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»Da mach' ich mich davon, gute Zeit bevor der Tanz losgeht,« meinte der Weinschänk. »Am Hauen und Stechen – zumal am Gestochen werden! – hab' ich nie viel Freud' gehabt.«
»Und doch,« meinte der Bauer, »hast du dich so weit von Boblingen hinweg in's wilde Heidenland gewagt?«
»Ja, Heiden und sonderlich Mohren stech' und hau' ich halt doch für mein Leben gern!« verbesserte der Kreuzfahrer.
»Und recht tief hinein,« ergänzte Hezilo, »immer weiter und weiter bist du in die Heiden gedrungen.«
»Ja,« – er rieb sich das Kinn, – »das war nicht ganz freiwillig –«
»Wie das?«
»Nun, das waren wundersam ineinander greifende Fügungen Gottes. Die darf ich gar nicht alle enthüllen.«
»Aber so sage wenigstens, wie du, ein recht weltlicher Weinschwelg, in den heiligen Orden der Franciscaner gekommen bist?« forschte der Bauer.
»Nein, der Cistercienser hat er mir gesagt!« rief Hezilo.
»In welchem warst du,« fragte das Mädchen ehrfurchtsvoll.
»In – in allen – beiden, Kleine.«
»Das giebt es nicht,« lachte Hezilo.
»Doch, du Gelbschnabel! So, wie ich ihnen angehörte, giebt es das wohl: – hätte noch mehreren zugethan sein können. – Nämlich blos mit meinem äußeren Menschen: – den Kleidern nach. Ich ward gar nicht Mönch!«
»Da sieht man's, daß die Kappe nicht den Mönch macht,« meinte Hezilo.
»Hätte ja gar nicht gekonnt. War ja – und bin! – glücklich verheirathet: ohne Zustimmung der Ehefrau darf niemand Gelübde thun: und Frau Zahme und auf ihre ehelichen Rechte verzichten! Die nicht! – Nun also paßt auf: was für euch zu wissen frommt, das mögt ihr hören: und daraus lernen, daß der milde Himmelsherr gar nicht so gestreng dareinfährt, wie die Pfaffen uns fürchten machen wollen, wenn Einer nur im Grund ein guter Kerl ist. – Also! – Aus einem Dörflein bei Genua, wo ich auf der Fahrt nach dem gelobten Lande, die ich für einen Anderen – für dessen Seelenheil auf mich genommen hatte –«
»Wie gut von Euch!« – sagte Katharina gerührt.
»Nun, nun, Kind, du mußt auch nichts übertreiben! – Ich – ich hatt' auch eigene Gründe, die Heimat zu meiden: und ganz ohne Vergelt konnt' ich's doch auch nicht thun: – schon wegen der Kinder –«
»Wie viele habt Ihr?« fragte der Bauer
»Bisher nicht viele. Eigentlich noch gar keines. Aber: konnten doch noch nachkommen! – Also: Zuerst kam ich nur bis Genua – und – weilte dort längere Zeit.«
»Ja, ja,« meinte Hezilo, nachdenksam. »Davon, glaub' ich, hört' ich einmal Herrn Walther erzählen, als ich Wein zutrug in des Vogtes Zelt in der Wüste. Ich meine immer –«
»Gieb dir keine Mühe, dir das zurückzurufen.«
»Nun, sehr weit seid Ihr da auf den ersten Anlauf gerade nicht gekommen auf Eurer Kreuzfahrt,« sprach Iffo.
»Was?« zürnte der Entrüstete. »Doch immer noch zehnmal soweit als sogar ein frommer Bischof, Herr Megingauz von Eichstädt. Wenn ich nur damals schon, als mir Herr Walther und noch ein Anderer – eben der, für den ich unter die Heiden fuhr – so hart redeten über jenes kurze Verweilen, diese Geschichte gewußt hätte! Aber ich habe sie erst später erfahren, von Herrn Sigismund dem Riezeläre, dem Buchwart zu Eschingen an der Donau. Jener Bischof hatte auch das Kreuz genommen, – aber nur für sich, das kann ein jeder! – Jedoch der kam nie über den Brennerberg – vor lauter Fluchen.«
»Wie das?« staunte das Mädchen.
»Ei nun, der wackre Mann hatte nur das eine Seelengebrechen, daß er in Einem fort gotteslästerlich fluchte: fluchte, daß die lieben Engelein die Füße hinaufzogen, wann er anhob. Nun war ihm von seinem Beichtvater, der ihm oft deßhalb die Absolution hatte weigern müssen – und ein nicht Absolvirter soll nicht die Kreuzreise wagen, sonst reiset er sich selber zum Gericht, sagt die Bibel im fünften Buche Mosis. Nicht? Nun, das ist gleich: dann sagt sie 's wo anders. – Also sein Beichtiger, in Erwägung seiner fluchenden Natur, gab ihm in Voraus Absolution für eine Zahl von Flüchen, welche der Bischof bis nach Rom verbrauchen würde: dort solle er sich die Freisprechung für weitere Flüche wieder frisch vorschuhen lassen. Und es war nicht schlecht gemessen. Allein, o weh! Nach wenigen Tagen kam Herr Megingauz ganz betrübt nach Eichstädt zurück. Er wollte über Schwäbisch Wörth an der Donau, und über Füßen allmählig den Brennerberg gewinnen. Allein, bis er an der Fähre am Donau-Wörth angelangt war, hatte er den ganzen Reisevorrath, der bis zu dem heiligen Vater hätte reichen sollen, schon aufgezehrt, aufgebraucht, aufgeflucht. Und mußte umkehren! Und war durch kein Zureden zu der Hoffnung zu verlocken, daß es ein andermal besser gehen werde: denn, meinte er, er habe schon diesmal gar so hart gespart. Da hatte denn der heilige Vater ein Einsehen und nahm die Kreuzfahrt für gefahren, weil keine Katze das Mausen läßt, sagte der Apostel Paulus auf der Hochzeit zu Kanaan. Nicht? Nun das ist gleich. Er hätt's sagen können, weil es wahr ist. Und vielleicht hat er's auch gesagt. Denn sie haben wohl damals nicht Alles aufgeschrieben.
Also nach längerer Rast bei Genua brach ich auf: hatte mir dort ein kleines Sümmchen verdient – erspart wollt' ich sagen: – so konnt' ich einem Rheder jenes Hafens das Schiffsgeld zahlen bis Neapolis. Von da wollte ich zu Lande nach Brindisium, wo, wie ich erfuhr, mehrere Schiffe, vom Kaiser ausgerüstet, bereit lagen, arme Pilger um Gottes Lohn nach der Insel Cypern und von da nach Akkon zu führen. Aber ach, mein sauer erspartes Geld verlor ich bald nach der Ankunft in Neapolis. Denn in dieser sehr schön gelegenen Stadt leben sehr böse Menschen. In der Herberge ›zum heiligen Crispinus‹, wo ich nächtigte, stahlen mir drei Gauner mein Geld – ich sah's mit Augen – und konnte 's nicht wehren.«
»Wie das?« zweifelte der Bauer.
»Ja, es waren drei Schächer mit zusammen vierundzwanzig Augen: sie haben keine Füße und tanzen, keine Hände und plündern alle Taschen aus: – Würfel nennt man sie. Zwei andre fromme Pilger, – beide trugen gleich mir das rothe Kreuz, – die den gespickten Geldgurt unter meinem Wamms entdeckt hatten, – sie umarmten mich so zärtlich, wie ich eintrat in das Weihthum zum heiligen Crispinus, und tasteten dabei an meinem Leibe so beängstigend herum! – beredeten mich am Abend, den Wein auszuwürfeln. Ich gewann zuerst: und wir Boblinger lassen uns nicht lumpen – nun kurz: – alsbald verlor ich, verlor sehr viel, fast Alles, und da ich nicht mehr spielen wollte, – es war Mitternacht geworden, – da machten sie's einfach, schlugen mich nieder, nahmen mir den Rest der Schillinge – sechs andre fromme Pilger standen lachend dabei – und warfen mich auf die Gasse. – Der Bettelvogt ließ mich aufgreifen, und auf meine Klage erwiderte er, ein Kreuzfahrer dürfe nicht Würfel spielen, das sei die Strafe Sanct Crispins. Und für seine Mühwaltung pfändete er mir den Mantel vom Leib und aus dem Ränzlein das bessre Wamms: ich glaube, er war auch ein Gauner, dieser edle Neapolitaner! – Am andern Tag ging ich sehr betrübt zur Porta Nuceriana hinaus, die Halbinsel zu Fuße zu durchwandern, und zu durchbetteln.
Doch muß ich sie loben, die Wälschen. Sie sind mitleidig. Das heißt, gegen die Menschen – die Thiere schinden sie elend! – und gabenmild und spenden gern dem frommen armen Pilger. Auch wachsen in dem wunderreichen Land, – es ist wie ein Garten! – an Bäumen und Sträuchern gar mancherlei Früchte, an denen ich mich labte: denn es war Spätsommer. Hinter einer Stadt, heißt Potenza, stieß ich auf zwei Mönche, einen Franciscaner und einen Cistercienser, der letztere war ein Franzose aus der Picardie, der andere ein Halbwälscher aus Bergamo.
Wir wanderten nun selbdritt fürbaß. Die beiden armen Geschornen litten, da ich sie traf, schon schwer am Sumpffieber. Der Bergamaske sagte gleich, – sein Wälsch verstand ich ganz gut, – er heiße Sebastian. Ich erwiderte ganz vergnügt, dann hätten wir denselben Schutzpatron: denn da es einen heiligen Boppo nicht giebt. –«
»Bis jetzt wenigstens noch nicht,« unterbrach Hezilo. »Vielleicht giebt es aber einen: hundert Jahr nach deinem Tode. –«
»So hab' ich mir von Jugend an den heiligen Sebastian zum Schutzherrn gekoren, der in der Pfarrkirche zu Boblingen, gar schön aus Holz geschnitten, steht, mit Pfeilen so reich gespickt, wie ein Hase in des Abtes Küche zu Maulbronn mit Speck. Und ich fragte ihn, wie denn der nackte Knabe zu so vielen Pfeilen gekommen sei? Denn der Pfaff von Boblingen wußt' es selber nicht. Da erzählte er mir denn die Lebensgeschichte des Heiligen. Eigentlich war's eine Predigt über sein grausam Martyrium.
Und wo wir auf Leute stießen, in Dörfern oder im Staub der Heerstraßen, auf Krieger oder auf Kreuzfahrer, Pilger oder Kaufleute, da predigten die Mönche, der Bergamaske auf wälsch: auch oft der Picarde auf französisch: denn sehr viele Normannen, aber auch andere Franzosen, nehmen das Kreuz. Und während der Eine predigte, gingen der Andre und ich herum und bettelten die Predigtheller ein. Es warf nicht viel ab, das fromme Gewerk. Denn mancher hörte erst voller Andacht die Predigt, gab uns aber dann statt des Hellers einen Puff und sagte, es sei nur schwach gepredigt gewesen.
Da trafen wir einmal auf Deutsche. Das Geld war uns gerade wieder ganz vergangen.
Diese Deutschen verlangten durchaus eine Predigt: waren gar fromme Leut': von Westfalenland, und hatten lange keinen Gottesdienst mehr gehört. Aber sie verstanden den Franzosen nicht und auch nicht den Bergamasken. Und wurden gar grob in ihrer starken Frömmigkeit, und schrieen: »Eine Predigt, oder es geht euch schlecht,« und drehten ihre Speere um und hoben sie. Da rief ich, – auf deutsch –: »Halt! Haut uns nicht, ihr Gotteseifrigen aus Münsterland! Ich werd' euch was predigen, zum Beispiel: vom heiligen Sebastian? Wollt ihr von dem was hören?« Ich hatte nämlich den Bergamasken schon siebzehnmal von diesem armen Jüngling predigen hören: – ich glaube, recht viel Andres wußte er selbst nicht. Zum größten Glück sagten sie: ja, auf diesen hielten sie ein gut Stück; und ich predigte ihnen vom heiligen Sebastian.
Ich muß wohl sehr schön gepredigt haben: denn sie gaben mir jeder einen Hälbling; waren aber ihrer gegen dreißig.