Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel.


Wer nur wüßt', was die Zukunft spricht!
Sollen wir helfen oder nicht?

Die Folgen der sogenannten Kalmarschen Union, welche die drei nordischen Reiche unter Einem Oberhaupte vereinigen sollte, lasteten in unerträglicher Schwere auf den Schweden, welche die Despotie und Tyrannei Christian des Zweiten von Dänemark mit dem härtesten Drucke der Willkühr traf. Das Volk erhob sich und ein blutiger Krieg begann, in welchem bald der Heldenmuth der Schweden, bald die Uebermacht der Dänen den Sieg davon trug. In einem günstigen Augenblicke war es dem Dänenkönige gelungen, sechs der angesehensten Schweden aus den ersten Familien des Landes, unter diesen Gustav Wasa, als Geiseln zu erlangen, die er frei wieder zurückzusenden versprochen, dann aber gegen alles Recht als Gefangene nach Dänemark geführt hatte. Die Feindseligkeiten begannen aufs Neue und während Christian mit blutdürstiger Grausamkeit seine Heerführer das unglückliche Land durchziehn und verwüsten ließ, kämpfte mit abwechselndem Glücke, aber unerschütterlichem Heldenmuthe gegen diese der schwedische Reichsverweser Sten Sture, ein Mann, der große Kriegserfahrungen besaß, oft aber von seinem verwegenen Muthe hingerissen, sich mehr der Gefahr aussetzte, als es für einen Oberbefehlshaber räthlich war. Zugleich lastete noch auf Schweden der Druck des päpstlichen Bannes, dessen Ausführung Christian übernahm, um in ihr einen Vorwand der Rechtfertigung für die entsetzliche Grausamkeit, die er Schweden empfinden ließ, zu haben. Seine Rathgeberin Sigbrit, eine alte Holländerin und Mutter seiner verstorbenen, leidenschaftlich geliebten Maitresse, Dyweke, übte eine unumschränkte Herrschaft über ihn und benutzte diese, stets ihn zu neuen Verbrechen zu reizen, von denen sie die Befestigung seiner Macht und ihrer eignen hoffte. Sie war gleich verhaßt bei Schweden, wie bei Dänen. Der Verdacht, man habe ihre Tochter durch Gift aus dem Wege geräumt, erfüllte sie mit Menschenhaß, mit unersättlicher Blutgier. Nichts galt ihr heilig, jedes Mittel zu ihren Zwecken dünkte sie erlaubt. Auch gegen die Lübecker, welche sie als Rivalen ihres Vaterlandes Holland betrachtete, hatte sie den König zu Feindseligkeiten, die ihnen beträchtlichen Nachtheil zufügten, gereizt. In diesem Augenblicke bestand jedoch zwischen diesen und den Dänen ein friedliches Verhältniß, da Christian seine ganze Macht gegen das empörte Schweden aufgeboten.

Unter diesen Umständen erschien Gustav Wasa plötzlich in der freien Hansestadt. Herr Böchower, der ihn gastfrei aufgenommen, ward bald der Eingeweihete seiner Plane. Gustav suchte nicht allein Schutz, sondern auch Beistand, um seinem bedrängten Vaterlande zu Hülfe zu kommen. Er wußte den Rathsherrn zu überzeugen, daß der Vortheil der Hansestadt in einem innigen Anschließen an Schweden bestehe, daß, wenn es dem Dänenkönige gelingen sollte, die Alleinherrschaft über die drei skandinavischen Reiche zu erringen, alle Macht Lübecks gebrochen, sein Handel gänzlich zerstört werden würde. Hatte doch Christian diese Absichten schon deutlich genug ausgesprochen, um die Lübecker das Aergste fürchten zu lassen, durften sie doch mit Sicherheit die Befestigung ihrer Macht aus einer Trennung Schwedens von Dänemark hervorgehn seyn ! Dennoch fand das Verlangen Gustav's, als Herr Böchower es in einer geheimen Rathssitzung vortrug, viele Gegner, die größtentheils ihr Privatinteresse zu einem fernern freundlichen Verständnisse mit Dänemark bewog, oder andre, welche einen langwierigen Krieg, der eine Stockung des Handels verursachen möchte, fürchteten. Nur der Bürgermeister Brömse, ein Mann von vieler Erfahrung und scharfem Verstande sah weiter und fand in der Sache des jungen Schweden, in der Hoffnung, die er auf dessen große Eigenschaften bauen konnte, eine günstige Aussicht für die wachsende Macht der Hansestadt; doch verschloß er diese Meinung noch fest in seiner Brust, um sie zu einem gelegenern Zeitpunkte, der einen glücklichen Erfolg versprach, geltend zu machen.

Indessen empfand Gustav Wasa alle Qualen der Ungeduld und der Zweifel, welche Zustand hervorbringen mußte. Bernhard Böchower verschwendete alle Gaben einer reichen Gastfreundschaft, nur ihn zu erheitern, allein sein Geist weilte in Schweden, er hörte von den ritterlichen Werken Sten Sture's, während er hier in Unthätigkeit verharren mußte. So waren Wochen vergangen, als eines Morgens Roland hastig in sein Zimmer trat und in großer Bewegung die Nachricht brachte, so eben sey Erich Banner, unter Begleitung einiger dänischen Kriegsleute in Lübeck eingezogen, um ohne Zweifel hier die Auslieferung seines entflohenen Gefangenen zu verlangen.

»Die Lübecker werden sich nicht mit ewiger Schmach beladen;« antwortete ruhig Gustav. »Vielleicht bringt dieses Ereigniß eine Entscheidung, die ich bis jetzt mit allen Bitten, allen Vorstellungen vergebens erstrebte. Wir wollen den Gang der Dinge ruhig erwarten. Erich Banner ist mein Verwandter; er wird mich nicht um schnöden Goldes willen auf das Blutgerüst liefern.«

»Himmel und Hölle!« fuhr Roland empor: »dafür bin auch ich noch da. Ich habe hier in der langen Zeit des Nichtsthuns gute Bekanntschaft gemacht mit andern Burschen, die schon manchen Strauß als Landsknechte mitgemacht. Ein Wort von Euch und Herr Erich sammt seinem dänischen Gesindel, unter denen sich rechte Henkersgesichter befinden, wird von uns über das Weichbild von Lübeck geworfen, daß er so leicht nicht an das Wiederkommen denkt!«

»Ruhe, mein wilder Freund!« erwiederte mit einem trüben Lächeln Gustav Wasa. »Wir müssen das Gastrecht ehren, das man uns jetzt hier bewilligt. Laß nur die Dinge näher kommen, dann wollen wir sie prüfen und du wirst sehen, daß aus finstern Wolken oft ein heiterer Sonnenstrahl hervorbricht. Der wackre Brömse ist uns geneigt und ich glaube, die Zeit ist da, wo er seine entscheidende Stimme erheben wird.«

Die Thüre öffnete sich und mit düstrer, verlegener Miene trat der Hausherr herein. Er forderte den jungen Schweden auf, ihn in die Rathsversammlung zu begleiten, wo heute zum erstenmale seine Angelegenheit öffentlich verhandelt werden sollte.

Gustav's edles Angesicht erheiterte sich und aus seinen Blicken strahlte ein Muth, als sey er bereit, in eine Schlacht zu gehn. Er ergriff lächelnd die Hand des Rathsherrn, ermahnte ihn neue Hoffnung zu fassen und vor allem mit geistesgegenwärtigem Sinne das Ziel im Auge haben, den Handel Lübecks von dem tyrannischen Zwange Dänemarks zu befreien. Dann blickte er sich nach Roland um, allein dieser hatte sich, sobald er die Kunde des Oheims vernommen, sogleich mit hastigen Schritten und mit einer Miene entfernt, welche irgend eine geheimnißvolle Absicht verrieth.

Unter dem Vortritte einiger Rathstrabanten in alterthümlicher Kleidung und mit schweren Hellebarden bewaffnet, begab sich Herr Böchower mit seinem fürstlichen Schützlinge auf den Weg. Unter den Einwohnern hatte sich rasch die Nachricht verbreitet, daß der junge Schwedenheld, dessen Waffenthaten, dessen abentheuerliche Flucht ihn zu einem Manne des Volkes machten, heute öffentlich auf dem Rathhause erscheinen würde. Man haßte die Dänen, weil sie die Seemacht der Lübecker zu vernichten strebten, man verabscheute ihren König, als einen der blutdürstigsten Grausamkeit und allen Lastern hingegebenen Tyrannen. Gustav Wasa würde schon als ein bloßes Opfer der Ränke Christian's Theilnahme gefunden haben, um wie viel höher mußte nun diese steigen, da die edle Gestalt, das würdige und dabei freundliche Benehmen des jungen Mannes ihm persönlich alle Herzen gewonnen? Man drängte sich in den Straßen, um ihn zu sehen, um ihm Glückwünsche zuzurufen. Sein Gang nach dem Rathhause glich einem Triumphzuge. Als er in dessen Nähe kam, bemerkte er, an den Stufen gelagert, mehrere Leute von verdächtigem Aussehn, ihre Physiognomien schienen einen dänischen Ursprung zu verrathen, unter den weiten Reiterkollern, womit sie bekleidet waren, konnten sie Waffen verborgen tragen. Unruhig schweifte sein Blick über sie hin; da gewahrte er aber auch, ihnen nahe und gegenüber, den wackern Roland, der mit scharfem Blicke jene Männer hütete und bereit schien, bei der ersten verdächtigen Bewegung von ihrer Seite, auf sie loszustürzen, wie der Adler auf seine Beute. Er kannte die Riesenkraft seines treuen Gefährten, er befürchtete nichts mehr, da er ihn in seiner Nähe wußte. Kaum hatte er die in's Rathhaus führende Treppe beschritten, so schloß sich auch Roland mit einigen Leuten, die sich in seiner Gesellschaft befanden, ihm an, als wolle er ihm gegen einen meuchelmörderischen Angriff den Rücken decken. Die Fremdlinge machten jedoch keinen Versuch, die Ruhe zu stören, sondern zerstreueten sich, nachdem der Zug in das Innere des Rathhauses verschwunden, unter das Volk.

Gustav Wasa fand unter den Rathsherren wenige, deren Blicke und Mienen ihm Gutes verkündigten. Schon hatte sich die Nachricht von der Ankunft Erich Banners, der ein drohendes Kabinetsschreiben Christians mit sich führe, um die Auslieferung des Flüchtlings zu bewirken, verbreitet, einige Zeit vorher war die Kunde eingegangen, Sten Sture, der schwedische Reichsverweser, sey an den Folgen einer Wunde, die ihm sein allzukühner Muth in einem Gefechte gegen die Dänen zugezogen, verstorben und Christian beabsichtige nun, in eigner Person mit einer großen Flotte die schwedische Hauptstadt zu belagern. Gustav verlor den Muth nicht. Mit jener Beredsamkeit, die sich schon oft so siegreich bewährt hatte, wie seine Kriegserfahrung, schilderte er die Treulosigkeit des Dänenkönigs, die Nachtheile, die Lübeck durch ihn erfahren, die Vortheile, die es zu erwarten habe, wenn Schweden seine alte Selbstständigkeit wieder erringe. Diese Rede verfehlte ihren Eindruck nicht. Die Vortheile der Hansestadt schienen in der That mit Schwedens Interesse eng verknüpft, schon schwankten mehrere Rathsherrn, die früher gegen Gustavs Vorschläge gestimmt, in ihren Ansichten, als plötzlich Herr Erich Banner auf dem Rathhaussaale erschien, um Klage gegen Gustav Wasa zu führen, der sich heimlich seinem Gewahrsam entzogen, und im Namen des Königs seine Auslieferung verlangte. Viele der Rathsherren, die zugleich Kaufleute waren und ansehnliche Waarenniederlagen in dänischen Städten besaßen, erblaßten, als der Bürgermeister Brömse ernst, aber gelassen das drohende Schreiben vorlas, andre unterbrachen ihn mit wildem Schreien, indem sie auf die augenblickliche Auslieferung desjenigen drangen, der gekommen sey, den kaum errungenen Frieden zu stören.

»Haltet Euch fest zu mir!« sagte Roland, der außerhalb der Schranken Zeuge dieser Verhandlungen war, zu mehreren Männern von kriegerischem Ansehn, welche ihn umgaben. »Liefert das feige Kaufmannsgesindel den Helden wirklich den blutdürstigen Dänen aus, so eilen wir fort und verlegen ihnen den Weg. Schande wär' es für ein Dutzend handfeste Deutschen, wenn sie diesen rothbärtigen Tyrannenknechten nicht eine Beute abnähmen, die sie als kriegserfahrne Männer zu ehren und zu schätzen wissen.«

Aber schon hatte sich der Bürgermeister Brömse wiederum erhoben, sah mit ernstem Unwillen auf diejenigen, welche durch ihr Lärmen und Geschrei die Versammlung störten und begann in einem festen, ruhigen Tone:

»Gott behüte die Rechte unsrer freien Stadt, daß sie sich nie dem willkührlichen Verlangen, von wem es auch sey, unterwerfe. Wir sind stark, wir sind mächtig in unsrer Freiheit. Wer kann den Anfang, das erste Glied der Kette erkennen, die man uns anzulegen bemüht ist? So lange ich den Vorsitz in dieser Versammlung bekleide, werde ich nie in eine Handlung, die uns erniedrigt, willigen. Der Prinz Gustav Wasa hat unserm Schutze vertraut, ich habe ihm freies Geleit zugesagt: seine Person ist unverletzlich.«

Ein Gemurmel des Beifalls ließ sich unter den Bürgern vernehmen, welche die Schranken umgaben. Herr Erich Banner schien unentschlossen über sein weiteres Benehmen.

»Wackrer Mann!« rief ganz laut Roland Doneldey. »Er verdiente ein Heer zu kommandiren, aber auch an der Stelle, die er jetzt einnimmt, kann er Tyrannen in Schrecken setzen und ihre Knechte erzittern machen.«

Indessen hatte Bernhard Böchower nur den Vorgang seines Freundes Brömse erwartet, um auch seine Stimme zu Gunsten Gustav's geltend zu machen. Er war als ein kluger und vorsichtiger Kaufmann bekannt, viele unter den Rathsherren vertraueten seinen Absichten, indem sie wußten, daß er die Vortheile des Handels immer zuerst berücksichtigte. Ohne Scheu erinnerte er an alle Unbill, welche Lübeck bisher durch die Dänen erlitten, er forderte seine Collegen auf, offen zu gestehen, ob nicht jeder von ihnen einen Verlust, den ihm Dänemark zugefügt, aufzuzählen wisse? Dann schilderte er Gustav Wasa's Thaten, sein Unglück, seine großen Vorzüge, die in ihm den den Mann erkennen ließen, der Schweden zu erretten, Christians tyrannischen Uebermuth zu lähmen, bestimmt sey. Einige andere Rathsherren nahmen im gleichen Sinne das Wort und Brömse erklärte zuletzt, da er doch noch nicht auf übereinstimmende Gesinnungen unter allen Senatoren zählen konnte, die Sache vor der Hand für ausgesetzt und auf reiflichere Erwägung verschoben, während welcher Frist der schwedische Flüchtling des unmittelbaren Schutzes der freien Hansestadt Lübeck genießen solle.

Erich Banner vernahm diese Eröffnung, ohne einen Unwillen an den Tag zu legen. Er äußerte nur, er werde bis zu jener Entscheidung die Stadt nicht verlassen und erwiederte, auf Gustavs Versicherung, daß er ihm für die Bürgschaftssumme sein bestes Gut in Schweden verpfänden wolle, ein seltsames, zweideutiges Lächeln.

So brachte diese Berathung noch keine eigentlichen Früchte, stimmte aber im Allgemeinen doch die Gemüther günstiger für den Gedanken an eine Verbindung mit Schweden und bereitete, dem Stolz der Freistädter schmeichelnd, einen Widerstand gegen Dänemarks Anmaßungen vor. Gustav's einnehmende Persönlichkeit hatte ihm viele Freunde gewonnen, und wenn es von der Mehrzahl der Bewohner Lübecks abgehangen hätte, so wäre sogleich eine Flotte ausgerüstet worden, um ihn an Schwedens Küsten zu tragen.

Von seinem Vaterlande träumend, saß er Abends allein in seinem Zimmer, als mit einemmale die Thüre geöffnet wurde und eine dunkle Gestalt, in einen Mantel gehüllt, vor ihn trat. Durch die kleinen Fenster des Gemachs sandte die Dämmerung ein sehr spärliches Licht, das den Eintretenden nicht erkennen ließ. Ueberrascht erhob sich der fürstliche Jüngling. Er legte die Hand ans Schwert und betrachtete mißtrauisch den Fremden, der auf diese Weise in das Zimmer zu dringen wagte.

»Vor mir seyd Ihr sicher und ungefährdet;« sprach da eine bekannte Stimme: »aber es dürfte andre geben, die Eure Sorglosigkeit mißbrauchten, um höhere Befehle, die Euer Leben bedrohen, auszuführen! Deshalb rathe ich Euch, auf Eurer Huth zu seyn und den Zugang zu Euch nicht für Jedermann offen zu lassen.«

»Ihr seyd es, Erich Banner!« sagte erstaunt Gustav Wasa. »Ihr schenkt mir Euern Besuch, indem Ihr als ein Ankläger, als ein Feind gegen mich auftretet. Sprecht, Vetter, wie erkläre ich das?«

»Glaubt mir,« antwortete treuherzig der Däne, indem er Gustav's Hand ergriff und traulich schüttelte, »ich sehe Euch lieber hier, als auf meinem Schlosse Källo, wo Christians Hand immer, wie die Kralle eines Raubthieres, über Euch schwebte. Auch mit der Bürgschaft hat es gute Weile und muß ich das Geld zahlen, so seyd Ihr mir schon sicher dafür. Aber das darf kein Sterblicher wissen, als wir Beide, dann ich muß schon öffentlich als Euer schlimmer Widersacher erscheinen, soll nicht Christians Zorn vernichtend auf mich und meine Familie fallen.«

»So habe ich mich nicht in Euch geirrt!« erwiederte gerührt der fürstliche Flüchtling. »Mit schwerem Herzen, mit der Furcht, Euch zu beleidigen, Euch der Rache des Tyrannen auszusetzen, schied ich von Källo, aber ich konnte nicht anders. Das Vaterland rief mit tausend unwiderstehlichen Stimmen, sein Angstgeschrei drang in meine Seele, es quälte mich Tag und Nacht, es riß mich endlich fort – und, nicht wahr, Banner? Ihr grollt mir nicht, denn Ihr könnt nicht wollen, daß jenes Ungeheuer, welches die Hölle zum Verderben meines Vaterlandes ausgespieen, seine Wuth auch in dem Blute Eures Verwandten sättige?«

»Deshalb seyd Ihr hier besser aufgehoben, als in Källo;« versetzte Erich Banner. Das Weitere wollen wir gelassen von der Zukunft erwarten. Christian beabsichtigt einen Zug nach Schweden gegen die Wittwe Sten Sture's, die mit männlichem Muthe sich in Stockholm auf seinen Empfang rüstet. Bis er sich entfernt hat, muß ich hier schon als Euer Gegner, als sein Bevollmächtigter verweilen; aber noch einmal, Vetter, überlaßt Euch nicht einer allzugroßen Sorglosigkeit! Die Leute, die mich begleiten, sind mir beigegeben, sind nicht durch meine Wahl bestimmt worden. Es ist Euch bekannt, wie leicht sich Christians Gewissen mit einem Meuchelmorde versöhnt und Ihr seyd ihm furchtbar, er weiß, daß der Name Wasa einen guten Klang bei den Schweden hat.

Die Verwandten unterhielten sich noch einige Zeit im traulichen Gespräche mit einander. Dann brach Herr Erich auf, um sich ebenso leise und unbemerkt wieder zu entfernen, wie er gekommen war. Allein dieses gelang ihm nicht. Am Fuße der Treppe fühlte er sich plötzlich von einer Hand ergriffen, die seinen Arm, wie ein Eisenband, umschloß.

»Wer schleicht hier im Finstern?« sprach eine starke, männliche Stimme. »Ihr seyd kein Bewohner dieses Hauses. Ihr tragt Waffen. Was führt Ihr im Schilde?«

Schon griff Herr Banner, dem es keineswegs an Muth gebrach, mit der freigebliebenen Rechten nach dem Dolche, um sich durch eine rasche That des unwillkommnen Gegners zu entledigen, als Gustav, der ihm das Geleit bis zur Treppe gegeben, herabrief:

»Laß den Mann in Frieden wandeln, Roland! Er ist ein Freund, sein Ausgang sey unbemerkt und still.«

Ebenso leicht, wie früher kräftig gehalten, fühlte sich jetzt der Däne von der Hand des Unbekannten nach der Hausthüre geführt. Als diese geöffnet war und er nun im Dämmerlichte eine mächtige Mannsgestalt wahrnahm, flüsterte er dieser im Scheiden zu:

»Bleibt ein so getreuer und wackerer Wächter, denn warlich! der blutdürstige Verrath kann sich in jedem Augenblicke diesem Hause nahen. Mich braucht Ihr nicht zu kennen, es ist genug, daß Ihr wißt, ich sey ein Freund Gustav Wasa's.«

Indem er sich tief in seinen Mantel verhüllte, verschwand er vor den neugierig forschenden Blicken Rolands in das Dunkel der Straße.

»Beim Himmel!« sagte der junge Mann für sich. »Er kommt mir in Gestalt und Haltung vor, wie der dänische Abgesandte, und dann thut es mir leid, daß mich Gustavs Ruf verhindert, ihm ein Denkzeichen mit auf den Weg zu geben.«

Er hatte beschlossen, auf Alles, was sich konnte, ein scharfes Auge zu haben. Schon den Nachmittag über waren mehrere jener verdächtigen Begleiter Herrn Erich Banners, die am Morgen die Treppe des Rathhauses belagert, um die Wohnung Böchowers geschlichen und hatten unheimliche, forschende Blicke auf die Zugänge geworfen. Roland hütete sie mit Falkenaugen, er war fest überzeugt, daß irgend ein tückischer Anschlag auf des Prinzen Leben oder Freiheit im Werke sey. Er sagte niemanden etwas von seinen Vermuthungen, er wollte das Verdienst, die Absichten solcher Bösewichten vereitelt zu haben, mit keinem Andern theilen. Das Haus seines Oheims war nach der Straße hin mit festen eisernen Fensterladen, mit einer schweren eisenbeschlagenen Pforte verwahrt, die nur offenbare, geräuschvolle Gewalt zu sprengen vermochte. Von dieser Seite fürchtete er nichts. Der Hof des Hauses aber stieß an ein großes Waarengewölbe, dessen Hinterbau von einer einsamen Straße begrenzt wurde und das bei seiner Abgelegenheit eine verrätherische Annäherung mehr begünstigte. Roland wußte sich im Geheim von Herrn Bernhards altem Diener Salomo die Schlüssel zu diesem Gewölbe zu verschaffen. Ruhig und ohne die Bewegung seines Innern, das auf Abentheuer vorbereitet war, zu verrathen, erschien er bei der Abendmalzeit. Er war heiter wie immer, er erzählte dem Oheim Viel von seinem Schwager in Mora, von Margaretha's fröhlichem Leben und unterließ auch nicht den Oheim durch manche neckende Anspielungen auf sein Herzensverhältniß zu dem Töchterlein rege zu erhalten. Gustav Wasa stimmte mit schönen Erinnerungen in den Preis des herrlichen Thallandes und seiner kühnen, biedern Bewohner ein.

»Sie können Schweden retten,« rief er mit begeisterungsvoller Ahnung aus, »in ihrer Einfachheit hat sich die Urkraft des Volks erhalten, sie ehren das hohe Gut der Freiheit, denn es lebt noch in ihren patriarchalischen Sitten. Gott stelle mich an ihre Spitze und der blutbefleckte Thron Christians ist vernichtet, das Ungeheuer sinkt in den Staub, Schwedens Stern steigt hoch empor!«

»Und Euer treuer Gefährte, der Roland von Bremen würde dann auch aus dem Dunkel hervorgehen und ein würdiger Gatte für meines Oheims schönes Töchterlein werden;« setzte Roland mit einem schalkhaften Blicke auf Herrn Bernhard Böchower hinzu.

»Der Platz meines künftigen Eidams ist in der Schreibstube;« warf verdrießlich der Handelsherr hin. »Hof- und Kriegsleute taugen nicht in den Hansestädten, denn von eitlem Prunke sind wir keine Freunde und der Kriegsmann kann nur unser Diener seyn.«

Die Unterhaltung lenkte sich auf die frohen Hoffnungen, die Gustav Wasa in einer geheimen Unterredung mit dem Bürgermeister Brömse erhalten hatte, mancherlei Entwürfe wurden besprochen und man trennte sich erst spät, als die Glocke vom nahen Thurme die eilfte Stunde verkündigte. Der Hausherr zog sich in sein Schlafgemach zurück, während Roland, mit Schwert und Dolch umgürtet, mit Stahlhaube und Eisenhandschuh gerüstet, über den Hof schritt, leise das große Thor des Gewölbes öffnete, in dieses schlüpfte und nun seinen Platz hinter einem Gitterfenster nahm, wo er den Hof im Auge hatte und das leiseste Geräusch, das sich in dem Gewölbe erheben konnte, zu vernehmen vermochte. Die Nacht war dunkel und schaurig. Den Himmel bedeckte schwarzes Gewölk und ein scharfer Wind aus Norden fuhr über die schneebedeckten Dächer. In Rolands Seele lag es mit wunderlicher Ahnung, daß diese Nacht zur Ausführung eines Verbrechens bestimmt sey. Jene Dänen, welche die Gelegenheit des Hauses zu erspähen gesucht, welche die Warnung des Unbekannten, den er aus Gustavs Mahnung wieder frei gegeben, zu bezeichnen schienen, galten in seiner Meinung unzweifelhaft für gedungene Meuchelmörder König Christian's. Während er auf seinem Lauerposten stand und in die Nacht lauschte, zogen tausend verwirrte Bilder an seiner erregten Phantasie vorüber. Bald sah er sich in das schöne Thal von Mora in Dalarne versetzt, wo die anmuthige Margaretha ihm Liebe und Treue bewahrte, dann waren es Bilder von Schlachten, welche vor ihm aufstiegen, dann sah er mit einemmale Gustav in seinem Zimmer von Meuchelmördern überfallen, sich vergebens ihrer Uebermacht erwehrend. Aber welcher Laut, welches Geräusch der Wirklichkeit drang da plötzlich zu seinem Ohr? Alle träumerischen Bilder verschwanden im Augenblicke, er vernahm deutlich ein Geflüster aus dem tiefen Hintergrunde des Gewölbes, wo mächtige Waarenballen angehäuft standen, wo in gewaltigen Kannen ein ungeheurer Vorrath von Oel aufbewahrt wurde. Er verließ unhörbar seine Stelle und schlich in dem mittlern Gange, der sich durch Ballen und Fässer hinzog, dem Orte des Geräusches näher. Jetzt wurde ganz in seiner Nähe, hinter einigen großen Kisten, die eine Scheidewand zwischen ihm und den Flüsternden bildeten, ein schwacher Lichtschimmer sichtbar. Die Stimmen wurden lauter, er vernahm jetzt deutlich, was die verdächtigen Nachtwandler sprachen.

»Ein verwünschter Aufenthalt in diesem Neste!« sagte in einem rauhen Tone einer von diesen. »Da sind wir zwei mit Lebensgefahr in der Dämmerung hereingeschlichen, als die Knechte gerade räumten und packten, da haben wir viele Stunden lang hungrig und durstig harren müssen, bis endlich das Signal gegeben worden. Aber nun frisch an's Werk, Olaf! Feuer in diese Wollenballen, brennendes Werg in diese Oelfässer und beim Teufel, wenn dann in einer Viertelstunde das ganze Nest nicht auflodert, wie ein Pechkranz, so will ich meinen Theil am Lohne verlieren!«

»Einen Mordspektakel wird's geben in der tuckmäuserischen Handelsstadt!« erwiederte mit einem frechen Lachen der andre. »Wenn die übrigen nur so frisch dran sind, wie wir, und während des Getümmels den tollen Schweden nicht ihren Dolchen entkommen lassen.«

In diesem Augenblick, ehe noch Roland, von Wuth ergriffen, einen Entschluß fassen konnte, loderte schon ein Wollenballen in lichter Flamme empor und erhellte mit röthlichem Glanze das weite Gewölbe. Gleich darauf entzündete sich ein zweiter und einer der Männer rief:

»Nun fort durch das hintre Fenster. Die Eisenstäbe sind durchfeilt und nichts hindert unsern Rückzug!«

»Mordbrenner!« schrie da eine fürchterliche Stimme in ihrem Rücken. Sie griffen nach den Dolchen, sie sahen sich um, aber von zwei mächtigen Schlägen der eisenbewaffneten Fäuste auf das Haupt getroffen, stürzten sie im nämlichen Augenblicke mit zerschmetterten Schädeln todt zur Erde.

»Das ist des Rolands Gerechtigkeit!« rief der junge Mann, der die Strafe des verabscheuungswürdigen Verbrechens übernommen hatte. »Jetzt gilt es ein andres Werk! Dieser köstliche Wein vom Rhein, der sonst nur Flammen entzündet, soll sie diesmal löschen.«

In einem Augenblicke hatte er die obern Reifen eines Fasses abgeschlagen, den Deckel zur Seite geworfen. Aus hundert Rissen übersprühete ihn die edle Flüssigkeit, aber mit Riesenkraft hielt er das Faß, erhob es und leerte seinen Inhalt über die brennenden Waarenballen aus. Die Flamme erlosch, ein würziger, belebender Duft stieg aus der zischenden Weinfluth empor.

»Das gibt Leid und Freud' für den Oheim;« lachte er vor sich hin. »Leid um den Wein, Freud' wegen der Rettung des Uebrigen!«

Er sah ein, daß die Sache nun nicht länger verheimlicht werden könne, daß der Oheim in das Geheimniß mit hineingezogen werden müsse. Die beiden Bösewichter waren einmal erschlagen, die halbverbrannten Ballen bezeugten das Verbrechen, die Leichen seine Bestrafung. Welches Entsetzen für Herrn Böchower, der an den ungestörten Frieden seines Hauses gewöhnt war, als mitten in der Nacht der Neffe in sein Zimmer trat und ihm das schreckliche Ereigniß, welches seinen Wohlstand und das Leben seines theuern Gastes bedroht hatte, verkündete! In der ersten Bestürzung beschuldigte er Roland, das seine Gegenwart alles dieses Unheil über sein Haus bringe, in dem nächsten Augenblick bereuete er das Gesagte und prieß des Neffen Wachsamkeit, seinen Muth und sein entschlossenes Handeln. Die Zeit drängte, jeder Augenblick war kostbar. Ruhig und sicher schlummerte der Gast, an dessen Haupte die Gefahr unbemerkt und spurlos vorübergegangen, während der Rathsherr Böchower und sein Neffe Roland das Haus verließen, um sich in Begleitung des vorleuchtenden Dieners Salomo zu dem Bürgermeister zu begeben. Roland bemerkte in der Ferne einige dunkle Gestalten, die ihnen folgten, er hörte einen von diesen sagen: »das Spiel muß verunglückt seyn; alles bleibt ruhig!« Dann verschwanden die verdächtigen Nachtwandrer in das Dunkel enger Gäßchen und Winkel. –

Die Unterredung mit Herrn Brömse hatte statt gefunden; noch während der Nacht wurden die Leichen der Mordbrenner durch einige beeidigte Rathsdiener hinweggeschafft und beerdigt. Alles sollte still und heimlich gehalten, Roland aber sogleich entfernt werden, damit, wenn doch etwas von der Sache auskäme, die Rache der Dänen ihn nicht treffen könne.

In der Frühe des Morgens trat er in das Zimmer seines fürstlichen Freundes und sprach in einem halb ärgerlichen, halb scherzhaften Tone:

»Ich komme, Euch Lebewohl zu sagen, edler Herr! Die Dänen haben mir einen häßlichen Streich gespielt, indem sie mich aus Eurer Nähe vertreiben, der aber in einer weit schlimmern Weise auf Euch gemünzt war. Mein theurer Oheim, der mich nicht weit genug vom lieben Norden und seinem schönen Töchterlein wissen kann, will mich zu meiner und seiner Sicherheit nach Frankreich spediren. Meinetwegen! Nur fürchte ich, daß ich im Wege leicht irren und statt stach Westen nach Norden mein Segel richten dürfte.«

Jetzt erst erfuhr der schwedische Flüchtling die Begebenheiten der vergangnen Nacht. Er mußte den wackern Bremer auf's Neue als seinen Retter anerkennen, er that dieses mit aller innigen Herzlichkeit eines dankbaren liebevollen Gemüthes.

»Ich müßte sehr irren, wenn wir uns nicht bald in Schweden wiedersähen!« versetzte er bedeutungsvoll. »Der schöne Julafton, die heitre Weihnachtszeit, die ganz Schweden freudig ergreift, ist nun freilich schon vorüber. Aber wer weiß, ob nicht der, in dessen Hand die Schicksale der Völker ruhn, wenn diese Zeit wiederkehrt, auch meinem Vaterlande den Retter sendet, wie er einst der Menschheit den Erlöser gesandt.«

Er wandte sich um zum Fenster und blickte sehnsuchtsvoll nach Norden, wohin die leichten Silberwölkchen am Horizonte zogen. Seine heiligsten Gefühle zogen mit ihnen. Er gedachte der Eltern, der Geschwister, die jenseits des Meeres, von Zweifeln beunruhigt, seiner harrten, er bekämpfte den Schmerz, der bitter aus der Tiefe seines Herzens über die Schmach des geliebten Vaterlandes emporstieg.

»Ich kenne deine Plane nicht, mein Freund,« hob er aufs Neue gegen Roland an, »aber wenn du den Boden Schwedens betrittst, so bringe ihm die Grüße seines Sohnes, bringe ihm die Prophezeihung, daß ihm die Freiheit werden müsse, denn es lebe noch ein gerechter Gott; erzähle den schwedischen Männern von Gustav Wasa, der das Reichspanier geführt unter Sten Sture, der die Mauern von Stäke gebrochen, der den feigen Tyrannen verjagt von des Vaterlandes Küste. Sage ihnen, daß er wiederkehren würde, daß er dann auf sie rechne, daß sein Leben ihm eine Bürde sey, so lange noch ein dänischer Fuß den Boden Schwedens betrete. Ja, Roland, die Ketten sollen fallen, sie müssen fallen – warum lebte ich sonst, wie vermöchte ich mich sonst zu demüthigen vor Krämern, die jedes mächtige Gefühl berechnen, ob sie es mit ihrer Handelsbilanz im Einklange finden, die nur jene Freiheit kennen, welche ihrem Vortheil entspricht und jede Gestalt annimmt, wie sie der Augenblick ihnen einträglich erscheinen läßt!«

»Ich bin Euer im Leben und im Tode!« erwiederte Roland. »Seyd überzeugt, daß ich in Dalarne, wo die alte schwedische Kraft zu Hause ist, Geschichten vom König Christian erzählen will, welche die redlichen Dalekarlen mit Abscheu erfüllen sollen. Raucht nicht Torbern Oxe's Blut und das so vieler andern unschuldig Gemordeten noch zum Himmel? Dieser Christian ist ebenso toll, wie blutdürstig. Er mordet seine besten Männer, Ihr werdet seyn, daß er sich selbst zu Grund richtet und ich lebe der Hoffnung, ihn noch einst um eine Rinde Brod betteln gehn zu seyn, wenn er es nicht vorzieht, bei einer Bande fahrender Leute den Fürsten der Finsterniß zu agiren. Häßlich genug ist er dazu und das höllische Feuer brennt ihm aus den Augen.«

Diese Unterredung wurde durch den Eintritt des Rathsherrn unterbrochen. Er schien unzufrieden, den Neffen noch in behaglicher Ruhe bei seinen Gönner und Freunde zu finden.

»Frisch auf, Junker Obenauf und Nirgendan!« rief er ihm zu. »Die Winde blasen günstig und der ›Adler von Bordeaux‹ ist bereit, ein so mächtiges Stück Ballast, wie du bist, noch mit einzuladen. Grüße mir meinen alten Handelsfreund, Herrn François Le Pin und benutze die Zeit in seinem Hause, dir einige tüchtige Waarenkenntnisse zu verschaffen. Hier sind Briefe, hier ist Geld! Und nun fort! Salomo soll dich auf entlegenen Pfaden nach der Trave hinbegleiten, dann sieh zu, wie du weiter kommst. Hier in Lübeck sollst du mir keine Rolandsstückchen mehr machen!«

Lachend steckte der Neffe Geld und Briefe ein.

»Auf Wiedersehn!« sprach er bedeutungsvoll nach dem Schweden hin. »Und Ihr, Oheim,« richtete er seine Worte jetzt schalkhaft an diesen, »seyd versichert, daß ich Euch in einem getreuen und liebevollen Herzen bewahre, Euch und Alles, was Euern Namen trägt. Von der Verwendung des Geldes werde ich Euch dereinst, wann ich Euer Eidam geworden, ausführliche Rechnung ablegen, damit Ihr seht, daß ich nicht durchaus untauglich bin, einmal meinen Haushalt gehörig zu verwalten. Lebt wohl und vergießt keine Thränen über den Abschied, denn das Leben ist flüchtig und mag eine leichte Waare, wie Heiterkeit und Frohsinn gern auf seinen Flügeln tragen.«

Mit eiligen Schritten entfernte er sich, um mit Salomo, den er unter der Hausthüre seiner harrend fand, den Weg nach der Trave anzutreten. Der alte Diener trug sein weniges Gepäck und hatte Mühe, mit dem kühn in die Welt schreitenden jungen Manne fortzukommen. Die Straßen, durch welche sie gingen, waren noch öde und menschenleer. Ohne eine befremdende Begegnung gelangten sie aus der Stadt und an das Ufer des Flusses. Hier verabschiedete Roland den alten Diener und nahm ein Boot, das ihn zu den segelfertigen Schiffen bringen sollte. Auf dem Flusse trieben bedeutende Eismassen, die Schiffer konnten nur mit Aufbietung aller Aufmerksamkeit und aller Kräfte das kleine Fahrzeug durch die andringenden Eisschollen lenken. Roland ergriff selbst eine Ruderstange und wußte diese mit solcher Kraft und Geschicklichkeit zu handhaben, daß die Fährleute durch laute Lobpreisungen ihr Erstaunen an den Tag legten. Er allein übernahm es, ihre Bahn von Eis frei zu halten, stimmte unter der Arbeit ein heitres Lied an, in das die Schiffer, von seinem Beispiele ergriffen, bald einfielen. Die Fahrt ging nun rasch vorwärts und in kurzer Zeit hatten sie die an der Travemündung ankernden Schiffe vor Augen.

»Zur Concordia, Capitän Harslö von Drontheim!« rief Roland den Bootsführern zu.

Das Boot wand sich pfeilschnell durch die Menge der hier liegenden Schiffe. Lachend blickte der junge Mann zu dem »Adler von Bordeaux« auf, an dem sie vorüberfuhren. Im muthwilligen Gedankenspiele ladete er ihm alle Grüße Herrn Bernhard Böchower's an seinen Handelsfreund, Sire Le Pin, auf und sah dann freudig nach dem stattlichen Nordfahrer Concordia, der eben im Begriffe stand die Anker aufzuwinden und bei günstigem Winde das Weite zu suchen. Das Boot legte an, oben am Rande des Bordes wurde ein kräftiges Nordmannsantlitz mit herabwallendem blondem Haupthaare sichtbar.

»Wer da?« rief mit einer starken Baßstimme der Nordmann, der kein andrer war, als der Capitän selbst, hinab. »Wer hat noch auf der Concordia zu thun im Augenblicke der Abfahrt?«

»Der Roland von Bremen!« war die Antwort und zugleich schwang sich der verwegene Jüngling an einem herabhängenden Tauende an Bord des Schiffes empor. Er stand seinem alten Freunde gegenüber, er reichte diesem lächelnd beide Hände. »Wollt Ihr mich mitnehmen nach Drontheim? Habt Ihr noch Raum für einen lustigen Gesellen, wie ich bin?« fragte er lebhaft und munter.

»Tausendmal Willkommen auf meinen Brettern, Herzensroland!« rief der Capitän, der den jungen Mann schon in Bremen kennen gelernt und liebgewonnen und in Lübeck wiedergefunden hatte. »Die Concordia liebt fröhliche Gesellen, denn Heiterkeit und ein gutes Gewissen erhält die Eintracht. Ein Freund, wie Ihr, hat mir gefehlt und das ist warlich ein günstiger Wind, der Euch mir zuführt!«

In wenigen Augenblicken war Roland auf dem Schiffe zu Hause. Die Seeleute erfreueten sich des jugendlichen kräftigen Gefährten, der Wind schwellte die Segel und bei heiterm Sonnenschein, bei einer für diese Jahrszeit ungewöhnlich milden Luft, schwebte das ansehnliche Gebäude dem Meere zu, dessen wallende Fläche den blauen Horizont wiederspiegelte. Mit einer Regung von Muthwillen sah Roland noch einmal nach der Gegend von Lübeck zurück. Er konnte sich einer kleinen Schadenfreude über die Täuschung des Oheims, der ihn auf dem Wege nach der französischen Küste wähnte, während er mit vollen Segeln dem hohen Norden entgegenzog, nicht erwehren.

»Warum will er mir auch durchaus das herzliebe Mühmchen, das mir so geneigt ist, wie ich ihm, abspenstig machen?« sprach er schmollend in sich hinein. »Wird sie sich doch selbst glücklicher fühlen mit einem freien, fröhlichen Ehemann, der das Weltleben liebt, als mit einem Stubenhocker und Tuckmäuser!«

Bald waren die flachen Ufer der Trave weit hinter ihnen verschwunden, die Eisschollen blieben an den Küsten zurück und die weite Ostsee breitete sich vor den Blicken des von Hoffnung und Frohsinn belebten jungen Mannes aus.



 << zurück weiter >>