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Neuntes Capitel.

Und einige Zeit lang ging Alles sehr glatt und lieblich.

Ich absolvirte, begrub, traute, daß es nur so eine Lust war. Auch schickte mich der Kaiser manchmal als Boten aus – zu Herrn Friedmuth auch! – Und eine gar vielschöne Frau hätt' ich geistlich berathen sollen. Aber zuweilen lachte die mich aus: und meist schüttelte sie das herrliche Haupt und hieß mich schweigen und gehen. Und ich meinte es doch wirklich so gut mit ihr! Aber das war die schwerste Arbeit. Lieber eine Herde Heuschrecken über die Finstermünz treiben als einer so edeln, so reinen und dabei so schönen Frau Seelsorger sein. – Nun so weit, so gut. – Aber eines Tages,« – er räusperte sich, schenkte sich den Holzbecher voll und fuhr fort, – »eines Tages mußte ich wieder predigen. – Zufällig war der Gegenstand der heilige Sebastian. – Nicht lachen! – Er reichte aus! Er hielt vor! Denn die Krieger und Pilger im Lager wechselten gar oft: und mehr als einmal alle par Wochen hatte keiner das Bedürfniß, mich predigen zu hören. Manche haben freilich dieselbe Predigt zweimal gehört. Aber das waren sie meist schon von ihren Pfarrern im Abendlande gewöhnt. – Und ich machte es doch immer wieder ein wenig anders, erfand ein par neue Wunderthaten des Heiligen, wär' mir selbst sonst zu öd geworden!

Denn freilich,« schmunzelte er, wohlgefällig seinen rundlichen Bauch streichend, »ein Geistlicher muß gar viele Eigenschaften haben, deren ihr Laien nicht benöthigt seid. Zumal mit so argem, verwildertem Volk, wie meine Gemeinde war – Männlein und Weiblein. Denn es sind nicht gerade immer die Frömmsten, die das rothe Kreuz tragen! Der liebe Herrgott läßt sein Grab zum Theil von rechtem Gesindel erobern! – Und sie wollten mir nicht immer glauben, was ich ihnen aus der Bibel an Sprüchen anführte. Sie schüttelten mißtrauisch die Köpfe, – oft gerade bei den kräftigsten Sprüchen! – und die Unverschämtesten, das heißt die, welche ein wenig lesen konnten, verlangten gar ein parmal, ich solle ihnen diese Worte geschrieben weisen: – glücklicherweise war in dem ganzen gebannten Lager keine Bibel aufzutreiben.

Da war Einer, ein dicker Baier aus der Holledau, – die aus der Landschaft sind sogar den andern Baiern zu grob! – ein guter Kerl, der hatte sich aber so oft betrunken und raufte dann so wild und stach mit einem spitzen Messer um sich, daß ich ihm die Absolution nur ertheilte gegen das Versprechen, zu keinem Zechgelag im Lager mehr zu gehn! Tags darauf war wieder einmal eine Hochzeit in den Zelten – das heißt: eine üppige und dabei zornmüthige Provençalin aus Grasse verlangte von einem ihrer vielen Freunde, – er war aus dem Lande der Guasconen – daß er sie ganz geschwind heirathe: sonst, drohte sie, werde sie dem Lager-Vogt alles sagen, was sie von ihm wisse. Das muß nun wohl allerlei Unliebes gewesen sein. Denn der Guascone, – es hatte ihm früher mit dem Ehesegen gar nicht geeilt! – trieb mich nun mit fliegender Geißel zur Trauung.«

»Aber Ihr waret ja doch gar kein Priester?« fragte Katharina ganz entsetzt.

»Richtig, mein Kind! Das hat dein weiser Vater schon vor dir ausgefunden! Aber für die Art Menschen, und für die Art Ehe, welche sie vorhatten, – dauerte selten länger als fünf Monate! – war ich immer noch gut genug. Übrigens, hätte ich es so recht heiß gewollt, – ich wäre längst geweiht. Kaum war ich ein par Tage im Lager und kaum hatte man gesehen, daß der Kaiser mich gar oft um sich hatte als geistlichen Rath oder auch –«

»Als lustigen Rath: – ob auch ohne Schellen-Gugel,« meinte Hezilo.

»Oder auch, wann er mit seinen vertrauten Räthen tafelte oder zur Jagd ritt, – als ein Tempelritter mir ein Goldstück schenkte – ich bettelte aber gar nicht! – und meinte: ich sei wohl nur sehr unvollkommen geweiht? Er aber wolle mir ein ›Dimissoriale‹ erwirken, – wonach man, unerachtet alle kanonischen Erfordernisse fehlen, geweiht werden mag: die Päpste haben den Tempelrittern, ihren tugendsamen Lieblingen, auch dies Vorrecht geschenkt, – Er verlange von mir dafür nur, ich solle horchen, was der Kaiser und Herr Hermann von Salza reden und ihm das berichten. Ich ließ ihn stehen und blieb Laie und redlich: – wenigstens ziemlich! Und gegen meinen freundlichen Herrn Kaiser: ganz redlich, – Also blieb ich so eine Art Wild-Pfaff oder Winkelmönch und traute den Gascogner Pierre und die hitzige Provençalin Flammelette. Ein mächtiges Schmausen und Trinken folgte. Denn der Gascogner hatte immer bar Geld: nur wollten es vorsichtige Handelsleute nicht gern nehmen. – Und siehe da, mein Holledauer ist mitten darunter. ›Hab' ich dir's nicht verboten?‹ schrie ich ihn geistlich an.

›Aber eine Hochzeit!‹ sagte der ganz unverzagt. ›Ich ahme nur das Beispiel unseres Herrn nach: – das habt Ihr uns oft genug vorgehalten. Der Herr war auch auf einer Hochzeit, also darf ich es auch.‹

›Ja, ja,‹ schrieen Alle durcheinander. ›Recht hat der Baier. Schäm dich, Pfaff, du bist geschlagen und mußt schweigen.‹

Das durfte nun aber nicht sein! Ein Pfaff, der schweigt auf eines Laien Einwand, – das wäre ein sehr unwahrscheinlicher Pfaff. Es galt mein Ansehn: – ja vielleicht noch mehr!

Nun? Was hättet ihr da gethan oder gesagt? Ihr schweigt? Nichts hättet ihr gethan und gesagt! Denn es wär' euch dort und damals, in der Angst, noch weniger was eingefallen als hier und jetzt, in aller Ruhe, bei meinem Wein. Zumal, wenn euch die glückliche Braut vor Übermuth und Spott ihren zerfetzten Gürtel in das Gesicht geworfen hätte. Ich aber steckte den Gürtel ein, – denn es waren bunte Steine daran. – Natürlich waren sie falsch: denn der Bräutigam hatte ihr das Geschmeide geschenkt. Aber ich wußte das ja noch nicht! – Ich erhob warnend meinen Zeigefinger und laut rufend meine Hirtenstimme und sprach: »Haltet das – Schweigen! Wenn ihr den Herrn nachahmen wollt, – in Gottes Namen! Werdet's nicht lang aushalten! Aber dann fangt mit seinen schweren Tugenden an – und nicht mit seinen leichten. Erst laßt euch einmal kreuzigen und dann geht auf Hochzeiten.«

Diese Gegenwart des Geistes erschreckte sie Alle merklich. Sie schwiegen und ich hatte das Ansehen der Kirche und geistlicher Überlegenheit gar gewaltig aufgerichtet. Sie hatten von da ab eine Meinung von mir gewonnen, die – die ich selber kaum theilte.

Aber leider sollte es mit meinem geistlichen Amt nicht mehr lange währen. Leider, sag' ich! Denn ich wurde dabei selber ein besserer Kerl. Man kann nicht alle Tage Andre zur Tugend mahnen und selbst alle Schelmenstreiche treiben. Das heißt: – Andre können's vielleicht. Aber der Böppele kann es nicht: und so war, in Vermahnung der Andern, ich selbst auf den Wege, ganz brav und ernstsinnig zu werden. Jedoch der heilige Sebastian hat es nicht weiter gedeihen lassen: – vielleicht aus Eifersucht auf meine beginnende Heiligkeit.


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