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Wir gehen um eine kurze Spanne Zeit in unserer Erzählung zurück. An dem Fenster eines palastartigen Gebäudes sitzen zwei junge Mädchen. Die Eine ist dem Leser bekannt, es ist Klara v. Holm, sie ist zum Besuche bei einer Freundin in Berlin, und schaut heute wie immer mit neugierigem Vergnügen auf das Treiben der eleganten Welt, die in stolzen Karossen vorüber fährt oder drüben am Saume des Thiergartens lustwandelt – solche Pracht der Toiletten sieht man nicht in der Provinz.
Da plötzlich fährt sie erschrocken zusammen. »O mein Gott,« ruft sie, »sehe ich recht! Wie sieht der Aermste aus!«
Die Freundin horcht neugierig auf, aber Klara ließ sich in ihren Beobachtungen nicht stören, bis der Gegenstand ihres Interesses wahrscheinlich vor ihren Blicken verschwunden war.
»Das ist unbeschreiblich traurig!« sagte Klara in einer Erregung, welche die Neugierde ihrer Freundin auf's Höchste spannte. »Lasse Dir erzählen. Als meine Tante Wildenfels erkrankte, ließ der Onkel einen Arzt holen, der zwar noch ein junger Mann war, aber durch sein entschiedenes Wesen mein ganzes Vertrauen erweckte. Es war gleichzeitig an einen berühmten Arzt in Breslau telegraphirt worden, derselbe traf später ein, ordnete Alles anders an, und als meine Tante kurze Zeit nachher starb, legte er ihren Tod der falschen Behandlung zur Last, welche sie durch die früher gerufenen Aerzte erfahren.«
»Herr v. Trotten, so hieß der junge Arzt, hatte über seinen Kollegen, der vor ihm die Tante behandelt, sehr schonend und rücksichtsvoll gesprochen, obwohl es selbst ein Laie sehen konnte, daß jener Arzt nichts verstanden, der Breslauer Doktor nahm solche Rücksichten nicht. Einige Zeit später lernte ich die Schwester des jungen Arztes kennen, sie war Gesellschafterin des Generals v. Sorben.«
»Wie?« rief Adda v. Hosten – so hieß Klara's Freundin – »doch nicht der alte Herr, der von seiner Wirthschafterin vergiftet wurde?«
»Ja, von ihm rede ich, die Dame, welche seine Gesellschafterin, nicht Wirthschafterin war, hieß v. Trotten. Ich habe nie ein weibliches Wesen gesehen, welches so rasch wie Margareth sich meine wärmste Sympathie erworben, obwohl sie mir bis dahin völlig fremd gewesen. Der General war in sehr gereizter Laune gegen sie, aber sie wahrte ihm gegenüber ihre Würde in ebenso bescheidener wie taktvoller Weise. Ich erfuhr von meinem Bruder, daß ein Garde-Offizier, der uns begleitete und dessen Heirathsantrag sie früher zurückgewiesen, die sehr niedrige Rache an ihr genommen, ihren Charakter dem General zu verdächtigen. Der Offizier war der Sohn eines sehr reichen Spekulanten, er wäre also für sie eine sehr gute Parthie gewesen, wenn sie nach Reichthum getrachtet hätte, ich mochte es daher nicht glauben, was ziemlich allgemein von ihr erzählt wurde, daß sie eine Intrigantin sei, welche darauf ausgehe, das Erbe des alten Generals an sich zu bringen. Es wurde sehr viel über sie gesprochen, und zwar so Ungünstiges, daß auch meine Eltern nicht mehr nach Seebach fuhren, aber ich hatte stets das Gefühl, daß man Margareth verleumde, ich konnte nicht daran glauben, daß die Natur so lüge und einer Unwürdigen den Stempel adeliger Gesinnung und der Herzensreinheit gebe. Als der General plötzlich an einer Vergiftung starb und seine Verwandten Margareth als Mörderin anklagten, als ich hörte, daß sie verhaftet worden, da that sie mir unaussprechlich leid, und wenn Jemand im Gespräch ihre Partei ergriff, so jauchzte mein Herz auf. Der nächste Verwandte des Ermordeten, der Geheimrath Sorben verbürgte sich für ihre Unschuld, der Staatsanwalt hat ihr sogar später einen Heirathsantrag gemacht, ihre Haltung vor Gericht soll einen wunderbaren Eindruck auf die Richter hervorgerufen, Jeden für sie eingenommen haben.«
»Sie wurde freigesprochen, aber ihre Unschuld war nicht zu beweisen, hatte man ja doch auch ihren Bruder verdächtigt, daß er ihr Hilfe bei dem Morde geleistet! Man erzählte, daß sie tief gebeugt durch die entsetzlichen Schläge des Unglücks, niedergedrückt durch den Argwohn, der trotz der Freisprechung auf ihr lasten blieb, sich durch die Flucht allen Denen entzogen, welche ihr ihre Theilnahme beweisen, ihr Hilfe spenden wollten. Nun denke Dir – da sah ich eben den Doktor v. Trotten! Er schlich über die Straße wie ein Gespenst, abgemagert, bleich, mit hohl liegenden Augen, und in einer Kleidung, welche verräth, daß er darbt! O mein Gott, wenn ich wüßte, wie man ihm helfen könnte, ohne daß er ahnt, woher die Hilfe kommt. Wahrscheinlich ist er mit seiner Schwester hieher geflüchtet, wo ihn Niemand kennt, und sie leiden Noth. Ich sah ihn da etwas aufheben, was er gefunden, es zuckte wie ein Freudenschein über das bleiche Gesicht. Wäre er so weit gekommen, daß dies zufällige Finden einer Tasche, in der sich vielleicht einige Thaler befinden, ihn vom Hunger rettet?! Fast sah er so aus.«
»Wenn er in Berlin wohnt,« bemerkte Adda bewegt, denn sie sah in den Augen ihrer Freundin Thränen perlen, »dann ist er leicht aufzufinden, da braucht mein Vater nur beim Meldeamt anfragen zu lassen. Aber sage mir, Klara, fürchtest Du gar nicht, daß Du durch ein Vorurtheil bestimmt sein könntest, Sympathien für Personen zu hegen, die vielleicht Deiner Theilnahme unwürdig sind! Mir sind diese Vorgänge ganz anders geschildert worden, aber wäre das auch nicht der Fall, so ist doch immer anzunehmen, daß der Charakter von Personen, auf welche der Verdacht eines gemeinen Mordes fallen kann, schon anrüchig gewesen sein muß.«
»Die Bosheit verdächtigt auch die Unschuld und beide Trottens hatten böse Feinde. Ich hörte es schon vom Onkel Wildenfels, daß man den Doktor v. Trotten auf alle Weise zu verdächtigen suche, und ebenso ist es Margareth ergangen. Man warf ihr vor, sie wolle das Erbe des Generals erschleichen und sie hat es zurückgewiesen!«
»Fräulein v. Stolzenhain, eine Verwandte des Generals, behauptet, diese Ablehnung sei ein Beweis ihres Raffinements gewesen, sie habe dadurch die Meinung der Richter bestechen wollen, in Wirklichkeit habe sie gewußt, daß das Testament zu ihren Gunsten durch eine nachträgliche Erklärung des Generals ungiltig gemacht worden sei.«
»Ich wollte, Du hättest Margareth gesehen,« versetzte Klara, »Du würdest anders urtheilen.«
»Der Eindruck, den sie macht, muß sehr verschieden sein,« antwortete Adda. »Lieutenant Ebeling schwört darauf, daß sie den Mord begangen habe.«
»Wer?«
»Lieutenant Ebeling.«
»Das ist ja der Freier, den sie abgewiesen hat!«
Adda's Antlitz färbte sich purpurn. »Du scherzest oder Du irrst Dich ganz gewiß.«
»Ich meine den Sohn des Bankier Ebeling aus G., der hier in Berlin bei der Garde steht; Guido Ebeling hat es meinem Bruder selbst gesagt, daß Margareth ihm einen Korb gegeben und daß er sich an ihr gerächt habe; mein Bruder hat in Folge der Rohheit, die er dabei zeigte, den Umgang mit ihm abgebrochen. Aber was ist Dir, Adda!«
Adda war todtenbleich geworden. »Es steht nur ein Lieutenant Ebeling bei der Garde,« sagte sie, »der, den ich meine, heißt auch Guido und ist aus G. Wenn das wahr ist, was Du sagst, so hast Du mir einen großen Dienst gethan.«
»Was ich Dir erzählt, ist durchaus wahr. Ich kann sogar noch hinzufügen, daß der Bruder Margareth's der Verlobte von Ebeling's Schwester gewesen und daß der Lieutenant sich auch darüber sehr unzart geäußert hat.«
Adda drückte die Hand der Freundin und wandte ihr Antlitz ab. Es war zu errathen, daß ihr Herz eine schmerzliche Enttäuschung erfahren – aber glücklicher Weise noch zu rechter Zeit. Sie gestand es denn auch Klara, daß Ebeling ihr stark den Hof gemacht, und ihr der Gedanke schon ziemlich vertraut gewesen, ihm das Jawort, wenn er es erbitte, nicht zu versagen.
Die Herzen der beiden Freundinnen traten einander in dieser Stunde näher als sie es je gewesen, sie plauderten noch lange mit einander, und jetzt freute sich auch Adda, Klara bei ihrem Vorhaben, den Trottens heimliche Hilfe zu spenden, eine thätige Genossin zu sein.
Der Wirkliche Geheimrath v. Hosten war gern bereit, dem liebenswürdigen Gaste seiner Tochter die Adresse Trotten's zu verschaffen, er hörte mit lebhaftem Interesse die Schilderung, welche Klara von Margareth und ihrem Bruder entwarf, er hatte in den Zeitungen auch die Berichte von den Prozeßverhandlungen gelesen.
Er gab am nächsten Morgen die nöthigen Aufträge an einen seiner Subalternbeamten, ehe er jedoch am darauf folgenden Tage in's Bureau ging, um das Resultat der Recherchen in Empfang zu nehmen, fiel ihm plötzlich bei Lektüre des Morgenblattes eine Notiz in's Auge.
»Wie tief ein gebildeter Mensch sinken kann,« so lautete es unter den Tagesneuigkeiten, »davon gibt folgender Vorfall wieder einen Beweis. Dem Bankier A. wurde gestern beim Verlassen der Börse, bei einem wahrscheinlich künstlich erzeugten Gedränge, von einem Taschendiebe die Brieftasche gestohlen. Es befanden sich in derselben ausschließlich Fünfhundertthalerscheine, welche überdem bezeichnet waren, und diesem Umstande ist die Entdeckung des Diebes zu verdanken. Derselbe hat wahrscheinlich gefürchtet, so hohe Geldscheine nicht ohne Verdacht zu erwecken wechseln zu können, es hat ihm an einem Hehler gefehlt, und da die in der Brieftasche befindliche Summe sehr bedeutend war, hat er den nach seiner Ansicht schlauen Plan verfolgt, sich unter dem Vorwande, die Brieftasche gefunden zu haben, den sehr beträchtlichen gesetzlichen Finderlohn zu fordern. Es wird diese Erklärung um so wahrscheinlicher durch den Umstand, daß der Dieb noch kein Spitzbube von Beruf ist, zu seinem Unglück hat aber Herr A. in ihm einen Menschen wieder erkannt, der im Gedränge auf sehr verdächtige Weise in seiner Nähe sich zu schaffen gemacht. Der Dieb ist eine auf freilich traurige Weise bekannte Persönlichkeit, er spielte in dem Sorben'schen Mordprozeß eine zweideutige Rolle, er ist der jetzt aller Existenzmittel entblößte Doktor v. T...... Wahrlich ein trauriges Zeichen der Zeit, eine Warnung für die, welche bei einer Kriminaluntersuchung noch immer der falschen Ansicht Rechnung tragen, man könne dem Gebildeten kein rohes Verbrechen zutrauen!«
Hosten gab das Zeitungsblatt an Klara, damit sie erfahre, wie wenig würdig Trotten ihrer Theilnahme sei, aber wie erstaunte er, als sie, anstatt ein wenig beschämt zu sein, glühend vor Erregung das Blatt, nachdem sie es gelesen, in ihrer Hand zerknitterte und von sich schleuderte, als sei Gift daran.
»O,« rief sie, »das ist die Krone der Infamie. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, daß Trotten eine Brieftasche fand, ich will es bezeugen. Wer das geschrieben, ist ein ehrloser Lügner! Trotten ein Dieb! O, das ist zu schändlich.«
Hosten traute seinen Ohren nicht. Klara mußte ihm noch einmal umständlich erzählen, was sie beobachtet hatte, und wie die Tasche ausgesehen, welche Trotten von der Straße aufgehoben.«
»Ich werde selbst zum Polizei-Direktor fahren,« sagte er. »und dafür Sorge tragen, daß Herr v. Trotten, wenn er unschuldig ist, die vollste Genugthuung erhält.«
Der alte Herr, dem die thränenden Augen Klara's Blicke des wärmsten Dankes zuwarfen, zögerte nicht, sein Vorhaben auszuführen, aber Klara's Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, es dauerte fast drei Stunden, bis er zurückkehrte. Sie flog ihm entgegen und ihre Blicke konnten in seinen Augen lesen, daß er gute Nachricht bringe, der alte Herr war tief bewegt und schaute sie mit inniger Wärme an.
»Ich habe viel zu erzählen,« begann er, »aber zuerst muß ich Ihnen dafür danken, liebe Klara, daß Sie mir einen glücklichen Tag verschafften, glücklich durch das schöne erhebende Gefühl der Befriedigung darüber, daß ich einem Unglücklichen helfen konnte. Der Polizei-Lieutenant hat den Versicherungen des Bankiers Glauben geschenkt, und Herr Apel hat in der frivolsten, leichtfertigsten Weise seine Anklage erhoben. Der Polizei-Direktor ließ ihn auf meinen Wunsch citiren, und kaum sagte ich ihm, daß Du es gesehen, wie Trotten eine braune Tasche in der Thiergartenstraße gefunden, da wechselte er die Farbe und gestand, daß er sich geirrt haben könne, obwohl er die Sache nicht begreife. Der Direktor trieb ihn aber noch weiter in die Enge, er gab die Möglichkeit zu, daß er beim Herausnehmen seiner Visitenkartentasche die Brieftasche mit herausgezogen haben könne, daß dieselbe auf irgend eine Weise dann aus dem offenen Coupé gefallen sei, der Wagen hat drei Häuser von uns entfernt gehalten. Apel entschuldigte sich damit, daß er von dem Wahne befangen gewesen sei, er wäre bestohlen, er habe noch nie seine Brieftasche auf ähnliche Weise verloren, er blieb auch dabei, daß er einen Menschen, der Trotten ganz ähnlich sehe, im Gedränge auf dem Börsenplatze beobachtet habe.
»Die Sache ist natürlich jetzt zweifellos zu Gunsten Trotten's entschieden,« fuhr Hosten fort, »dem Bankier ist aber schwer beizukommen, da er keinen Strafantrag gestellt, sondern nur sich geweigert hat, den Finderlohn ohne richterlichen Spruch zu zahlen, eine Anzeige, die er im guten Glauben, wenn auch irrthümlich gemacht, ist nicht strafbar, er ist überdem bereit, Trotten freiwillig jede gewünschte Genugthuung zu geben.
»Doch das ist noch nicht Alles,« sagte Hosten lächelnd, als Klara ihm dankerfüllt die Hand drückte, »ich bat um Recherche, wer die Einsendung der Zeitungsnotiz veranlaßt. Das ist strafbare öffentliche Verleumdung, denn die Schuld Trotten's war keineswegs konstatirt, wurde aber derartig dargestellt, als sei sie zweifellos, und die Persönlichkeit Trotten's war für Jeden erkennbar gezeichnet. Der Urheber und Bürge für diese öffentliche Verleumdung,« fuhr Hosten mit erhobener Stimme fort und sein Blick heftete sich auf Adda, »ist der Lieutenant Ebeling, der Schwager des Bankier Apel, er hat sich beeilt, die Geschichte, die er von seinem Schwager gehört, sofort in die Oeffentlichkeit zu bringen.«
Adda erbleichte, sie wechselte einen Blick mit Klara. »Ich weiß es seit vorgestern,« sagte sie mit erzwungener Ruhe zu ihrem Vater, »daß Lieutenant Ebeling ein Schurke ist.«
Das Antlitz Hosten's, welches umwölkt gewesen, klärte sich heiter auf. »Um so besser,« sagte er, »denn ich werde dafür sorgen, daß er den Ehrenrock des Königs ausziehen soll und natürlich mein Haus nicht wieder betritt. Ob Apel Trotten erkannte, als derselbe in sein Comptoir trat, ob er ihn absichtlich des Diebstahls beschuldigte, das mag Gott wissen, er betheuerte das Gegentheil, erklärte sogar, als er den Namen Trotten's gehört, nicht sogleich daran gedacht zu haben, daß derselbe früher der Verlobte seiner jetzigen Frau gewesen. Es kann das wahr sein und auch nicht. Ebeling aber hat seinen giftigen Haß gegen Trotten klar bewiesen und gezeigt, daß er selbst eine Infamie nicht scheut, demselben zu schaden. Dabei ist er gestern in der Wohnung Trotten's gewesen und hat den bübischen Versuch gemacht, das Unglück der Geschwister zu wahrscheinlich infamen Zwecken auszubeuten, das Fräulein hat mir diese Schurkerei geklagt.«
»Margareth?« rief Klara, »Sie haben Margareth gesprochen?!«
»Gewiß,« erwiederte Hosten lächelnd, »glauben Sie, daß ich mir die Freude versagen konnte, dem unschuldig Angeklagten die frohe Botschaft selber zu bringen und mir zugleich die Schützlinge unseres lieben Gastes anzusehen?
»Sie brauchen sich Ihrer Freunde nicht zu schämen,« fuhr er fort, als Klara erröthete, »ich glaube einige Menschenkenntniß zu besitzen und mich in diesem Geschwisterpaar gewiß nicht zu täuschen. Ich werde so leicht nicht weich, aber bei diesen Leuten ging mir das Herz über. Es herrscht die bitterste Noth bei ihnen. Trotten hat erst vorgestern einen Patienten gefunden, so lange haben Beide von den Groschen gelebt, welche das Fräulein durch ihrer Hände Arbeit erworben. Trotten ist krank, er hatte während der Nacht eine Frau vom Tode gerettet, der glückliche Gatte sagte es mir, wie Trotten unermüdlich bei Mutter und Kind gewacht, er war gekommen, Trotten zu danken, und der Arzt, der ihm geholfen, lag hilflos da, die Kränkung seiner Ehre, das neue Unglück hatten die letzten Kräfte des Unglücklichen erschöpft.
»Die Geschwister,« schloß Hosten seine Erzählung, »ahnten nicht, wer ich bin, daß ich ihnen Wohl helfen kann; aber sie ließen mich ihren Charakter kennen lernen. Der Buchhalter Apel's brachte einen Brief mit tausend Thalern, Fräulein v. Trotten verweigerte nicht nur die Annahme, sondern wollte auch die Zuschrift nicht einmal lesen, ihr Bruder billigte das und ließ dem Bankier antworten, er möge den Finderlohn an die Armenkasse senden, ihn aber heute und später unbehelligt lassen.«
»Ja, es sind prächtige Menschen,« rief Hosten, während Klara die Thränen trocknete, welche sich ihr immer von Neuem in's Auge drängten, »und ich bin heute recht glücklich darüber, daß ich nicht nur ein vornehmer, sondern auch hochgestellter und angesehener Mann bin.
»Ihr versteht das nicht?« fragte er lächelnd, als Klara und Adda ihn überrascht anschauten, »seht, ich freue mich darüber, denn wenn ich die beiden Leute in mein Haus bitte, so wird alle Welt sie besser beurtheilen, ich kann es schon wagen, dem Gerede der Welt Trotz zu bieten, ohne zu fürchten, daß ich dadurch den Beiden schade, indem ich halb vergessene Geschichten wieder auffrische. Die Geschwister wollten in die Verborgenheit fliehen – wer sie daraus hervorzieht, muß ihnen auch verbürgen können, daß er sie mit fester Hand gegen jede Anfeindung zu schützen vermag!«