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Dreizehntes Kapitel

Der Herzog hatte sich endlich entschlossen, die vornehme Welt aus der Umgegend zu einem Diner bei sich zu sehen, und so gewissermaßen das Zeichen zu geben, daß die Mißerfolge des Feldzuges verschmerzt und die Wintervergnügungen eröffnet seien. Die durch den Krieg veranlaßten Lücken in seinem Hofhalt waren ausgefüllt, Kammerjunker von Zscheplitz vom Urlaub zurückgekehrt, Graf Luja befand sich in fortschreitender Genesung, so ging alles wieder in ein erfreuliches Geleise über.

Johann Adolf atmete auf. Die Mißstimmung war ein zu fremder Tropfen in seinem Blute; er konnte sich auf die Dauer nicht in der Ruhe und Einförmigkeit seines häuslichen Lebens wohl fühlen. Mit vergnügtem Lächeln lauschte er, während er sich ankleiden ließ, ob noch kein Wagen seiner Gäste auf den Schloßhof rolle.

Es war heute wieder wie sonst in den weitläufigen Räumen des Schlosses. Der dicke Hofmarschall hastete, von einem Stabe galonierter Unterbeamten umgeben, durch die festlich ausgestatteten Räume. Die Büfetts prangten im Schmuck des Silbers, der Vasen und Kandelaber; die lange Tafel im Speisesaale schimmerte in der bunten Pracht des Meißner Porzellans, der vergoldeten Tafelaufsätze mit ihren allegorischen Gruppen, der Füllhörner mit Blumen, des funkelnden Silbers und Kristalles. Die Lakaien rannten durch die weiten Korridore; in der Küche, der Konditorei, dem Bereich des Kellermeisters, herrschte die größte Geschäftigkeit.

Jetzt stand der Hofmarschall mit der Oberhofmeisterin und den anderen Hofchargen im Empfangssaale bereit. Und nun kamen sie einer nach dem anderen angefahren, die Grandseigneurs der Umgegend mit ihren Gemahlinnen, die seit Jahr und Tag diese Räume nicht betreten hatten, die sich aber mit Wonne im Strahlenkreise der Souveränität bewegten. Auch die Weißenfelser Aristokratie erschien samt der ersten herzoglichen Beamten, doch nur so weit von ihren Damen begleitet, wie der Adelstitel deren Auftreten bei Hof möglich machte. Wieder nickten die Straußenfedern auf weiß gepuderten Locken, wieder schimmerten Atlas und Brokat, wieder rauschten die Fächer und klapperten zierliche Hackenschuhe auf spiegelglattem Parkett. Gerade so komplaisant und charmant, ebenso knixend, scharrend, parlierend und kokettierend, wie man im August 1744 auseinandergegangen war, traf man sich jetzt im Februar 1746 wieder. Alles was Unerfreuliches dazwischen lag, wurde mit vollendeter Grazie ignoriert; man kam zusammen, um sich zu amüsieren, sich Angenehmes zu sagen, den süßen Schaum vom Trank des Daseins zu schlürfen, mochte dahinter liegen und versinken was wolle!

Endlich war die Gesellschaft im Empfangssalon versammelt; der Hofmarschall hatte mit Beihilfe der Frau Oberhofmeisterin hier die Damen, drüben die Herren nach Rang und Würden geordnet. Jetzt stieß er mit seinem goldenen Stabe zu einem »Habt acht!« aufs Parkett.

Aller Blicke richteten sich mit Spannung auf die Flügeltüren, sie flogen auf, das herzogliche Paar erschien, begleitet von Pagen, Kammerfräulein und Junkern, worauf die ganze versammelte Gesellschaft zu tiefster Verneigung hier in Reifröcken versank, dort sich devotest beugte.

Welch Fächern, Lächeln, Lispeln, Erröten und Zurseiteblicken, als nun die höchsten Herrschaften an den Reihen hinabschritten und hier und da ein gnädiges Wort, eine huldvolle Frage spendeten!

Die erste Zeremonie war vorüber, die Gesellschaft hatte an der prächtigen Tafel Platz genommen, Rosa von Bünau fand sich – o der Schalk vom Hofmarschall! – zwischen ihren früheren Verehrern, dem Oberstallmeister von Storke und dem Kammerjunker von Zscheplitz.

Storke hatte bis jetzt keine Gelegenheit gehabt, mit dem schönen Mädchen allein zu sprechen, und Zscheplitz begrüßte sie nach der Heimkehr aus dem Felde hier zuerst. Kein Wunder, daß drei Herzen in Erwartung und vergnügen höher schlugen.

»Welches Glück, Sie zu sehen, Fräulein von Bünau!« begann Kurt von Zscheplitz, süßlich wie früher. »Reizender denn je finde ich Sie wieder! Dieser Augenblick erfüllt mir die Sehnsucht und Hoffnung vieler öder Stunden!«

Sie drohte ihm schelmisch: »Ich denke, Sie haben sich im vorigen Winter in Dresden vortrefflich amüsiert?«

»Was will das sagen im Festivitätentrubel, bei dem das Herz kein Engagement findet!«

»Sollte das ganz unbeteiligt geblieben sein?«

»Bei allen Göttern!«

»Nun, so konnten Sie's vor dem Feinde recht bewähren!«

»Sind Sie boshaft?« flüsterte Storke dem Mädchen von der anderen Seite ins Ohr.

»Verleumdet mich der Bramarbas?« raunte mit einem zornigen Seitenblick der Kammerjunker Rosa zu.

»Durchaus nicht!« antwortete diese beiden zugleich, indem sie in heiterster Harmlosigkeit weder rechts noch links sah und ihren flittergestickten Fächer leise bewegte.

»Und dachten Sie in der langen Zeit dann und wann an mich?« fuhr Zscheplitz mit zärtlichen Blicken rasch fort, um die Aufmerksamkeit seiner Nachbarin festzuhalten. »Oder war ich ganz aus Ihrer Erinnerung geschwunden?«

»Sie trauen mir ein sehr kurzes Gedächtnis zu.«

»Ein ravissanter Gedanke, Sie in der nächsten Zeit oft sehen zu können! Serenissimus haben endlich den Bann düsterer Monotonie gelöst. Ich weiß, es wird eine Reihe von Festlichkeiten geplant, bei denen das holdeste aller Kammerfräulein die Königin der Schönheit sein und die Huldigungen ihres Sklaven empfangen wird –«

»Oh, oh, welche Uebertreibungen, Herr von Zscheplitz!« lachte Rosa und verdeckte ihr Ohr nach seiner Seite mit dem Fächer, als ob sie nichts mehr hören wollte.

Storke, der das Paar verstohlen beobachtet hatte und triumphierenden Herzens zu erkennen glaubte, daß des Kammerjunkers Fadheit Rosa mißfalle, versuchte jetzt ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

»Wie haben die Damen hier den Sommer verlebt, während wir vor dem Feinde standen?« fragte er teilnahmsvoll.

»Durchlaucht waren natürlich in großer Sorge«, entgegnete Rosa. »Ach, es war eine sehr traurige Zeit. Zuerst das Unglück mit dem kleinen süßen Georg –«

»Der Verlust ist überstanden und verschmerzt«, warf Storke fast rauh ein.

Rosa sah ihn erstaunt an. »Ich glaube nicht, daß ein Mutterherz wie das meiner angebeteten Herrin vergessen kann«, entgegnete sie mit tiefer Empfindung.

»Seine hochfürstliche Durchlaucht sind glücklich heimgekehrt!«

»Sie haben recht, es gibt jetzt mehr zu danken als zu trauern.«

»Und langten die Kuriere, welche Serenissimus abschickten immer rechtzeitig an?«

»Wir haben oft mit Bangen und Sehnsucht auf Nachricht gewartet; wir verlangten vielleicht in unserer Sorge zu viel; alle acht oder vierzehn Tage kam eine Botschaft.«

»Haben Sie, teures Fräulein, nur für Leben und Gesundheit des Herzogs gezittert?« fragte Storke jetzt leise, mit einem seiner durchdringenden Blicke.

Unter den forschenden Augen überlief ein tiefes Rot die Züge der Schönen. Sie faßte sich aber bald und antwortete: »Es würde teilnahmslos erscheinen, wenn ich Ihnen nicht offen eingestehen wollte, daß wir uns lebhaft für das Ergehen aller unserer bekannten Herren interessierten.«

»Sie weichen mir aus«, fuhr er flüsternd und eindringlich fort, »machen Sie mich doch mit dem Zugeständnis glücklich, daß Sie freundlich an mich gedacht haben.«

Unwillkürlich streifte ihr Blick die rote Narbe auf seiner Stirn, und innerlich ergriffen von der Wahrheit, gab sie das Zugeständnis, welches er forderte. »Ja, Baron«, sagte sie mit ihrer natürlichen Herzlichkeit, »ich war sehr erschrocken, als Durchlaucht nach der Schlacht bei Soor schrieben: unser tapferer Oberstallmeister hat sich löwenmäßig geschlagen, ist aber endlich mit einem derartigen Hieb über den Kopf zusammengehauen, daß der Feldscher an seinem Aufkommen zweifelt.«

»Und es tat Ihnen leid, mich sterbend zu wissen?«

»Sehr leid«, ihre Augen füllten sich mit Tränen, die ihn beglückten; munterer fuhr sie fort: »Ich konnte mir's aber gar nicht vorstellen, daß Sie – Sie sich nicht erholen würden, denn –«

»Sie denken an das Sprichwort vom Unkraut«, sagte er bitter.

»O nein! Ich meine nur, Sie sehen so unverwüstlich stark, so männlich fest aus, daß man Sie nicht schwach und hinfällig denken kann!«

Diese Worte taten ihm wohl, es lag Wärme und Anerkennung darin, freudig begann er den Verlauf der Schlacht, seine Beteiligung und seine Empfindungen zu schildern. Sie lauschte gespannt und folgte so lebhaft gefesselt seinen Worten, daß der Kammerjunker sich vergeblich bemühte, wieder ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, und sich seufzend begnügen mußte, Jakobine von Wolfhart, die auf seiner anderen Seite saß, zu unterhalten. Hier fand Kurt von Zscheplitz, der Majoratsherr, endlich ein ganz geneigtes Ohr. Die »blonde Stange« empfing seine Annäherung mit ihrem süßesten Lächeln, sie kargte nicht mit den Freundlichkeiten, welche er vergeblich von Rosa zu erringen getrachtet hatte. Er fand Jakobine heute sogar hübsch, sie gefiel ihm sehr, als sie, sich zu ihm neigend, mit freundlicher Teilnahme sagte:

»Was müssen Sie entbehrt und gelitten haben, Herr von Zscheplitz! Quelle Privation! Im Felde stehen par ce temps froid, insupportable! Ich bewundere Sie, daß Sie es ertrugen!«

»Ja«, sagte er selbstgefällig, »es gehören Energie und guter Wille dazu, wenn man weiß, welch' ein magnifiques Schloß, welch' zärtlich besorgte Mutter man besitzt, auf Stroh zu schlafen und oft mit degoutanten Diners fürlieb zu nehmen.«

»Serenissimus hatten doch seine Köche mit?«

»Naturellement, aber es war oft difficil, ein konvenables Menu zu beschaffen.«

» Quelle horreur! Wie ertrugen Sie es nur?«

Während Zscheplitz Jakobinen auseinandersetzte, wie übel er daran gewesen, und sich von ihr beklagen ließ, ward Rosa dauernd von Storkes feuriger Rede gefesselt, er nahm sie durch den leidenschaftlichen Nachdruck, die kräftige Farbe, welche er allem zu geben wußte, derart gefangen, daß sie von nun an während des ganzen Diners nur für ihn Augen hatte und wie unter einem Zauber stand. Vergeblich warf die Herzogin, welche ihr schräg gegenüber saß, besorgte und warnende Blicke herüber. Das Mädchen sah nichts außer ihm, und er, der das Mißfallen der Fürstin deutlich wahrnahm, triumphierte über seinen Sieg, den mit aller Kraft zu verfolgen er sich heimlich zuschwor.

Als die Tafel aufgehoben wurde, dankte Storke seiner Nachbarin für das Glück dieser Stunde. Jetzt erst stieg in Rosa die Ahnung auf, daß sie mit ihrer Teilnahme und Hingabe zu weit gegangen sei. Verwirrt wandte sie sich nach Zscheplitz um, der eben Jakobinen die Fingerspitzen reichte, um sie in den Empfangssalon zurückzuführen; so mußte sie die gleiche Artigkeit vom Oberstallmeister annehmen, dessen anderer Nachbar ein Herr gewesen, obwohl sie des Kammerjunkers Dame war.

Die Herzogin verabschiedete die geladenen Gäste und zog sich mit ihrem Gefolge zurück, während ein Teil der Männer nach besonderer Aufforderung noch um den Herzog zu Spiel und Unterhaltung versammelt blieb.

Beunruhigt über Rosas Verkehr mit Storke schritt die Herzogin ihren Gemächern zu. Sie konnte dem Verhältnis der beiden kein äußerliches Hemmnis entgegensetzen. Der Oberstallmeister sonnte sich jetzt nach dem Feldzuge mehr denn je in der Gunst ihres Gemahls. Auf eine Andeutung, die sie sich neulich erlaubte, hatte dieser erwidert: »Laß doch Deine Insinuationen gegen von Storke, er ist ein ganz famoser Kerl und gereicht keinem Hofe zu Schande.«

So durfte sie es nicht wagen, dem Hofmarschall einen Wink zu geben, daß er den Oberstallmeister nicht mit Rosa zusammenführe. Sie stand auch von jeher dem förmlichen, unterwürfigen und doch indiskret geschwätzigen Leiter des herzoglichen Hauswesens zu fern; ebenso der Oberhofmeisterin, einer Dame aus der Umgegend, welche nur bei besonderen Gelegenheiten gewisse repräsentable Funktionen übernahm. Ihr blieb also gar nichts übrig, als auf Rosa selbst zu wirken. Da sie wußte, daß sie durch ihre Liebe zu dem Kinde den größten Einfluß auf das Mädchen ausübe, beschloß sie ernstlich mit Rosa zu sprechen. Friederike hatte sich in den Kopf gesetzt, daß sie niemals besser für ihr Pflegetöchterchen sorgen könne, als wenn sie Rosa an Zscheplitz verheiratete, der ohne Frage die reichste Partie des Herzogtums war. Ihr erschien der hübsche, etwas kindlich selbstgefällige Mann doch recht angenehm, sie sah seine junge, schlanke Gestalt gern neben der ihrer Rosa und meinte, die beiden müßten sich unbedingt verstehen lernen und in Liebe finden. Daß von seiner Seite kein Mangel an gutem Willen vorlag, bemerkte die hohe Frau mit Vergnügen. Und Rosa, die Unbefangene, Bereitwillige, so streng in guter Form Erzogene, wie konnte sie sich hinreißen lassen, diesen Mittag ihrem rechts sitzenden Herrn solch einen sichtlichen Vorzug vor dem eigentlichen Bewerber zu geben!

»Daß dieser Bevorzugte auch gerade der gefährliche, mir so antipathische Baron Storke sein mußte! Ich will mit meinem törichten Kinde sprechen.« Also lautete die Endbetrachtung der Herzogin, und diesem Entschluß zufolge nahm sie Rosa allein mit in ihr Zimmer.

Aus Ton und Mienen ihrer Gönnerin, die das Mädchen genau kannte, wußte Rosa, daß sie etwas versehen habe. Zu ergründen, was dies sei, dazu bedurfte es keines großen Scharfsinns, das sagte ihr Herz. Noch nie hatte es sich so sehr über den hinreißenden Mann interessiert – den die hohe Frau leider ungerecht beurteilte wie heute beim Diner.

»Komm her, ma petite«, sprach die Herzogin, jetzt wieder mit dem gewöhnlichen Ton der Güte, »und beichte mir. Wie konntest du diesen Mittag so unhöflich gegen den armen Zscheplitz sein? Er war dein Kavalier und fand so wenig Egards deinerseits. Was enchantiert dich nur am Oberstallmeister? Das ist ja eine ganz brüske Natur! Ein Maquignon, weiter nichts.«

»Er hat mich noch mit keinem Wort verletzt«, erwiderte Rosa zur Seite blickend.

»So klug wird er sein, armes Närrchen, vor Dir seine rüden Façons zu kaschieren.«

»Kommt es denn immer nur auf die Glätte der Form an?«

»Gewiß nicht allein, aber einen Mangel würdest du schwer ertragen. Du selbst aber darfst vor allen Dingen dich nicht negligieren.«

»War ich denn wirklich unartig gegen den Kammerjunker, teure Fürstin?«

»Das bist du gewesen, mein Kind, und ich sah, wie er sogar wagte, dir seinen Unmut zu markieren, indem er die Wolfhart von der Tafel zurückführte.«

Rosa senkte den Kopf, mit Erschrecken hatte ja auch sie Kurts Verhalten beobachtet und sich gesagt, daß seine Empfindlichkeit nicht unberechtigt sei. »Ich will mich bei nächster Gelegenheit besser beherrschen«, sagte sie demütig und küßte ihrer Gebieterin Hand. »Durchlaucht glauben gar nicht, wie interessant Baron Storke erzählt. Ich wußte nicht mehr, daß ich bei Tafel saß; ich befand mich bei Soor, ich sah das Heranbrausen der preußischen Reiterei, das Weichen der verbündeten Oesterreicher. Ich sah die gefährdete sächsische Batterie von feindlichen Grenadieren gestürmt, von der Bedeckung nur schwach verteidigt. Storke sprengt mit seinem Häuflein der Unseren zur Rettung des Artillerieparks herbei. Da jagt der Herzog Ferdinand von Braunschweig mit seinen Dragonern die Anhöhe herauf. Ein Kampf Mann gegen Mann entbrennt. Säbel und Pistolen entscheiden; Storke sieht sich von mehreren Seiten angegriffen, seine Pistole ist ausgeschossen, aber die Faust ist noch stark genug, den Säbel zu schwingen, er verteidigt sich wie ein Rasender, jetzt – er vermochte sich nicht nach allen Seiten zu decken – der furchtbare Hieb über den Kopf – schwarze Nacht bricht um ihn herein, er glaubt sich tödlich getroffen und stürzt besinnungslos vom Pferde. Ein neuer Angriff der Sachsen macht die Anhöhe frei, man trägt den noch Atmenden aus dem Bereich der Rosseshufe zurück, er wird verbunden und dem Leben erhalten!«

Rosa barg ihr glühendes Gesicht im Schoße der Fürstin, welche sinnend über den weißen Nacken der Knieenden strich. Das Mädchen blickte wieder empor und fuhr erbebend fort: »Ist es nicht etwas Herrliches, durchlauchtige Fürstin, um den männlichen Heldenmut? Gibt es etwas Höheres, Stolzeres, Edleres als eine vollendete Männlichkeit? O und ist Storke nicht ein vollkommener Inbegriff derselben?«

»Du irrst, pauvre enfant, du bist fasciniert von brillianten Vorzügen. Laß mich versuchen, dich aufzuklären. Kurage und Edelsinn sind sehr verschiedene Eigenschaften. Wer die Macht in sich fühlt, decidierend einzugreifen, benutzt seine Unbeschränktheit leider häufig zum Unrechttun, und ein kraftvolles extérieur, soll uns ja nicht bestechen. Vor allen Dingen bedarf es hier der Beweise, daß der Eigner großer supériorité sie richtig anwendet. In Baron von Storkes Augen liegt ein Etwas, das mich alarmiert und jede Möglichkeit des Vertrauens ertötet. Du gestandest mir selbst, mignonne, daß auch dich schon einmal ein horreur vor seinen Blicken gefaßt hat. Ich bitte dich, Rosa, laß den gefährlichen Mann, der dir vermutlich niemals eine gesicherte Lebensstellung bieten könnte, keine Macht über dein Herz gewinnen.«

»O, wenn er reich wäre, würden Durchlaucht ihn nicht so hart beurteilen!« rief das Mädchen verletzt. »Und was ist der Reichtum doch für eine geringe Zugabe zu einem Glücke, wie es sich das Herz ersehnt.«

Die hohe Frau schüttelte erschrocken den Kopf. Noch lange Zeit und mit allen Mitteln, die Uebergewicht und mütterliche Liebe ihr gaben, versuchte sie es, das erregte Mädchen zu ihrer Meinung herüberzuziehen und den Eindruck abzuschwächen, welchen Rosas Herz empfangen hatte.


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