5 bis 8 mm vom Bild entfernt, eine kreisrunde, 2 bis 3 mm große Vertiefung, die sich mit Farbe gefüllt haben mußte und dadurch auf dem Abdruck einen Fleck ergab, aus dem man schließen wollte, die Type habe dort ein Loch gehabt. Dieser Einschnitt scheint die Signatur gewesen zu sein, die am Kopfe an dieser Stelle angebracht wurde, wonach der Setzer sich beim Greifen richten konnte. Später erst kam die Einkerbung am Fuße auf, wie wir sie noch heut haben, die sich als praktischer erwies. Den ersten Schriftgießern wird der vertiefte Kreis dazu gedient haben, den gegossenen Buchstaben durch einen Draht aus der Mater herauszuziehen.
Das Gießinstrument, das Gutenberg verwendete, müssen wir uns als das denkbar einfachste vorstellen. Jost Amman, von dem wir aus dem Jahre 1568 einen Holzschnitt besitzen, hat ein solches Werkzeug zur Darstellung gebracht. Eine aus zwei rechtwinkligen Teilen bestehende Hülle ist etwas höher, als die Höhe der Schrift dies erforderlich macht, damit die gegossene Type durch Abfeilen des unteren Endes auf die Schrifthöhe gebracht werden konnte, denn einen Angußzapfen hatten die ersten Typen wahrscheinlich noch nicht. Diese Maternhülle, das Instrument, steckte in einem Holzkästchen mit nach unten breit ausladendem Fuße, um Schutz gegen die beim Guß sich entwickelnde Hitze zu geben. In diesem Holzschutzkästchen befand sich eine Öffnung für die Mater, die von außen her in das eingesteckte Instrument eingeführt und festgemacht werden konnte. Der so beschaffene Gießapparat mußte nach dem Guß eines jeden Buchstabens auseinandergenommen werden, um die ausgegossene Type freizulegen. Mit einem derart unvollkommenen Werkzeug wird Gutenberg seine ersten Typen hergestellt haben.
Ein verbessertes Instrument vom Jahre 1771, das uns erhalten geblieben ist, zeigt die beiden, die Mater ausnehmenden Winkelteile sorgfältig aus Eisen gearbeitet und mit Holzschutz verkleidet Sie umschließen die Mater rechtwinklig und lassen nach oben Raum für den Angußkanal. Die Mater wird durch eine kräftige Feder von außen an die Öffnung des Instruments gedrückt; zum Einsetzen der Feder ist an der Mater aus der dem Buchstabenbild abgewendeten Seite eine Vertiefung angebracht. Auch dieses Instrument ist noch unvollkommen; es hat sich aber neben der Handgießmaschine in den Gießereien zum Guß einer beschränkten Anzahl von Typen bis heut erhalten und bewährt.
Daß selbst beim Gebrauch eines solchen verbesserten Apparates mit grober Achtsamkeit gearbeitet werden muß, ist gewiß verständlich. Um in Linie und Weite brauchbare Typen zu erhalten, hat der Gießer sich erst technische Fertigkeiten anzueignen. Wie viel mehr Sorgfalt und Geduld hatte Gutenberg bei seinem viel unvollkommneren Instrument anzuwenden, wenn er völlig befriedigende Ergebnisse erzielen wollte! Daß es ihm möglich war, dafür hat er im Typenmaterial für B 42 und zum Catholicon den überzeugenden Beweis erbracht.