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Unser Haus

Unsere wirtschaftliche Lage zu jener Zeit kann ich rückblickend nicht übersehen. Ich weiß nur, daß wir ein Haus in der Bellermannstraße besaßen. Das ist eine Straße im Norden Berlins, die erst in neuester Zeit durch die sogenannte Millionenbrücke dem Verkehr erschlossen worden ist. Wir machten öfter Sonntagsspaziergänge nach diesem Hause. Die Gegend war in jener Zeit fast noch ganz ländlich. Oft überlegten die Eltern, ob sie nicht in dieses ihr Haus ziehen wollten; aber die Entfernung zu den großen Möbelhandlungen blieb immer ein Hinderungsgrund. Von unseren Mietern wurde natürlich häufig gesprochen. Ich habe nur die Schilderung eines sehr ungleichen Paares behalten, das ich dann mit erstaunten Augen sah. Der Mann war außerordentlich groß und breit und die Frau klein und dürr. Aber die Frau hatte so unbedingt die Herrschaft im Hause, daß lachend erzählt wurde, der Mann müsse auf ihren Befehl eine Fußbank oder einen Stuhl bringen, auf den sie dann stieg, um ihn mit Ohrfeigen abzustrafen, wenn er sich ihre Ungnade zugezogen hatte.

Dieses Haus wollten oder mußten meine Eltern verkaufen, und Mutter hat oft erzählt, wie sie einmal gerade noch fünf Silbergroschen gehabt habe und geschwankt, ob sie dafür Brot kaufen oder noch eine Anzeige im Intelligenz-Kontor in der Kurstraße aufgeben wolle. Sie wählte das letztere. Diese Anzeige hatte Erfolg. Meine Eltern verkauften das Haus – um zu hören, daß es der Käufer sechs Wochen später mit einem unverdienten Wertzuwachs von 5000 Talern, das sind 15 000 Mark, weiterverkauft habe. 5000 Taler, das war eine große Summe! Wer die zusammensparen wollte, einen Taler zu dem andern, der mußte viel arbeiten und viel entbehren. Vater und Mutter taten es, und es waren wohl glückliche Stunden, wenn Vater rechnete, daß er vielleicht 94 oder 95 Taler zusammen habe, und Mutter dann von dem so kargen Wirtschaftsgelde heimlich so viel erspart hatte, daß für 100 Taler irgendein mündelsicheres Papier gekauft werden konnte!


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