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Wenden wir uns jetzt Herrn v. Bischof zu. Während der Philosoph, schwankend und geschmeidig, in widerspruchsvollen Redewendungen, vielleicht geängstigt von seinem philosophischen Gewissen, sich windet, so daß es schwer ist, eine Handhabe für präcise Widerlegung zu gewinnen, stellt der Anatom klar und prägnant, mit der ganzen Autorität seines ordentlichen Professorenthums bekleidet, seine Sätze auf. Einverstanden mit dem Philosophen spricht er dem Weibe jeglichen inneren Beruf für die Wissenschaft ab und gründet seine Ablehnung, einmal auf den organischen Bau des weiblichen Körpers, und zweitens auf die Gemüths- und Charaktereigenschaften der Frau.
Beschäftigen wir uns zuerst mit dem zweiten Beweis.
Herr von Bischof macht sich denselben außerordentlich leicht, indem er uns mit einem Verzeichniß männlicher und weiblicher Eigenschaften erquickt, die er, nach seinem eigenen Geständniß, erfahrenen Menschenkennern und Psychologen entlehnt hat. Schiller, Kant und Jean Paul sind für solche Zwecke gern herbeigezogene Autoren.
Große Menschen werden darum nicht kleiner, weil sie über Dinge, die in ihrem Zeitalter keiner Forschung unterlagen, die herkömmlichen Gemeinplätze vorbrachten. Plato und Sokrates, die Weisesten ihrer Zeit, hielten die Sklaverei für einen völlig naturgemäßen Zustand, ohne um dessentwillen von Mit- oder Nachwelt getadelt zu werden, während ein moderner Philosoph, der die Sclaverei vertheidigen wollte, seinen Namen mit Schmach bedecken würde.
»Die Zeit«, sagt Heine, »ist eine Sphinx, die sich in den Abgrund stürzt, wenn ihre Räthsel gelöst sind.« Neue Räthsel aber sind nicht mit alten Formeln zu lösen.
Wie vorsichtig sich übrigens Herr v. Bischof vor jeder Annäherung an Originalität hütet, mögen folgende Sätze aus seiner Charakteristik beweisen: »Der Mann ist muthig, kühn, heftig, trotzig, rauh, verschlossen; das Weib furchtsam, nachgiebig, sanft, zärtlich, gutmüthig, geschwätzig, verschmitzt. Der Mann besitzt mehr Festigkeit, das Weib ist wandelbar und inconsequent. Der Mann handelt nach Ueberzeugungen, das Weib nach Gefühlen; die Vernunft beherrscht bei jenem das Gefühl, bei diesem umgekehrt das Gefühl die Vernunft. Das Weib ist schamhafter, und die Regungen des groben Genusses der Sinnlichkeit sind bei ihm in der Regel geringer als bei dem Manne. Seine Sittsamkeit, Demuth, Geduld, Gutmüthigkeit, Aufopferungsfähigkeit, theilnehmende Lebensstimmung, Frömmigkeit sind viel größer als beim männlichen Geschlechte« u.s.w.
Man sieht, Herr v. Bischof begnügt sich mit der Annahme hypothetischer Eigenschaften, die für seine Vorurtheile passen; nimmt als eine bewiesene Theorie an, was erst bewiesen werden müßte, nennt dieses naive Geplauder, dieses herzige auf Treu und Glauben Hinnehmen Beweisführung und knüpft daran unter anderen Folgerungen auch diese: »Der wahre Geist der exakten Naturwissenschaften wird dem Weibe stets verschlossen bleiben.«
Geben wir einmal zu, die Vertheilung der menschlichen Eigenschaften zwischen Mann und Frau, wie Herr v. Bischof sie beliebt, wäre richtig. Unbegreiflich, warum ein Mensch nur mit Erfolg dem Studium obliegen kann, der kühn, heftig, rauh, verschlossen ist, während derjenige, der eines zärtlichen, sanften gutmüthigen, demüthigen, sittsamen, aufopferungsfähigen Gemüthes sich erfreut, dieser Fähigkeit verlustig geht!
Wir finden unter den Männern ebenso viel milde wie trotzige, ebenso viel harte wie weich geartete Gemüther. Der eine Mann zeigt hohen Scharfsinn, der andere bodenlose Dummheit. Ich wüßte keinen Gegensatz der Charaktere, den man nicht unter den Männern selber fände.
Und solange man nicht alle milden, geduldigen, aufopferungsfähigen, keuschen Individuen des männlichen Geschlechtes, als des Studiums unwürdig, aus den Staatsämtern entfernt, aus den Tempeln der Wissenschaft vertreibt, so lange sehe ich keinen Grund, um dieser Eigenschaften willen die Frauen von den Segnungen der Wissenschaft auszuschließen.
Ja, sollte es einem Unbefangenen nicht fast scheinen, als ob es wenige Beschäftigungen des Friedens gäbe, bei denen nicht Geduld, Sanftmuth, Aufopferungsfähigkeit besser am Platze wären, als Rauhheit, Trotz und Heftigkeit?
Bei Charakterschildereien à la Bischof fehlt es niemals an ungereimten Widersprüchen. Man gestatte mir einige in die Augen springende Beispiele anzuführen, denen wir überall, wo von weiblichen Eigenschaften die Rede ist, begegnen.
Stets finden wir bei derartigen Charaktergemälden den Nachdruck auf die sinnliche Natur der Frau gelegt, vermöge welcher ihr jede Fähigkeit zur Abstraktion und zum Denken abgehen soll. Die Verfasser des allgemeinen Landrechts sagen (zur Rechtfertigung einer Gesetzgebung, die die Frauen als unmündig betrachtet): Es wird schwerlich geleugnet werden können, daß bei dem andern Geschlecht, im Ganzen genommen, ein höheres Uebergewicht von Sinnlichkeit obwaltet u.s.w.
Mit einem Mal aber, wo diese Eigenschaft den Männern für ihr Lebensglück nicht passend erscheint, und wo sie lieber selber sinnlich sind, da gebieten sie der Frau ein Halt und sprechen: Allerdings, du bist ein unvernünftig sinnliches Geschöpf; aber in geschlechtlicher Beziehung bist du es nicht, da sind wir die sinnlichen, so will es die Natur, merk’ es dir, du hast also keine Entschuldigung für irgend welche Abweichung vom Pfade der Tugend auf diesem Gebiet.
Ein andrer Widerspruch: »Die Frau ist sanft und geduldig, der Mann ist heftig.« Ist Heftigkeit ein Beweis davon, daß die Vernunft die Gefühle beherrscht? Oder sollte sie vielleicht umgekehrt das Resultat einer Mischung von Seelenkräften sein, bei welcher die Gefühle den Sieg über die Vernunft davon tragen? Die Antwort darauf überlasse ich meinen Lesern.
Ich rathe Jedermann, anstatt verstorbene Menschenkenner aus der Tiefe seines Gedächtnisses heraufzubeschwören, sich einfach auf das Zeugniß seiner Sinne zu verlassen.
Herr Professor, können Sie mit gutem Gewissen behaupten, daß Sie sich jemals in Ihrem Leben um das Geistesleben irgend einer Frau gekümmert haben? Ich muß sogar annehmen, daß Sie nicht einmal irgend einem Dienstmädchen in Ihrer Eigenschaft als Hausherr näher getreten sind, sonst wäre Ihnen sicher das Wort von der Sanftmuth, Demuth und Aufopferungsfähigkeit des weiblichen Geschlechtes in der Kehle stecken geblieben, es müsste denn sein, daß München sich im Besitz eines ganz besonderen und mir unbekannten weiblichen Geschlechts befände. Ich wenigstens habe mich noch nie in meinem Leben – und leider ist von demselben schon mehr verflossen, als mir lieb ist – einer demüthigen, aufopfernden und milden Köchin erfreut.
Deutsche Männer bekümmern sich in der Regel um das, was Frauen thun und denken, nur einmal in ihrem Leben, in ihrer Jugend nämlich, wenn sie verliebt sind – welche Seelenstimmung nicht einmal zur Kenntniß dieses einen weiblichen Exemplars beizutragen pflegt. Und nun vollends ein deutscher Universitätsprofessor, der immer lernen muß, wo soll der Zeit und Lust zu dergleichen Beobachtungen hernehmen? Wenn ein Solcher bei einem opulenten Diner zu dem amusanten Geschwätz seiner Nachbarin lächelt, so hat er sich sehr leutselig gegen das andere Geschlecht betragen. Eine weitere Beachtung schenkt er dem »Frauenzimmer«, wie er es noch immer zu nennen liebt, nicht.
Unleugbar ist freilich, daß Beschäftigung, Erziehung und Lebensweise auf die Entwickelung von Charaktereigenschaften den allerwesentlichsten Einfluß üben. Die Frau, in ihrer jetzigen socialen Stellung, hat wenig Gelegenheit, gewisse Eigenschaften zu entwickeln und anzuwenden. Und ich glaube selber, daß die Salondame, die sich nie in das Getriebe der Menschen begeben hat, wenig Willen und wenig Thatkraft zeigen wird. Eine gewisse Sanftmuth oder Indolenz des äußeren Wesens wird sich häufig als Merkmal ihrer ausgepolsterten Existenz bei ihr einstellen, und der zarte Parfum ihres Charakters und ihres Schnupftuches wird nicht verfehlen, sie in den Augen erfahrener Menschenkenner und Psychologen mit der Aureole edler Weiblichkeit zu schmücken.
Können Sie sich aber, Herr v. Bischof, die Besitzerin eines Wirthshauses demüthig, zart, geduldig u.s.w. vorstellen? Oder wenn Ihre Solidät Ihnen verbietet, Wirthshäuser zu besuchen, so treten Sie sonst irgendwo hinaus aus Ihrer Studirstube auf den Markt des Lebens, oder auch nur auf den Markt am Schillerplatz oder auf dem Dönhofsplatz in Berlin, und unterfangen Sie sich, durch irgend eine stark ausgeprägte Eigenthümlichkeit, eine vornehm zerstreute Miene, einen alterthümelnde Neigung verrathenden Hut, einen originellen Paletot u.s.w. die Aufmerksamkeit der dort sitzenden Mitglieder des schönen Geschlechts auf sich zu ziehen – armer Herr Professor, ich vermuthe, das Spießruthenlaufen Ihrer werthen Persönlichkeit zwischen den Zungen dieser weiblichen Naturkinder würde Ihr liebes Urtheil über angeborne Frauenmilde wesentlich modificiren!
Die deutschen Männer thun immer, als kämen, wo es sich um Frauen handelt, überhaupt nur deutsche Frauen in Betracht. (Gerathen sie einmal ins Ausland, pflegen sie allerdings äußerst schnell ihre Meinung zu ändern.) Wer könnte nun behaupten, ohne sich lächerlich zu machen, daß Spanierinnen, Französinnen, Creolinnen und andere gluthaugige Südländerinnen sanften, geduldigen, nachgiebigen Temperaments seien? Und wahrlich, sie sind Frauen so gut wie die phlegmatischen Nordländerinnen. Tausende von Frauen sind klüger, heftiger, muthiger als Tausende von Männern, und Tausende von Männern sind sanfter, aufopferungsfähiger, gutmüthiger als Tausende von Frauen.
Aus gewissen Gemüthseigenschaften der Frau aber Barrikaden bauen zu wollen, um die Männer zu schützen vor einem etwaigen Einbruch dieser Frauenzimmer in das gelobte Land der Wissenschaft, wo der Honig der Weisheit nur für das starke Geschlecht fließt, das ist eine Lächerlichkeit, eine Ungeheuerlichkeit, die zu erkennen und zu beurtheilen späteren Jahrhunderten vorbehalten bleibt.
Nächst den Gemüthseigenschaften ist es, nach Herrn von Bischof, die physiologische Beschaffenheit der Frau, vornehmlich ihre Schädelbildung, durch welche sie ihre Unfähigkeit für höhere Geisteskultur dokumentirt.
Wer Lust hat, sich des Ausführlicheren über die defekten Schädelstellen des Weibes zu unterrichten, der mag die Broschüre (Seite 15) nachlesen. Er wird erfahren, daß die geringere Hirnmasse, die geringe Ausbildung aller Vorsprünge und Leisten der Knochenoberfläche, daß die allzusichtbaren Verknöcherungspunkte an den Stirn- und Scheitelflächen, daß die geringere Höhe des Hirnschädels u.s.w. die Frau als eine besondere und niedere Art der Species »Mensch« kennzeichnen.
Bei diesen Auslassungen verfährt Herr v. Bischof nicht nur unwissenschaftlich, sondern auch nicht ganz redlich.
Unwissenschaftlich, denn er lässt sich zu einer phrenologischen Lokalisirung der Seelenkräfte verleiten, während unsere Unkenntniß der Naturgesetze in Bezug auf die Spezialverrichtungen des Gehirns und der Umstände, unter denen es sich entwickelt, zweifellos ist.
Willkürliche Hypothesen als wissenschaftliche Wahrheit zu affichiren mag wohl sehr »männlich, kühn, trotzig und energisch« sein, ein solches Verfahren mag einen Denkfaulen blenden oder einen Unwissenden amusiren, Anspruch auf wissenschaftlichen Werth hat es nicht.
Herr v. Bischof verfährt nicht redlich, indem er uns nur die Resultate derjenigen Untersuchungen vorlegt, die seinen Vorurtheilen entsprechen, die ihnen widersprechenden aber ignorirt.
Meine Kenntniß physiologischer Dinge ist gleich Null; dennoch weiß ich, was selbstverständlich der Herr Professor tausendmal besser wissen muß als ich, daß man aus anderen Verschiedenheiten des männlichen und weiblichen Organismus ganz andere entgegengesetzte Schlüsse ziehen kann und gezogen hat.
Der französische Physiologe Tussenel, dessen Buch ich mir leider nicht verschaffen konnte, hat versucht, auf physiologischer Grundlage die Superiorität der Frau zu beweisen.
Cuvier, dessen Bedeutung kein Anatom in Abrede stellen wird, hat, wie ich schon an anderer Stelle erwähnt, nach dem Verhältniß der Gesichtsknochen zur Schädelhöhle die höhere oder niedere Stufe in der Thierreihe bestimmt. Sömmering nimmt an, daß wie der Mensch in dieser Hinsicht über den Thieren, so das Weib hier über dem Manne stehe.
Herr v. Bischof selbst führt an, daß nach Quetelet sich für das absolute mittlere Hirngewicht bei beiden Geschlechtern ein gleiches relatives Hirngewicht herausstelle, und daß, nach Reid und Burdach, Kopf und Gehirn der Frauen zwar etwas kleiner als beim Manne, aber im Verhältniß zum übrigen Körper schwerer und größer gefunden worden sei. Professor Reclam in seinem Buch »Der Leib des Menschen« spricht sich klar und ganz entschieden folgendermaßen aus: »Während das Gehirn des Weibes seinem mittleren Gewichte nach an und für sich ein wenig kleiner ist, als das männliche Gehirn, hat es dagegen im Verhältniß zum allgemeinen Körpergewichte, oder verglichen zur Größe der sämmtlichen Körpernerven eine verhältnißmäßig größere Schwere, als das der Männer. Man kann also Mann und Frau in Bezug auf ihre Hirngewichte nicht mit einander vergleichen, da die Körperverhältnisse Beider zu bedeutende Abweichungen zeigen, als daß der Vergleich einzelner Theile der Organismen ohne Weiteres zu einem gesicherten Ergebniß führen könnte. Man muß vielmehr die Hirngewichte eines und desselben Geschlechtes mit einander vergleichen, was nur für Männergehirne ausführbar ist, da wir zu wenige Wägungen der Hirne geistig hochstehender begabter Frauen besitzen.
Hält man nun die Hirngewichte bekannter, geistig begabter Männer, welche auf wissenschaftlichem Gebiete gearbeitet haben, neben das mittlere Gewicht gesunder Männer ohne Auswahl, so findet man, daß die Masse des Gehirns der Geistesstreiter nur wenig schwerer ist, als das mittlere Gewicht bei kräftigen Männern überhaupt beträgt, ja, daß sie zum Theil noch unter demselben sich befindet. So wog das Gehirn des berühmten Naturforschers Cuvier 1861 Gramm – des Dichters Byron 1807 Gramm, des scharfsinnigen Mathematikers Dirichlet 1520 Gr. – des großen Vordenkers auf mathematischem Gebiete Gauß 1492 Gr. – das des geistreichen Chirurgen Dupuytren nur 1487 – das des bahnbrechenden Philologen Herrmann nur 1358, während das Gewicht des Gelehrten Hausmann, eines hochgewachsenen Mannes, sogar nur 1226 Gr. betrug, mithin nicht einmal den Mittelschlag des Hirngewichtes bei Weibern erreichte. Das Größenverhältniß der Masse bestimmt also die Leistungsfähigkeit des Gehirns nicht.« So schließt Reclam.
Entweder bezweifelt Herr v. Bischof dergleichen Angaben, oder er legt ihnen kein Gewicht bei – welchen subjectiven Velleitäten, so energisch sie immerhin sein mögen, doch keine Beweiskraft inne wohnt.
Er bleibt dabei: so gut die größeren und stärkeren Muskeln mehr Körperkraft bedingen, ebensowohl müsse »im Großen und Ganzen das größere Hirngewicht auch Träger einer bedeutenderen Geisteskraft sein.« Herr v. Bischof bemerkt, daß der Mann mit einer größeren Nase begabt sei, als die Frau. Riecht er darum besser und feiner?
Die Herren der Wissenschaft gehen in den Resultaten ihrer phrenologischen Studien weit aus einander. Nur ein paar Beispiele will ich anführen:
Verschiedene Forscher schreiben den Negern ein kleineres Gehirn zu als den Europäern, während ebenso namhafte Gelehrte zu dem Ergebniß gekommen sind, daß kein wesentlicher Unterschied bestehe. Andere Gelehrte halten die Malaienschädel für die kleinsten, dagegen hat Welker (Herr v. B. führt ihn verschiedene Male an) bei einem Malaienschädel den Innenraum fast so groß gefunden, wie bei den germanischen Schädeln.
Die physiologische Bedeutung der abweichenden Formen männlicher und weiblicher Schädel festzustellen, ist bis jetzt der Wissenschaft nicht gelungen, und nur einem Charlatan, einem Phantasten oder einem fanatischen Prinzipienreiter kann es einfallen, aus einer verschiedenartigen Schädelbildung der Geschlechter die Basis zu einer ernsten Argumentation gegen die geistige Befähigung der Frau machen zu wollen.
Uebrigens scheint die Ungleichartigkeit der männlichen und weiblichen Schädel nicht einmal so groß zu sein, wie im Allgemeinen angenommen wird.
Carl Vogt hebt als eine der größten Schwierigkeiten für anthropologische Untersuchungen hervor, daß es in den seltensten Fällen möglich sei, bei den Raceschädeln mit Sicherheit anzugeben, ob sie einem Weibe oder einem Manne angehört haben.
Und wenn wir nur von einer einzigen todten Frau wüssten, die tiefer zu denken im Stande war, als sämmtliche lebendige Münchener Professoren (ich denke z.B. an Sophie Germain, die Mathematikerin und Philosophin, welche Dühring in seiner Geschichte der Philosophie als eine der originellsten Denkerinnen unmittelbar neben August Comte stellt), so wäre das ein hinreichender Beweis, daß Beulen auf der Stirn und dem Gesichtskreis entrückte Verknöcherungspunkte an Stirn- und Scheitelflächen nicht nothwendige Faktoren des Denkvermögens sind.
Nehmen wir aber wieder einmal an (der Leser wird bemerkt haben, daß ich solche großmüthige Concessionen zu machen liebe), Herr v. Bischof hätte abermals Recht, und die Frau verriethe durch ihre Gehirnbildung ihre Inferiorität. Wir wissen, daß bei Thieren und Menschen körperliche Organe, die nicht benutzt und geübt werden, mit den Generationen verkümmern; »rudimentäre Organe« nennt die Wissenschaft solche Theile des Körpers, die für einen bestimmten Zweck eingerichtet, dennoch ohne Funktion sind, wie z.B. gewisse Muskeln der Ohren bei den Menschen. Zu den schlagendsten Beispielen von rudimentären Organen gehören die Augen, welche nicht sehen. Solche finden sich bei sehr vielen Thieren, welche im Dunkeln, z.B. in Höhlen, unter der Erde leben. Als diese Thiere sich nach und nach an unterirdische Lebensweise gewöhnten, sich dem Tageslicht entzogen und ihre Augen nicht mehr brauchten, wurden dieselben rückgebildet.
Ein anderes, ebenso anschauliches Beispiel rudimentärer Organe sind die Flügel von Thieren, welche nicht fliegen können.
Sollte vielleicht auch das Gehirn der Frau ein solches rudimentäres Organ sein?
Man hat ihre Denkfähigkeit niemals ausgebildet und behauptet nu, sie könne nicht denken. Sehr wohl könnte in Folge eines Mangels der Benutzung und Anwendung eine Rückbildung des weiblichen Gehirns vor sich gegangen sein.
Wäre es ein Wunder, wenn die geistigen Augen, denen man nie das Licht der Wissenschaft nahe brachte, das Sehen verlernt, wenn die Flügel des Geistes, die nur im engen Raum des Hauses sich entfalten und über Kochtöpfen flattern durften, der Schwungkraft entbehrten?
Ist es an dem – wohlan, so verbessern wir diese albernen Frauenschädel! Lichten wir die Urwälder in diesen lockigen Häuptern, wo noch die kindischnaturwüchsigen Gelüste hausen! Bevölkern wir die wüsten Strecken ihrer großen Hemisphären mit fruchttragenden Männergedanken! Vielleicht werden sich auch bei diesen Gehirnen im Lauf der Jahrtausende (ich glaube zwar nicht daran) imposante Beulen und ehrfurchtgebietende Vorsprünge herausarbeiten!
Gelehrte Forscher wollen wahrgenommen haben, daß bei den civilisirten Nationen die gebildeten Klassen im Allgemeinen größere Schädel haben als die ungebildeten.
Nach dem Forscher Broca haben die Schädel aus Privatgräbern ein größeres Volumen als die aus gemeinschaftlichen Gruben, in welchen nur die niedrigen Klassen beerdigt wurden.
Ave-Lallemant behauptet, daß der Schädel der Neger in Amerika sich verändere und nach kaukasischer Form strebe.
Nach Annahme dieser Gelehrten modificirt also Wissen und Bildung im Laufe der Jahrhunderte die Schädelform.
Sie ist so rührend, diese Besorgniß der gelehrten Herren, mit der sie unser schwaches Hirn vor Ueberanstrengung bewahren möchten! Die Gelehrsamkeit muß ihnen recht sauer geworden sein.
Meine unmaßgebliche Meinung geht dahin: was der dummste Jüngling in seinen Schädel hineinzwängen kann (unter den gelehrten Herren finden sich bekanntlich auffallend häufig Exemplare ausbündiger Unwissenheit und Beschränktheit), davon wird auch ein weiblicher Schädel nicht bersten; und will er durchaus bersten, so darf man ihm nach den Principien der freien Menschenbestimmung auch diese Erlaubniß nicht vorenthalten.
Noch eine Frage an Herrn v. Bischof erlaube ich mir:
Ist das Gehirn nur der Sitz der Gedanken?
So viel ich weiß, stimmen alle Anatomen, Physiologen, Aerzte u.s.w. darin überein: das Gehirn ist das Organ der Seele, es ist das Centrum für Empfindung und Gedanke. Ja, viele Gelehrte der neuesten Zeit nehmen an, daß die Hemisphären des großen Gehirns noch eine andere Rolle als die intellectuelle und gemüthliche auszufüllen haben.
Wenn man bei der Untersuchung von Raceschädeln nach ihrer entwickelteren oder mangelhafteren Form die höhere oder niedere Race bestimmt, so versteht man unter niederer Race selbstverständlich eine solche, bei der nicht einseitig das Denkvermögen, sondern gleichmäßig Denken und Fühlen, Gemüth und Verstand sich auf einer untergeordneten Stufe der Entwickelung befinden.
Die Inferiorität der Frau aber wird nur auf ihr geringes Denkvermögen zurückgeführt.
Was ihre Gefühle betrifft, so werden uns dieselben als tiefer, feiner, mannichfaltiger und erhabener geschildert als die der Männer, als diese übertreffend an Quantität und Qualität.
Der Unzulänglichkeit der Denkfunktionen würde also ein reicheres Gefühlsleben die Wage halten. Sollte man nun nicht meinen, daß im Laufe der Jahrtausende das tiefe und starke weibliche Fühlen sich ein ebenso kräftig und reich organisirtes Gehirn herangebildet haben müsste als das tiefe und starke männliche Denken?
Wie? Dieses Empfinden sollte den Schädel nicht ausdehnen, hätte keinen Einfluß auf seine Vervollkommnung? Wie geht das zu?
Zu den angreifendsten Gefühlen gehören ohne Zweifel Schmerz, Sorge, Kummer.
Wenn die Männer so besorgt um unser Gehirnleben sich zeigen, warum halten sie nicht mit derselben zarten Sorge, wie die Wissenschaft, so auch Kummer und Schmerz (so weit es in ihrer Macht steht) von uns fern?
Kummer zerrüttet auf die Dauer das beste und festeste Gehirn.
Wenn meine Seele Schmerz leidet, so fühle ich einen unerträglichen Druck im Hinterkopf; wenn ich eine Broschüre lese, wie die des Herrn v. Bischof, nehme ich ein Klopfen in den Schläfen wahr, nicht in Folge der geistigen Anstrengung, das kann ich versichern, sondern vor Grimm.
Die Herren der Wissenschaft verlangen im Interesse des Frauengehirns: Ausschließung der Frau von wissenschaftlichen Studien. Ich schlage Ihnen als Pendant, zum Schutz des weiblichen Gehirns, folgende, ebenso berechtigte Bestimmungen vor, mit denen man jedenfalls durchschlagendere Resultate erzielen würde: Jeder Mann, der seine Frau schlecht behandelt, wird, wegen Gehirnschwächung eines Weibes, des Landes verwiesen. Jeder Mann, der sein Weib lieblos im Stich lässt, soll wegen tödtlicher Gehirnerschütterung (man sagt fälschlich, ihr bricht das Herz) mit dem Tode bestraft werden. Jeder Mann, der durch eine lieblose Broschüre eine Frau ärgert, soll einige Tage bei Wasser und Brot angehalten werden, Reue zu empfinden u.s.w.
Wie können denn Sie, Herr v. Bischof, oder irgend ein Mann wissen, was die Frauen angreift oder nicht?
Mir z.B. fällt es schwer, die vierwöchentliche schmutzige Hauswäsche auszusuchen. Ich bin jedes Mal nach dieser schwarzen Pflichterfüllung todtmüde. Wenn ich einen halben Tag am Plättbrett gestanden habe, so brauche ich die andere Hälfte des Tages, um mich von dieser tödtlichen Strapaze zu erholen.
Wenn ich aber in derselben Zeit ein wissenschaftliches Buch lesen oder einen Aufsatz schreiben sollte, so würde mich eine solche Beschäftigung nicht nur nicht angreifen, sondern erfrischen und erfreuen.
Jeder Mensch hat sein eigenes geistiges Klima, in dem allein er gedeihen und sich wohl fühlen kann.
Im Anhang setzt Herr v. Bischof uns des Weiteren die Unterschiede des weiblichen und männlichen Körperbaues auseinander, wie wir sie in jedem Handbuch der Physiologie nachlesen können.
Indem er die Unterscheidungsmerkmale, vornehmlich die das Gehirn betreffenden, zusammenfasst mit den differierenden Gemüthseigenschaften der Geschlechter, schließt er: »Aus dieser Verschiedenart der Geschlechter in körperlicher und geistiger Hinsicht geht unwiderleglich hervor, daß das weibliche Geschlecht für das Studium und die Pflege der Wissenschaften, insbesondere der Medicin, nicht geeignet ist.«
Unwiderleglich doch nur, wenn der geehrte Herr, anstatt Herr v. Bischof, unfehlbarer Papst der Physiologie wäre!
Seltsam und unerklärlich! Kann man wirklich aus dem Umstand, daß der Mann sich eines schnelleren Stoffwechsels als die Frau befleißigt, folgern, er müsse alle einträglichen Beamtenstellen versehen, während Küche und Nähmaschine ihr Departement sei?
»Der Mann hat längere Beine als die Frau«, bemerkt sehr richtig Herr v. Bischof.
Ein Schlußsüchtiger könnte allenfalls daraus schließen, daß der Mann sich mehr zum Briefträger eigne, als die Frau, ihr aber aus diesem Grunde die Fähigkeit zum Erlernen des Griechischen und Lateinischen absprechen zu wollen, ist mehr kühn als logisch gedacht. Dazu helfen lange Beine ein für allemal nichts.
»Die Stimmritze der Frau ist enger und ihr Kehlkopf kleiner«, belehrt uns Herr v. Bischof. Ich würde daraus die Thatsache erklären, daß bei vorkommenden Duetten er Tenor und sie Sopran singt. Der causale Zusammenhang aber zwischen der Stimmritze und dem Stimmrecht erhellt daraus für mich nicht.
»Die Frau hat eine zartere Haut«, heißt es.
Wenn mein die Macht wäre, so würde ich wahrscheinlich auf Grund dieser Körpereigenthümlichkeit einen Passus des preußischen Gesetzbuches, der da lautet: »in den niederen Ständen ist dem Manne eine mäßige körperliche Züchtigung der Frau gestattet« dahin ändern: der Frau ist eine mäßige körperliche Züchtigung des Mannes gestattet. Eine dicke Haut verträgt entschieden leichter Prügel als eine zarte.
»Der Magen der Frau ist kleiner als der des Mannes.« Freilich, wenn die Studirfrage vom Magen herkommt, dann fällt sie mit der Concurrenzfrage zusammen.
Vielleicht zeigt sich die Ungleichheit der Magen auch so, daß der weibliche mehr zu alter Semmel und Wassermilch inclinirt, während der männliche Filet und Trüffeln vorzieht.
Bequemen wir uns abermals dem Standpunkte des Herrn v. Bischof an, und sprechen wir mit ihm der Frau alle Fähigkeiten für höhere Arbeitsgebiete ab.
Liegt wirklich in der geistigen und körperlichen Schwäche der Frau der Grund ihrer Zurücksetzung, wohlan, so überlasse man ihr diejenigen Gebiete menschlicher Tthätigkeit, auf denen mit wenig Arbeit und wenig Geist in kurzer Zeit große Reichthümer zu erwerben sind. Man überlasse ihr die Börse.
Ach, ich weiß, die Frauen werden vergebens auch an die Pforten des Börsentempels klopfen, wie an den der Wissenschaft.
Wäre die verschiedenartige Körperbildung entscheidend für ihr Thun, so hätte uns die Natur wohl schon in der Thierwelt einen Fingerzeig gegeben.
Die Löwin unterscheidet sich vom Löwen durch ihre Körperform annähernd wie das Weib vom Manne. Wer aber hat je gehört, daß der Löwe die Löwin füttert, daß Frau Tigerin sich vom Herrn Tiger ernähren läßt?
Gleich wild und furchtbar jagen Löwe und Löwin, Tiger und Tigerin ihrer Beute nach, und gleich unbarmherzig zerreißen sie ihre Opfer.
So wenig immer wir wissen mögen über das geheime Wirken der Naturkräfte, das Eine wissen wir, soweit Erfahrung und Forschung reichen: den Kräften des Menschen ist keine erkennbare Grenze gesetzt. Niemand, nicht einmal ein zünftiger Professor vermag dem menschlichen Verstande, und wäre es auch nur dem einer Frau, zuzurufen: Bis hierher und nicht weiter!
Millionen von Jahren sind der Entwickelung des menschlichen Verstandes noch vorbehalten. Nur kindische Vermessenheit möchte schon heute ihre Grenze bestimmen wollen.