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Dritter Theil.


Erstes Capitel.

Sechs Tage waren der unglücklichen Adelaide im steten Hoffen und Harren vergangen; vergebens hatte sie die gewöhnlichen, sie sonst erheiternden Beschäftigungen hervorgesucht, ihren Sinn von dem einen quälenden Gedanken abzuziehen, ihrem Geist eine Zerstreuung zu gewähren. Die trostlose Gewißheit von dem Mann ihrer Liebe verkannt, vernachlässigt, vergessen zu sein, während ihr Herz sich doch frei von jeder Schuld fühlte, raubte ihr Schlaf und Appetit, und drohte sie körperlich und geistig zu vernichten. In Montagus Zimmer eingeschlossen, wohin sie ihren Zeichnenapparat, ihre Bücher und andre Arbeiten transportirt, brachte sie die meisten Stunden des Tages zu, ihren Spaziergang nicht weiter als in dem kleinen Garten ausdehnend, Blumen zur Ausschmückung von Bouveries Stube zu pflücken. Wie hätte sie es wagen können, ihren Lieblingsweg am Strand einzuschlagen, nachdem er sie des Leichtsinns beschuldigt, ihr vorgeworfen, daß sie ihre Freuden außer dem Hause gesucht!

Kaum mehr fähig zu hoffen, saß sie am Abend des sechsten Tages der trübsten Verzweiflung Preis gegeben, als Dennis von seiner gewöhnlichen Wanderung nach der Post zurückkehrte, und ihr mit großem Jubel einen Brief von Montagu, worauf das Postzeichen London gedruckt, überreichte.

Mit zitternden Händen riß sie das Siegel auf, und las:

Liebe Adelaide!

Unerwartete Geschäfte rufen mich auf einige Tage in die Stadt; und da ich dort mehrere Aufträge für meine schönen Freundinnen in des Generals Familie zu besorgen habe, würdest Du mich sehr verbinden, wenn Du mir augenblicklich die Addresse des Kaufladens schicken wolltest, in welchem Du den Shawl gekauft, den Du auf dem Ball in Hastings trugst.

Auch würde ich es als eine besondere Gunst von Dir oder Norah Obearn ansehen, wenn ich das Recept von Herrn Falkland für Ohnmachtszufälle erhalten könnte, zur Wiederherstellung der armen Lady Marian, die an demselben Tag, als ich meinen abentheuerlichen Ritt, Dich in Deinem Kummer zu trösten, oder in Deinen Leiden zu pflegen, anstellte, gefährlich krank geworden war.

Du wirst mich für einen faulen Gesellen erklären, weil ich den langen Brief, den Du Dir endlich die Mühe gegeben, an mich zu schreiben, erst jetzt beantworte. Da aber Lady Marians Leben noch nicht außer Gefahr war, auch als mir ihn Richard brachte, und nur ein gefühlloser Mensch in solchen Stunden der Angst daran denken konnte, einen Brief der bloßen kalten Ceremonie zu beantworten; so ist es leicht begreiflich, daß ich, von Gram und Furcht erfüllt, die schönste Zierde der Welt, das vollkommenste Muster weiblicher Vortrefflichkeit zu verlieren, nicht zum Schreiben gestimmt war. Als nun die Gefahr vorüber war, drängten mich die Vorbereitungen zu meiner Reise in die Stadt so sehr, daß ich keinen Augenblick behielt, Deinen Brief noch einmal mit gebührender Aufmerksamkeit zu lesen; doch nahm ich mir fest vor, ihn zum Begleiter auf meinem einsamen Weg zu erwählen, und die wohl ausgedachten Umstände, die Du Dich herabgelassen, zu Deiner Rechtfertigung vorzubringen, genau zu erwägen, ließ ihn aber unglücklicherweise in der Tasche meiner Uniform stecken.

Die Familie Harley wird nächstens nach Marino zurückkehren, und ich möchte Dir rathen, die erste Einladung dorthin anzunehmen, da es mir natürlich nicht angenehm sein kann, Dich kleinstädtischer Förmlichkeit beschuldigt zu hören.

Dein

getreuer
Montagu Bouverie

N. S. Es war ein unglücklicher Umstand für den erhabenen Effekt Deines beabsichtigten Opfers, den Freuden von Melcombe Park wegen meiner Warnung zu entsagen, daß die Familie so plötzlich aus einander getrieben und genöthigt wurde, ihre Gäste zu zerstreuen.«

Adelaide las diesen sonderbaren Brief mehrere Mal, ehe sie seinen Sinn zu fassen vermochte; aber sie vergoß keine Thräne; denn die gänzliche Gleichgültigkeit, ja Verachtung, die sich darin gegen sie aussprach, machte ihr Gefühl erstarren; und zum ersten Mal gestattete sie sich einen Tadel über Montagus Betragen, über seine unerhörte Vernachlässigung des Weibes, das seinem Schutz von einem leichtgläubigen Freund übergeben worden war. »O, Montagu, Montagu!« rief sie im bittern Schmerz, »wie hast Du meinen Onkel betrogen, mich getäuscht! – Wir glaubten in Dir alle männlichen Vorzüge vereinigt; und wie hast Du diesen Glauben bewährt? gefühllos – ungerecht –«

Hier unterbrach sie sich selbst, bat den Himmel um Vergebung wegen ihrer Heftigkeit, ihrer unchristlichen Anklagen, und suchte ihren verblendeten Gatten, aus dessen herzlosem Brief nur der böse Einfluß ihrer grausamen Nebenbuhlerin spräche, mit allen Scheingründen eines versöhnten Herzens zu entschuldigen. Um das gethane Unrecht wieder gut zu machen, beeilte sie sich, seine Bitte hinsichtlich des Recepts zu erfüllen, und rief Norah herbei, ihrem Gedächtniß zu Hülfe zu kommen. Diese aber, welche unterdessen aus Lees Brief an Dennis ersehen, wie thätig Lady Marian gewesen, das Glück Adelaidens zu untergraben, hätte wohl eine Vorschrift zu tödtlichen Tropfen, schnell wirkendem Gift geben können, nicht aber zur Wiederbelebung von Ohnmachten; und so mußte Adelaide sich mit ihrer eigenen Erinnerung begnügen, die sie nebst der Addresse, wo ein ähnlicher Shawl, wie der ihrige, zu haben sei, niederschrieb. Hierauf fügte sie noch die Bitte hinzu, Gebrauch von der Anweisung zu machen, die sich noch in den Händen ihres Banquiers befände, wohl wissend, daß er jetzt noch keine eigenen Interessen zu heben und nicht zu borgen wünsche. Dann schloß sie mit den milden Worten: »Da ich mich als ein zu schwacher Advokat in meiner eigenen Sache erwiesen, überlasse ich es nun Deinem Herzen, meine Rechtfertigung zu übernehmen, wozu sich hoffentlich bald ein günstiger Moment finden wird.«

Dennis ward mit diesem Brief nach Bexhill gesandt, ihn dort auf die Post zu geben, von wo er mit einem sonderbaren Bericht zurückkehrte, aus welchem Adelaide sich anfänglich lange vergebens bemühte, den Sinn zu ergründen, und endlich so viel ersah, daß in Marino große Vorkehrungen zur Errichtung eines Theaters gemacht würden, auf dem Mylady nächstens als die schöne Büßende aufzutreten gedächte. »Sie wollen wieder Comödie spielen,« sagte er, »wie Lady Marian, der Oberst und diese Gayvilles und Warrens in Malta zu thun pflegten; aber besser wäre es, sie bezahlten erst ihre Schulden, ehe sie neue machten, und nöthigten andre Leute nicht, sich mit Wechslern und Geldjuden einzulassen, und ihren ungebornen Erben das rechtmäßige Eigenthum zu verpfänden wegen solcher Lappalien.«

Adelaide merkte aus allen diesem, was Lee geschrieben haben konnte; und so sehr sie sich auch über den Gedanken gänzlichen Verderbens entsetzte, suchte sie doch ihren Schrecken zu verbergen, um dem getreuen Diener keine Aufmunterung zu geben, ihr noch mehr Unvernünftiges von ihrem bethörten Gatten zu hinterbringen. –

Ein Tag der Trauer folgte diesen unangenehmen Nachrichten, und als der Abend hereinbrach, setzte sich Adelaide mit ihrer Harfe in die kleine Vorhalle, ihren innern Gram in den sanftesten Tönen auszuhauchen. Die Harfe begleitete den vollen, klangreichen Gesang wahrhaft meisterhaft, und die Spielerin hatte die Welt mit ihren Leiden und Freuden vergessen, als ein tiefer Seufzer an ihr Ohr drang und sie aus ihrem Selbstvergessen aufschreckte.

Im ersten Augenblick flüsterte ihr die Hoffnung zu, daß es wohl Montagu sein könnte. Sie hielt inne, lauschte und zitterte; aber alles blieb still, und nur ein leiser Abendwind bewegte die Blätter. Traurig setzte sie ihren Gesang fort, und als sie mit klagendem Ton die berühmten Worte des unsterblichen Sängers: »Niemals sprach sie ihre Liebe aus,« in die laue Sommernacht hinaushauchte, brach die Kraft des bezauberten Herzogs von St. Kilda, der in den Büschen ihren Tönen gelauscht; und von seinem Gefühl überwältigt, sank er zu ihren Füßen nieder.

Adelaidens Entsetzen konnte nur von ihrem Unwillen übertroffen werden, und mit dem Ausdruck beleidigter Unschuld sprang sie auf, ihm zu entfliehen.

»O, zürnen Sie nicht, Engel aller Vollkommenheit!« rief der bewegte Herzog mit zitternder Stimme, indem er sie aufzuhalten versuchte. »Glauben Sie nicht, daß ich gekommen bin, Sie zu beleidigen. Nein, Adelaide! Abgott meiner Seele! Ihrem geliebten Bouverie kann Ihr Ruf nicht heiliger sein, als mir.«

»Weshalb denn dieses unverzeihlige Eindringen, Mylord?« entgegnete Adelaide, kaum fähig, ihren Thränen zu gebieten, »Weshalb meine Einsamkeit zu dieser ungewöhnlichen Stunde unterbrechen?«

»Ihre Stimme, Ihre eigene engelgleiche Stimme lockte mich hierher, ungerechte, unedelmüthige Adelaide, als ich von einem einsamen Spaziergang zurückkehrte; sie hielt mich hier festgezaubert, und raubte mir den Gebrauch meiner Sinne, daß ich mich selbst und jeden Vorsatz vergaß, bis mich der Wechsel dieser Stimme, ihr Vorwurf, in die Wirklichkeit zurückrief, und mir die schreckliche Gewißheit der unübersteiglichen Scheidewand zwischen uns gab. Diese Stimme, die mich verleitete, Sie zu beleidigen, und Ihnen Verdacht gegen meine Ehre und unbegrenzte Achtung einzuflößen, sendet mich nun elender hinweg, als sie mich vorher glücklich gemacht. Früher konnte ich mein brechendes Herz mit dem schmeichelhaften Glauben Ihrer Achtung täuschen; aber nun martert mich der Gedanke, daß Sie mich für einen erbärmlichen, verächtlichen Menschen halten.«

»O, vergeben Sie mir!« rief Adelaide von Mitleid durchdrungen; und beschuldigen Sie mich nicht der Undankbarkeit gegen den Erretter meines Lebens. Nehmen Sie die Versicherung, daß ich es innigst beklage, Ihr Unglück veranlaßt zu haben, und daß es mein höchstes Bestreben ist, mir einen Freund in Ihnen zu erwerben, sobald Sie die Kraft erlangt haben, eine Schwäche zu überwinden, die Ihrer Ruhe nachtheilig ist.«

»Adelaide, theure Adelaide! Lassen Sie mir nur die Hoffnung, daß Ihre Achtung mir nicht so unerreichbar ist, wie Ihre Liebe.«

»Mylord,« entgegnete sie ruhiger, »mein Herz verlangt darnach, Sie zu achten und von Ihnen geachtet zu werden; um nun diesen ernstlichen Wunsch erfüllt zu sehen, muß ich leider die Gastfreiheit verletzen und Ihnen eine gute Nacht wünschen.«

»Leben Sie wohl, unvergleichliches, himmlisches Wesen!« rief der bewegte Herzog, ihr Gewand an seine Lippen drückend; dann stürzte er hinaus, ohne sich einen Rückblick auf die fliehende Adelaide zu gestatten, die Schutz und Trost in ihres Gatten Zimmer suchend, rasch die Treppe hinan flog, und gleich nach Licht klingelte.

»Liebe Norah,« sagte sie zu der eintretenden Wärterin, »ich will mein Glas Milch hier oben trinken, überhaupt hier wohnen bleiben, bis Montagu zurückkehrt.«

»Oben im Erker befindet sich ein zwei Fuß breites Closet,« entgegnete Norah ernsthaft, »thäten Sie nicht besser, sich darin einzuschließen, bis der Herr zurückkehrt?«

Adelaide, die den Gedanken nicht ertragen konnte, ein Geheimniß vor ihrer getreuen Obearn zu haben, warf sich ihr um den Hals und flüsterte ihr erröthend ins Ohr, daß des Herzogs Erscheinung sie in der Vorhalle erschreckt habe.

Jetzt hatte die besorgte Wärterin nichts mehr gegen ihres Kindes Einschließung im obern Stock einzuwenden; und um einen schicklichen Vorwand hierzu zu geben, sagte sie, ›daß Mstrß. Bouverie durch den Anblick eines Mannes in der Vorhalle erschreckt worden sei, weshalb Dennis von nun an alle Fenster und Thüren mit einbrechender Nacht zuschließen sollte.‹ –

Am folgenden Morgen langte Richard mit Bouveries Pferden und der Nachricht an, daß der General nebst seiner Familie noch demselben Abend in Marino eintreffen würde; und der redselige Reitknecht theilte Norah seine Bemerkungen über Lady Marians plötzliches Krankwerden und wieder Genesen mit. »Sie hätte sterben wollen, bis der Oberst ihr ein Mittel gebracht,« sagte er, »und sobald dieser den Rücken gewendet, um nach London zu reisen, wäre sie aufgestanden, sich zu putzen, und eine Parthie in ihrem Zimmer zu spielen.‹

Norah forschte nun, ob Richard den Brief in seines Herrn eigene Hände gegeben? worauf er erwiederte, ›daß er ihm denselben mit Hast entrissen und mit solchem Entzücken gelesen habe, als ob es ein Liebesbrief gewesen. Doch bevor er ihn beendet, wäre Mstrß. Colemann gekommen, ihn zu Lady Marian zu holen, bei deren Anblick er den Brief schnell in die Tasche gesteckt habe.‹

 

Nachdem Lady Marian, durch Eifersucht zum Aeußersten gebracht, Bouveries Trennung von Adelaiden bewirkt hatte, fand sie selbst hierin noch nicht Sicherheit genug, und ging zur Ausführung ihres schändlichen Plans so weit, Adelaidens Briefe an Montagu, und manche von ihm an sie unterzuschlagen, wodurch sie sein zur Eifersucht geneigtes Gemüth tief verwundete. Hiermit jedoch noch nicht zufrieden, benutzte sie die durch Lord Woodleys Kammerdiener erhaltenen Nachrichten, welche sie ihm als Gifttropfen einzuflößen wußte, deren Wirkung aber ihren Hoffnungen und Erwartungen keineswegs entsprach. Denn anstatt ihn zum Ausbruch der Eifersucht und des Zorns zu reizen, war er fest überzeugt, daß nur Krankheit oder ein Unglücksfall sie vom Schreiben abgehalten; und in diesem Glauben reisete er, trotz Lady Marians Künsten, ihn daran zu verhindern, nach Melcombe Park, woselbst er in dem ungünstigsten Augenblick anlangte, als Adelaide mitten in der sie umgebenden Fröhlichkeit nach beendigtem Walzer sich zu Lady Melcombe setzte, wohin ihr der Herzog folgte.

Seine verblendeten Augen glaubten hierin den stärksten Beweis ihrer Schuld zu sehen; und als er nun vollends einen Dorfbewohner dem andern erzählen hörte, ›daß dieser schönen jungen Lady Bild in Melcombe Park gezeichnet worden wäre, Lord Woodleys Gallerie zu vermehren,‹ überwältigte die Leidenschaft seine Vernunft, und er gedachte mit Wuth der Worte, mit welchen sie ihres Onkels Bitte, sich für ihn malen zu lassen, abgeschlagen hatte.

»Kurz vorher, ehe mein geliebter Vater aufs Continent ging, saß er, sein Kind im Arm haltend, meiner Mutter. Ich werde diesen Augenblick nie vergessen, ihre zärtlichen Blicke und seine süßen Schmeichelworte. Nein, lieber Onkel, ich kann mich nie wieder malen lassen.«

Jetzt hatte sie die Eitelkeit dazu verleitet, den Triumph eines Wüstlings zu vermehren! Bouverie ertrug den fürchterlichen Gedanken nicht, und flog aus seiner Heimath von Neuem der Sirene entgegen, die, wie er glaubte, einzig und allein für ihn lebte.

Kaum einige Meilen von Melcombe Park entfernt, ereilte ihn ein Bote von Mstrß. Colemann mit der inständigen Bitte, sogleich zu Lady Marian zurückzukehren, deren Leben er durch seine Reise aufs Spiel gesetzt. Diese Nachricht verfehlte ihre Wirkung auf Montagus Herz nicht, und er langte von den verschiedenartigsten Gefühlen bestürmt, so früh in *** an, daß er noch eine ängstliche Stunde der Ungewißheit verleben mußte, bis Mstrß. Colemann Lady Marian auf seine Ankunft vorbereitet, und der Arzt seine durch Leidenschaft fast bis zum Wahnsinn gesteigerte Patientin außer Lebensgefahr erklärt hatte.

In dem Augenblick, als Bouverie den schnellen Ritt nach Melcombe Park angetreten, hatte sich Lady Marian mit den schönsten Hoffnungen geschmeichelt. So sehr ihr Herz auch dabei im Spiel war, gab sie doch der Stimme des weltlichen Interesses Gehör und überlegte, daß, abgesehen von der Erhaltung ihres Rufs, es auch außerdem noch nicht der rechte Zeitpunkt sei, Montagu durch ihre Geldforderungen arm zu machen. Deshalb beschloß sie, ihr platonisches System fortzusetzen, bis der General ihre Ehe durch einen Exceß der Unmäßigkeit mit dem Tode aufgelöset, und Bouverie durch Adelaidens tadelhafte Aufführung frei geworden. Dann flossen wenigstens 20,000 Pfund in ihren Beutel, und sie sah alle ihre Wünsche gekrönt. Lord Woodleys Kammerdiener hatte nicht unterlassen, sie für ihren reichlichen Lohn mit den angenehmsten Nachrichten zu versehen; und so erfuhr sie, daß der Herzog von St. Kilda die größten Fortschritte in Adelaidens Gunst machte, während sein eigener Herr von heftiger Leidenschaft entbrannt sei. Sicher, Bouverie unter solchen Umständen noch länger von seiner treulosen Gattin entfernt halten zu können, gab sie den verwegensten Hoffnungen Raum, bis er sie alle durch seine plötzliche Abreise zerstörte, und sie selbst durch den heftigen Ausbruch ihrer Wuth in einen anscheinend gefährlichen Zustand versetzte.

Endlich ward Montagu an das Bett der Kranken gebracht, die ihm schwach und schmachtend, doch mit vielem Pathos sein Verbrechen, sie zu verlassen, vorwarf, und die Versicherung hinzufügte, ›daß augenblicklicher Tod ihr Loos sein würde, wenn sie auch nur den kleinsten Theil seiner Liebe verlieren sollte.‹

Eine zweite Zusammenkunft und neue Theaterscenen gründeten ihre Macht so fest, daß sie es wagte, mit der verzweifelnden Klage über ihr trauriges Geschick hervorzutreten, und ihm zu vertrauen, daß, wenn es ihr nicht gelänge, auf irgend eine Weise 1000 Pfund aufzutreiben, gänzlicher Ruin die schreckliche Folge sein würde.

Sie hatte den günstigsten Zeitpunkt für diese Forderung gewählt. Von Leidenschaft und Mitleid hingerissen, sich selbst anklagend, die Geliebte in Lebensgefahr gebracht zu haben, erbot er sich bereitwilligst, sogleich nach London zu reisen, und durch Verpfändung seines väterlichen Erbes die Summe zu heben. Aber kaum hatte er dieses Versprechen gegeben, als er sein Unrecht einsah, und sich bittre Vorwürfe darüber machte. Da er es jedoch für unmöglich erklärte, seine geliebte Marian durch getäuschte Hoffnung zu kränken, wodurch sie vielleicht wieder in den gefährlichen Zustand zurückfallen konnte, mußte Wort gehalten werden. Das Gefühl, eine Ungerechtigkeit gegen Adelaiden zu begehen, führte zur Erkenntniß der zweiten, sie ohne hinreichenden Grund verdammt zu haben, und von solchen mildern Gedanken erfüllt, traf ihn Richard, dem er mit zitternden Händen seines Weibes Brief entriß. Doch als er ihn eben erbrochen, erschien schon Lady Marians Agentin, ihn zu ihrer Gebieterin zu rufen, die ihm auch keinen freien Augenblick gestattete, Adelaidens Rechtfertigung zu lesen. Ja, auf ihre Frage, ›was der Brief enthalten?‹ worauf er erwiederte, ›daß er es selbst noch nicht wisse,‹ brach sie in laute Klage aus, behauptend, ›es bestände ein zärtliches Einverständniß zwischen ihm und seiner Frau, und sie sei nur die unglückliche Bethörte seiner Untreue und List.‹ Durch solche Scenen, und aus Furcht, sie von Neuem in den lebensgefährlichen Zustand verfallen zu sehen, überwältigte sie seine männliche Kraft, und er war schwach genug, ihren Händen den Brief zu übergeben, der ihm nun nach ihrem Sinn ausgelegt wurde.

Doch selbst jetzt noch konnte sich Bouverie nicht entschließen, sein Weib ungehört zu verdammen, und setzte ihren boshaften Auslegungen einen unerschütterlichen Glauben an Adelaidens Treue entgegen, bis ihm die Sirene ihren eigenen Stand der Unschuld und Treue, ehe sie ihn kennen gelernt, vor die Augen führte und dadurch die Möglichkeit, auch das reinste Herz vom Pfad der Tugend abwendig zu machen, zeigte. Thränen und Schwüre begleiteten ihre süßen, sein Herz zugleich mit Wonne und Traurigkeit erfüllenden Worte; und es gelang ihr abermals, einen unbestrittenen Sieg über ihre Nebenbuhlerin zu erkämpfen, den sie damit beschloß, ihm bei der Abschiedsumarmung, ehe er nach London ging, den Brief aus der Tasche zu entwenden.

Sogar, nachdem er sie verlassen, arbeitete sie unablässig fort, Adelaidens Frieden zu untergraben, und sandte ihm zu diesem Zweck einen unleugbaren Beweis ihrer Falschheit nach. Da Lord Woodleys Kammerdiener nämlich seinen Herrn nicht auf der Verfolgungsreise seines Bruders begleitet, sondern mit der übrigen Familie nach Yorkshire gegangen war, behielt er Zeit, Lady Marians Dienst ferner zu versehen, und berichtete deshalb an Mstrß. Colemann die Entführung, Verfolgung, und wie Lady Melcombe diesen unglücklichen Umstand zum Vorwand genommen, ihre Gäste zu zerstreuen, indem Lord Woodleys nicht länger zu verhehlende Neigung für Mstrß. Bouverie sie zu beunruhigen angefangen. Daß Letztere sich für seinen Herrn malen lassen, welches Bild unaussprechlich ähnlich geworden, fehlte nicht in dem Bericht, den Lady Marian mit vielen Zusätzen und Anspielungen versehen, für Montagu niederschrieb und ihm durch einen getreuen Diener nach London zuschickte, während er beschäftigt war, sein väterliches Erbtheil für sie zu verpfänden und kostbare Geschenke einzukaufen, ihr einen kleinen Ersatz für den Kummer zu gewähren, den ihr sein unbesonnener, unüberlegter Ritt nach Melcombe Park verursacht.

Daß Adelaide im Stande sein sollte, den Pfad der Tugend zu verlassen, blieb ihm immer ein unglaublicher Gedanke; eher gelang es Lady Marian, ihn von der Möglichkeit, daß sie weniger vortrefflich und ausgezeichnet sei, als sie sich bis jetzt gezeigt, zu überzeugen. In solchen Augenblicken, wenn das Gift der bösen Zauberin am mächtigsten wirkte, erschien ihm der Gedanke an ihre mindere Vortrefflichkeit als eine Erleichterung seines Gewissens. Doch kaum hatte er seinen letzten Brief an Adelaiden, den ihm Verachtung ihrer Falschheit mit Eifersucht vermischt, diktirt, abgeschickt, als ihre ganze frühere Reinheit und Liebenswürdigkeit vor seine Seele trat, und den schrecklichsten Contrast bildete; und wäre sie noch das angebetete Weib, der einzige Gegenstand seiner zärtlichen Neigung gewesen, würde er diesen ersten unzweideutigen Beweis ihrer Fehlbarkeit nicht schmerzlicher empfunden haben, als in diesem Augenblick.

Adelaidens Antwort kam und erfüllte die verwirrten Sinne Bouveries mit Grauen. Vergebens war ihre rührende Aufforderung an sein Herz, ihre Anklage zu rechtfertigen; er sah und hörte nur in Lady Marians Geist, zerriß das Blatt mit allen Zeichen der tiefsten Verachtung, und sann auf neue Vorwände, seine Rückkehr zu der betrügerischen Adelaide zu verzögern, der er nicht eher zu begegnen wünschte, bis sein Herz sich in die bittre Nothwendigkeit, sie zu verachten, finden gelernt; und wahrscheinlich würde er seine Zurückkunft noch länger verschoben haben, wenn er nicht gefürchtet hätte, der angebeteten Marian pekuniäre Sorgen, dadurch noch zu erhöhen, die ihm sehr unbefangen schrieb, ›daß sie, um ihm einige Zerstreuung für den harten Schlag zu gewähren, den er durch die getäuschte hohe Meinung von seines Weibes Treue und Wahrheitsliebe erlitten, den General vermocht hätte, eine Erneuerung ihrer theatralischen Vorstellungen zu gestatten, die ihnen Beiden in Malta den ungetheiltesten Beifall erworben.‹

 

Mit Richard zugleich langte ein Brief von Lord De Moreland an seine beiden geliebten Kinder, Montagu und Adelaide, von Madrid datirt, an, den Letztere kaum zu öffnen wagte, indem jetzt alle Briefe neue Quellen der Sorge für sie geworden waren. Obgleich dieser auch die Nachricht von der bessern Gesundheit des Lords und seiner baldigen Rückkehr nach England enthielt: so erfüllte die darin ausgesprochene Angst über das Glück seiner theuren Kinder, die Hoffnung, sie seinen Wünschen entsprechend zu finden, Adelaidens Herz doch mit tiefer Betrübniß. Er dankte ihr für den erhaltenen Brief, äußerte sich zärtlich über Montagus Benehmen während ihrer schrecklichen Krankheit, klagte aber, von ihm noch keine Zeile erhalten zu haben.

»Ach, mein theurer Onkel!« seufzte Adelaide aus tiefer Brust. »Du zweifelst, Du fürchtest, Du zitterst für unser Glück! Was würdest Du sagen, wenn Du sähest, daß ich Montagus Herz verloren habe, daß wir Beide unaussprechlich elend sind?«

 


Zweites Capitel.

Als Adelaide am folgenden Morgen beschäftigt war, ihren kleinen Blumengarten vor dem Hause zu besorgen, ritten General Harley und Major Gayville, die auf einer Expedition begriffen, heran, und Ersterer bat sie, ein Werk der Barmherzigkeit auszuüben und den nächsten Mittag sans céremoniel in Marino zu essen, ihm beizustehen, die Lebensgeister seiner armen Marian aufzurichten.

Eingedenk des Wunsches ihres Gatten, willigte sie augenblicklich ein, und forschte nun nach der Gesundheit Ihrer Herrlichkeit, von welcher der leichtgläubige General eine umständliche Beschreibung machte, und dankbar des glücklichen Umstands der unerwarteten Lustbarkeiten in Melcombe Park gedachte, die den Oberst Bouverie so bald zu ihnen zurückgeführt, dessen mitgebrachtes Recept von dem berühmten Dr. Falkland eine wahre Wundercur bewirkt hatte.

Ein Lächeln verächtlichen Mitleids über die blinde Leichtgläubigkeit des betrogenen Generals zuckte im Gesicht des schlauen Majors, während der gutmüthige Gatte sich in Lobpreisungen Bouveries, seiner Güte und Anhänglichkeit an ihn und Lady Marian erschöpfte, und ihn seinen besten, treusten Freund nannte.

Jedes preisende Wort schnitt in Adelaidens Herz; denn es verrieth ihr ein System des Betrugs und Verraths gegen einen ihm vertrauenden Freund, dessen sie Montagu nicht fähig gehalten hatte; und als der General sie verlassen, floh sie in ihr eigenes kleines Zimmer, Gott inbrünstig zu bitten, ihres Gatten Herz von dieser verderblichen Leidenschaft für Lady Marian zu befreien, ehe sie alle bessern Neigungen in ihm erstickt.

Der Tag verstrich der armen Adelaide wie so mancher seiner Vorgänger in Thränen und trüben Gedanken, immer hoffend, den geliebten Montagu auf den Weg des Rechts und der Pflicht zurückkehren zu sehen. Briefe von Lady Beechbrook und Rosalinden unterbrachen ihren Ideengang; Letztere meldete, daß sie durch das schöne Wetter verleitet worden wären, eine Tour durch Irland zu machen.

Widerstrebend, in banger Erwartung des ihr Bevorstehenden fuhr sie nach Marino, wo ihr beim Eintritt in das Gesellschaftszimmer der Herzog von St. Kilda zuerst in die Augen fiel.

Eine ganze Welt würde sie darum gegeben haben, ihn während der Abwesenheit Bouveries zu vermeiden; aber ihn in Marino zu treffen, vermehrte ihre Betrübniß, wohl wissend, daß jedes unschuldige Wort, jeder Blick sich auf diesem Boden in entstellende Anklagen verwandeln würde. Sie raffte allen ihren Muth zusammen, unbefangen zu erscheinen, als sie des Herzogs Gruß erwiederte; und wirklich gelang ihr dieß auch so sehr, daß Lady Marian sich in ihren Erwartungen betrogen sah, und fühlte zu erdichteten Berichten ihre Zuflucht nehmen zu müssen, um den leider nur allzuleichtgläubigen Bouverie zu täuschen.

Da Lady Marian beschlossen hatte, der verhaßten Nebenbuhlerin zu zeigen, daß ihr schwaches Licht nicht gegen den hellen, strahlenden Glanz ihrer Vorzüge aufkommen könnte, begann sie gleich, alle Hülfstruppen in Bewegung zu setzen, wobei ihr Mstrß. Gayville treulich beistand. Sie hatte den Herzog zwischen sich und Adelaiden placirt, und dehnte die Zeit des Mittagsmahls ungebührlich aus, sich selbst gefallend in der Darlegung aller Talente und glänzender Eigenschaften, die ihr zu Gebote standen, welchen Genuß sie sich in Bouveries Gegenwart zu versagen pflegte, da er sich oft dagegen ausgesprochen hatte.

Nachdem sich die Damen zurückgezogen, ließ Lady Marian eine neue Mine springen und spielte, zur größten Verwundrung ihrer beiden ältesten Kinder, welche sie am Morgen erst grausam gezüchtigt, die zärtliche Mutter so täuschend, daß ein vorurtheilsfreies Auge sich davon hätte betrügen lassen. Besonders überhäufte sie den jüngsten in Malta gebornen und nach seinem Pathen Montagu genannten Knaben mit Liebkosungen, und zählte alle seine unvergleichlichen Eigenschaften auf, während sie mit klagendem Ton und thränendem Auge der beiden ältesten Kinder gedachte, die ihr der Tod entrissen.

»Ich kann solche klägliche Unterhaltungen nicht länger ertragen,« rief Mstrß. Warren ans Clavier springend, und den Kindern einen Tanz aufspielend; als sie aber fand, daß dieses Intermezzo noch nicht hinreichte, das Taschentuch von Lady Marians Augen zu bringen, ergriff sie eine Violine und sprang fidelnd, mit solchen wunderbaren Gesten und Capriolen im Zimmer umher, daß die Kinder beinah vor Lachen erstickten, und Lady Marian sich selbst eines unbezwinglichen Lachens nicht erwehren konnte, wodurch ihrer eigenen und Adelaidens Rührung ein Ende gemacht wurde. Auf diese Weise in der Rolle einer gefühlvollen Mutter unterbrochen, begann sie nun, ihr musikalisches Talent leuchten zu lassen, und spielte und sang, bis sie die verhaßte Nebenbuhlerin hinreichend gedemüthigt und entzückt zu haben meinte.

Die kleinen Harleys fanden Adelaidens Schönheit, Sanftmuth und freundliches Wesen so anziehend, daß sie sich um sie drängten und ihren hübschen Erzählungen lauschten. Der kleine Montagu saß auf ihrem Schooß und seine Geschwister hingen an ihrem Arm, als der Herzog von St. Kilda eintrat, und von dieser Gruppe angezogen, sogleich auf Adelaiden zuging.

»Ich lese in Ihren Augen, Herzog,« rief Lady Marian, »daß Sie, wie Mstrß. Bouverie, eine große Vorliebe für Kinder haben.«

»Allerdings,« entgegnete der Herzog erröthend, »und besonders, wenn die Kinder so anziehend sind, wie Lady Marian Harleys.«

»Mstrß. Bouverie und Ew. Gnaden sind von der Natur dazu bestimmt, Freunde zu sein,« sagte Lady Marian lächelnd; »denn ich habe eine solche Uebereinstimmung der Neigungen in Ihnen Beiden heute bemerkt, daß Ihre Seelen nothwendig verwandte Geister sein müssen.«

Der Herzog war betroffen über diese Bemerkung; sie erfüllte sein Herz mit Entzücken, während sie ihn zu gleicher Zeit in Adelaidens Seele schmerzte, deren Zartgefühl dadurch beleidigt werden mußte.

Eine neue Abtheilung aus dem Eßzimmer machte dem Gespräch ein Ende; und da sich Ihre Herrlichkeit abermals getäuscht gefunden in der Erwartung, Adelaiden aus dem Gleichgewicht zu bringen, schlug sie zur Ausführung einer andern List einen Spaziergang vor, obgleich sie sich erst kurz vorher ihren Gästen als eine, dem Tode so eben Entgangene vorgestellt hatte.

»Da ich weder Mstrß. Bouverie noch den Herzog vorher in meinem Hause zu sehen das Glück hatte, werde ich mir das Vergnügen nicht nehmen lassen, Ihnen als Wegweiser zu dienen,« sagte sie, Adelaidens und des Herzogs Arm ergreifend, und sie in ein romantisches Gebüsch führend. Nun erzählte sie, ›daß sie kürzlich eine Wette mit Harley eingegangen, die sie heute zu entscheiden gedächte.‹ Es befanden sich nämlich drei Wege in dem Gehölz, die von einem Punkt ausgingen, und an einem andern wieder zusammen trafen. Von diesen behauptete der General, sie seien von gleicher Länge; sie hingegen, daß sie ungleich wären. »Da wir nun gerade zu Dreien sind,« sagte sie, »könnten wir, wenn Sie sich auf einige Minuten trennen wollen, die Sache sogleich entscheiden. Hier sind die drei Wege. Nehmen Sie diesen, Sie jenen, und ich den dritten; und derjenige, welcher zuerst anlangt, braucht sich keiner Geduldsprobe zu unterwerfen, indem ihm seine Gefährten gleich nachkommen müssen.‹

Aus Furcht, die Erste zu sein, und vielleicht ein kurzes Alleinsein mit dem Herzog zu bestehen zu haben, bewegte sich Adelaide so langsam als möglich, fand jedoch am Ende des Wegs nur Se. Gnaden, keine Lady Marian. Nach einer kurzen verlegenen Pause schlug sie vor, umzukehren und Ihre Herrlichkeit zu suchen, was jedoch der Herzog widerrieth, weil kein dritter Weg zu sehen war. Sie ergab sich zitternd, und schlug nach einigem Warten mit ihrem Begleiter den nächsten Fußpfad ein. Doch kaum waren sie ein Dutzend Schritte gegangen, als sich ihnen hundert Wege öffneten, aber alle so in einander verflochten, und einander so ähnlich, daß sie nicht wußten, welchen sie gekommen.

»O, Mstrß. Bouverie!« rief der Herzog, »wir haben uns verirrt in diesem Labyrinth. Jetzt erinnere ich mich, daß Mstrß. Warren und Capitain Thornley sich rühmten, schon manchem Arglosen diesen witzigen Streich gespielt zu haben. Aber ich konnte freilich nicht voraussehen, daß sich Lady Marian zu einem so gemeinen Spaß herablassen würde. Sie werden blaß, Adelaide, und zittern! Mstrß. Bouverie, Sie können doch unmöglich Furcht empfinden, hier mit mir allein gelassen zu sein?«

»O, nein! nein!« entgegnete Adelaide entsetzt, »ich würde keine Besorgniß hegen, wenn alle Welt so gut – so rechtlich wäre, wie Sie.« – Thränen entströmten ihren Augen, als sie der Wirkung gedachte, welche eine falsche Vorstellung dieser Scene auf Bouverie machen würde.

»Adelaide, ich kann Sie nicht weinen sehen!« rief der Herzog fast selbst zu Thränen gerührt, »und obgleich diese Augenblicke in Ihrer Nähe die einzigen –«

»O, Herzog!« sagte Adelaide zürnend, »vergessen Sie sich so sehr, diese unpassende Sprache gegen mich zu führen, weil Sie mich in einer Lage sehen, aus der ich mich nicht zu ziehen weiß?« –

»Nein, Adelaide!« entgegnete der Herzog mit der Würde beleidigter Unschuld, ich verdiene solchen ungerechten Argwohn nicht. Ich wollte Ihnen sagen, daß ich die einzigen Sonnenstrahlen, die das dunkle Leben noch für mich hat, willig opfern würde, Sie aus den Schlingen dieses listigen Weibes zu befreien; ja, Sie von dem Verdacht zu befreien, mit mir allein gegangen zu sein.«

»O, vergeben Sie mir!« rief Adelaide schluchzend, von Dankbarkeit übermannt. »Aber wie können Sie diesen edelmüthigen Vorsatz ausführen? Wenn Sie herauszukommen hoffen, warum nicht auch ich

»Weil ich, um die Wirkung dieses Scherzes zu zerstören, rasche Maaßregeln ergreifen, und mir einen Weg durch den Wald bahnen muß. Wollte ich warten und unsre gemeinsame Erlösung zu bewerkstelligen suchen, würde ich dadurch nur den boshaften Plan befördern. Meine Kleider widerstehen den eindringenden Büschen, und wo ich nicht durch kann, soll mir mein Säbel Bahn brechen.«

Nun sagte er ihr noch, daß er, sobald er sich aus dem Labyrinth herausgefunden, laut pfeifen würde, ihr anzuzeigen, daß sie, ohne Furcht, ihm zu begegnen, einen Weg suchen könnte; und daß er dann eilen würde, Lady Marians Bosheit zu widerlegen, indem er bei der öffentlichen Parade erschiene. Mit diesen Worten entfernte er sich, Adelaiden im Gefühl neuer Verpflichtung zurücklassend.

Zwanzig Minuten waren schon verstrichen, ohne daß sie das Signal gehört; endlich ertönte es, und sie eilte nun, einen Ausweg zu finden. Dieß war jedoch keine leichte Aufgabe, und sie hatte sich schon in endlosen Krümmungen verwickelt, als eine laute, weibliche Stimme, die in der Entfernung »John, John!« rief, ihre Hoffnung belebte. Sie suchte dem Ton zu folgen, indem sie zugleich ihre eigene Stimme erschallen ließ; und kaum war sie etwa funfzig Schritte in dieser neuen Richtung gegangen, als dieselbe weibliche Stimme ihr von der andern Seite, aber dem Ohr ganz nahe, entgegenrief:

»Was, zum Henker! wer kann Sie hierher geschickt haben, wenn Sie mich rufen hören? Ich wollte es Ihnen auch nicht an Bewegung fehlen lassen, und so sollten Sie dieß Paket nach Hastings auf die Post tragen, obgleich der Oberst angekommen ist.«

»Angekommen!« rief ein Mann, dem ersten Sprecher näher tretend; »das ist mir lieb zu hören, da es mir manchen langweiligen Weg nach Hastings erspart; aber, liebe Mstrß. Colemann, wissen Sie gewiß, daß er angekommen ist?«

»So gewiß, als er auch die tausend Pfund mitgebracht hat. Ich führte ihn selbst in ihr Ankleidezimmer, und überließ ihn dem Entzücken des Wiedersehens. Nun wird sie ihn wohl wieder um seine Sinne und um sein schönes Geld schwatzen! – ich kam unterdessen hierher, Sie aufzusuchen, Ihnen den Weg nach Hastings zu ersparen, und Sie aufzufordern, mit mir ins Dorf zu gehen.«

Kaum im Stande, die Wirkung dieses Gesprächs zu ertragen, fühlte Adelaide kein Verlangen, sich an Mstrß. Colemann als Wegweiserin zu wenden; sondern schlug einen andern Weg ein, der sie zu einem Baumstamm führte, auf welchem sie ihren zitternden Körper niederließ. Ihre Sinne drohten sie zu verlassen; sie hatte nur den einen Gedanken, die schreckliche Gewißheit, ihren verblendeten Gatten von einem schlechten Weibe zum Verderben führen zu sehen, während dieser Verführerin Schönheit und Liebreiz zu mächtig war, um einem Sterblichen die Kraft zu verleihen, sich von ihr loszureißen.

Aber sie durfte dem Gram keine Macht über ihre körperliche Thätigkeit gestatten; denn es galt, den Ausweg aus dem Labyrinth zu finden; und so sprang sie rasch auf, einen neuen Versuch zu wagen. Mit der Schreibtafel in der Hand, auf welcher sie genau ihren Gang bezeichnete, gelang ihr, die Gestalt des Irrgangs kennen zu lernen, und dann durch Hülfe ihrer mathematischen Kenntnisse den Ausgang zu finden. Als sie eben aus dem Labyrinth der Gefahren heraustrat, begegnete ihr die ganze Tischgesellschaft, Lady Marian ausgenommen, sie zu befreien.

Nachdem diese das Opfer ihrer Bosheit in den Irrgang verlockt, benachrichtigte sie Mstrß. Gayville, welchen Spaß sie ihnen Allen auf Kosten der prüden Mstrß. Bouverie bereitet, und trug ihr auf, wenn die Herren von der Parade zurückgekehrt, und Mstrß. Bouverie nebst dem Herzog vermißt sein würden, sich plötzlich zu erinnern, daß Lady Marian ihr vor langer Zeit aufgetragen, das Paar im Labyrinth zu suchen, woselbst es sich wahrscheinlich verirrt haben müsse.

Kaum hatte Lady Marian diese Befehle ertheilt, als sie von Mstrß. Colemann abgerufen wurde, Bouverie zu empfangen, den sie am heutigen Tage noch nicht erwartet hatte, wie die Einladung seiner Frau bewies; und nachdem die zärtliche Begrüßung vorüber war, Montagu ihr Herz hinsichtlich der tausend Pfund erleichtert, und sie mit einem kostbaren Shawl und andern reichen Gaben beschenkt hatte, beeilte sie sich, ihm dagegen einen selbst geschaffenen Bericht von der Art und Weise, wie sich Adelaide und der Herzog an diesem Tage benommen, und wie oft er, seit sie von Melcombe Park zurück, im Dämmerlicht um Castle Cottage geschlichen, zu geben.

 

Während sich dieses im Boudoir zutrug, konnten Mstrß. Gayville und ihre Vertraute, Mstrß. Warren, den Augenblick nicht erwarten, Mstrß. Bouverie und den verliebten Herzog aus dem Labyrinth zu befreien. Doch ehe es noch hierzu kam, zerstörte Sr. Gnaden Zurückkunft mit den übrigen Officieren von der Parade den ganzen Plan, und erfüllte die Damen mit Besorgniß über ihre gescheiterte Bosheit.

»General, wo haben Sie den Herzog aufgefangen?« rief Mstrß. Gayville.

»In Bexhill,« entgegnete der General.

»Unmöglich! Da ich von Lady Marian erfahren, daß sich Mstrß. Bouverie und Se. Gnaden vor einer Stunde im Labyrinth verloren haben,«

»Das heiße ich, das Unmögliche möglich machen,« sagte der General, »wir fanden den Herzog schon vor uns auf der Parade.«

»So ist es, Mstrß. Gayville,« bemerkte der Herzog lächelnd; »aber eben so wahr ist es, daß ich mich zu der von Ihnen erwähnten Zeit mit Lady Marian und Mstrß. Bouverie im Labyrinth befand; doch fürchtend, von den schönen Damen angeführt zu werden, beschloß ich, die Lacher auf meine Seite zu ziehen, und entwischte in die Baracken, Ihrer Herrlichkeit zu beweisen, daß ich keinen Groll wegen des beabsichtigten Scherzes hegte, indem ich aus meinem Zimmer ein Buch holte, welches sie nach Tische zu lesen wünschte.«

»Beim heiligen Georg! Sie haben die Weiber gut angeführt,« rief der General; »aber wo sind sie nun zu finden?«

»Lady Marian,« entgegnete Mstrß. Gayville, »war so ermüdet durch das vergebliche Suchen ihrer Gefährten, die sie, wie ich den Herzog versichern kann, keineswegs die Absicht zu verirren hatte, daß sie mich bat, Mstrß. Bouverie zu suchen. Da aber mein kleiner Junge hinfiel und sich stark verwundete, dachte ich nicht wieder an die Sache, bis ich den Herzog sah.«

Die ganze Gesellschaft, der General an der Spitze, machte sich jetzt auf den Weg, die arme Verirrte aufzusuchen, die ihnen jedoch schon entgegen kam.

Sobald man sich wieder im Gesellschaftszimmer versammelt hatte, sandte der General den getreuen Fitzpatrick an Lady Marian mit der Bitte, sich zum Thee einzufinden, worauf sie durch den schelmisch lächelnden Diener erwiedern ließ: ›Daß sie sehr bedauerte, nicht erscheinen zu können, indem sie sich durch das vergebliche Suchen Sr. Gnaden von St. Kilda und Mstrß. Bouverie, die sich im Labyrinth verloren, so sehr ermüdet hätte, daß sie erst noch einige Zeit ruhig in ihrem Zimmer zubringen müßte.‹

Der Herzog, im Innersten erzürnt über die Schändlichkeit, diese Entschuldigung durch einen Dienstboten sagen zu lassen, rief laut:

»Ihre Herrlichkeit hätte sich diese unnöthige Anstrengung meinetwegen ersparen können, wenn sie den rechten Weg, mich zu suchen, nach den Baracken eingeschlagen, wohin ich ging, dieses Buch für sie zu holen, welches ich Sie bitte, Herr Fitzpatrick, ihr nebst meinem schönsten Gruß zu überreichen.«

Dieser neue Beweis von des Herzogs lebhaftem Interesse für ihren Ruf erfüllte Adelaidens Herz mit Dankbarkeit, nachdem es durch Lady Marians Botschaft einen harten Stoß erlitten. Sie konnte leicht errathen, daß sie nur ihre Zusammenkunft mit Montagu verlängern wollte, der ihre Anwesenheit im Hause nicht ahnete.

Nachdem der Thee vorüber war, flog Mstrß. Warren an den Flügel und spielte einen so schönen Walzer, daß Mstrß. Gayville, von Tanzlust erfaßt, aufsprang, Capitain Warrens Arm ergriff, und mit ihm so wild durch das Zimmer raste, daß die prüde Mstrß. Bouverie nicht wenig darob erstaunte.

Oberst Lonsdale erbat sich nun von Mstrß. Bouverie die Ehre, mit ihr walzen zu dürfen, worauf sie halb beleidigt erwiederte, daß sie nie zu walzen pflegte.

»Wie, Mstrß. Bouverie!« rief Mstrß. Gayville verdrießlich, »wenn Sie nicht tanzen wollen, weiß ich wirklich nicht, womit wir Sie unterhalten sollen, da wir nie Karte spielen.«

»Ich hoffe, mich auf andre Weise nützlich machen zu können, indem ich Ihren Platz einnehme,«erwiederte Adelaide, sich an den Flügel setzend; und nun begann sie, Walzer und andere Tänze zu spielen, den Blick immer auf die Thür gerichtet, in der Erwartung, Lady Marian mit Montagu eintreten zu sehen; doch nicht eher, bis die tanzenden Damen, bis zur Athemlosigkeit erschöpft, ausruhten, erschien Lady Marian, aber allein.

Sie wiederholte ihre früher gemachte Entschuldigung, worin sie geschickt Adelaidens und des Herzogs Absicht, sich zu verlieren, durchblicken ließ, worauf jedoch der entrüstete Herzog erwiederte, ›daß sie weder seine Botschaft, noch sein Buch erhalten haben könne, indem sie sonst von seiner Unschuld an dem Verbrechen, sie ermüdet zu haben, durch den Umstand überzeugt worden sein müsse, daß er sich eine volle Meile von ihr entfernt befunden.‹

»Auch ich kann mich nicht deshalb anklagen,« sagte Adelaide ruhig, »da ich den Pfad ging, den mir Lady Marian angewiesen; und wenn er mich zum Irrthum führte, war es Ihrer Herrlichkeit Schuld, und nicht die meinige.«

Trotz des Bestrebens, ihren Verdruß über das Mißlingen ihres feinen Plans zu verbergen, ward er doch den beiden Betheiligten sichtbar. Sie versuchte nun, sie mit ausgezeichneter Aufmerksamkeit zu überhäufen; doch sprach sich in ihrem Wesen gegen Adelaiden ein solcher schlecht verhehlter Triumph aus, daß diese in wahrer Seelenangst neue Angriffe gegen ihren Frieden voraussah, und zitternd Bouveries Eintreten erwartete, um in seinen Zügen ihr Schicksal zu lesen.

Aber er kam nicht, und Adelaide harrte ungeduldig ihres Wagens, der erst vierzig Minuten, nachdem sie ihn bestellt, und nachdem sie zwei Mal darnach gefragt, gemeldet wurde.

Ein Thränenstrom erleichterte das gepreßte Herz der armen Dulderin, als sie sich endlich allein und ungestört auf ihrem Weg von Marino nach Hause befand.

»Bin ich denn wirklich,« schluchzte sie in bittrer Angst, »des Vertrauens, der Liebe meines Gatten beraubt, ungehört verdammt? Im noch nicht vollendeten siebzehnten Jahre, in der Blüthe meiner Schönheit verachtet, verstoßen, geflohen von dem Mann, den ich seit meiner Kindheit abgöttisch verehrte?

Ach! grausames Geschick! Warum fühlte ich diese Vorliebe nicht für den Herzog von St. Kilda? Dann würde ich geliebt, geachtet, gesucht sein, nicht geflohen, und zum Gegenstand des Triumphs einer übermüthigen Nebenbuhlerin herabgesetzt! ich würde glücklich machen und eheliches Glück kennen lernen!«

Beim Aussteigen fragte sie Dennis, weshalb der Wagen so viel später gekommen sei, als sie ihn bestellt? und erfuhr, daß Bouverie den Befehl gegeben, ihn eine Stunde später zu schicken.

Sie eilte hinauf, ihren Gatten zu begrüßen, fand ihn aber nicht, und Obearn erwiederte auf ihre Nachforschung mit betrübtem Ton, ›daß er zu Bett gegangen, weil er sich von seiner Reise zu ermüdet gefühlt hatte, auf sie zu warten.‹

»Zu Bett gegangen, ohne mich zu sehen, nach einer so langen Trennung!« rief Adelaide zitternd. »O, weshalb schickte er den Wagen so spät? ich würde sonst früher gekommen sein und ihn noch gesehen haben.«

»Aber, liebes Kind!« sagte Norah vorwurfsvoll, »wie konnten Sie sich auch verleiten lassen, heute Abend zu tanzen, nachdem der Oberst sich durch Ihr Tanzen in Melcombe Park so gekränkt gefühlt hatte?«

»Tanzen!« rief Adelaide im höchsten Erstaunen, »ich habe nicht getanzt, möchte es nicht für zehn tausend Welten noch einmal in Montagus Abwesenheit thun! Wer beschuldigte mich dessen?«

»Der Herr glaubte, Sie tanzten; denn als er nach Hause kam, erzählte ich ihm, daß Sie nach Marino eingeladen wären und befohlen hätten, halb neun Uhr abgeholt zu werden, daß ich aber nun gleich den Wagen schicken würde.

›Nein, nein,‹ entgegnete er hastig; und als er sich umdrehte, sah ich, daß er höchst aufgeregt und erzürnt war. ›Mstrß. Bouverie tanzt; und ich möchte um keinen Preis ihr Vergnügen stören.‹

›O, Herr Oberst!‹ sagte ich, ›nichts macht sie glücklicher als Sie zu sehen; deshalb bitte ich um Erlaubniß, den Wagen schicken zu dürfen.‹

›Mstrß. Obearn,‹ erwiederte er gebieterisch, ›auch ich hoffe in meinem eigenen Hause meinen eigenen Willen zu haben; und da der Wagen mir gehört, werde ich ihn meiner Frau schicken, wenn es mir gefällt. Er soll nicht vor neun ein halb Uhr abgehen; dann wird der Ball vielleicht zu Ende sein. Sobald Sie dieß besorgt haben, bitte ich um etwas Thee.‹

Ich schickte ihm nun gleich das Verlangte und mancherlei Erfrischungen, da ich von Lee gehört, daß er voll Ungeduld nach Hause zu kommen auf dem Wege nichts genossen hatte. Hinsichtlich des Wagens durfte ich ihm nicht widersprechen; und alles, was Dennis und ich thun konnten, war, ihn zwanzig Minuten früher zu schicken, welches jedoch nichts half, da er unterdessen zu Bett gegangen ist.«

»Wie unglücklich, daß ich heute gerade nach Marino gehen mußte!« seufzte Adelaide; »aber ich hoffe, liebe Norah, der arme Montagu erquickte sich durch Speise und Trank?«

»Er genoß gar nichts, klingelte nach Lee, klagte über große Müdigkeit und befahl, da er nicht wünschte, durch Sie gestört zu werden, wenn Sie vom Ball kämen, daß – daß die Vorrathskammer für ihn eingerichtet würde, worin er sich hierauf schlafen legte.«

Adelaidens Herzblut schien zu erstarren; Todesblässe färbte ihre Wangen, Eiseskälte überlief sie, und von innerer Bewegung übermannt sank sie kraftlos in einen Sessel. Denn nun fühlte sie, daß Marian wirklich triumphirt, Montagu selbst die unglückselige Trennung besiegelt hatte.

Norah bemühte sich, ihre geliebte Tochter zu trösten; sie stellte ihr Bouveries Unwillen als natürliche Folge der in Marino gehörten Verläumdungen vor; rieth ihr, heute Abend noch zu ihm. zu gehen, da er gewiß noch nicht schlafen würde, und ihm alles zu erzählen, wodurch sie sein Herz sehr erleichtern könnte.

Adelaide erkannte den Rath für weise und vernünftig, und würde ihn befolgt haben, wenn sie länger verheirathet gewesen; aber nun gestattete ihr ihre natürliche Schüchternheit nicht, das Zimmer zu betreten, in welches sich Montagu, ihr zu entgehen, geflüchtet; und so brachte sie eine schlaflose, in Thränen durchwachte Nacht zu, mit frühestem Morgen aufstehend, ihren Gatten nicht zu versäumen, falls er ungewöhnlich zeitig nach Marino gehen sollte.

 


Drittes Capitel.

Adelaide erwartete Montagu zum Frühstück; um jedoch nicht das Ansehen zu haben, als säße sie seiner ängstlich harrend, ergriff sie ein Buch, und bemühte sich, ruhig zu scheinen.

Jetzt hörte sie seine zögernden Fußtritte auf der Treppe, aber sie führten nicht zu ihr, entfernten sich immer weiter; und in der qualvollen Ueberzeugung, daß er von ihr weg nach Marino ginge, warf sie das Buch von sich, faltete ihre Hände in verzweifelnder Angst und erhob die Augen bittend zum Himmel, ihr Kraft zu verleihen, das Schrecklichste zu ertragen. Indem gewahrte sie Montagu in der Vorhalle, der sie durch die offne Glasthür betrachtet hatte.

»O, Bouverie!« rief sie von ihrem Sitz auffahrend, indem sie einen Versuch machte, ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen zu eilen; aber ihre Körperkraft verließ sie, und sie sank in den Sessel zurück.

Den geheimen Weg aufzusuchen, welchen der Herzog von St. Kilda, nach Lady Marians Bericht, jeden Abend seit Adelaidens Rückkehr von Melcombe Park zu durchstreifen pflegte, war Bouverie, noch ganz erfüllt von der Sirene boshaften Bemerkungen, mit frühem Morgen beschäftigt gewesen, als er Adelaiden blaß und entstellt durch die Glasthür gewahrte. Zu jeder andern Zeit würde ihn ihr Anblick beunruhigt und in ihre Arme getrieben haben, nach der Ursache ihres leidenden Aussehens zu forschen; doch Lady Marians Versicherung, daß sie nur durch Liebe für den Herzog und Reue über ihre Treulosigkeit so verändert worden, hielt ihn ab, seiner zärtlichen Regung zu folgen; und erst, nachdem sie ihre Gefühle nicht länger bemeisternd, in einen Strom von Thränen ausbrach, näherte er sich, ihre Hand ergreifend und sagte:

»Adelaide, sind dieß Thränen der Reue?«

»Thränen der Reue können es nicht sein!« entgegnete das unglückliche Weib im Ton schmerzlichen Erstaunens, »da ich mir keines Vergehens bewußt bin, welches Reue erforderte. Nein, Montagu, nein; es sind Thränen des bittersten Kummers, solchen Verdacht gegen mich bei. Dir zu finden.

Von der ersten Stunde unsrer Verheirathung bis jetzt ist es mein heißer Wunsch, mein Studium, meine Glückseligkeit gewesen, nur das zu thun, was Dir gefällt; und es war mein herbes Geschick, dieses Streben nicht zu erreichen. Da ich aber mit gutem Gewissen versichern kann, nicht vorsätzlich, oder auch nur wissentlich gefehlt zu haben, hätte ich von Dir, meinem Führer und Leiter erwarten können, mich auf die rechte Bahn zurückzubringen.«

Auf einen so rührenden, sanften Vorwurf war Bouverie nicht vorbereitet, und fühlte sich im Bewußtsein seiner eigenen Schuld verlegen und getroffen. Mit unsicherer Stimme fragte er:

»Was kann Dich zu der Vermuthung führen, mein ernstliches Mißfallen erregt zu haben?«

»O, Montagu! Du selbst,« erwiederte Adelaide mit kummervollem Ton. »Fragtest Du mich nicht, ob dieß Thränen der Reue wären? Was konntest Du damit meinen? Was bedeuten Deine letzten Briefe? Warst Du nicht in Marino mit mir zusammen, ohne mich nach einer so langen Trennung aufzusuchen? Bewiesest Du nicht durch das Zurückbehalten des Wagens, daß Du ein Zusammentreffen mit der Schuldigen vermeiden wolltest?«

»Das Zurückbehalten des Wagens,« Mstrß. Bouverie, entgegnete er mit ironischem Lächeln, »geschah nur, Deine angenehme Unterhaltung nicht zu unterbrechen. Das Vergnügen des Walzens ist Deiner jetzigen Stimmung angemessener, als zu Deinem Gatten nach Hause zu kommen.«

»Ich tanzte und walzte nicht; mein Herz war zu traurig für solche Lustbarkeiten, selbst wenn ich einen Augenblick die unglückliche Wirkung meines unbesonnenen Walzers mit Lord Melcombe hätte vergessen können. Meine Rolle bei dem sogenannten Ball war die einer musikalischen Spielmaschine, Mstrß. Gayvilles und der übrigen Gesellschaft Tanzlust zu dienen. Doch ich will mich nicht länger bei diesen Zeichen Deines Mißfallens aufhalten, Montagu.«

»Ueber unsre Neigungen können wir nicht immer gebieten; und wenn mir die Segnung nicht beschieden ist, Dein Glück zu machen, so glaube nur, daß ich es immer als ein schweres Unglück bedauern, Dich aber nie deshalb anklagen werde.«

Adelaidens Festigkeit drohte sie zu verlassen; aber noch ein Mal bekämpfte sie ihre Thränen, und fuhr mit weicher, klagender Stimme fort:

»Aber, mein hochverehrter, und wenn Du mir gestatten willst hinzuzufügen, mein zärtlichst geliebter Mann, wird mir die, mit meinen Pflichten vereinbare Bitte eines ruhigen Gehörs nicht verweigern. Du hast mein Herz tief gekränkt durch die schwere Beschuldigung zunehmenden Leichtsinns. Du hast meine Wahrhaftigkeit bezweifelt, und eben jetzt noch meine Thränen fälschlich für Zeichen der Reue ausgelegt. Ich habe in Melcombe Park einen Beobachter gehabt, der Dir meine Handlungen hinterbracht. Darf ich Dich nun bitten, sie mir zu nennen? Dem schuldigsten Verbrecher wird ein vorurtheilsfreier Richter gestattet, und die Erlaubniß, sich selbst zu vertheidigen; und gewiß wird der Gatte meiner Wahl, mein natürlicher Freund, Führer, Advokat und Vertheidiger keinem fremden Zeugniß Glauben beimessen, sein Ohr mir nicht verschließen, bis das Schuldig über mich ausgesprochen worden.«

Bouverie, von innern Kämpfen zerrissen, halb an der Unschuld seines Weibes glaubend, und dann wieder durch Lady Marians Darstellungen zum Zorn gereizt, war keiner Antwort fähig. Adelaide blickte voll quälender Angst in sein Gesicht, wie in ihr Schicksal, und sagte dann traurig:

»Montagu, ich sehe, diese Aufforderung betrübt Dich, deshalb will ich sie nicht weiter verfolgen. Aber behalte sie in Deinem Herzen, erwäge sie genau, ich bitte, ich beschwöre Dich und suche die Beweise meiner Unschuld darin.« Von innerer Angst überwältigt, eilte sie hinaus, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen, als sie sich von Bouveries Armen aufgehalten sah.

»Adelaide!« rief er mit dem Ausdruck tiefster Bewegung, »ich danke Dir für Deine Güte und Nachsicht, und sei versichert, daß sie an keinem Unwürdigen verschwendet sind. Mein Herz spricht Dich von aller Schuld frei; aber mein Verstand darf sich nicht durch das Gefühl beherrschen lassen. Ich will thun, was Du verlangst; ich will Deine Unschuld zu ergründen suchen, und hierzu soll mir Dein eigner Bericht der Umstände helfen.« Adelaide drückte im Gefühl ihrer Dankbarkeit seine Hand an ihre Lippen und fragte leise, indem sie sich die Thränen abwischte: »Ob er mit ihr frühstücken wollte?«

Er versicherte, es wäre seine Absicht gewesen, und nun sein Wunsch; und während der Theetisch eingerichtet wurde, zog er sie hinaus in die Vorhalle, nach dem Ziel der vielen, das Häuschen umgebenden Wege zu fragen, worauf die höchlichst erstaunte, in seine Ideen nicht eingehende Adelaide der Wahrheit gemäß antwortete, und Lady Marians Einflüsterungen widerlegte.

»Adelaide,« sagte Bouverie nach einer Pause trüben Nachdenkens, »der Herzog von St. Kilda ist zwei Mal Dein Lebensretter gewesen, und Du hast ein dankbares, ein sehr dankbares Gemüth.«

»Ich hoffe, kein undankbares zu haben,« erwiederte Adelaide, immer mehr erstaunt über den Gang seiner Fragen, »da die getreue Erinnerung meiner Erkenntlichkeit für Deine Errettung meines Lebens, so lange es auch her ist, noch nie schwächer geworden ist. Der Herzog von St. Kilda rettete mir zwei Mal das Leben; aber er setzte sein eigenes nicht dabei aufs Spiel, wie Du es thatest, lieber Montagu.«

Der Scorpionstachel der Eifersucht schien durch diese einfachen, mit Wahrheit und Gefühl ausgesprochenen Worte aus seinem Herzen gezogen; doch war Bouverie zu ergriffen, um zu sprechen, und drückte nur ihre Hand.

»Unser lieber Onkel,« begann Adelaide nach einer langen Pause, »scheint errathen zu haben, daß zwischen seinen Kindern nicht alles so ist, wie er es wünscht.«

»Ein Brief von Lord De Moreland!« rief Montagu erblassend, »ist er in England angekommen?«

»Nein; aber er verkündet uns seine baldige Ankunft.«

»Laß mich den Brief sehen.«

»Jetzt nicht; wir haben für einen Tag schon zu viel unangenehme Themas berührt, mein armer Montagu; und ich fürchte, dieser Brief möchte Dich betrüben; denn denn Se. Herrlichkeit schließt aus Deinem Nichtschreiben, daß Du nicht glücklich wärest.«

Bouveries Blässe und heftige Bewegung, wurden so sichtbar, daß die zärtliche, vergebende Adelaide seine Hand ergriff, und mit sanftem Ton sagte: »Wenn diese schrecklichen Phantome meiner Vorliebe für den Herzog und manche andre furchterregende Gestalten gewichen sind, schreibst Du an unserm Onkel und sagst ihm, daß Du nicht unglücklich bist.«

Durch ihre Güte gerührt, die er wohl fühlte, nicht verdient zu haben, drückte er sie zärtlich an sein Herz und in diesem Augenblick traten Lady Marian, Mstrß. Gayville und Capitain Warren, dem anmeldenden Lee zuvorkommend, in die Vorhalle.

Wuth und Verzweiflung wahnsinniger Eifersucht drohten Lady Marian im ersten Moment um ihre gewohnte Fassung zu bringen; aber der Rathgeber in ihrem Innern verließ sie nicht, und mit einem ängstlichen Blick auf Bouverie, der sich schnell in ein süßes Lächeln verwandelte, indem sie Adelaiden begrüßte, rief sie aus:

»Ich bitte zehn tausend Mal um Verzeihung, diese unerwartete Zärtlichkeitsscene unterbrochen zu haben! aber angezogen durch die Schönheit dieses kleinen Blumengartens, und keine so öffentliche Fortsetzung der Honigmonate hier vermuthend, folgten wir dem Diener auf dem Fuß, welcher melden sollte, daß wir um Erlaubniß bäten, mit Mstrß. Bouverie zu frühstücken.«

Adelaide, die in schüchterner Verschämtheit durch jeden Zeugen der zärtlichen Umarmung Montagus in Verlegenheit gerathen sein würde, fühlte sie jetzt doppelt, da sie Bouveries Verwirrung bei Lady Marians plötzlichem Eintritt gewahrte; und schwer ward es ihr, den unwillkommnen Gästen sogleich die erforderliche Höflichkeit zu beweisen.

»Ich fürchtete, Mstrß. Bouverie,« sagte Ihre Herrlichkeit, »nach Ihrer gestrigen Kälte, daß Sie ceremoniös wären und mir nicht vergeben könnten, Ihnen nicht früher die Aufwartung in Ihrer allerliebsten Hütte gemacht zu haben; deshalb verlor ich keine Zeit, diesen ungünstigen Eindruck zu verwischen, und um Ihnen zu zeigen, daß ich keine Förmlichkeit zwischen uns wünsche, habe ich mich gleich selbst bei Ihrem Frühstück eingeführt, wenn Sie mir und meinen Gefährten nämlich erlauben, Ihr Alleinsein zu unterbrechen.«

Adelaide sah sich genöthigt, einige unwahre Höflichkeitsfloskeln zu erwiedern, und das unwillkommene Kleeblatt in ihr Frühstückszimmer einzuladen, aus welchem Lady Marian jedoch Montagu noch einige Augenblicke zurückhielt, den Sturm über die mit angesehene Liebesscene auf des Beleidigers Haupt auszuschütten. So sehr hatte Ihr Beispiel der Verstellung, dem nachzufolgen ihm seine unerlaubte Leidenschaft gelehrt, seine natürlichen, vortrefflichen Eigenschaften unterdrückt, daß er ihre Wuth durch die bestimmte Versicherung zu besänftigen strebte, ›er habe sich zu dieser erheuchelten Zärtlichkeit genöthigt gesehen, um den Verdacht zu beschwichtigen, der sich auf eine unerklärliche Weise in seines Weibes Herz geschlichen.‹

Im Gefühl des Triumphs über ihre verhaßte Nebenbuhlerin trat nun Lady Marian mit Bouverie in das Haus, wo ihrer eine abermalige Kränkung harrte durch den Anblick der zauberhaften Verwandlung, die Adelaide in demselben bewirkt, so wie durch Capitain Warrens wiederholt ausgesprochenes Erstaunen über das elegante Familienfrühstück.

Adelaide hatte am vergangenen Tage mit scharfem Blick alles, was zu Lady Marians Departement gehörte, überschaut, und bemerkt, daß es ihrem Hause an Reinlichkeit und Nettigkeit fehlte; daß ihre Tafel, obgleich mit Gepränge aufgesetzt, unbehaglich war, die Schüsseln schlecht gewählt und noch schlechter gekocht, die Speisen von den schlechtesten Ingredienzien und so kalt, wie die Aufmerksamkeiten der schönen Wirthin. Alles, wie es zu erwarten in einem Hause, dessen Gebieterin andre Zwecke verfolgte, und die Sorge für dasselbe den Dienstboten überließ. Während Adelaide diese Betrachtungen machte, schmeichelte sie sich mit der süßen Hoffnung, daß auch Montagu früher oder später den Contrast zwischen seiner eigenen Wohnung und Marino bemerken würde.

Capitain Warrens Entzücken über die Verwandlung dieser elenden Hütte in ein Zauberschlößchen, und über die Zierlichkeit und Vortrefflichkeit des Frühstücks, welches sich keiner vermehrten Gesellschaft gewärtig gewesen, erbitterte Lady Marian gegen die arme, unschuldige Adelaide in einem solchen Grade, daß sie von Neid erfüllt, ausrief:

»Ihr blasses Aussehen, Mstrß. Bouverie, überzeugt mich, daß Sie sich noch nicht von der gestrigen Anstrengung, so viele Walzer zu tanzen, erholt haben. Harley versichert, meine weiblichen Gäste wären von der Tarantel gestochen gewesen, und hätten wie toll herumgeras't.«

»Aber Mstrß. Bouverie war nicht gestochen, Lady Marian!« entgegnete Capitain Warren; »sie saß die ganze Zeit ruhig am Clavier, ihre Kräfte gütigst dem allgemeinen Vergnügen widmend.«

»So habe ich Harley mißverstanden,« sagte Ihre Herrlichkeit, ärgerlich über diese ungeforderte Erklärung, indem sie schnell auf ein anderes Capitel überging.

»Unsere erste Probe wird heute Abend sein,« fuhr sie fort; »und da wir alle dabei beschäftigt sind, möchte es für Mstrß. Bouverie eine gar zu langweilige Parthie abgeben, weshalb ich es nicht wage, Sie zu bitten, Oberst Bouverie zu begleiten. Morgen bin ich leider genöthigt, eine größere Herrengesellschaft bei mir zu sehen; aber den darauf folgenden Tag hoffe ich das Glück zu haben, Sie, nebst einigen Damen aus Hastings und mehreren Officieren unseres Regiments, in meinem Hause zu bewirthen.«

In der Meinung, Montagus Wünschen zu entsprechen, nahm Adelaide diese Einladung an, worauf Mstrß. Gayville fragte: ›Wann Oberst Bouverie sich als ein gastfreier Mann zu zeigen gedächte, und die Pforten seines geräumigen Hauses zu einem Mittagsessen öffnen würde?‹

Mit unbesiegbar guter Laune erwiederte Adelaide, daß ihrem Manne die Verzögerung seiner Gastfreiheit nicht zur Last gelegt werden könnte, indem die Gesellschaft sich wegen großer Besorglichkeit, hinsichtlich der Ansteckung, selbst davon ausgeschlossen. »Doch nun,« fuhr sie lächelnd fort, indem sie Karten von ihrem Schreibtisch nahm, »da Lady Melcombe die Fahne über mich geschwenkt hat, sollen Sie eine Einladung haben, so schnell ich sie nur schreiben kann. Lady Marian wird mir gütigst den Tag bestimmen, wo ich die Ehre haben soll, mein erstes Mittagsessen als Frau zu geben. Ich hoffe, sie wird ihn nicht zu weit hinausschieben, und meines theuern Gatten Gastfreiheit noch länger in einem zweideutigen Licht erscheinen lassen, obgleich ich mich, wie jede Anfängerin, etwas linkisch als Wirthin benehmen werde. So viel kann ich Ihnen, Mstrß. Gayville, zum Trost sagen, daß keiner meiner verehrten Gäste zu befürchten haben wird, sich in der langen, weitläufigen Reihe meiner Gemächer zu erkälten.«

Montagu war freudig erstaunt, aber auch zugleich beschämt, Adelaiden so reden zu hören, in deren Worten so mancher Vorwurf für ihn lag, besonders in ihrer Entschuldigung, noch keine Gesellschaft bei sich gesehen zu haben; aber ihre ganze Art war so scherzend, so gutmüthig und bezaubernd, daß selbst sein von Leidenschaft bestricktes Herz den Zauber empfand. Er wunderte sich, wie es möglich sei, Lady Marian den Vorzug zu geben, und sah voraus, daß Adelaide, wenn sie etwas länger in der Welt gelebt und etwas mehr Selbstvertrauen erworben hätte, alle andern Frauen weit übertreffen würde, selbst seine himmlische Lady Marian; und indem diese Gedanken rasch durch seine Seele gingen, fühlte er die Strafbarkeit seines Benehmens gegen sie mit einer vorher noch nie empfundenen Angst, ohne jedoch den Wunsch zu haben, sich von derjenigen loszureißen, die störend zwischen ihm und seinem Weibe stand.

Lady Marian erkannte, daß Adelaide nicht die zahme Frau sei, die sie in ihr zu finden gehofft; und daß sie die Macht habe, wenn sie den Muth dazu erringen könne, ihrer Magie einen Gegenzauber entgegenzustellen. Mit lächelnder Freundlichkeit bestimmte sie einen der nächsten Tage zu dem Gastmahl in Castle Cottage, und ergriff dann freudig den dumpfen Trommelschlag aus der Ferne zum Vorwand, Montagu von ihrer gefährlichen Nebenbuhlerin zu entfernen, indem sie es einzurichten gewußt, daß der General einen Musterungstag angeordnet hatte.

»Erwarten Sie Ihren Gemahl diesen Abend nicht zu früh zurück, Mstrß. Bouverie!« sagte Lady Marian beim Abschied, »da ich fürchte, daß unsere Probe heute etwas lange dauern wird.«

Trotz dem wachsamen Auge seiner Beherrscherin gelang es Montagu doch, Adelaiden zum Lebewohl die Hand zu drücken; und als sie aus dem Hause traten, sagte Capitain Warren zu sich selbst:

»Wenn diese Adelaide mein wäre, sollte keine Marian, keine Circe im Stande sein, mich von ihr zu verlocken!« –

 

»Ach!« rief die unglückliche Frau, als sie sich allein sah, »jeder Eindruck, den ich auf meines Gatten Herz mache, scheint auf weichen Sand gedrückt, über den die Zauberkünste Lady Marians, wie eine rauschende Fluth daher fahren, auch nicht die geringste Spur zurücklassend.«

Lady Marian hatte nur zu wahr gesprochen. Erst gegen Morgen kehrte Montagu von Marino zurück, und schlich leise an der wachenden und weinenden Adelaide Schlafzimmer vorüber in das Kämmerlein, was er sich am Abend vorher in einem Anfall von Eifersucht erwählt. Aber auch hier fand er keine Ruhe; denn Gewissensbisse waren sein Loos, und er rannte von stürmischen Leidenschaften gefoltert im Zimmer auf und nieder, schaudernd vor dem Abgrund, an den er sich selbst gestellt, bis ihn der Morgen mahnte, sich wenigstens eine äußere Ruhe anzueignen, um das gemeinsame Frühstück mit seiner Frau einzunehmen, und den Brief von Lord De Moreland zu lesen.

Als ihm Adelaide freundlich entgegentrat und mit sanfter, trauernder Stimme einen guten Morgen bot, hätte er im Gefühl seines Unrechts gegen sie viel darum gegeben, ihr zu entfliehen; als sie aber während des Frühstücks mit anscheinender Heiterkeit über diesen und jenen Gegenstand sprach, ohne auch nur ein Symptom der Empfindlichkeit oder üblen Laune zu verrathen, sagte er sich: ›sie müsse entweder ein Wunder vergebender Barmherzigkeit, oder dem Herzog von St. Kilda zu sehr ergeben sein, um sich um ihres Gatten Verhalten zu bekümmern.‹

Die Zeit näherte sich, zu welcher Bouverie versprochen, in Marino zu sein, und mit zitternder Stimme bat er, ihm den Brief von Lord De Moreland zu geben. Adelaide that es widerstrebend, und verließ das Zimmer. Wie sehr dankte er ihr dieses Zartgefühl; denn als er nun las, was der besorgte Onkel geschrieben, wurde seine innere Bewegung zu heftig, um sie in sich einzuschließen, und er beschuldigte sich laut der Undankbarkeit gegen seinen Freund und Gönner, der Untreue und Grausamkeit gegen Adelaiden, die er als ein betrogenes Opfer zum Altar geführt, ihr Glück aufs Spiel gesetzt hatte, sein eigenes verlorenes wiederherzustellen.

Doch endlich gewann der böse Dämon in seiner Brust, Lady Marians Bild, wieder Einfluß, und er tadelte Lord De Moreland, dem er eben so viel Schuld an dem Friedensmord der armen Adelaide beimaß, als sich selbst. Indem unterbrach ein lautes Pochen an der Hausthüre seine Betrachtungen, und aus Furcht durch irgend einen ungelegenen Besuch abgehalten zu werden, auf den Flügeln der Sehnsucht zu der angebeteten Marian zu eilen, entfloh er in den Garten, woselbst Adelaide beschäftigt war, ihre Blumen aufzubinden.

Er gab ihr den Brief, ohne etwas darüber zu äußern, zurück, und sagte: »Es scheint Besuch zu kommen, deshalb will ich schnell fortzukommen suchen, da ich wichtige Geschäfte mit dem General heute Morgen abzumachen habe.«

»Ich glaube, es ist nur der Postbote,« entgegnete Adelaide, und indem trat auch Dennis mit einem Brief an sie herein, auf welchen Montagu einen so mißtrauischen Blick warf, daß sie ihn bat, ihr ihn vorzulesen, während sie ihr Geschäft mit den Blumen beendigte.

»Das Siegel trägt den einfachen Namen Ellen,« sagte Bouverie.

»So werde ich endlich etwas von dem jetzigen Schicksal der Familie Melcombe hören,« entgegnete Adelaide mit Unbefangenheit. »Lies, lieber Montagu.«

Er gehorchte, und begann mit unsicherer Stimme. Ellen schrieb von Yorkshire, ›daß die Spur der Flüchtlinge bis nach Gretna Green verfolgt worden, wo sich die Beweise ihrer Verheirathung vorgefunden, sie selbst aber so gänzlich verschwunden wären, als ob eine Spalte der Erde sie aufgenommen. Dann pries sie den Umstand, der ihnen allen in Melcombe ein unglücklicher erschienen, nämlich den Brief, welcher Mstrß. Bouverie von ihnen gerufen; indem Lady Melcombe dadurch bestimmt worden wäre, nach Elme Lodge zu gehen, woselbst sie jetzt durch die traurige Pflicht festgehalten würden, ihren lieben Woodley in einem hitzigen Fieber zu pflegen, welches er sich durch herzliche Theilnahme an seines armen Bruders unwürdiger Wahl, und durch die Anstrengung der schnellen Reise zugezogen.‹

»Mein Vater trägt mir auf, Ihnen zu sagen, daß, wenn einer seiner Söhne so glücklich gewesen, solch eine Frau, wie Sie zu erhalten, er jetzt nicht ein so beklagenswerther Vater sein würde. Ferner soll ich Ihnen sagen, daß er gestern einen Brief vom Postmeister aus Hastings erhalten, mit der Versicherung, die täglich eingelaufenen Pakete an Oberst Bouverie sogleich an den Ort ihrer Bestimmung geliefert zu haben, wie er auch durch beigefügten Postschein belegt.

In unserm jetzigen traurigen Zustand steter Angst werden Sie gewiß gütigst entschuldigen, wenn ich diesen Zeilen weiter nichts hinzufüge, als die Versicherung der aufrichtigsten Verehrung

Ihrer

getreuen, Sie zärtlichst liebenden Freundin
Ellen Melcombe.

N. S. Meine Mutter, die sich Ihnen bestens empfehlen läßt, hat mir eben gesagt, sie glaube, Lysander sei plötzlich zu dem unglücklichen Schritt verleitet worden, indem er die ganze Zeit Ihres Aufenthalts in Melcombe Park, bis zum Tage unseres ländlichen Festes eifrig mit seinem Meisterwerke, Ihrem Portrait, beschäftigt gewesen, welche Arbeit er sehr geheim vor Ihnen hielt, da er gehört, daß sie erklärt hatten, es könne Sie nichts vermögen, zu Ihrem Bilde zu sitzen.«

Freudenthränen glänzten in Adelaidens Augen bei dieser ungesuchten Rechtfertigung ihres unschuldigen Benehmens; ihre bleichen Wangen färbte ein höheres Roth, und ihr Herz schlug in heftiger Bewegung.

Ganz anders waren Montagus Empfindungen! Scham und Reue über sein Mißtrauen, Unwillen über Marians falsche Auslegung des untadelhaften Betragens seines Weibes, wogten in seiner Brust. Adelaide war freiwillig von Melcombe Park weggegangen; sie hatte täglich an ihn geschrieben, wie sie versichert; ihr Bild war ohne ihr Wissen gemalt worden; und er hatte sie also gröblich durch seine Ungerechtigkeit beleidigt; ja, so sehr, daß er auf keine Vergebung Anspruch machen konnte. Unfähig, etwas zu seiner Entschuldigung zu sagen, stand er mit niedergeschlagenem Blick vor ihr.

Aber Adelaidens Großmuth fuhr zurück vor dem Gedanken, ihren Gatten gedemüthigt zu sehen; und sobald sie sich selbst so weit gefaßt hatte, sprechen zu können, begann sie ein Gespräch über andre Gegenstände, worauf Montagu nur durch eine herzliche Umarmung antwortete, indem heiße Thränen seinen Augen entströmten.

»O, Montagu!« rief sie, warum weinst Du? Laß meine Thränen der Freude, nicht länger von Dir verkannt zu sein, die einzigen sein.«

»Adelaide, ich bin Deiner Großmuth, Deiner Vergebung unwürdig,« seufzte Bouverie. »Aber wer ist auch so gut, so sanft wie Du?«

Sie legte lächelnd ihre Hand auf seinen Mund, zum Zeichen nichts mehr hiervon hören zu wollen, und fragte nun, ›ob er noch mehr Gesellschaft zu dem berühmten Mittagsmahl eingeladen zu haben wünschte?‹

»Wenn das Haus nicht so klein wäre, wünschte ich allerdings den Herzog von St. Kilda, Hope, Clayton und noch einige andere einzuladen, damit sich der General nicht in seiner täglichen Gesellschaft befände.«

»Sehr wohl,« entgegnete Adelaide schlau lächelnd; »lade ein, wen Du Lust hast, und ich verspreche Platz für Deine Gäste zu schaffen.«

»Unmöglich; Adelaide!«

»Als ob ich nicht schon Beweise meiner Zauberei in dieser Hütte abgelegt hatte.«

Bouveries Pferde wurden nun gemeldet, und Adelaide fragte, ›ob er es nicht für passend halte, daß sie die Besuche der Freunde der Melcombeschen Familie in der Nachbarschaft erwiedere, wozu sie Lees Begleitung wünsche.‹

Montagu bestärkte sie in ihrem Vorsatz, die erwiesenen Höflichkeiten zu erwiedern, und bewilligte ihr hierzu auch sehr gern seinen Diener, obgleich er erröthete über die Absicht, weshalb sie den Seinigen ihrem Eigenen vorzog.

Beim Scheiden ergriff er Adelaidens Hand und sagte mit erkünstelter Sorglosigkeit: »Ich vergaß auch, Dir zu sagen, daß ich keinen Gebrauch von der Anweisung gemacht, die Du so gütig warst mir nach London zu schicken.«

»Ich hoffe, Du nahmst keinen Anstand aus Furcht, daß ich des Geldes bedürftig,« entgegnete sie mit einem Ausdruck der Freude, woraus Bouverie schloß, daß die Erhaltung der Anweisung ihr lieb sei.

Der Gedanke, ob sie ihm die Summe nur aus Artigkeit geboten, beschäftigte ihn so sehr, daß er im schnellsten Galopp davon jagte, als wollte er der peinlichen Demüthigung, der Scham und Reue, womit ihn Adelaidens Gegenwart erfüllte, entlaufen. Aber ihre Reinheit, ihre Erhabenheit über ihn, ihre Vortrefflichkeit wirkten so mächtig in ihm fort, daß Adelaide während des ganzen Tages keinen Zoll des eroberten Landes verlor, bis Lady Marian am Abend durch zärtliche Liebkosungen ihren verderblichen Einfluß wieder erlangte.

Erheitert durch die beglückende Gewißheit, gerechtfertigt in den Augen ihres Gatten zu stehen, begab sich Adelaide auf den Weg, ihre Besuche abzustatten, und bedauerte, Niemanden zu Hause zu finden, indem Alle zu einem Frühstück ins Lager nach Winchelsea gegangen waren. Da es ein militairisches Fest war, wunderte sie sich, die Familie des Generals nicht dabei zu wissen, was nicht der Fall sein konnte, weil Montagu sie gebeten, auch einen Besuch in Marino zu machen.

Mit zitterndem Herzen näherte sie sich dem Hause, erfuhr aber von Fitzpatrick, daß die ganze Familie zu einem großen Frühstück nach Winchelsea gefahren sei, woselbst sie auch den Mittag zubringen und erst spät zurückkehren werde. »Aber,« fuhr der Diener fort, »Oberst Bouverie trug mir auf, Ihnen diesen Umstand durch einen Boten zu melden, Ihr Hierherkommen zu verhindern, da er selbst von dieser Einladung nach Winchelsea nichts gewußt, bis er die Wagen bereit gefunden, weshalb es ihm unmöglich gewesen, Ihnen eine Zeile zu schreiben.«

Adelaide dankte für die Nachricht, und fuhr rasch fort, als der Herzog von St. Kilda plötzlich an den Wagen geritten kam, ihr zu melden, daß Sir Charles und Lady Longuiville nächsten Dienstag eintreffen würden.

Freude über diese Aussicht erheiterten Adelaidens Züge, die sich jedoch gleich wieder trübten, als der Herzog sie fragte: ›Wodurch er Bouveries gute Meinung verloren habe?‹

»O, ängstigen Sie sich nur nicht, liebste Adelaide,« fügte er beruhigend hinzu, »Sie haben von mir für Bouverie nichts zu befürchten. Lieber wollte ich den Vorwurf der Feigheit auf mich sitzen lassen, als meinen Arm gegen ihren Gatten erheben, so zurückstoßend sein Betragen auch ist.«

Adelaide bat um Erlaubniß, Montagu den Inhalt ihres Gesprächs mittheilen zu dürfen, und als der Herzog hierauf die Unterhaltung noch fortsetzte, winkte sie ihm mit der Hand ein Lebewohl zu, indem sie sagte: »Wären sie mein Bruder, würde ich ohne Scheu, gegen die Schicklichkeit anzustoßen, mich mit Ihnen unterhalten, und dann sollten Sie erfahren, daß ich selbst Montagu in moralischer Vortrefflichkeit nicht über Sie stelle.«

 


Viertes Capitel.

In der Hoffnung, Montagu noch beim Frühstück zu sehen, verschob Adelaide dieses Mahl so lange wie möglich; war jedoch eben im Begriff, das Theeservice hinausräumen zu lassen, als er mit allen Zeichen der Ungeduld vor das Haus gesprengt kam.

»Ich freue mich, daß Du noch nicht gefrühstückt hast,« sagte er nach dem ersten freundlichen Gruß. »Dein Mahl sieht so lockend aus, während es bei dem General aller Zierlichkeit entbehrt.«

»Lady Marian meint,« entgegnete Adelaide erröthend, daß spartanische Nahrung für den Appetit hinreichend ist, wo ihren Gästen geistige Speise gereicht wird.«

»Aber Du, meine Adelaide, verstehst leibliche und geistige Nahrung mit einander zu verbinden,« sagte Montagu, sie zärtlich anblickend, indem er sich selbst fragte, ›welche Anziehungskräfte Lady Marian besäße, in welchen Adelaide sie nicht überträfe?‹

Sie verkündete ihm die bevorstehende Ankunft der Longuivilles, und fügte ihren Entschluß hinzu, diese Familie zu ihrem Mittagsmahle einzuladen.

»Ich vermuthe, Du gedenkst Zelte auf der Wiese aufzuschlagen,« sagte Bouverie.

»Ich gedenke fürs Erste sehr geheimnißvoll zu sein,« entgegnete sie lächelnd, »Deine Neugier auf die Probe zu stellen, damit Du nachher desto erstaunter über meine Zauberkünste bist.«

»Nun gut; ich sterbe vor Neugier und werde von Erstaunen überwältigt sein, wenn es Dir gelingt, einer so großen Gesellschaft in unsrer Hütte Bequemlichkeit zu verschaffen. Vor diesem merkwürdigen Mittagsessen werden wir Longuivilles schon in Marino bei der ersten theatralischen Vorstellung sehen. Wir beginnen Freitag Abend mit der schönen Büßenden In » The Fair Penitent« (1703) adaptierte der englische Dramatiker Nicholas Rowe (1674-1718) ein Stück von Massinger und Fields, »The Fatal Dowry«; der einflussreiche Kritiker Samuel Johnson bezeichnete das Werk als eine der gelungensten Tragödien, die je in englischer Sprache geschrieben wurden. Im Mittelpunkt stand die Figur des Lothario, dessen Name aufgrund dieses Stücks zum Synonym für einen Wüstling wurde. Die Figur der Calista war Samuel Richardson Vorbild für seine Clarissa Harlowe, so wie Lothario für Lovelace (in dem Roman » Clarissa«, 1748).

»Mit der schönen Büßenden!« wiederholte Adelaide im Ton des Kummers. »Ach! dann werde ich Dich nicht spielen sehen, selbst wenn Lady Marian mir die Ehre erzeigen sollte, mich einzuladen.«

»Warum nicht?« fragte Bouverie erstaunt.

»Weil dieses Stück Herrn Falklands Beifall nicht hat; er schloß es aus der Sammlung dramatischer Stücke, die er mir zu lesen gab, aus, und bat mich, es nie zu sehen; weshalb ich es auch nicht thun werde, falls Du es nicht ausdrücklich verlangst, was mir leid thun sollte.«

»Welch ein gutes, gewissenhaftes Kind bist Du!« sagte Montagu, sehr erfreut über diesen Grund ihres Zurückbleibens, indem er ihre Bemerkungen über Lady Marians und sein eigenes leidenschaftliches Spiel schon gefürchtet hatte.

»Ich bin immer gewissenhaft im Halten meiner Versprechungen, und so will ich Dir auch jetzt gleich berichten, was sich in der letztern Zeit mit dem Herzog von St. Kilda und mir zugetragen,« sagte Adelaide, und begann nun, ihr Abentheuer im Labyrinth und Sr. Gnaden zartes Benehmen bei dieser, für ihn so günstigen Gelegenheit, zu erzählen. »Nach allen diesen Beweisen seiner Achtung,« fügte sie hinzu, »thut es mir leid, ihn darüber klagen zu hören, daß Du, lieber Montagu, Deine Abneigung gegen ihn nicht so weit überwinden kannst, ihn freundlich zu behandeln.«

»Dieß trug er Dir wohl gestern vor, als er Deinen Wagen begleitete?« fragte Bouverie etwas gereizt, indem die Anspielungen Lady Marians und ihrer Gehülfinnen beim heutigen Frühstück ihm wieder in den Sinn kamen.

»Lee hatte gestern die Ehre, mich zu begleiten,« entgegnete Adelaide erröthend, »und der Herzog hielt meinen Wagen nur eine kurze Zeit an, mir Longuivilles baldige Ankunft zu melden, und sich über Deine unverdiente Kälte zu beklagen.«

Bouverie gestand, einem ungerechten Gefühl in seinem Herzen Raum gegeben zu haben gegen den Mann, dem das Schicksal zwei Mal dazu erkohren, sie aus der Gefahr zu retten; »und es erfüllte mich mit einer Art abergläubischer Furcht,« fügte er hinzu, »als ob das Geschick beschlossen, Euch zum Ausgang noch zu vereinigen.«

»O, Montagu!« rief Adelaide, »verbanne solche Gedanken aus Deiner Seele, wenn Du mich achtest und liebst. Laß dem Manne, den Du fürchtest, keinen Argwohn blicken, der mich nur entehren, mir in den Augen der Welt das Ansehen geben würde, als ob ich ihn aufmunterte. Hättest Du mir nicht selbst gestanden, daß diese unglückliche Neigung des Herzogs Dich mit Sorgen erfüllte, wüßte ich nicht, daß die Damen in Marino, Mstrß. Gayville und Mstrß. Warren (ihr Zartgefühl erlaubte ihr nicht, Lady Marian in dieselbe Classe zu stellen), ihren Witz daran üben, würde ich den Herzog heute Mittag in Marino als den Retter meines Lebens mit dem Gefühl nie schlummernder Dankbarkeit, mit allen Zeichen ruhiger Achtung begegnen. Aber wie die Sachen jetzt stehen, ist ein ernster Blick von Dir, ein bedeutungsvolles Lächeln von diesen Damen hinreichend, meine Wangen mit einem höhern Roth zu überziehen, mir das Ansehen der Schuld zu geben.«

»O, Adelaide, himmlisches Weib!« rief Bouverie, sie entzückt in seine Arme schließend, »Du hast den bösen Dämon in mir überwunden, und ich will den witzelnden, neidischen Weibern keine Gelegenheit geben, Deine Schüchternheit falsch auszulegen. Fürchte keinen ernsten Blick von mir, außer, wenn ich Dich traurig sehe; und wenn wir unsre Spazierfahrt beendet haben, werde ich bei dem Herzog vorfahren, ihm durch mein Betragen eine andre Meinung von mir beizubringen.«

Nach beendeter Spazierfahrt, die für beide Theile höchst erfreulich und genußreich war, bat Montagu Adelaiden, eine sorgfältige Toilette für Marino zu machen; und obgleich sie seinem Wunsch willfahrte und Geschmack mit Eleganz vereinte, hätte er sie gern noch glänzender, in die Augen fallender gesehen, wie die Damen in Marino; so sehr er sich auch über ihre bescheidene Art und Weise, sich zu kleiden, freute.

 

Eine Todtenblässe überzog Adelaidens Gesicht als sie sich Marino, dem Hafen Bouveries Seligkeit und ihrer Qual, näherte; doch in dem Augenblick, als sie auf ihres Gatten Arm gestützt in das Gesellschaftszimmer trat, blühten die erstorbenen Rosen wieder auf, und die Reihe des Erblassens kam an Lady Marian.

Außer einer großen Versammlung der Garnison von Bexhill, befanden sich noch drei Damen aus Hastings, genaue Freundinnen Lady Marians, die gekommen waren, den theatralischen Vorstellungen beizuwohnen, in der Gesellschaft – eine Tante und zwei Nichten, sämmtlich Schriftstellerinnen, die zusammen lebten, und ihr reichliches Auskommen in der großen Welt verzehrten.

Die Tante, Baronin Chatterfield, war eine Dame über die Stufenjahre hinaus, welche demohngeachtet aber ihre Ansprüche auf Bewunderung nicht aufgegeben hatte, und der mangelnden Natur daher durch alle Künste menschlicher Erfindung zu Hülfe kam.

Eine Jugendneigung für den Lehrer ihres Bruders hatte sie mit einer Manie für Literatur erfüllt, die selbst ihre Unfähigkeit und das trostlose Geschick ihrer Federerzeugnisse nicht zu heilen vermochte. Was sie nicht gewinnen konnte, erkaufte sie; und ließ sich am Ende mit dem Lob ihrer täglichen Gäste genügen, die sie hoch in der Reihe der talentvollen Frauen stellten. Ein Talent besaß sie wirklich, nämlich eine ungeheure Beweglichkeit der Zunge und die Gabe, den erwählten Gegenstand mit eiserner Beharrlichkeit fest zu halten.

Gräfin Dinwood, die jüngste ihrer Nichten, befand sich in ihrem sieben und dreißigsten Lebensjahre. Seit vierzehn Jahren von ihrem Mann getrennt, (welcher eine häusliche Einrichtung mit einer guten Freundin der Gesellschaft seiner Frau vorzog) hatte sich ihr kühner, unregierbarer Geist in dieser langen Zeit der unbeschränkten Freiheit, in Folge ihrer entschiedenen Vorliebe für Berühmtheit, allen geistigen Ausschweifungen so gänzlich hingegeben, daß man die Erzeugnisse ihrer Launen allgemein für Krankheit erkannte. In diesem Glauben bestärkte sie die Menschen, weil es ihr bequem war, alles thun und sagen zu können, was ihr beliebte. Sie gehörte zu den entschieden schönen Frauen, aber von der männlichen Art; und ihren Ruf als Schriftstellerin verdankte sie den Prologen und Epilogen, in welchem Fach sie mehr leistete als in Farcen, obgleich ihre Kunstfertigkeit im Recitiren, in der Mimik und überhaupt als Schauspielerin großen Ruhm erworben hatte.

Eleonore Constantia Laura Scribbleton, Ihrer Herrlichkeit zwei Jahre ältere Schwester, hatte die Kinderstube in dem irrigen Wahn verlassen, die Welt durch ihre vollkommene Schönheit in Erstaunen zu setzen. Als sie nun gewahrte, daß eben diese Welt nicht hinreichenden Geschmack besaß, mit ihren eigenen Augen zu sehen, wählte sie eine andere Bahn, sich berühmt zu machen, und begann Romane und Novellen zu schreiben. Sie zeichnete lebende Charaktere, verschaffte sich durch ihren Reichthum Familienanekdoten und benutzte ihr Leben in den höhern Cirkeln, um diesen reichen Stoff mit ziemlicher Geschicklichkeit zu bearbeiten, und sich einigen Ruf zu erwerben.

Doch hiermit nicht zufrieden, regte sich ihr früherer Durst nach Bewundrung, und alle Reize, mit denen ihre Phantasie die Heldinnen ihrer Novellen ausschmückte, wähnte sie in ihrer eigenen Person vereinigt, welche Eitelkeit sie fast zum Wahnsinn führte.

Sie war eben beschäftigt die Gesellschaft durch ihr Harfenspiel zu entzücken; als Oberst und Mstrß. Bouverie angemeldet wurden, bei deren Eintritt sie mit ihren Gedanken in ein fernes Reich versetzt zu sein schien, wie aus der nachlässig über die stumme Harfe gebeugten Stellung hervorging.

Nachdem Lady Marian Adelaiden begrüßt und sie zu einem Sitz neben Lady Chatterfield geführt hatte, für deren Opfer sie sie heute bestimmte, begann sie zu Lady Dinwood gewendet, mit einem bezeichnenden Seitenblick auf Bouverie:

»Wenn Eleonore von ihren Wanderungen in den Regionen der Phantasie zurückgekehrt ist, wird sie uns hoffentlich wieder mit ihren entzückenden Harmonien erfreuen. Ich habe ihr Harfenspiel immer schön gefunden, heute aber vorzüglich.«

»Das kömmt daher, das sie ihre Nägel kurz geschnitten hat,« sagte Lady Dinwood, »die sie sonst zur Unterscheidung von andern gewöhnlichen Menschenkindern so lang wachsen ließ, daß man sie auf den Saiten klappern hörte.«

Der schönen Eleonore zarte Nerven erlitten durch die schreckliche Idee einer langnäglichten Heldin und Harfenspielerin einen solchen Stoß, daß sie sich plötzlich wieder in die gemeine Wirklichkeit versetzt fühlte; und nachdem sie einige Mal leicht mit ihren zarten Fingern über das Instrument weggefahren, aufsprang und sich dem Fenster näherte, wo der Herzog von St. Kilda mit Bouverie stand, den sie in Erinnerung einer frühern Bekanntschaft anredete, und mit ihm ein Gespräch über Treue in der Liebe fortsetzte, welches sie vor einigen Tagen in einer Buchhandlung in Hastings angeknüpft. Und diese Unterhaltung ward von beiden Seiten mit so viel Feuer, und von Montagus Seite mit einer so berechnenden Schlauheit geführt, daß sich Lady Eleonore alsbald in den excentrischsten Redensarten erging, und die allgemeine Aufmerksamkeit der sie umringenden Männer fälschlich für Bewunderung erkannte.

Jetzt ward das Mittagsessen aufgetragen, und Lady Chatterfield erklärte laut, ›daß sie und Mstrß. Bouverie Inseparables wären, die am heutigen Tage nicht getrennt werden dürften, indem sie sich nicht entschließen könnte, eine so angenehme Gefährtin aufzugeben.‹

Diesem Ausspruch widersetzte sich zwar der General im Namen sämmtlicher Herren; aber Lady Marian hatte die Einrichtung getroffen, und so durfte ihr Niemand entgegen handeln. Major Gayville nahm ungefragt den andern Platz an Adelaidens Seite ein, und so sah sich das arme Opfer neidischer Eifersucht aller Gelegenheit beraubt, von der übrigen Gesellschaft gehört zu werden, indem ihre beiden Nachbarn sie so laut und ununterbrochen unterhielten, daß sie für jeden andern verloren war.

Miß Scribbleton sparte unterdessen keine Künste, Aufmerksamkeit zu erregen, und wandte sich wiederholt an den Herzog von St. Kilda, dessen natürliche Artigkeit ihm nicht gestattete, ihre Fragen unbeantwortet zu lassen. Aber auch Bouveries Galanterie ward auf die Probe gestellt, und unter anderm forderte sie ihn auf, ihrer Arbeit des letzten Monats, einem Roman von 9 Theilen, einen Titel zu geben, aber einen anziehenden.

»Ihr eigener Name ist so anziehend, dass der Titel des Werks nur von geringem Einfluß sein kann, entgegnete Montagu fein; »überdem fühle ich mich der Aufgabe nicht gewachsen, und möchte Sie deshalb an den Herzog von St. Kilda verweisen, der Sie mit einem halben Hundert schöner und romantischer schottischer und englischer Titel versehen wird.«

»Ich würde mich sehr glücklich preisen, wenn Sr. Gnaden mich in dieser Wahl unterstützen wollten,« sagte Miß Scribbleton, den Herzog schmachtend anblickend.

»Da ich die Fabel Ihres schönen Werks nicht kenne,« entgegnete er in demselben Ton, »möchte ich vielleicht nicht glücklich in meiner Wahl sein; doch sollte ich den Titel von der schönen Verfasserin entlehnen, würde ich das Buch: ›Der Phantasie Liebling‹ nennen.«

Miß Scribbleton verneigte sich halb unzufrieden. Indem rief der General:

»Da wir ein Mal von solchen Dingen sprechen, muß ich doch fragen, ob die Billets zu Deiner ersten Aufführung fertig sind, Marian?«

»Nein; denn Lady Dinwood hat sich noch nicht erklärt, in welchem Stück sie uns entzücken will.«

»Mstrß. Bouverie, lieben Sie theatralische Vorstellungen?« fragte der General.

»Darauf kann ich keine entscheidende Antwort geben,« erwiederte Adelaide erröthend, »da ich noch nie ein Drama gut aufführen gesehen habe.«

»Sahst Du je ein Stück aufführen, Adelaide?« fragte Bouverie, dem heute kein Wort entging, was seine Frau sprach.

»O, Montagu! kannst Du das Eine vergessen?« rief Adelaide erstaunt.

»Das Eine! Mein Gott!« sagte Lady Dinwood mit Nachdruck. »Entzückende Einfalt! wie wird sie erstaunen! Aber wie heißt das eine Stück, was Sie sahen?«

»Cato, Madame; worin Oberst Bouverie auftrat, als er noch Schulknabe war.«

»Herrlich! Bravo! Bravissimo!« rief Ihre Herrlichkeit; »wie sehne ich mich darnach, Ihnen etwas zu recitiren. Ich werde mir die Freude nicht nehmen lassen, nächsten Freitag bei der Aufführung neben Ihnen zu sitzen.«

»Mstrß. Bouverie will unser Theater an diesem Abend nicht mit ihrer Gegenwart beehren,« sagte Lady Marian.

»Nein, das Stück ist nicht moralisch genug für Mstrß. Bouverie,« fügte Mstrß. Gayville mit einem spöttischen Lächeln hinzu.

»Die schöne Büßende,« sagte Bouverie, vor Zorn erröthend, daß Lady Marian öffentlich an der Tafel verrieth, was er ihr im Vertrauen gesagt hatte, »die schöne Büßende ist allerdings in manchen Punkten nicht ganz untadelig; aber Mstrß. Bouveries Abneigung, dieses Stück zu sehen, entspringt nicht aus ihrer Kenntniß desselben, Mstrß. Gayville; sondern hängt mit einem Versprechen zusammen, welches sie ihrem Vormund gegeben, dem sie unendliche Verbindlichkeiten schuldig ist.«

»Ich bedauere, daß ich, ohne dieß zu wissen, eine Probe für heute Abend anstellte,« sagte Lady Marian.

»Da ich davon unterrichtet war,« entgegnete Montagu, »bestellte ich den Wagen für Mstrß. Bouverie eine Viertelstunde vor dem Anfang der Probe.«

»Aber,« sagte der General ernsthaft, »wenn dieß Stück unmoralisch ist, wünsche ich es auch nicht von meiner Frau und Familie in meinem Hause gespielt. Ich muß Rücksicht auf meinen Stand nehmen, und auf die Folgen des Beispiels bei den vielen jungen Leuten unter meiner Leitung.«

»Allerdings,« erwiederte Lady Marian mit einem schlecht verhehlten Lächeln; »und in Deinen eigenen Angelegenheiten bist Du so außerordentlich rücksichtsvoll; was aber die meinigen anbelangt, möchte ich doch bitten, Dich nicht hineinzumischen, da ich hoffe, der competenteste Richter derselben zu sein.«

»Freilich wäre es jetzt die Zeit, es zu sein, wenn Du es je werden kannst,« sagte der General trocken, etwas ärgerlich über ihre Anspielung auf seine Angelegenheiten, »indeß nehme ich mir doch die Freiheit zu wünschen, daß ein moralischeres Stück aufgeführt werden möchte.«

Thornley und Lady Marian schlugen nun im spöttischen Ton mehrere alte, langweilige Schauspiele vor, unter welchen dem General die Wahl gelassen wurde. »Für den nächsten Freitag aber,« fügte Lady Marian hinzu, »bleibt die schöne Büßende. In der folgenden Woche wird Mstrß. Bouverie dann vielleicht keinen Anstand nehmen, mit Erlaubniß ihres schwierigen Vormunds unserer Aufführung des unsterblichen Shakespearschen Stücks, Romeo und Julie, beizuwohnen.«

»So ist es Recht,« sagte der General, »das könnte mir gefallen, besonders wenn Mstrß. Bouverie die Julie, und Thornley den Romeo spielen wollten, da Beide mädchen- und knabenhaft genug sind, solche romantische Leidenschaft darzustellen.«

»Stille, General!« rief Lady Dinwood, »die große Jugend ist nicht das Haupterforderniß auf den Brettern; davon können wir Beide in manchen Rollen den Beweis liefern.«

»Lassen Sie ihn, meine Liebe,« sagte Lady Marian mit schlauem Lächeln, »bis wir den Sturm aufführen; dann werden wir ihn ganz in seinem Element finden.«

In ihren Erwartungen getäuscht, die verhaßte Nebenbuhlerin durch Hülfe ihrer Anhänger in den Schatten zu stellen; und durch die Nachricht, daß Oberst Bouverie seine Frau am heutigen Morgen spazieren gefahren, mit allen Qualen der Eifersucht erfüllt, sah sich Lady Marian von ihrer gewohnten Selbstbeherrschung verlassen, und verfügte sich, unter dem Vorwand plötzlichen Unwohlseins mit Mstrß. Gayville in ihr Zimmer, während Mstrß. Warren die Sorge überlassen blieb, die übrigen weiblichen Gäste zu unterhalten.

Als die Männer aus dem Eßsaal zurückkehrten, bemächtigte sich Lady Dinwood sogleich des eintretenden Bouverie, und zog ihn in eine Fenstervertiefung.

»Lassen Sie mich mit Ihnen über Ihre schöne und interessante Frau sprechen,« begann sie leise, »der ich nicht rathen möchte, Ihre Untreue so öffentlich zu zeigen, indem die Hälfte der lebenden Männer, so wie sämmtliche in Marino Anwesende bereit sein würden, sie Ihnen wegzuschnappen, wenn ihr das Gesetz der Schwere fehlen sollte, was sie bis jetzt außer deren Bereich erhält. Bedenken Sie, daß Ihr Verhältniß zu Lord De Moreland leicht durch einen noch härtern Schlag, durch Adelaidens Tod, verändert werden kann.«

Bouverie erblaßte, und wandte sich schaudernd von dem Phantom ab, was sie, ihn zu schrecken, heraufbeschwor.

Lady Dinwood erfaßte seine zitternde Hand, indem sie mit gedämpfter Stimme ausrief:

»Ach! meine arme Freundin! sie hat ihre zärtliche Neigung an einen Undankbaren verschwendet! Ihr Herz gehört unbestritten Adelaiden, während Eitelkeit und der Zauber der Leidenschaft Sie allein an die arme Marian fesseln.«

»Lady Dinwood,« sagte Montagu entrüstet, »ich kann nicht begreifen, was Sie berechtigt, mich mit solchen außerordentlichen Vermuthungen zu unterhalten?«

»Das volle Vertrauen Ihrer angebeteten Marian, deren Dasein nur von Ihrer Liebe abhängt; sie hat mich in ihre Pläne eingeweiht, die alle meine entschiedene Mißbilligung haben, als romantisch und verderblich. Ihre Frau, das prophezeie ich, wird Sie nie durch einen Fehltritt von Ihren ehelichen Banden befreien; und da Sie bis jetzt noch nicht reich genug sind, die mit einer Entführung verbundenen Unkosten zu bestreiten, müssen Sie sich den Umständen fügen, und mit Genehmigung des verblendeten Thoren Harley glücklich sein. Um jedoch gut mit Lord De Moreland stehen zu bleiben, möchte ich Ihnen rathen, Ihre Frau, unter dem Vorwand zarter Besorgniß für ihre Gesundheit, nach Clifton, Cornwall oder Madeira zu schicken, sie fern von allen Beobachtungen zu halten.«

Der Eindruck dieses Raths auf Bouverie war so heftig, daß er sich ihrer Hand entriß und hinaus in den Wald eilte, seinen Gedanken nachzuhängen; aber so wirksam sich auch das subtile Gift in den neu erregten Hoffnungen ungestörten Glücks mit Lady Marian zeigte, kehrte doch immer die ängstliche Furcht vor der schrecklichen Möglichkeit, seine unvergleichliche Adelaide wegen ihrer Gesundheit nach Clifton, Cornwall oder Madeira senden zu müssen, zurück.

Unterdessen hatten sich die jungen Männer verschworen, die liebenswürdige Mstrß. Bouverie den Klauen Lady Chatterfields zu entreißen, die, von Miß Scribbleton unterstützt, ihr unglückliches Opfer festhielt; doch würde ihnen ihr Vorsatz nicht so gleich gelungen sein, indem Lady Marians Eintreten, auf Mstrß. Gayvilles Arm gelehnt, die Ausführung für den Augenblick verschob, wenn ihnen Mstrß. Warren nicht behülflich dazu gewesen wäre. Diese, immer bedacht durch einen Schwank die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, erschien nämlich auf dem Platz vor den Fenstern, höchst abentheuerlich gekleidet, mit einem Tambourin in der Hand, drei als Zigeuner ausgeputzte Hunde anführend, denen sie tanzen gelehrt.

Jeder flog hinaus, Mstrß. Warrens Darstellung in der Nähe zu betrachten; und obgleich Lady Chatterfield zurückblieb und auch Adelaiden zurückzuhalten strebte, suchte sie sich doch loszureißen und eilte eben den Uebrigen nach, als ihr Fuß auf den steinernen Stufen auf einer Pfirsichschale ausglitt, und sie unfehlbar hinuntergestürzt sein würde, wenn sie der Herzog von St. Kilda nicht aufgehalten hätte.

In diesem Augenblick kehrte Montagu von seinem einsamen Spaziergang zurück und sah Adelaiden ausgleiten; da aber der Herzog ihr näher stand, fing er sie gleich in seinen Armen auf und übergab sie dann dem erschrockenen Bouverie, welcher sie theilnehmend an sein Herz drückte, und ängstlich forschte, ›ob sie sich weh gethan?‹

Durch den nahen Fall und des Herzogs wehmüthigen Blick, als er sie ihres Gatten Sorge übergab, erschreckt und betäubt, war Adelaide anfänglich keiner Antwort fähig, und folgte Montagu ganz mechanisch, der sie den Blicken der Uebrigen zu entziehen in ein kleines Gehölz führte.

»Du zitterst, mein geliebtes, angebetetes Weib!« rief Bouverie, sie zärtlich an seine Brust drückend. Indem erscholl ein Schrei des Entsetzens und des Schmerzes, der ihn aus ihren Armen riß. Einen Augenblick stand er blaß, mit dem Blick wilden Wahnsinns lauschend; dann wiederholte sich der Schrei mit noch größerer Angst, und er stürzte dem Ort zu, woher der Ton gekommen.

Adelaide sank aus den Armen ihres Gatten gegen einen Baum, und aus einem Himmel geträumter Glückseligkeit in den tiefsten Abgrund des Verderbens, indem sie Bouverie die anscheinend ohnmächtige Lady Marian in seinen Armen ins Haus tragen sah.

Der Schmerzenston ihrer Erzfeindin, den Adelaide sogleich erkannt, hatte ihr Gemüth im Augenblick des eingebildeten Triumphs auf die kurze Dauer desselben vorbereitet; die Ueberzeugung aber, wie unbezwinglich der Zauber war, der ihren Gatten an die Nebenbuhlerin fesselte, schien sie zu überwältigen, und sie sank auf den feuchten Rasen nieder, in einen Strom bittrer Thränen ausbrechend.

Mit der Erinnerung ihres Zustandes kehrte auch ihre Kraft zurück, und sie gedachte des Kreises, in welchem sie erscheinen mußte, ehe sie in ihre Heimath des Elends zurückkehrte, wo kein Freund ihrer wartete, sie zu trösten und zu beruhigen, ihr ängstliches Herz mit Muth zu erfüllen.

Dem Herzog zu begegnen, dessen zärtliche Sorge ihr in diesem Augenblick schwerer wie je zu ertragen gewesen, fürchtete sie am meisten, und athmete erst leichter, als sie ihn nicht fand. Wie hätte er auch nach der eben erlebten zärtlichen Scene bleiben können!

Mit Scham und Erröthen sich genöthigt zu sehen, eine Unwahrheit zu sagen, um ihren Gatten vor Tadel zu schützen, erwiederte sie auf die wiederholten Fragen: ›Wo sie ihren theuern Gatten gelassen?‹ ›daß eine Ordonnanz ihn in Geschäften abgerufen.‹

Lady Dinwood verkündete nun, daß sie nur auf Adelaiden gewartet habe, um dem allgemeinen Verlangen zu willfahren, ihre Vorlesung zu beginnen; und nachdem sie ein Glas Wasser vor sich gestellt, erhob sie ihre Stimme, die Geschichte Alonzos des Tapfern vorzutragen.

Eine tiefe Stille und anscheinende Aufmerksamkeit herrschte in dem zuhörenden Kreis; und als Ihre Herrlichkeit durch geschickte Anwendung ihres ganzen Stimmvorraths, so wie durch ihre Mimik die Erwartung aufs Höchste gespannt hatte, begleitete sie die mit durchdringendem Ton ausgesprochenen Worte: »Die Glocke schlug ein Uhr,« mit einem starken Schlag an das Glas.

Doch ohne Erfolg, indem Niemand erschrocken auffuhr, schrie oder gar in Ohnmacht fiel, was sie, wie sie selbst gestand, von Mstrß. Bouverie wenigstens erwartet hatte.

Adelaide erröthete im Bewußtsein ihres gänzlichen Mangels an Aufmerksamkeit bei der lebhaften Erzählung, indem eine weit schrecklichere Erscheinung wie die im Alonzo ihr in Lady Marians Gestalt erschienen war, als der durch den Schlag am Glase hervorgebrachte Ton sie aus ihren Träumereien erweckte.

Nachdem Lady Dinwood ihren Zuhörern die schrecklichste Erzählung verheißen, die je ein menschlich Ohr gehört, und die sie selbst selten Athem gefunden zu beenden, begann sie in der That eine furchtbare Geschichte, worin alles enthalten, die Erwartung zu steigern. Als sie nun mit unsicherm Ton, gebrochener Artikulation und leisem Murmeln auf die Hauptsache vorbereitet hatte, erhob sie die Stimme, rollte die Augen und trat mit steifer Haltung aufrecht, indem sie einen so durchdringenden Schrei ausstieß, daß selbst die auf das Fürchterlichste vorbereitete Gesellschaft ihrem Entsetzen nicht gebieten konnte. Die Damen bezeigten ihren Beifall durch ein sehr natürliches lautes Schreien, während die Männer aufsprangen, ihre Hände an den Degen legend, einen Kampf mit dem Phantom zu beginnen.

In diesem Augenblick stürzte Bouverie, beunruhigt durch den ersten Schrei, in welchem er Adelaidens Stimme erkannt zu haben glaubte, ins Zimmer, und war eben im Begriff zu ihrem Schutz herbeizueilen, als er gedachte, wie er sie im Wald zurückgelassen, und beschämt einige Schritte zurücktrat. Da gewahrte er Marian an seiner Seite stehen; Marian, die er eben an den Folgen einer todtenähnlichen Ohnmacht, worin sie durch seine zärtliche Unterhaltung mit Adelaiden, welche sie belauscht, versetzt worden war, verlassen hatte, und die sich nur genöthigt sah, einzugestehen, daß diese Ohnmacht erdichtet gewesen.

Alle Gedanken, herbei zu eilen, die arme Adelaide zu trösten oder zu beschützen, verschwanden in der Sorge, das Dasein seiner angebeteten Beherrscherin durch irgend ein Symptom der Liebe für seine Frau, in Gefahr zu bringen.

Jetzt kam auch der General mit einigen seiner Zechbrüder herein, nach der Ursache eines solchen Tumults zu forschen, und Lady Chatterfield genoß wenigstens den Triumph, das ganze Haus in Aufruhr gebracht zu haben. Indem ward Mstrß. Bouveries Equipage gemeldet; und als sie sich der Sirene Marian näherte, die schon längst diesen Augenblick ersehnt hatte, sagte diese mit einschmeichelndem Ton:

»Ich fürchte, Mstrß. Bouverie, in die unangenehme Nothwendigkeit versetzt zu sein, Ihre gütige Einladung für mich und meine Familie zum nächsten Donnerstag nicht annehmen zu können, indem sich unsre Gesellschaft durch meine drei schönen Freundinnen vermehrt hat, und Ihre Wohnung unglücklicherweise zu eng ist, einen solchen Zuwachs zu gestatten.«

»Dieß wird hoffentlich kein Hinderniß sein,« entgegnete Adelaide mit unwiderstehlicher Anmuth, »denn so klein mein Haus auch ist, wird mir die erfinderische Gastfreiheit gewiß Mittel angeben, die Freunde des Obersten Bouverie, unter denen die Freunde Lady Marian Harleys obenan stehen, darin aufzunehmen.«

Nun wandte sie sich mit ihrer Einladung an die Ladys Chatterfield und Dinwood, und Miß Scribbleton, welche sie mit der größten Freude annahmen.

Obgleich von einem Detaschement Cavallerie und Infanterie an dem Wagen begleitet, fand Montagu doch Gelegenheit, Adelaiden eine Entschuldigung zuzuflüstern, ›wegen seiner anscheinenden Unfreundlichkeit, sie im Walde zu verlassen, indem ihn der Schrei wirklichen Leidens von ihr gerissen.‹ Sie lächelte schwach, antwortete aber nichts, und so fügte er hinzu: ›daß, da die Probe sehr spät aus sein, und ein kleines Abendessen darauf folgen würde, er ihre Nachtruhe nicht so spät stören, und deshalb lieber in Marino bleiben wollte.‹

»Wie es Dir am bequemsten ist,« entgegnete sie mit dem Schein der Ruhe, während ihr Herz blutete. »Soll ich Lee mit Deinen nöthigen Kleidungsstücken herschicken?«

»Nein; er ist davon benachrichtigt, und wie ich glaube schon hier,« stammelte Bouverie. Adelaide zog rasch ihre Hand aus der seinigen, verneigte sich gegen die Herren, und sprang in den Wagen.

 


Fünftes Capitel.

Den folgenden Morgen (es war Sonntag), begab sich Adelaide, nachdem sie mit traurigem Herzen ihr einsames Frühstück eingenommen, von Norah und Dennis begleitet in die Pfarrkirche. Da sie während des Gottesdienstes nie um sich zu blicken pflegte, bemerkte sie auch jetzt erst nach beendetem Gebet, daß der Herzog von St. Kilda mit Capitain Hope in Lord Melcombes Kirchstuhl gewesen. Halb erzürnt über dieses Aufsuchen jeder Gelegenheit, mit ihr zusammen zu sein, konnte sie ihn und seinen Begleiter doch nicht unfreundlich behandeln und mußte ihre Begleitung bis zum Eingang in Castle Cottage annehmen.

Der Herzog fragte: »Ob sie den morgenden Tag in Marino zubringen würde?« worauf sie verneinend antwortete.

»Dann werde ich Oberst Bouverie morgen auch wohl zu Hause treffen?«

Adelaide erröthete, indem sie hierüber keinen Bescheid zu geben wußte.

»Das bedauere ich,« entgegnete Se. Gnaden, »da ich sehr wünschte, einen Theil des morgenden Tages in Ihrem Hause zuzubringen; und wenn der Oberst nicht engagirt gewesen wäre, würde ich durch die That bewiesen haben, daß ich seinen Wunsch, in ein freundschaftliches Verhältniß mit mir zu treten, theile, indem ich mich bei Ihnen zum Thee angemeldet hätte.«

»Wenn Lady Longuiville erst hier ist,« sagte Adelaide, ängstlich bemüht, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, »hoffe ich, öfterer das Vergnügen zu haben, Sie, Capitain Hope und unsre andern Freunde bei uns zu sehen.«

»Aber das hilft mir für morgen nichts,« erwiederte der Herzog mit Nachdruck. »Wollen Sie mir erlauben, morgen Mittag herzuschicken, mich zu erkundigen, ob Oberst Bouverie zu Hause ist, und mir gestattet, ihm am Abend meine Aufwartung zu machen?«

Adelaide fand keinen passenden Grund, diese Bitte zu verweigern; und indem sie ihr kleines Haus betrat, überlegte sie neugierig, was den Herzog vermögen könnte, so geheimnißvoll-ängstlich zu wünschen, einen Theil des morgenden Tages bei ihr zuzubringen? Er kann doch nicht wissen, daß mein Geburtstag ist!

Ein Brief von Montagu wartete ihrer, worin er mit mehr Ceremonie als Herzlichkeit sein Bedauern ausdrückte, durch mancherlei Geschäfte verhindert zu werden, sie vor dem Dienstag zu sehen.

Daß er sie an ihrem Geburtstag verlassen konnte, an dem Tage, welchen ihre theuren Pflegeeltern nie zu feiern unterließen, gab allen Hoffnungen der armen Adelaide einen Todesstoß.

 

Die Sonne ging hell scheinend auf ohne ihr trübes Herz zu erheitern; und als der treue Dennis das unberührte Frühstück hinausgeräumt, überreichte er dem Liebling, den er aufziehen helfen, mit einer kurzen Anrede sechs Paar schöne seidene Schuh, die ein Schiffer aus Cadix mitgebracht. Sie waren zu seinem Leidwesen nach Marino zum Verkauf gebracht worden, woselbst man sie acht Tage behalten, aber die Füße doch nicht hatte kleiner machen können.

Adelaide liebte ihren anhänglichen Diener zu sehr, um sein Geschenk auszuschlagen, und machte ihn ganz glücklich durch den augenblicklichen Gebrauch desselben, was der großfüßigen Gesellschaft in Marino nicht möglich gewesen war.

Indem brachte der Postbote von London ein Paket, enthaltend ein Gedicht auf dem feinsten Velinpapier gedruckt, an Adelaiden zu ihrem Geburtstag gerichtet, und in so schönen Versen, so zart in allen Anspielungen auf des Schreibers heiße, hoffnungslose Liebe, voll rührender Glückwünsche für alle nachfolgenden Jahre, daß sie mit Thränen des Schmerzes bejammerte, Montagu nicht als Verfasser betrachten zu können. Ach! welch ein Contrast zwischen dieser neuen Huldigung des Mannes, der nichts vergaß, was auf sie Bezug hatte, und der an diesem Tage von ihrem Gatten selbstgewählten Entfernung! –

Falkland hatte seine Mündel von frühester Kindheit daran gewöhnt, den Tag ihrer Geburt mit wohlthätigen Handlungen zu bezeichnen; und so begab sie sich auch jetzt von Obearn begleitet als Almosenier ihres Onkels (da ihre eigenen Mittel es für den Augenblick nicht gestatteten) in alle Hütten zwei Meilen im Umkreis, denen sie, je nachdem es die Umstände erforderten, Geld, Kleidungsstücke, Trost und Arznei brachte, und Segnungen dafür mit zurücknahm.

Da die Mittagsstunde ohne eine Botschaft von dem Herzog vorüberging, hoffte sie, daß er durch Vernunftgründe abgehalten worden, ihre Gesellschaft aufzusuchen, und freute sich darüber; aber nicht lange sollte sie in diesem Wahn bleiben. Denn als sie einsam und trauernd bei ihrem Thee saß, während Norah und Dennis in liebender Eintracht einen Spaziergang machten, ungehört von jedem sterblichen Ohr das harte Geschick des Lieblings zu beklagen, meldete das Hausmädchen den Herzog von St. Kilda, welcher auf den Bericht der Abwesenheit des Oberst um Erlaubniß bat, dessen Gemahlin seine Aufwartung machen zu dürfen, in dem er ihr etwas Wichtiges über ihren Gemahl mitzutheilen habe.

Adelaide stand auf, ihn mit möglichster Fassung zu empfangen; doch beleidigt über seinen unziemlichen Besuch, waren ihre Blicke so streng und kalt, daß er besorgt ausrief:

»O, vergeben Sie mein kühnes Eindringen, Mstrß. Bouverie; aber hätte ich, wie es erst meine Absicht war, fragen lassen, würde es mir nicht mehr erlaubt gewesen sein, unter dem Vorwand, Bouveries Abwesenheit nicht zu wissen, ihrem kalten Empfang trotzen. Doch weder Vernunftgründe, noch die Angst, Sie zu beleidigen, vermochten den heißen Drang meines Herzens zu stillen, Ihnen an diesem Tage die aufrichtigsten Glückwünsche eines Freundes darzubringen, der die unvergängliche Sonne des Glücks auf Sie herabwünscht, während seine eigene für immer untergegangen ist.«

Bei diesen Worten ergriff er die Hand der unvorbereiteten Adelaide, welche er mit Feuer an seine bebenden Lippen, an sein pochendes Herz drückte. Und ehe noch ihr aufsteigender Unwille sich in Worten Luft machen konnte, ließ er ihre Hand wieder los, trat einige Schritte zurück und sagte leise:

»Sparen Sie Ihre Vorwürfe, liebe Adelaide! ich weiß, daß ich sie verdiene, und bin bereit, sie zu bereuen und in meine Rolle als hochschätzender Freund der Frau des Obersten Bouverie zurückzufallen. Doch jetzt sei es mir erlaubt, Sie um eine kurze Unterredung zu bitten.«

Adelaide verneigte sich einwilligend, doch widerstrebend, und der Herzog fuhr fort: »Ich habe Ihnen bereits gestanden, daß mich der unwiderstehliche Einfluß dieses Tages hierherzog; aber ich hatte auch noch einen andern untergeordneteren Grund. Zur Zeit meiner unglücklichen Täuschung in Roscoville hörte ich Oberst Bouverie den Wunsch aussprechen, Parlamentsglied zu werden, so wie den Vorsatz, falls Lord De Moreland es ihm je vorschlagen sollte, augenblicklich einzuwilligen. Nun ist durch den Tod eines sehr geachteten Mitglieds eine meiner Stellen frei geworden, die seit einer langen Reihe von Jahren mit so ausgezeichneten Männern besetzt gewesen, daß ich sie mit dem größten Vertrauen Bouverie anbieten kann, zu welchem Zweck ich hierher kam. Wollen Sie daher die Güte haben, es ihm heute Abend gleich zu sagen, so auch, daß ich zur morgenden Post eine Antwort haben müsse, da ich schon mehr Ansprache wegen dieser Stelle erhalten.«

Adelaide dankte ihm in Montagus Namen für dieses schmeichelhafte Anerbieten, worauf eine Pause eintrat, die der Herzog endlich unterbrach, indem er um Erlaubniß bat, nach überstandenem Unwillen eine Tasse Thee mit ihr zu trinken.

»O!« entgegnete sie, ihm eine Tasse einschenkend, »ich bin nicht so eigensinnig, wie Sie glauben. Es ist immer mein ernstlicher Wunsch gewesen, daß Sie es mir möglich machen möchten, den Erhalter meines Lebens als meinen schätzbaren Freund oder geliebten Bruder ohne Zagen in meinem Hause empfangen zu können.«

Der Herzog versprach, sein Verhalten in Zukunft ganz so einzurichten, dieses Glücks theilhaft zu werden, und ging dann mit anscheinender Heiterkeit auf gewöhnliche Tagesbegebenheiten über, bis ihn Adelaide mit Feinheit daran erinnerte, daß Bexhill drei Meilen entfernt sei.

Sogleich stand er auf, Abschied zu nehmen; doch sein Lebewohl ward so widerstrebend, mit so schlecht verhehlter Zärtlichkeit ausgesprochen, daß Adelaide noch lange, nachdem er gegangen, in tiefen Gedanken verloren, sitzen blieb. Inniges Mitleid mit dem hoffnungslosen Zustand des jungen, liebenswürdigen Mannes erfüllte ihr weiches Herz, und der gefährliche Vergleich zwischen seiner Feier ihres Geburtstags und Bouveries gänzlichem Vergessen desselben, stimmte sie ungleich milder, als sie vorher gewesen. Doch nur auf Augenblicke; dann kehrte ihre Vernunft zurück, und sie tadelte den Herzog, diese Unterredung in Montagus Abwesenheit erzwungen zu haben.

 

Dieser hatte unterdessen, von der Sirene Zauber umstrickt, alle Erinnerung an seine Frau daheim verloren, nur nicht an ihre Tugenden, die ihm mit solcher Verehrung erfüllten, daß er mit Schaudern der Möglichkeit gedachte, von ihr verachtet zu werden. Adelaide mußte nothwendig bemerkt haben, wem er zu Hülfe geeilt war, als er sie im Walde allein zurückgelassen; und diese Ueberzeugung erschwerte ihm die Erfüllung seines Versprechens, mit ihr zu frühstücken, wodurch er sich ohnehin Lady Marians Mißfallen zugezogen. Ja, diese ging so weit, ihn mit den bittersten Vorwürfen über seine Rücksichten gegen Adelaiden zu überhäufen, worauf er ihr Selbstsucht in ihrer Liebe vorwarf, und sie beschuldigte, ihn zum Unmenschen gegen einen Engel zu machen, der das Unglück hätte, ihm geopfert zu sein. – Hierdurch aufs Aeußerste erbittert, verfiel sie in einen so leidenschaftlichen Anfall, daß er, ihre Nähe fliehend, zu Adelaiden eilte, die ihn mit Güte und Freundlichkeit, aber doch, wie ihm sein Gewissen sagte, mit Zurückhaltung empfing.

Nachdem das erste Erröthen über ihres treulosen Gatten Anblick gewichen war, bemerkte Bouverie mit Entsetzen die bleiche Farbe Adelaidens; und eingedenk der Besorgnisse Lady Dinwoods über ihre Gesundheit, forschte er ängstlich nach ihrem Befinden, und verwies ihr sanft das viele Zuhausebleiben, obgleich er sich voll Scham gestehen mußte, ihr durch sein Außenbleiben die Gelegenheit zum Spazierengehen oder Fahren benommen zu haben.

»Du irrst, lieber Montagu, wenn Du, glaubst, daß ich den ganzen Tag zu Hause geblieben bin,« sagte sie freundlich lächelnd. »Seit wir uns zuletzt sahen, habe ich mir viel Bewegung gemacht. Sonntag ging ich zwei Mal in die Kirche, und gestern mehrere Meilen, um die jährlichen Gaben zu spenden, wie mein Vormund verordnet hat.«

»Deine täglichen Gaben zu spenden,« entgegnete Bouverie; »da Du wie Titus den Tag für verloren hältst, an welchem Du Deinen Nebenmenschen nichts Gutes erwiesen.«

»Nein, meine jährlichen, bei denen Du mich sonst manchmal zu begleiten pflegtest; denn gestern war mein Geburtstag, Montagu!«

»Dein Geburtstag, Adelaide!« rief Bouverie wie vom Donner gerührt.

»Ja, Montagu, ich vollendete gestern mein siebzehntes Jahr,« sagte sie mit so rührendem Ton, daß Bouverie, unfähig, ihn zu ertragen, ins Nebenzimmer floh, wo er in wilder Bewegung auf und ab lief, bis Adelaide erschien und, ihn sanft bei der Hand fassend, meldete, ›daß das Frühstück fertig sei.‹

Er preßte sie heftig in seine Arme und rief, indem er Thränen der Reue zurückdrängte:

»O, vergieb mir, meine Adelaide! vergieb das gänzliche Vergessen dieses Tages, den ich so oft mit Dir in Entzücken über Deine frühe Vollkommenheit verlebt. Unmensch, der ich bin! wie war es möglich, ihn zu vergessen, und Dich der Einsamkeit zu überlassen!«

»Ach! ich hatte Gesellschaft, an die weder Du, noch ich gedacht,« entgegnete sie erröthend; »der Herzog von St. Kilda trank gestern Thee mit mir.«

»Der Herzog, mit Dir allein, Adelaide!« rief Bouverie entsetzt, indem er unwillkührlich seine sie umschließenden Arme zurückzog.

Aber sie warf sich mit bittendem Blick an seinen Hals, und berichtete mit dem Bewußtsein der Unschuld die Veranlassung des herzoglichen Besuchs.

Montagu schien betroffen vor Erstaunen, Freude und Unentschlossenheit, da er schon lange gewünscht, Parlamentsglied zu werden, und Marians ängstliches Bemühen, ihm dazu zu verhelfen, seinen Wunsch gesteigert hatte. Doch diese Würde von dem Herzog von St. Kilda anzunehmen, widerstand seinem Gefühl, und nach einer Pause sagte er zögernd:

»Es ist sehr gütig von Sr. Gnaden, bei dieser Stelle an mich zu denken. Soll ich sie annehmen oder nicht, Adelaide?«

»In Deinem Verhältniß, lieber Montagu,« entgegnete sie mit Bewegung, »würde ich den Sitz im Parlament von dem Herzog von St. Kilda nicht annehmen.«

Bouverie wurde blaß vor Eifersucht, und fragte hastig nach ihren Gründen zu dieser bestimmten Entscheidung.

»Weil ich es,« erwiederte sie erröthend, »für einen delikaten Punkt für einen Ehemann halte, Gunstbezeigungen von einem Mann anzunehmen, der in den Augen der Welt als Liebhaber seiner Frau bezeichnet steht, bis er nach Jahren die Ueberzeugung gewonnen, daß diese Liebe sich in eine feste Freundschaft verwandelt hat. Dem Herzog von St. Kilda ist noch nicht die Zeit gelassen worden, unzweideutige Beweise seiner besiegten Neigung zu geben; und obgleich ich zu seiner und meiner Rechtfertigung sagen muß, daß er sich gestern nur einer achtungsvollen Sprache gegen mich bedient hat, konnte mir dennoch nicht entgehen, daß er seiner unglücklichen Neigung noch nicht Meister geworden ist. Wäre ich ein Ehemann, würde ich mich nie entschließen, einen wichtigen Dienst von dem Verehrer meiner Frau anzunehmen.«

»O, Adelaide!« rief Bouverie, ihre Hand feurig küssend, »wie soll ich die Reinheit Deiner Seele, die Unfehlbarkeit Deines Urtheils würdig preisen! Ja, ich will Deinen Rath befolgen, und ehe ich zur Probe nach Marino gehe, bei dem Herzog vorfahren, ihm höflichst für seine gute Absicht zu danken.«

»Montagu,« sagte Adelaide, »Du fragtest mich um meine Meinung, und ich gab sie Dir offen; aber bedenke, wie unerfahren ich bin, wie unfähig zu entscheiden. Deshalb beschwöre ich Dich, sie nicht zu befolgen, wenn sie einem Lieblingswunsch von Dir entgegen sein sollte.«

»Nein, Adelaide, nein!« rief Bouverie mit Wärme und Bewunderung, »ich habe keinen andern Wunsch, als Dich immer mit vorurtheilsfreien Augen, mit unbefangenem Urtheil sehen zu können, wie Du bist – als die reinste, schönste Blüthe menschlicher Vollkommenheit.«

Während des Frühstücks erwähnte Montagu noch ein Mal seines Vorsatzes, nach Bexhill zum Herzog zu gehen, worauf Adelaide verlegen und roth wurde, und nach mehreren Versuchen zu sprechen, endlich furchtsam sagte:

»Wenn Du nach Bexhill gehst, Montagu, darf ich nicht länger warten, Dir zu sagen, dass ich etwas in Deinem Namen gethan habe, was Du mir bei vorheriger Anfrage vielleicht verweigert hättest.«

»Was kann das sein, Adelaide?« fragte Bouverie erstaunt.

»Montagu,« erwiederte sie beschämt, etwas gestehen zu müssen, was ihre rechte Hand gern der linken verschwiegen hätte; »Du hast öfterer in meiner Gegenwart bedauert, daß es nicht in Deiner Macht stände, es dem Herzog von St. Kilda und manchen andern Deiner Kameraden gleich zu thun bei der Subscription für die Wittwe und Waisen Eures verstorbenen Reitmeisters; deshalb habe ich, als Du meine Anweisung zu Deinem Gebrauch in der Stadt verschmähtest, sie gestern Deinem Zahlmeister als Deinen Beitrag zur Subscription für des armen Cators Wittwe zugeschickt.«

Montagu hatte Adelaiden in Bezug auf diese Summe der Unwahrheit beschuldigt, und sah sie nun auf eine so edle Weise angewendet, daß er in seiner getäuschten Erwartung, einen Fehler in ihr zu finden, keines Wortes mächtig war.

Sein Schweigen für Unwillen auslegend, ergriff sie seine Hand und rief ängstlich:

»O, vergieb mir! aber ich konnte es nicht ertragen, daß man Dich weniger wohlthätig, weniger christlich gesinnt als Andere halten, Deinen Charakter verkennen sollte. Darum that ich für Dich, was Du nur durch augenblicklichen Mangel verhindert wurdest, selbst zu thun; und ich dachte, 200 Pfund von Dir würden im gleichen Verhältniß stehen mit den 500 von dem Herzog, der doch so viel reicher ist, als Du, lieber Montagu.«

»Das leugne ich ab,« rief Bouverie, ihre Hand entzückt an seine Lippen drückend; »denn in Adelaidens Besitz habe ich einen Schatz, den er sich mit seinem ganzen Reichthum nicht erwerben kann.«

In diesem, für Adelaidens Einfluß so wichtigen Augenblick ward Major Gayville gemeldet, abgeschickt, Bouverie sogleich zu einer Probe abzuholen.

»Wie!« rief dieser erstaunt, »die Probe war auf zwei Uhr festgesetzt!«

»Allerdings, mein theurer Freund,« entgegnete der Major, »aber wer kann der Schönheit das Recht abstreiten, launenhaft zu sein? Und jetzt verlangt die liebenswürdige Calista die schnelle Rückkehr ihres müßig umherschwärmenden Lothario.«

Adelaide sah sich genöthigt, das Zimmer eiligst zu verlassen, um eine Thräne zu verbergen, die ihr unwillkührlich ins Auge trat, als sie in Bouveries Gesicht ein wohlgefälliges Lächeln der Eitelkeit über Lady Marians Sehnsucht, ihn früher zu sich zurückzurufen, gewahrte.

Adelaidens Blick im Herausgehen drang in Montagus Seele, und er flog ihr nach, indem er, ihre Hand ergreifend, heftig ausrief:

»Obgleich ich Dich nun nach dieser neuen Einrichtung nicht vor morgen früh sehen kann, werde ich beim Frühstück doch nicht fehlen, und dann will ich einen ruhigen, glücklichen Tag mit meiner süßen Adelaide verleben.«

»Ach, Montagu!« entgegnete sie leise, bemüht ihre Thränen zurückzuhalten, »wer weiß, welche Proben, oder andre Einrichtungen Deiner Freunde in Marino, Dich wieder dort festhalten.«

»Nichts soll mich dort fesseln, beim Himmel!« rief Montagu heftig.

»O, schwöre nicht,« erwiederte sie sanft; »denn in allen Dingen, die mich betreffen, möchte ich Dich immer frei nach eigenen Wünschen handeln sehen. Von ganzem Herzen werde ich Dich in Deiner Wohnung willkommen heißen, wenn kein Hinderniß Dich abhält, gern zu mir zurückzukehren.«

Bouverie drückte ihre Hand zärtlich an seine Lippen, und schied mit der festen Versicherung, ›morgen früh gewiß wieder da zu sei.‹

 

»O, unbeständiger Mann!« seufzte Adelaide am folgenden Morgen, als ihr spät aufgetragenes Frühstück endlich weggeräumt wurde, ohne daß Montagu dabei erschienen war. Aber fest entschlossen, nicht zu verzagen, so lange noch Hoffnung vorhanden, ging sie an ihr Geschäft, die letzte Hand an die Verzierung ihrer für Montagu zum morgenden Tage bestimmten Ueberraschung zu legen, von welcher Arbeit sie abgerufen wurde, Lady Longuivilles Besuch anzunehmen.

Da diese hinlänglich unterrichtet von Bouveries bethörter Verblendung war, und auch von ihrem Gatten erfahren hatte, daß er die unglückliche Frau jetzt selbst von seiner Untreue überzeugt glaubte, konnte sie der veränderte Anblick dieser erst noch kürzlich so blühenden Schönheit und Gesundheit nur betrüben, nicht in Erstaunen sehen.

Es schien, als ob alle Officiere von Bouveries Regiment Lady Longuivilles Ankunft in Sussex als Aufhebung des Interdikts, Castle Cottage zu betreten, betrachteten; denn kaum waren die ersten Begrüßungen zwischen den beiden Frauen beendet, und eine Einladung, den Mittag in Sir Charles Hause zuzubringen, von Adelaiden, in Erwartung der Rückkehr Bouveries, abgelehnt, als sie von allen Seiten der Küste, wie zum Levée eines großen Herrn, herbeiströmten. Sie benachrichtigten Lady Longuiville, daß sie ihr ihre Aufwartung hätten machen wollen, da aber erfahren, daß Ihre Herrlichkeit nach Castle Cottage gefahren, hätten sie nicht angestanden, ihr dorthin zu folgen, Mstrß. Bouverie zugleich zur Ankunft ihrer Freundin Glück zu wünschen.

So hatten sich denn die kleinen Räume Adelaidens dergestalt angefüllt, daß fast alle Stühle in Anspruch genommen worden; und da sich ein Jeder beeiferte, etwas zur allgemeinen Unterhaltung beizutragen, wurden die Ereignisse des vorigen Abends in Marino (da Sir Charles und Lady Longuiville nicht mit gegenwärtig gewesen), in so fern sie sich vor der vernachlässigten Frau wiederholen ließen, berichtet, woraus sich ergab, daß Lady Marians und Bouveries Darstellung Calistas und Lotharios alle andern Leistungen an Vortrefflichkeit übertroffen, und daß Ihre Herrlichkeit noch nie so jung und reizend ausgesehen hätte.

Indem brachte Dennis Adelaiden ein Billet von Montagu; und da Richard auf Antwort wartete, las sie sogleich, daß er bedauerte, sein Versprechen, den Tag mit ihr zuzubringen, nicht halten zu können, indem ihn dringende Geschäfte bis spät am Abend in Marino fesseln würden.

»Das Billet erfordert keine Antwort, Dennis,« sagte Adelaide schwach; und dann erhob sie ihre Stimme, Lady Longuiville zu verkünden, daß das Hinderniß ihrer Entschuldigung aufgehoben sei, und sie den Mittag bei ihr zubringen könne.

Die Männer richteten nun alle ihre bittenden Blicke auf Lady Longuiville, die an solche stumme Aufforderungen gewöhnt, fröhlich ausrief:

»Kann man sich nur ein so unvernünftiges Geschlecht denken! Kaum angekommen, soll ich schon die ganze Garnison bewirthen. Nein, nein, meine Herren! für heute verfügen Sie sich zu ihrer Regimentstafel, an welcher auch Sir Charles speiset, und wer im Stande ist, sich zu meiner Theestunde vom Glase loszureißen, soll mit diesem Getränk versehen werden; aber etwas Substantielleres kann ich nicht verheißen, bis ich hier ordentlich eingerichtet bin.«

»Aber wir gehören nicht zur Regimentstafel nach Bexhill,« sagten die Officiere aus fernern Quartieren; »und Lady Longuiville kann doch unmöglich so grausam sein, arme verhungerte Leute so weit nach Hause zu schicken, daß sie darüber den Trank verlieren, der dem Mäßigen geboten wird.«

Während dieser Verhandlungen trat Sir Charles herein, welcher, nachdem er Adelaiden begrüßt, von seiner Frau den Sturm auf ihre leere Speisekammer erfuhr.

»Nein, nein!« rief er lächelnd, »in meiner Abwesenheit kann ich keine Männergesellschaft in meinem Hause gestatten. Deshalb werde ich die Bedaurungswürdigsten dieser armen Bettler mit mir zur Regimentstafel nehmen, und dann in Masse mit ihnen zurückkehren, Deinen Theetisch zu stürmen, liebe Louise, so wie auch Deine Speisekammer zu einem kleinen Abendessen.«.

Nach dieser Verheißung verlor sich die Menge, und Adelaide begleitete Longuivilles nach einer kurzen Toilette in ihre Wohnung.

 


Sechstes Capitel.

Sir Charles Longuivilles Wohnhaus war sehr angenehm zwischen den Barracken und Marino gelegen, welchen letztern Ort man so gänzlich übersehen konnte, daß der armen Adelaide der Gram und die Kränkung zu Theil wurde, Bouverie und Lady Marian gleich nach ihrer Ankunft von einer Spazierfahrt in seinem Currikle zurückkommen zu sehen, worauf sie das tête à tête zu Fuß auf einem einsamen Weg fortsetzten.

Ach! dachte sie, Montagu, Du glaubst, daß ich in der Zurückgezogenheit meiner Hütte nie erfahren würde, daß nicht dringende Geschäfte mit dem General, sondern Lady Marians Zauberkünste, Dich von mir entfernten!

Da die Damen ihr Mittagsmahl früh einnahmen, machte Sir Charles erst noch die Honneurs seiner Tafel, und arrangirte dann die Abendunterhaltung, bestehend in einer Spazierfahrt und Beiwohnung der Abendparade in den Barracken, woselbst Sir Charles schon zu ihrem Empfang bereit war. Hierzu fanden sich mehrere Gäste von Marino ein, aber kein Bouverie; und obgleich Adelaide mit Entsetzen seines Mißfallens bei Gelegenheit der Belustigungen in Melcombe Park gedachte, konnte sie doch keinen Vorwand finden, sich von der heutigen Gesellschaft auszuschließen.

Der Abend verstrich sehr heiter, und als Adelaide zu Hause anlangte, überreichte ihr Norah ein eben gekommenes Billet von Montagu, was sie mit pochendem Herzen, irgend einen neuen Beweis des verderblichen Einflusses Lady Marians befürchtend, erbrach und Folgendes las:

»Meine liebe Adelaide!

Da ich Dich mit Deinen Freunden Longuivilles so gut versorgt weiß, erfülle ich mit geringerm Widerstreben ein Lady Dinwood gegebenes Versprechen, ihr in einem kleinen Zwischenspiel beizustehen, welches sie nach dem Abendessen aufzuführen beabsichtigt; und da unsre Gesellschaft deshalb viel später auseinander gehen wird, wie die Deinige, halte ich es für rathsamer, diese Nacht nicht nach Hause zu kommen.

Dein

ergebenster
Montagu Bouverie

 

Der folgende Morgen fand Adelaiden in großer Sorge wegen des Erfolgs des ersten Gastmahls, das ihr zu geben gestattet war, seit sie in den Ehestand getreten. Da sie es ihrer Nebenbuhlerin geben sollte, die ihr die Herrschaft über ihres Gatten Herz entrissen, vereinigten sich natürlich ihre Wünsche in der Hoffnung, alles so einzurichten, daß dem Neid auch nichts übrig bleiben sollte, dasselbe in einem lächerlichen Licht darzustellen.

Der ganze dienende Hausstand war glücklicherweise von demselben Eifer beseelt, weshalb denn auch nichts versäumt oder vergessen wurde. Tages vorher war eine Caravane von Roscoville gekommen, nicht allein mit den auserlesensten Blumen und Gewächshauspflanzen, sondern auch mit allen andern Leckerbissen für die Tafel. Ferner hatte die Haushälterin in Berkeley-Square das Vorzüglichste der Läden und Märkte der Hauptstadt zur rechten Zeit gesandt, während Harper für die schönsten Fische gesorgt hatte und seine Frau in ihrem kleinen Wagen in der ganzen Gegend herumgefahren war, alles herbeizuholen, was ihre eigene Meierei nicht lieferte.

Adelaide erwartete ihren Gatten zum Frühstück zu Hause, da sie nicht zweifelte, daß ihn wenigstens Neugier, wenn auch kein besseres Motiv, zu ihr führen würde – aber er kam nicht; und eine Stunde nach der andern verstrich, obgleich Lee sehr früh angelangt war und gleichen Eifer wie Dennis und Obearn bezeigt hatte, alles im elegantesten Styl einzurichten.

Nachdem Adelaide die Blumen in den Empfangszimmern und im Eßsaal geordnet hatte, wurde Lord De Morelands schönes Hochzeitsgeschenk, ein kostbares Silberservice, zum ersten Mal ausgepackt und aufgestellt, und der Tisch aufs Geschmackvollste dekorirt. Sie hatte jetzt alle Hoffnung aufgegeben, Montagu vor Ankunft der übrigen Gesellschaft von Marino zu sehen; und mit schwerem Herzen begab sie sich endlich in ihr Ankleidezimmer; doch kaum hier angelangt, hörte sie Bouverie ins Haus treten, und bald darauf erschien er an der Thür mit der Bitte um Einlaß.

Er näherte sich Adelaiden mit anscheinender Gleichgültigkeit, indem seine Wangen von dem Bewußtsein der Schuld höher gefärbt waren; und obgleich sein Blick auf sie gerichtet schien, wirkte die Zauberkraft Lady Marians nicht allein auf sein Herz, sondern auch auf sein Gesicht, so daß er sie nicht ansah, und nachlässig ausrief:

»Es thut mir leid, nicht früher hier sein zu können, auf den Fall, daß Du meinen Rath bedurftest bei dieser übergroßen Gesellschaft, die Du so unbesonnen zusammen geladen; aber unsre Vorstellung am Dienstag machte solches furore, daß gestern von allen Seiten Bittschriften um eine zweite Aufführung einliefen, weshalb Marian – Lady Marian sich entschlossen hat, wöchentlich zwei Schauspiele zur Ergötzlichkeit der Nachbarschaft zu geben; und so wurden wir diesen Morgen höchst unerwartet zu einer Probe für Romeo und Julie zusammen berufen, welche eben erst beendet ist. Aber auf welche Weise gedenkst Du denn Deine über die Maßen große Gesellschaft zu placiren? Ich habe mich eben unten überall umgesehen, und keine anderen Vorbereitungen gefunden, als eine schöne Auswahl der seltensten Blumen; Du hältst doch Deine Gäste nicht für einen Schwarm Bienen, die sich von Blumen nähren?«

»Ist es nicht die höchste Vollkommenheit eines Hausstandes, wenn man nirgends Vorbereitungen erblickt?« entgegnete Adelaide im scherzenden Ton.

Diese Antwort, anstatt der verdienten Vorwürfe über sein Ausbleiben, und auf seine beinah heftigen Fragen entzückte ihn, und er entgegnete, indem er das schöne Haar betrachtete, welches Norah kunstreich ordnete:

»So sage mir denn auch, in welche himmlische Gestalt Du Deine irdische zu verwandeln gedenkst?«

»O,« erwiederte Adelaide lachend, »Du hast nicht umsonst die Rolle des Romeo probirt, wenn Dir solche Redensarten geläufig geworden sind.«

Lady Marian hatte in Folge der nachlassenden Strenge, hinsichtlich des Dekorums, Bouverie seit zwei Tagen bei ihrer Toilette zugelassen, der sich an der Schönheit ihrer Haare ergötzt. Jetzt bemerkte er zu seinem größten Erstaunen, daß die Adelaidens noch weit schöner waren; und er stand in Bewunderung verloren, bei sich überlegend: Ob Marian in ihrer Jugend wohl eben so lieblich gewesen, wie sein vernachlässigtes Weib; bis Adelaide hoch erröthend über seinen starr auf sie gerichteten Blick, ihn furchtsam erinnerte, daß er auch noch Toilette zu machen habe, worauf sie ihn in ihr Geheimniß der Zauberkünste einweihen wollte.

Bouverie ergriff ihre Hand, die er zärtlich küßte, und sagte dann zu sich selbst, indem er langsam das Zimmer verließ: Ich kenne eine Andre, vielleicht eben so schön, und durch irgend einen geheimen Zauber noch anziehender; aber Niemanden, der so sanft, so vergebend, so unschuldig wäre, wie Du.

Es ist begreiflich, daß Adelaide heute ihren Anzug sorgfältig aus dem großen Vorrath ihrer Toilettenschätze wählte, und als sie mit Bouverie im Gesellschaftszimmer zusammentraf, fand er sie schöner und anziehender wie je, und konnte sich nicht enthalten, ihr seinen Beifall zu zollen.

»Nun komm,« sagte sie, ihn durch eine Colonade eigen erfundener ländlicher Architektur in ihren geheimnißvollen Saal führend, über dessen Entstehung wir unserm Leser auch eine Erklärung schuldig sind.

Gleich nach dem Anfang der Verschönerung des Häuschens entdeckte Adelaide in dem einzigen Theil der Schloßruinen, welche dem Zahn der Zeit Trotz geboten, einen großen Saal in der schönsten gothischen Architektur, mit einer Reihe wohlerhaltener bunter Glasfenster an der Südseite. Das Ganze schien so geeignet zu einem Gewächshaus, daß sie sogleich beschloß, es von ihrem Wirth zu miethen, der es blos als eine Vorrathskammer zum Aufbewahren seiner Hülsenfrüchte benutzt hatte. Nachdem der Platz gereinigt, mit gemietheten Meubles aus Hastings und einigen schönen Orangenbäumen und andern Gewächshauspflanzen verziert worden war, kam ihr der Gedanke in den Sinn, diesen, ihrer Hütte nahe liegenden Saal, durch eine Colonade mit dem Gesellschaftszimmer in Verbindung zu setzen. In der Absicht, Montagu zu überraschen, hielt sie das ganze Unternehmen so geheim vor ihm, daß sie das vor den Fenstern von Außen aufgehäufte Bauholz erst den Tag vor dem großen Mittagsessen wegräumen ließ, hinter welchem die Arbeit im Innern unbemerkt vor sich gegangen war. Bouveries fast beständige Abwesenheit vom Hause gewährte ihr volle Zeit und Gelegenheit, ihr schönes Gewächshaus zu vollenden, welches nun durch seine schöne Architektur und ihre Erfindungsgabe und geschmackvolle Ausschmückung in den reizendsten Gesellschaftssaal umgewandelt war.

Durch die Colonade ihrer eigenen Erfindung, die mit den schönsten Gewächsen und Blumen ausgeschmückt, führte Adelaide jetzt ihren Gatten in das innere Heiligthum, an dessen Thüre Bouverie von Erstaunen gefesselt stehen blieb, während sein liebliches Weibchen ihm in der Kürze die Geschichte der Entstehung dieses Gesellschaftssaals mittheilte.

Montagus Herz fühlte sich bei diesem Anblick von Gewissensbissen zerrissen. Die elende Höhle, welche die Nebenbuhlerin erwählt, seine Adelaide von allem geselligen Verkehr auszuschließen, war von ihr in eine hellstrahlende Grotte geduldiger Tugend und häuslicher Einfachheit verwandelt worden, Glanz zu den Reizen derjenigen hinzufügend, die sie bewohnte. Im bittern Gefühl der Reue, solch eine ihr zugefügte Beleidigung geduldet zu haben, und von Bewunderung und Dankbarkeit für alles Geleistete erfüllt, preßte er Adelaiden an sein Herz, und überhäufte sie mit den erfreulichsten Lobsprüchen über die Wunderwerke, die sich seinen entzückten Augen darboten.

Doch noch nicht halb fertig mit Bewundern und Anschauen der Zauberkünste seines Weibes ward er durch ein lautes Klopfen an der Hausthür schnell in das Empfangszimmer zurückgerufen, um die erste Abtheilung der Gäste von Marino zu bewillkommnen. Sie bestand aus den Ladys Dinwood und Marian Harley, Major Gayville und einem alten General Selby, den Lady Marian als einen eben unerwartet von Tunbridge angekommenen Freund vorstellte, den sie sich die Freiheit genommen, mitzubringen.

Lady Marian, die sonst überall vorzog, mit Glanz als die Letzte zu erscheinen, war jetzt so früh gekommen, Bouverie zu beweisen, daß sie ohne ihn nicht leben könne; und in der festen Ueberzeugung, unübertrefflich an Schönheit und Liebreiz zu sein, hatte sie innerlich beschlossen, jede Gelegenheit zu benutzen, die zusammengedrängte Mittagsgesellschaft in ein lächerliches Licht zu sehen.

Aber alle diese Vorsätze erlitten einen harten Stoß, als sie gewahrte, wie reizend, selbst in ihrer abnehmenden Gesundheit, die unerträgliche Adelaide heute war; und wenn sie sie mit ihren Blicken hätte tödten können, wäre es um ihr junges Leben geschehen gewesen.

Um ihre bittern Gefühle zu verbergen, wandte sie ihre Augen von dem verhaßten Gegenstand ab, und ließ sie im Eßzimmer umherschweifen, welches zu ihrer Verwunderung aufstand und keine Vorbereitung zur Tafel enthielt. In der Voraussetzung, daß Adelaide im obern Stock die Betten herausgeräumt und zum Speisesaal umgestaltet hatte, während das untere Zimmer mit zur Aufnahme der Gäste vor dem Essen dienen sollte, affektirte sie Frost, obgleich es ein heißer Tag war, machte die Thüre zu und setzte sich so dicht davor, daß Niemand durchgehen konnte, ohne sie zu incommodiren.

Indem kamen Sir Charles und Lady Longuiville, ihnen folgten die Gäste von Bexhill und die zweite Abtheilung von Marino. Obgleich Lady Marian zwölf Personen zu dieser Gesellschaft aus ihrem Hause lieferte, war sie doch entschlossen, so viel Unruhe als möglich zu verursachen, und durch ein forcirtes Bestreben, andern Platz zu verschaffen, den Mangel desselben recht bemerkbar zu machen. Auf diese Weise konnte sie hoffen, die Anstrengungen des Tages ins Lächerliche zu ziehen, und Bouverie zu vermögen, seiner thörichten Frau solche Gesellschaftsversuche für die Folge zu verbieten.

»Aber Bouverie,« sagte General Harley, nachdem er durch die beiden Zimmer gegangen war, in welche seine Frau den Eingang gestattete; »träume ich, oder habe ich nicht recht gehört? Wurden Sie nicht getadelt, eine so elende, schlechte, schmutzige Wohnung für Ihre Frau gewählt zu haben? und nun finde ich einen charmanten Aufenthalt alles nett und zierlich. Wie geht das zu?«

»Dabei liegt ein geheimer Zauber zum Grunde,« erwiederte Montagu, bemüht zu scherzen, um seine Verlegenheit zu verbergen; »Sie müssen wissen, General, Mstrß. Bouverie hat, wie die berühmte Cinderella, eine Fee zur Pathe, die sie nicht allein mit Pantoffeln versieht, in welche kein anderer Fuß hinein kann, sondern auch auf ihr Begehren einen Stall in eine Rosenlaube, und einen Kürbis in eine gothische Halle verwandelt!«

Lady Marian war ganz erschrocken über den Blick auf Adelaiden, mit welchem Bouverie diese Worte begleitete; und sie fühlte, daß sie die letzte entscheidende Maaßregel, ihn für immer von seinem Weibe loszureißen, bald anwenden müßte.

Jetzt langte der letzte Transport von Marino an, und Lady Marian erwachte aus ihren Träumereien, neues Unheil auszusinnen. Adelaiden entging dieses Bestreben nicht, und als sie Major Gayvilles Capriolen sah, um sich in ein bequemes Winkelchen zurückzuziehen, zu welchem Zweck er über ein Kamingitter sprang, rief sie ihm scherzend zu:

»Wenn Sie nicht wie Wortley Montagu eine Vorliebe für das Excentrische haben und den Flug über den Ofen dem gewöhnlichen Weg vorziehen, Major Gayville, kann ich Ihnen lehren, wie Sie Ihre Schwingen ausbreiten können, indem Sie durch die Vorhalle in das anstoßende Zimmer gehen wenn nämlich Lady Marian Harley keinen besondern Grund zu ihrer anscheinenden Vorliebe für ihren jetzigen Platz hat, und Ihnen den nähern Eingang in ein Gemach unsrer weitläuftigen Suite gestattet.«

Lady Marian konnte nun nicht länger sitzen bleiben; und kochend vor innerer Wuth stand sie auf, der übrigen Gesellschaft die bis jetzt versagte Bequemlichkeit zu gewähren. In demselben Augenblick ward gemeldet, daß das Essen aufgetragen sei, da Dennis einen Jungen auf den höchsten Baum gestellt hatte, die Ankunft des letzten Wagens zu melden. Diese Maaßregel zur Beförderung des schnellern Anrichtens war nämlich von der Dienerschaft genommen worden, nachdem Lee erzählt, daß Lady Marian gesagt hatte: Sie fürchtete bis Mitternacht auf das Mittagsessen in Castle Cottage warten zu müssen, indem die Küche so klein und alles so unbequem wäre, daß die armen Dienstboten mit den Köpfen gegen einander rennen müßten, um hinreichendes Essen für eine so große Gesellschaft zuzubereiten, die die kindische Frau in ihre Höhle eingeladen.

Lady Marian ergriff Lady Dinwoods Arm, indem sie ausrief: »So wollen wir uns mit Sylphiden- oder Zephyrbanden aneinander ketten.«

»Wenn Mstrß. Bouveries Treppen ihren Räumen entsprechen,« sagte Lady Dinwood, »müssen wir uns vor dem Schicksale zweier eleganten Damen hüten, die kürzlich in Hastings bei einer großen Gesellschaft versuchten, eine moderne Entrée, eine Leitertreppe hinauf, zu machen, und nicht allein ihren Anzug in die höchste Unordnung brachten, sondern nur mit Hülfe ihres Vaters und mit Einbuße einiger Haut am Ellenbogen zur Thür hinein gelangten.«

»Wenn sich unser Pilot als ein geschickter Schiffer bewährt, hoffe ich, daß Sie solchen Gefahren entgehen sollen,« erwiederte Adelaide.

Lee bewährte sich als ein solcher, und geleitete die Gesellschaft unverletzt an Körper und Kleidern, nur nicht an ihren Nerven, in den Speisesaal; denn als Lady Marian durch die Colonade in das weite, schöne, durch das bunte Glas sanft erleuchtete Gemach trat, ward sie von Erstaunen, Neid und Wuth dergestalt übermannt, daß sie, trotz der steten Anstrengung liebenswürdig in Bouveries Augen zu erscheinen, mürrisch ausrief:

»Diese Massen von Blumen werden uns vernichten!«

»Das hoffe ich nicht,« entgegnete Montagu erzürnt, Adelaiden bei ihrem ersten Versuch dieser Art getadelt zu hören; »da das Zimmer so hoch und geräumig ist, daß diese erlesene Auswahl der unschuldigsten Blumen unmöglich schaden kann.«

Die übrige Gesellschaft, ausgenommen die Anhänger Lady Marians, waren freudig erstaunt über dieses neu entdeckte Feenland; und Sir Charles meinte, es sei gefährlich, thätigen Antheil an dem Banquet zu nehmen, wobei ohne Zweifel übernatürliche Kräfte beschäftigt gewesen.

»Und wenn ich daran sterben sollte,« rief Lady Longuiville, entzückt um sich schauend, »will ich von der uns vorgesetzten Nahrung genießen, hoffend, etwas von dieser liebenswürdigen Zauberkraft dadurch auf mich übergehen zu sehen.«

Adelaidens Mahl war so vortrefflich, fehlerfrei und elegant, als jugendlicher Enthusiasmus sich es nur wünschen konnte; dennoch zitterte sie zum ersten Mal ihr Amt als Hausfrau auszuüben, besonders als sie sich ihres gehofften Beistandes, Sir Charles Nachbarschaft, beraubt sah. General Harley hatte sie nämlich zwischen sich und General Selby, einem alten berühmten Krieger, placirt, welchen Umstand Lady Marian wieder benutzte, einen hämischen Ausfall auf Adelaiden zu machen.

»Mein Gott, Harley!« rief sie laut über den Tisch, »wie riechen doch alle Deine Handlungen nach Feld und Lager! Du berücksichtigst nur den Rang in der Armeeliste, nicht im Hofkalender. Da hast Du nun Deinen Freund, den alten General, zur rechten Hand von Mstrß. Bouverie gesetzt, wo Sr. Gnaden von St. Kilda hingehört, der Dir diesen, seine Hoffnungen so zerstörenden Verstoß gegen die Etikette, nie vergeben wird. Kommen Sie, Herzog, machen Sie Ihre Ansprüche auf den Ehrenplatz gültig. Wechseln Sie mit dem General.«

»Nein, Lady Marian, nein!« entgegnete die erröthende Adelaide. »Der Herzog von St. Kilda ahmt dem großen Friedrich von Preußen nach, welcher glaubt, daß mehr Ehre auf ihn zurückfällt, wenn er den ihm bestimmten Sitz einem mit Lorbeer gekrönten Veteran, einem zweiten Ziethen, überläßt.«

Montagu, dessen Augen zu Boden gerichtet waren, in einer Art Kampf zwischen Mißfallen über Lady Marians Vorschlag und Bewunderung über den lebendigen Ton, in welchem sie ihn ausgesprochen, erhob sie plötzlich, als er Adelaiden sich mit so augenscheinlicher Ueberlegenheit aus dieser verlegenen Lage ziehen sah. Er blickte sie mit dem Ausdruck des Entzückens an, und gewahrte zu seiner Freude Bewunderung in allen Zügen, nur nicht in denen, die sie beneideten.

Lady Marian erkannte es für einen Mißgriff, irgend etwas gegen Adelaiden zu unternehmen, die auf sicherm Boden immer die Ueberlegene blieb; und legte es nun darauf an, Bouveries Aufmerksamkeit auf sich allein zu beschränken, indem sie ihn zu ihrer speciellen Unterhaltung erkor. Montagu war jedoch zu wohlgezogen, sich in seinem eigenen Hause solcher Verstöße gegen den Anstand zu erlauben.

Sir Charles und Lady Longuiville durchschauten der Sirene Streben, und waren bemüht, eine allgemeine Unterhaltung in Gang zu bringen, wozu auch Adelaide ihr Scherflein beitragen konnte; und sobald Lady Marian merkte, daß sie Bouveries Aufmerksamkeit nicht allein in Anspruch nehmen durfte, entfaltete sie ihr Rednertalent, ließ ihren Witz spielen und sprach so interessant über ihre Reisen und andere Gegenstände, daß es ihr wirklich gelang zu bezaubern.

Unter denen, die lieber sich selbst, als andere reden hören, war Miß Scribbleton, welche nach einer langen Träumerei, anscheinend von dem Vorhergehenden nichts wissend, in die Höhe fuhr und ausrief:

»Welch eine sonderbare Zusammenstellung von weiblichen Autoren! Wir Alle, die wir hier versammelt sind, ausgenommen Mstrß. Bouverie und Mstrß. Warren, haben geschrieben, wenn auch nicht drucken lassen; denn das Geheimniß von Lady Longuivilles poetischem Talent ist verrathen.«

»Ach!« entgegnete Mstrß. Warren lachend, »wie können Sie wissen, ob ich nicht ebenfalls eine Schriftstellerin bin? wenn auch nicht die schändliche Verfasserin der elenden Recension Ihres letzten Werks, von welcher Sie sagten, daß sie kein Englisch verstanden hätte.«

»Ich zweifle nicht an ihrer Autorschaft,« sagte Sir Charles, »eben so wenig, wie an Mstrß. Bouveries, obgleich sie dort so unschuldig sitzt. Der Eine verbirgt sein Talent unter dem Scheffel, der Andere unter Lorbeeren, anstatt es zur Schau zu tragen.«

Adelaide erröthete und blickte Sir Charles so bittend an, eine Anekdote ihrer frühen Muse, welche Lord Beechbrook ihm erzählt, nicht laut werden zu lassen, daß Lady Marian besorgt ihre Nebenbuhlerin einen neuen Triumph feiern zu sehen, ausrief:

»O, was Mstrß. Bouverie betrifft, so glaube ich jetzt, nachdem sie uns bewiesen, welch eine vorzügliche Hausfrau sie ist, daß sie ein vortreffliches Buch über häusliche Einrichtungen geschrieben hat. Nach den Beweisen Ihrer heutigen Geschicklichkeit, Mstrß. Bouverie, würde ich, wäre ich Bonaparte, anstatt Sie zu meiner Kaiserin zu erheben, Sie zu meiner Haushälterin erwählen.«

»Und was würden Sie aus Mstrß. Bouverie machen, Herzog!« tief Lady Dinwood lachend. »Eine Kaiserin, eine Königin, eine Erzherzogin, eine Herzogin, oder was sonst? Wir wollen Stimmen sammeln.«

»Wenn Sie mich um meine Meinung fragen, Madame,« sagte General Selby, ihren auffordernden Blick beantwortend, »so erkläre ich, daß Mstrß. Bouverie zu nichts Höherem gemacht werden kann, als sie schon ist; deshalb lasse man sie in ihrem jetzigen Stande, als ein Vorbild für alle junge Damen, zu zeigen, welche Reize liebliche Grazie selbst der unübertrefflichsten Schönheit noch verleihen kann.«

»Bravo! Bravissimo!« erscholl es von allen Seiten; und Lady Marian rief:

»Zugestanden; lassen wir Mstrß. Bouverie sein, was sie ist – die aufmerksamste Wirthin – und dann bitten wir sie, sich bei ihrer Pathe zu verwenden, eine Melone oder einen Kürbis in einen Saal zu verwandeln, worin sie uns einen Ball giebt. Und da sie im Besitz der wundervollen Pantoffeln ist, wird dann auch der Prinz, ihr Geliebter, nicht fehlen, sie aufzuheben, und strenge Gerechtigkeit gegen diejenigen auszuüben, welche sie so lange seinen Blicken entzogen.«

»Mstrß. Bouverie, Sie haben sich also anheischig gemacht, uns einen Ball zu geben,« sagte Mstrß. Gayville.

»Noch nicht,« entgegnete Adelaide lächelnd, »denn meine feenhafte Gönnerin hat meine Bittschrift noch nicht erhalten; sollte sie sich jedoch geneigt finden lassen, werden Sie bald einige glatte Mäuschen in Bediente verwandelt, mit Einladungskarten herumlaufen sehen!«

»Sagen Sie, daß sie einen Ball geben soll,« flüsterte Lady Marian Bouverie zu; »dann hat sie Beschäftigung und incommodirt uns nicht mit ihren störenden Bemerkungen.«

»Ich wünschte, Adelaide, Du gäbst – Du versuchtest – etwas in dieser Art,« stammelte Bouverie, ohne daran zu denken, woher sie die Mittel dazu nehmen sollte.

»Wenn Du es wünschest, Montagu, werde ich es gewiß versuchen,« sagte Adelaide mit dem bezaubernden Lächeln gefälliger Willfahrung, während ihr Herz trauerte, zu sehen, daß Lady Marians Wünsche Gesetze für Bouverie waren.

»Auf diese Weise werden sich die seltensten Vergnügungen bei uns häufen,« sagte Lady Longuiville; »Lady Marians dramatische Vorstellungen im Tempel der Melpomene und Thalia, Mstrß. Bouveries. Ball im Feenlande, und Lady Longuivilles Concert von den Ufern Italiens; wozu ich mir die Ehre der anwesenden Gesellschaft, morgen früh zwölf Uhr in meinem Hause erbitte.«

»Darf ich fragen, wodurch dieser plötzliche harmonische Paroxismus bei Ihrer Herrlichkeit entstanden?« sagte Lady Chatterfield.

»In Folge eines eben aus Hastings erhaltenen Briefs,« erwiederte Lady Longuiville. »Lady Cäcilie Armonioso befindet sich mit ihrem ganzen Gefolge auf dem Wege von Ramsgate nach Exmouth, und hat mir geschrieben: Da sie gehört, daß ich mich hier in der Nähe aufhielte, könnte sie nicht vorübergehen, ohne mir einen musikalischen Genuß zu verschaffen, weshalb sie sich mit ihrer Gesellschaft auf morgen zum Frühstück bei mir ansagt, uns ein zweistündiges Concert auf ihrer Reise von Hastings nach Eastbourne zu geben.«

»Wer ist diese verbindliche Lady Cäcilie Armonioso?« fragte Lady Marian.

»Mein Himmel!« rief Lady Dinwood, »Sie haben eine musikalische Seele und kennen die heilige Cäcilie unsrer Tage nicht!«

»Sie vergessen meinen langen Aufenthalt in Malta,« entgegnete Lady Marian.

»Vielleicht erinnern Sie sich ihrer als Lady Cäcilie Grisdale,« sagte Lady Longuiville. »Sie war früher an den Baron Grisdale verheirathet, der, durch zu viel Harmonie aus seinem Hause getrieben, eine auswärtige Anstellung annahm, den ewigen Concerten zu entfliehen, während seine Gemahlin von einer unheilbaren musikalischen Wuth befallen, ihre drei Töchter zu Virtuosinnen erzog, die nun zu den vorzüglichsten Künstlerinnen in Europa gehören.

Das veränderte Clima sagte Sir Williams Gesundheit nicht zu, und er starb außer Landes. Um die Trauerzeit nicht unnütz zu verbringen, reisete seine harmonische Wittwe mit ihren Töchtern nach Italien, ihre schönen Stimmen dort auszubilden. Da es ihr klar wurde, daß ihrer musikalischen Bande ein Anführer fehlte, heirathete sie den Singlehrer, Signore Armonioso, und war eben im Begriff, mit diesem Zuwachs nach England zurückzukehren, als ihre älteste Tochter, von ihrer Mutter Manie angesteckt, vorzog, bei einem berühmten Opernsänger zu bleiben. Die Jüngste hat sich seit ihrer Zurückkunft schon halb todt gesungen, und von der Zweiten sagt man, sie habe sich in einen Virtuosen verliebt, der ihrer Mutter bei den Concerten beisteht, und sei entschlossen, ihn zu heirathen, sobald sie mündig geworden.«

Die Unterhaltung wendete sich jetzt andern Gegenständen zu; und als Adelaide ihre weiblichen Gäste ins Gesellschaftszimmer zurückgeführt hatte, forderte Miß Scribbleton ihre Wirthin auf, die Damen durch ihr schönes Spiel zu erfreuen, welchen Vorschlag Lady Longuiville in die Bitte verwandelte, ein Lied zu singen.

Adelaide sang, und Lady Marian vernahm mit Entsetzen die schönste Stimme, die ihr Ohr je gehört. Nicht im Stande, ihre Gefühle zu bemeistern, hatte sie sich von dem Schrecken noch nicht gänzlich erholt, als die Herren aus dem Speisesaal sich zu ihnen gesellten.

Adelaide war erstaunt, obgleich erfreut, zu finden, daß Montagu den General mit so weniger Ceremonie behandelte, ihn, wie in Marino mit Major Gayville, zu welchem sich jetzt noch General Selby gesellte, bei der Flasche allein sitzen zu lassen.

Da Niemand Lust bezeigte, Whist zu spielen, schlug Bouverie vor, sich einen Vorgeschmack des morgenden Concerts zu verschaffen durch die Leistungen Lady Longuivilles, Lady Marians und Miß Scribbletons.

»O, nein, nein, nein!« rief Lady Marian, hastig; »das würde zu viel werden. Nein; wir wollen in dem romantischen Gehölz um Ihre Hütte herum spazieren gehen, und wenn wir müde geworden, entzückt uns Lady Dinwood durch ihre unnachahmlichen Erzählungen.«

Nun ergriff sie mit mädchenhafter Coquetterie und einem einladenden Blick auf Bouverie, Mstrß. Gayvilles Arm, und sagte im Herausgehen scherzhaft: »Ich hoffe, es wird kein Mann so vermessen sein, uns zu folgen, da wir sie nicht eingeladen haben.«

Bouverie war als Herr des Hauses genöthigt gewesen, mehr Wein wie gewöhnlich zu trinken. Seine erregten Lebensgeister ließen ihn die Gesetze der Vernunft vergessen, und, unfähig dem einladenden Blick zu widerstehen, faßte er Capitain Warren beim Arm und sagte: »Wir sind zum Kampf aufgefordert und wollen uns stellen.«

Miß Scribbleton, nicht gesonnen Lady Marians Launen immer nachzukommen, behauptete, sich sehr auf die Musik gefreut zu haben, und ersuchte Lady Longuiville, zu spielen, die ihr sehr bald das Feld überließ, und somit ihren heißen Wunsch erfüllte. Doch nachdem die Ohren der Zuhörer eine Zeitlang gelitten, gelang es Lady Longuiville, Adelaiden zu vermögen, ein Duett mit ihr zu singen; wodurch sie ihr Publikum so sehr entzückte, daß alles in sie drang, nun auch eine Arie zu versuchen. Sie wählte eine italienische, eigens für sie gesetzte Composition vom Signore Philomelli, und trug sie dieses Meisters würdig vor.

Während die Zurückgebliebenen sich des seltnen Genusses erfreuten, streifte Bouverie mit seiner Marian im nahen Wald umher, sich in ihren süßen Liebesworten berauschend. Doch plötzlich die Unschicklichkeit seines Benehmens erkennend, doppelt auffallend, weil er zum Begleiter den anerkannten Günstling Mstrß. Gayvilles erwählt, kehrte er sogleich um, und war eben mit Marian vor das Haus gelangt, als Adelaide ihre italienische Arie sang. Wie Töne des Himmels drang diese Stimme in des erstaunten Bouveries lauschendes Ohr, und mit unwillkührlichem Entzücken rief er aus:

»O! es ist – es ist Adelaidens Stimme! meine Adelaide! ich erkenne ihre Töne an dem magischen Einfluß, den sie auf mich ausüben!«

»Nein,« rief die elende Versucherin, »nein, es sind Lady Longuivilles bezaubernde Töne. Ich kenne sie aus früherer Zeit. Aber was ist der Zauber ihrer Stimme gegen die Stimme der Liebe? Nur noch einen Gang in jenen Wald, ehe wir ins Haus zurückkehren, mein angebeteter Montagu! Folge mir, geliebter Bouverie, und Du sollst etwas hören, was Dich entzücken wird, wenn Du mich so liebst, wie ich Dich.«

Montagu konnte der Verführerin nicht widerstehen. Adelaidens himmlische Töne, die Erinnerung an ihre Tugenden und Vorzüge, an ihr unvergleichliches Benehmen an diesem Tage – alles war verschwunden. Er vergaß die Vorschriften der Religion und Sittlichkeit, und gedachte nur seiner Marian und ihres Versprechens.

Als das Paar zurückkehrte, hatten Lady Dinwoods Vorlesungen den musikalischen Leistungen ein Ende gemacht.

 

Es war schon spät als Major Gayville, selbst kaum fähig, sich im Gleichgewicht zu erhalten, Lady Marian die Nachricht brachte, daß der General im höchsten Grade betrunken sei; welche Kunde sie, in der Absicht, eine Scene ehelicher Zärtlichkeit aufzuführen, als etwas Unerwartetes, in solche Angst wegen der Folgen versetzte, daß sie ein erfahreneres Gemüth als das der arglosen Adelaide zu täuschen im Stande gewesen wäre, die sich nur wunderte, wie es möglich sei, zu gleicher Zeit so viel Theil an dem eigenen und an einem fremden Mann zu nehmen. Ja, sie schöpfte selbst dann keinen Verdacht eines angelegten Complotts, als Ihre Herrlichkeit Bouverie dringend ersuchte, den armen General nach Marino zu begleiten, indem er mehr Geistesgegenwart besäße, als seine andern Adjudanten; und nachdem er mit dem besinnungslosen General eingestiegen, es für ihre Schuldigkeit erklärte, ihren armen Mann zu begleiten, falls ihm unterwegs etwas zustoßen sollte.

Als der Wagen zurückkehrte, die zweite Abtheilung zu holen, brachte er die Nachricht, daß alles für den General zu befürchten sei, und bei der dritten Abholung erhielt Adelaide den mündlichen Bericht, wegen des ungewissen Zustandes des Generals könnte Oberst Bouverie nicht daran denken, ihn zu verlassen, und würde deshalb die Nacht in Marino bleiben.

Adelaide war tödtlich erschrocken, obgleich sie sich in ihrem unschuldigen Sinn freute, daß Montagu zur Unterstützung der trauernden Familie dort geblieben sei. Mit dem frühesten Morgen sandte sie Dennis hin, nach dem Befinden des armen Generals zu fragen, den sie nicht mehr unter den Lebenden erwartete. Dann, sagte ihr schmerzlich bewegtes Herz, werde ich das einzige Hinderniß zu Montagus Verbindung mit der geliebten Wittwe sein!

 


Siebentes Capitel.

Dennis kehrte mit der von den Bedienten in Marino erhaltenen Nachricht zurück, daß sie den General, wie gewöhnlich ohne Besinnung ins Bett gebracht; daß Lady Marian, Oberst Bouverie und Mstrß. Colemann bei ihm aufgeblieben, bis alle Gefahr vorüber gewesen; und daß sein Kammerdiener eben aus seinem Schlafzimmer gekommen sei, und ihn anscheinend ganz wohl, in einem tiefen Schlaf gefunden habe.

So sah sich Adelaide denn von dem unglücklichen Gedanken befreit, ihres Mannes Glückseligkeit durch ihre Existenz zu hemmen, und langte in einer heiterern Stimmung bei Lady Longuiville an, wo sich die ganze Garnison von Bexhill und die Bewohner von Marino, die beiden Generäle ausgenommen, deren Köpfe noch zu schwer waren, den Morgen mit Musik zu beginnen, einfanden. Lady Marian und Oberst Bouverie hatten dem Wunsch des Generals, mit ihm zu frühstücken, gewillfahrt, verhießen jedoch ihre baldige Nachfolge.

Jetzt langten zwei Caravanen mit musikalischen Instrumenten von Hastings an, zu deren Aufsicht Lady Cäcilie vier Leute hielt; und in demselben Augenblick flog ein vierspänniger Reisewagen herbei, aus welchem stiegen: Lady Cäcilie Armonioso, eine wohlerhaltene Frau; der Signore, ihr Gatte, äußern Ansehens einem Affen ähnlich; Miß Rosa Grisdale, blaß, mager und hustend; Miß Grisdale, ein schönes, blühendes Mädchen von neunzehn Jahren – ihr Liebhaber, ein sehr hübscher Dummkopf; und zu Adelaidens größtem Erstaunen und wahrer Freude, ihre musikalischen Lieblinge, Signore und Signora Philomelli.

Das laute Entzücken dieses Ehepaars, Mstrß. Bouverie wieder zu sehen, frei von allen Spuren der Krankheit, wurde der ganzen Gesellschaft bemerkbar; und die unablässigen Fragen nach ihrer unvergleichlichen Stimme erfüllten die Bewohner Marinos mit Verwunderung, da Lady Marian wiederholt versichert hatte, Mstrß. Bouveries Stimme sei nicht der Beachtung werth, indem sie von Natur unbedeutend, sich durch elenden Unterricht noch verschlechtert habe; es fehle ihr an Geschmack, Vortrag und musikalischer Kenntniß, während das einzige richtige Gefühl dabei sei, daß sie sich ihres Gesanges schäme.

Kaum hatte Lady Cäcilie die Anwesenheit Mstrß. Bouveries, welche Signore Philomelli als einen Ausbund musikalischer Kunstleistung gerühmt, vernommen, als sie sich ihr sogleich vorstellen ließ, und sich die Ehre ihres Besuchs zum nächsten Weihnachtsfeste in Grisdale Park erbat, worauf Adelaide höflichst erwiederte, daß eine Officiersfrau keine Einladung auf einen so fernen Termin annehmen könne.

Nach einem eleganten Frühstück begann das Concert, und man konnte nichts Vollkommeneres hören, als die Leistungen dieser reisenden Gesellschaft. Aber obgleich fest von ihrer Unübertrefflichkeit überzeugt, eigneten sich die Glieder derselben doch nicht den alleinigen Ruhm des Tages an, und ersuchten alle Dilettanten mit so viel Höflichkeit durch Spiel und Gesang zur allgemeinen Unterhaltung beizutragen, daß selbst Adelaide, auch ohne ihres Lehrers ermuthigende Gegenwart, nicht abschlagen konnte, schon im ersten Akt ein Solo zu fingen.

Erst nach Beendigung dieser Abtheilung sah man Lady Marian, zärtlich auf Bouveries Arm gestützt, den kurzen Weg von Marino zu Fuß zurücklegen; doch so langsam wie möglich, und in den gesuchtesten Stellungen, ihre schöne Gestalt am vortheilhaftesten zu zeigen. Aber endlich mußte sie doch ankommen; und der erste Gegenstand, welcher dem bethörten Montagu beim Eintritt in den Saal in die Augen fiel, war sein Weib – sein Weib, im vollen Glanz blendender Schönheit und himmlischer Unschuld. Dieser Anblick erregte einen stechenden Schmerz in seinem schuldbewußten Busen; und unfähig, ihre Gegenwart zu ertragen, ließ er den Arm der hinterlistigen Sirene, die ihn um sein eheliches Paradies betrogen, fahren, und floh wie ein Verbrecher der rächenden Gerechtigkeit, während Lady Marian mit gewohnter Keckheit, als ob sie die Bewunderung der ganzen Welt verdiente, eintrat.

Montagu hatte noch nicht zwanzig Schritte zurückgelegt, als ihm einfiel, wie sonderbar und auffallend sein Betragen der Gesellschaft erscheinen müsse, wie geeignet, Verdacht gegen den Ruf seiner angebeteten Göttin zu erwecken, die doch nur aus übermäßiger Zärtlichkeit für ihn von ihrem sonst so streng gehaltenen Lebenswandel abgewichen war. Er raffte allen Muth zusammen, die Gegenwart Adelaidens zu ertragen, und kehrte leidlich gefaßt, nachdem er den Weg nach Marino zurückgegangen, als ob er dort etwas vergessen, zur Gesellschaft zurück. Hier trat ihm abermals seine Frau, die seine Entfernung nicht bemerkt gehabt, mit freundlichem Lächeln entgegen, welches Zuvorkommen sein Gewissen so heftig erschütterte, daß er zitternd ihre Hand ergriff, und ihr mit schwankender Stimme einen guten Morgen bot. Erschrocken blickte Adelaide in seine verstörten Züge und forschte nach seinem Befinden, fürchtend, daß ihm die Angst um den General und das späte Aufbleiben geschadet haben könne.

Nur mit Anstrengung erhielt sich Montagu aufrecht, während er stammelnd versicherte, nicht krank, nur ein Bischen gereizt und angegriffen in Folge des gestrigen Tages zu sein, an welchem er als Wirth genöthigt gewesen, mehr Wein wie gewöhnlich zu trinken.

Jetzt sollte der zweite Akt des Concerts beginnen, zu dem Lady Marians Beistand von der liebenswürdigen Frau des Hauses erbeten wurde.

Ihre Herrlichkeit ließ sich gütigst dazu bereit finden, und da des Signore Philomellis Ausspruch über musikalische Kunstfertigkeit entschied, beschloß sie, sich seines Beifalls zu versichern. Eingedenk ihrer frühern flüchtigen Bekanntschaft mit diesem Meister, überhäufte sie ihn mit zarten Schmeicheleien, und bedauerte, nicht geahnet zu haben, ihn hier zu finden, indem sie sonst gewiß keinen Ton seiner himmlischen Stimme versäumt haben würde.

Der Signore erwiederte bescheiden: ›Daß sie mehr verloren hätte, als seinen Gesang, indem Lady Longuiville und beide Miß Grisdale ausgezeichnete Sängerinnen wären; und Mstrß. Bouverie –«

»Eine vielversprechende Stimme, gewiß –« unterbrach sie ihn hier, als sie Bouverie in der Nähe erblickte.

Entrüstet über diesen Ausspruch, rief der Signore seine theure Gattin herbei, ihr den Schimpf mitzutheilen, den ihre Lieblingsnachtigall, die vortrefflichste, unvergleichlichste seiner Schülerinnen, wahrscheinlich in Folge giftigen Neides, erlitten.

So in ihrer Erwartung der Gunst des Meisters betrogen, fühlte sich Lady Marian nicht allein sehr verstimmt, sondern auch höchlichst erstaunt, zu vernehmen, daß Adelaide den Unterricht des Signore genossen.

Bouverie hatte sich unterdessen seiner Frau genähert, und fragte sie im Ton des Vorwurfs: ›Ob sie jemals Unterricht von ihm gehabt?‹

Auf ihre bejahende Antwort sagte er mit schlecht verhehltem Unwillen: ›Weshalb sie ihm denn so unnöthigerweise erlaubt hätte, Lady Marian um ihren Einfluß für diesen Unterricht zu bitten, wenn sie schon im Besitz desselben gewesen?‹

»Liebster Montagu,« entgegnete Adelaide mit einnehmender Milde, »ich erhielt diesen Unterricht, den ich als Mittel, Dir Freude zu machen, betrachtete, erst nachdem Du Twickenham verlassen; und da ich im Besitz dieser Vergünstigung war, als Du mir schriebst, daß Deine Freunde eine abschlägige Antwort auf ihre Bitte meinethalben erhalten, hielt mich eine gewisse Delikatesse ab, Dir die Wahrheit zu gestehen, fürchtend, die Wahrheitsliebe Deiner Freunde in Zweifel zu ziehen.«

Montagu war wie vom Schlage gerührt; mit Entsetzen gewahrte er einen Flecken in Marians Seele; doch ängstlich bemüht, diese störende Vision zu verscheuchen, suchte er einen wirklichen Grund für seinen Unwillen gegen Adelaiden, und fragte im strengen Ton: ›Was sie verhindert hätte, ihm diese angenehme Mittheilung nach ihrer Ankunft in Sussex zu machen?‹

»Die Bedenklichkeiten meiner Delikatesse waren bei meiner Ankunft in Sussex noch dieselben; im Gegentheil nahmen sie täglich zu,« sagte Adelaide mit Bewegung.

Bouverie schwieg; er konnte ihr nicht antworten; der Unterschied des Betragens seiner Frau und seiner Geliebten war zu fühlbar, zu schmerzlich. Glücklicherweise gab ihm Lady Longuivilles Dazwischenkunft Gelegenheit, hinauszueilen, in freier Luft Entschuldigungen für Marians Vergehen zu finden, welches sie doch nur aus Liebe für ihn begangen.

Lady Longuiville war abgesandt, Adelaiden noch einmal zum Singen aufzufordern; und obgleich es eigentlich gegen ihre Grundsätze war, sich in einem Concert hören zu lassen, konnte sie doch jetzt ihres Lehrers Gesuch nicht verweigern, besonders da er sich ihr zum Begleiter auf dem Pianoforte erboten.

In Folge der kurzen Unterredung mit ihrem Gatten, begann sie die ersten Zeilen des Recitativs mit zitternder Stimme; doch in der süßen Hoffnung, von ihm gehört zu werden, raffte sie allen Muth zusammen, und übertraf ihre eigenen, so wie des Signores Erwartungen, dessen Entzücken so laut und heftig war, daß der Herzog von St. Kilda im Stillen beschloß, des Mannes Concerte im folgenden Winter nach Kräften zu begünstigen.

Jetzt ward auch Lady Marian gebeten, die Gesellschaft zu erfreuen, was sie mit großer Bereitwilligkeit that; doch der unversöhnliche, erbitterte Philomelli wartete nur ein Paar Strophen ab, und ging dann langsam zur Thür hinaus, hierdurch, in Folge seines Amts als Kunstrichter, deutlich anzeigend, daß sie nicht des Anhörens werth sei, welcher Schimpf der allgemein geschmeichelten Lady Marian so unerträglich erschien, daß sie sich gleich darauf der Wirthin empfahl, indem sie den General nicht länger allein lassen könne. »Doch,« fügte sie hinzu, »braucht mir die übrige Gesellschaft aus Marino nicht zu folgen, ausgenommen Oberst Bouverie, der allein etwas über meinen Mann vermag. Ich sehe ihn so eben vor dem Hause auf- und abgehen, und werde ihn gleich mitnehmen.«

Thornley begleitete Lady Marian hinaus, sie dem selbsterwählten Begleiter zu übergeben, der in tiefe Betrachtungen über die geistigen und körperlichen Vorzüge seiner vernachlässigten Frau verloren, so eben ihrem Gesang mit Entzücken gelauscht hatte.

Aber die Zauberin erschien, seinen Verdacht gegen ihre Wahrhaftigkeit durch den falschen Bericht ihrer Freundin entschuldigend, welche ihre Bitte, Mstrß. Bouverie Unterricht zu geben, nicht an den unverschämten Philomelli gebracht hatte.

Nach Verlauf einer Stunde brach auch die musikalische Gesellschaft auf, nachdem Lady Cäcilie Adelaiden noch einmal dringend gebeten, sie zum Weihnachtsfest zu besuchen. »O!« rief sie mit Enthusiasmus, »o, daß Sie nicht verheirathet. wären und daß ich einen Ihrer würdigen Sohn hätte! oder daß Sie arm wären, und ich Sie für mich selbst gewinnen könnte, so lange ich Ohren hätte, zu hören!«

Trotz dem, daß Bouveries Betragen diesen Morgen Adelaidens Herz nicht zur Fröhlichkeit gestimmt hatte, mußte sie doch über das sonderbare Compliment, sie arm zu wünschen, um sich ihrer Zeit und ihres Talents zu versichern, herzlich lachen.

»Ich beschäftige mich mit der Idee eines bändereichen Romans zum Zeitvertreib des nächsten Monats,« rief Miß Scribbleton, als die musikalische Gesellschaft in den Wagen gestiegen war, »und werde Ihre Herrlichkeit nebst Suite darin aufnehmen.«

»Ich werde Dir mit gütiger Erlaubniß zuvorkommen,« sagte Lady Dinwood, indem sie mit unnachahmlicher Kunst das Wesen, die Unterhaltung, Geberden, Stimmen, Haltung, Manieren und vor allen die Grimassen einiger Musiker nachmachte, und die ganze Gesellschaft zum Lachen reizte.

Als Adelaide eben im Begriff war, einzusteigen, rief ihr Mstrß. Gayville nach: »Erwarten Sie den Oberst heute Mittag nicht zu Hause, da der General sich gewiß nicht von ihm trennen wird, so lange er unwohl ist; außerdem haben wir auch diesen Abend Probe.«

»Probe; während General Harley krank ist!« rief Adelaide, noch mehr Erstaunen affektirend, als sie wirklich fühlte.

»Ja, Liebe, wir sind immer genöthigt, heiter zu scheinen, wenn ihm etwas fehlt, weil sonst seine Laune unerträglich sein würde.«

»Ach!« dachte Adelaide, »es fehlt ihnen nie an einem Vorwand, Montagu von mir entfernt zu halten; und so sehe ich keine Aussicht, ihn vom Verderben zu retten.«

 

Das Mittagsessen war aufgetragen, als sie nach Hause kam; und Dennis Seufzer, als er es unberührt wieder hinaustrug, drang so vernehmlich in ihr Ohr, daß sie sich freundlich zu ihm wandte, und sich durch ihr zweites Frühstück entschuldigte.

Gegen Abend unterbrachen Sir Charles und Lady Longuiville Adelaidens Einsamkeit, sie zu einer Spazierfahrt aufzufordern, und sich dann bei ihr zum Thee zu melden. Nach einer höchst ans muthigen Fahrt erzählte Lady Longuiville, daß die Officiere von Bouveries Regiment sich ihren Rath erbeten hätten im Betreff eines Festes, welches sie seiner jungen Frau zu Ehren zu geben wünschten.

»Welchen Plan hast Du entworfen, Louise?« fragte Sir Charles.

»Da die Schwingen meiner Phantasie mir wegen Mangel der nöthigsten Erfordernisse zu excentrischen Plänen beschnitten sind, habe ich mich genöthigt gesehen, zu einem einfachen Ball in selbstgeschaffenen Räumen zu rathen, zu welchem Zweck gleich nach London geschrieben worden ist, einen Transport Künstler und Handwerker zu bestellen, welche Montag ankommen werden; und Dienstag erwarte ich zwei liebenswürdige Schwestern, Sir Charles, unter der Eskorte ihres Bruders Heinrich.«

»Ist es möglich, Louise?« rief Sir Charles erfreut.

»Ich hoffe es,« entgegnete sie lächelnd; »wenigstens bat ich Deine Mutter inständigst, sie mir einen Monat zu überlassen, da ich ihnen ein so schönes Fest verheißen konnte.«

»O!« sagte Adelaide, »wie sehr wünschte ich, meinen kleinen Tanz vor diesem großen Ball geben zu können! Glauben Sie wohl, daß Ihre Schwestern sich bis Donnerstag von ihrer Reise so weit erholt haben werden, zu meiner Lustbarkeit zu kommen, falls Montagu sie wirklich wünschen sollte?«

Lady Longuiville versicherte, für ihrer schönen Schwägerinnen Bereitwilligkeit einstehen zu wollen, und Sir Charles verabredete mit Adelaiden, morgen früh nach der Parade nach Hastings zu gehen, und lud sie zum Mittagsessen ein, falls Bouverie keine andre Einladung für sie angenommen.

Montagu kehrte, wie seine arme Frau vorhergesehen, die Nacht nicht zurück, stellte sich jedoch, den Forderungen des Anstands gemäß, Adelaidens Frieden und Marians Ruf zu erhalten, zum Frühstück ein, reichlich mit Entschuldigungen wegen seines Außenbleibens versehen.

Ungern kam er jetzt in die Nähe seiner Frau, und Elend war der Gefährte seiner Brust, so lange er bei ihr blieb; denn jeder Ton, jedes Wort, jeder Blick der vergebenden Güte drangen wie Pfeile in sein Herz, während die Bewunderung, welche er ihr unwillkührlich zollen mußte, sein Gewissen mit Reue erfüllte, nicht früher (so lange es noch Zeit war) eine Neigung bekämpft zu haben, die ihn zur Uebertretung seiner heiligsten Pflichten geführt. Er konnte nicht, wie seine in der Verstellung. geübte Geliebte, Adelaiden zärtlich anblicken, ihre Hand küssen oder sie feurig an sein Herz schließen, wie er mit Erstaunen und Widerwillen hatte Lady Marian ihre Liebkosungen an den General verschwenden sehen. Nein; er floh im Gegentheil, eingedenk seiner Unwürdigkeit, das unglückliche Wesen, was an ihn gekettet war, vermied es anzusehen und fuhr erschrocken zusammen, wenn Adelaidens Hand ihn unwillkührlich berührte.

Dieser Zustand entging ihr nicht; sie befürchtete eine Krankheit und forschte mit den sanftesten Tönen der innigsten Theilnahme nach seinem Befinden; aber hierdurch vermehrte sie nur den schrecklichen Kampf in seinem Innern, und unfähig, ihrem Zauber zu widerstehen, während tausend Stimmen sich für Marian erhoben, kürzte er seinen Besuch ab und eilte schnell von ihr hinweg.

»Werde ich Dich heute nicht wiedersehen, Montagu? nicht einmal diesen ganzen, langen Tag?« sagte Adelaide traurig.

Bouverie fühlte sich dem Ersticken nahe, als er stammelnd erwiederte, den ganzen Tag mit dem General beschäftigt zu sein, und am Abend Probe zu haben. »Aber – aber,« fügte er kaum hörbar hinzu, »ich werde Dich morgen früh sehen, und hoffe, die Vorstellungen sollen bald ein Ende nehmen.«

Adelaide seufzte, ihn zu solchen Unwahrheiten herabgesunken zu sehen. Indem fiel ihm plötzlich noch ein Auftrag der Sirene Marian ein, und in der Thür umkehrend, sagte er verlegen:

»Lady Marian läßt Dich an Dein Versprechen wegen des Balls erinnern. Es thut mir leid, Adelaide, da – da, wie ich weiß, solche Dinge nicht ohne Geld zu bewerkstelligen sind, und ich in diesem Augenblick unglücklicherweise gerade unfähig bin, wegen – wegen Unterstützung eines Freundes – Dich mit dem Nöthigen zu versehen.«

»O, Montagu!« sagte Adelaide sanft, »laß Dich solche Dinge nicht bekümmern. Ohne in irgend ein Geheimniß eindringen zu wollen, was Du für mich verborgen zu halten wünschest, habe des ich doch bemerken müssen, daß Du nicht glücklich bist; und es sollte mir sehr leid thun, wenn pekuniäre Sorgen Deine andern noch vermehrten.«

Adelaidens Kraft drohte sie zu verlassen; aber fest entschlossen, ihre Bewegung zu bekämpfen, fuhr sie mit festerer Stimme fort:

»Aus Deiner jetzigen Geldverlegenheit bin ich so glücklich, Dich ziehen zu können, da 5000 Pfund zu meiner Disposition sind.«

»Die ich, und gälte es fünf tausend Millionen, nicht angreifen würde!« entgegnete Bouverie mit einer Heftigkeit, die Adelaiden erschreckte. »I, nein! nein! ich habe Deine Großmuth, Deine Güte schon zu sehr gemißbraucht.«

»Montagu, ich wünschte, Du kenntest mein Herz und lerntest einsehen, daß ich kein getheiltes Interesse wünsche.«

»Ich kenne es! kenne es nur zu gut,« sagte Montagu im leisen Ton innern Schmerzes, indem er auf einen Stuhl fiel, und sein Gesicht mit beiden Händen bedeckte.

» Zu gut, ach!« wiederholte Adelaide traurig. Doch plötzlich den Ton ändernd, fügte sie hinzu: »Warum willst Du Deiner Frau, Deiner Freundin von frühester Kindheit nicht erlauben, Dich aus einer Geldverlegenheit zu reißen? Die bewußten 5000 Pfund waren mir zu meinem eigenen Gebrauch vermacht, zur Ausführung irgend einer Phantasie. Mein Onkel wollte mir nicht gestatten, die mir zur Hochzeit geschenkten Juwelen dafür fassen zu lassen. So sei es mir denn vergönnt, Herrn Mordaunts Nachlaß dazu anzuwenden, den Frieden meines Gatten, den kostbarsten aller Juwelen, zu erhalten.«

»Adelaide! Adelaide! sprich nicht so mit mir!« rief Montagu in wahrer Todesangst, »oder Du bringst mich durch Deine himmlische Güte zu – zu Entdeckungen – die –«

»Montagu,« sagte Adelaide, ihn schnell unterbrechend, »ich habe eine Saite berührt, die Deinem Gefühl schmerzlich ist. Lassen wir sie jetzt und ich will mich entfernen, bis Du Dich wieder gesammelt hast; aber verlaß das Haus nicht, ohne mir durch eine Zeile zu versichern, daß Du meine Bitte erfüllen willst.«

»Nie, nie, Engel der Güte! werde ich einen Schilling davon anrühren!« murmelte Bouverie, indem Thränen der Seelenangst und Reue seine Wangen benetzten.

»Ich will Dich verlassen,« sagte Adelaide, »sonst überwältigt uns Beide unser Gefühl. Erinnere Dich nur, daß ich Dein Banquier bin; sollten aber demohngeachtet Deine Skrupel unüberwindlich bleiben, selbst dann wird Lady Marian sich dennoch nicht in ihren Erwartungen des kleinen Balls getäuscht sehen, den ich auf nächsten Donnerstag festsetze, falls dieser Tag Ihrer Herrlichkeit convenirt.«

Sie theilte ihm nun ihre Verabredung mit Longuivilles mit, und er rannte fort von seiner Heimath, seinem häuslichen Glück, wie der ruinirte Elende zum Spieltisch – zum ewigen Verderben. –

 

Lady Marian, die unterdessen durch geheime Mittel erfahren, daß Montagu einen Sitz im Parlament ausgeschlagen, welche Auszeichnung sie ihrem Geliebten aus mannigfachen Gründen gewünscht hatte, empfing ihn schmollend über das Verbrechen, eine abschlägige Antwort ohne ihren Rath gegeben zu haben; und obgleich er den Unterschied fühlte zwischen der bezaubernden Sanftmuth seiner Frau und dem zürnenden Stolze seiner beleidigten Geliebten, war er doch zu fest in ihren Banden, um sich ihr zu widersetzen, und zeigte bittre Reue, gegen ihren Befehl gehandelt zu haben.

Adelaide trocknete ihre Thränen, und nachdem sie des Pachters Rath und Hülfe in Anspruch genommen, wegen eines Speisezimmers zu ihrem Ball, fuhr sie zu Lady Longuiville, wo sie eben zur rechten Zeit ankam, Lady Marian und Bouverie im Currikle des Letztern ausfahren, und den entgegengesetzten Weg von Hastings nehmen zu sehen.

Ach! dachte Adelaide in der Betrübniß ihres Herzens, Montagu, wenn du sagst, der General könnte dich keinen Augenblick entbehren, so meinst du des Generals Frau!

Auf der Rückkehr von ihrer Spazierfahrt begegneten sie Montagu und Marian. Der schuldbewußte Bouverie wandte den Blick von seiner Frau ab; die triumphirende Marian hingegen bog sich weit zum Wagen hinaus, anmuthig oder vielmehr frohlockend mit der Hand grüßend.

»O, Marian!« rief Bouverie, als der andre Wagen vorübergefahren war, »wie können Sie die beleidigte Unschuld ansehen und dazu lächeln?«

»Habe ich nicht Ursache zu lächeln?« entgegnete sie; »habe ich nicht über sie gesiegt?«

»Gesiegt über Adelaiden!« sagte Bouverie in einem, mit den Gefühlen Ihrer Herrlichkeit so wenig übereinstimmenden Ton, daß sie von eifersüchtiger Wuth erfaßt, sich ihm im entstellendsten Licht zeigte. Hätte er Adelaiden zu Hause gewußt, wäre er in diesem Augenblick von Marian weg zu ihr geflohen; aber die eigene Hütte war leer, und so gewann die elende Verführerin Zeit, ihren Mißgriff wieder gut zu machen.

Die Gesellschaft bei Longuivilles bestand nur aus Capitain Clayton und Herrn Monro. Als die Männer zur Abendparade gingen, schlug Lady Longuiville ihrem Gast einen Spaziergang am Strande vor, woselbst sich der Herzog von St. Kilda und Capitain Hope zu ihnen gesellten, und so demüthig um Erlaubniß baten, die schönen Freundinnen nach Hause begleiten zu dürfen, daß Lady Longuiville es ihnen nicht verweigern konnte; obwohl sie über die Schwäche des Herzogs zürnte, den Gegenstand aufzusuchen, den er fliehen sollte, und befürchtete, Capitain Hope von derselben Krankheit befallen zu sehen.

Sir Charles theilte ihre Gefühle, wenigstens hinsichtlich des Herzogs, den er bei Seite zog und halb scherzend, halb ernsthaft über die geflissentliche Zerstörung seines eigenen Glücks zur Rede setzte.

Der Abend verstrich Adelaiden so angenehm, daß sie erstaunte, ihren Wagen melden zu hören, und fast widerstrebend einen Ort verließ, der ihrem Schmerz Erheiterung gewährte. Um sie dem traurigen Einfluß der Einsamkeit so viel wie möglich zu entziehen, forderten Sir Charles und Lady Longuiville sie auf, mit ihnen den folgenden Morgen nach der Kirche zum Fort nach Hastings zu fahren.

 


Achtes Capitel.

Nach beendetem Gottesdienst fand sich die kleine Gesellschaft auf der Sonntag Morgen Promenade für die elegante Welt ein, woselbst sie sogleich von den Officieren von Sir Charles Regiment umringt wurde.

Da das Fort noch nicht sehr besucht war, erkannte Adelaide augenblicklich drei auffallend aussehende junge Damen wieder, eine verheirathete und zwei unverheirathete, die in Hastings auf dem Ball als drei Sonnen geleuchtet, und um derentwillen die Officiere der Z-schen Landwehr sich bald todtgeschossen hätten. Sie waren im neuesten Styl gekleidet, bunt und auffallend, und von einem starken Detaschement der in Fairlight cantonnirenden Officiere umgeben.

Nachdem die Schönen einige Mal vor der Bexhillschen Parthie vorbeistolzirt waren, erschienen zwei Männer auf dem Fort, bei deren Anblick Capitain Hope ausrief:

»Bei meiner Ehre! das sind Gerichtsdiener! aber, Gottlob! es ist Sonntag, und sie dürfen uns nichts zu Leide thun.«

Indem die Officiere sich noch scherzend über die ihnen bevorstehende Gefahr ausgelassen, und der Herzog seine Vermuthung, daß die geputzten Damen in Verbindung mit diesen gefürchteten Herren ständen, ausgesprochen hatte, näherte sich der Jüngste derselben der verheiratheten Lady, ihren Arm ohne Ceremonie ergreifend, während der Aeltere sich zwischen die beiden jungen Damen schob, und sie sehr vertraulich anredete. Als ihn hierauf einer der sie umgebenden Capitains etwas stolz zur Rede setzte, rief eins der Mädchen erschrocken aus:

»Capitain, lassen Sie ihn! es ist ja mein Vater.«

Wer beschreibt das Erstaunen, die Scham und den Verdruß der eben noch huldigenden Helden bei dieser Entdeckung! Als ob sie sich verabredet hätten, verlor sich einer nach dem andern vom Fort, fürchtend, obgleich es Sonntag war, sich in Gesellschaft dieser verdächtigen Männer sehen zu lassen.

Cornet Sykes, der immer jeder Sache auf den Grund zu gehen pflegte, begab sich in die Marine Bibliothek, als ob er Zeitungen lesen wollte, Erkundigungen einzuziehen über die zweideutige Gesellschaft; und kehrte bald zu Sir Charles zurück, ihm zu erzählen, daß er den armen Z. in der größten Bestürzung gefunden. Dieser hatte nämlich den bewußten Damen eine Abendunterhaltung zu arrangiren versprochen, wobei das Musikchor spielen sollte; und nun wußte er nicht, wie die Bekanntschaft abbrechen, nachdem der alte Redoubt, welcher gleich nichts Gutes geahnet, jetzt tobend und fluchend wie ein Bootsmann herumging, und von der Schande des ganzen Corps sprach, das sich lächerlich gemacht, indem es die anständigen Bekanntschaften vernachlässigt, um Zeit und Bewunderung der Frau eines Lichtziehers und den Töchtern eines Käsekrämers zu widmen. Er schwur, in Zukunft, selbst wenn es noch so sehr an Damen fehlen sollte, nie wieder den Hut vor einer Frau zu ziehen, bis die männlichen Angehörigen derselben die Musterung passirt hätten.

Die Bexhiller Gesellschaft amüsirte sich mit Vermuthungen, wie der arme Z sich seiner Abendunterhaltung entledigen würde, als Adelaide den Rath gab, den General zu bitten, für morgen eine Musterung anzuordnen, zu deren Einrichtung die Vertheidiger der zu stürmenden Orte heute Abend schon den Platz besichtigen, und die nöthigen Vorkehrungen treffen müßten.

Die Herren erklärten diesen Vorschlag für vortrefflich, und wenn er von Lady Marian ausgehen könnte, des Erfolgs gewiß; und Sykes, eben so gutmüthig als neugierig, flog in die Bibliothek zurück, seinen verlegenen Brüdern diesen Plan vorzulegen.

Das Gedränge der Fußgänger wurde nun um die Longuiviller Parthie so groß, daß Adelaide, welche den Grund nicht begriff, vorschlug, ans andre Ende der Batterie zu gehen, wo es ganz leer war. Sir Charles willigte lächelnd ein, obgleich er versicherte, sich keine Besserung von diesem Manoeuvre zu versprechen. Wirklich hatten sie kaum auf dem Wall Platz genommen, als ein dichter Haufe sich wieder um sie versammelte, dessen Hauptaugenmerk Adelaide zu sein schien; doch nicht ahnend, daß sie selbst der Magnet sei, glaubte sie die Menge durch die Schönheit der Husarenuniform angezogen, und ergötzte sich mit glücklicher Unbewußtheit an dem wogenden Schauspiel.

Unterdessen war die Gesellschaft aus Marino angekommen, auf dem Fort spazieren zu gehen, wie sie jeden Sonntag zu thun pflegte; und das dichte Gedränge auf dem einen Punkt, und die Leere auf dem andern gewahrend, sagte Lady Marian, die sich, im Bewußtsein unübertrefflicher Schönheit, stolz auf Bouveries Arm stützte: »Was mag dieß bedeuten?«

Montagu konnte ihr keine Auskunft geben, und wandte sich deshalb an eine Schildwache. »Sie sehen Alle nach einer schönen Frau. – Es muß wohl etwas Ausländisches sein; die französische Kaiserin, oder eine Operntänzerin, vermuthe ich.«

»Sollen wir uns diesen ausländischen Blick verschaffen?« fragte Bouverie lächelnd.

»Das möchte ich Ew. Gnaden sehr rathen,« rief ihm ein Schiffer vom Wall zu, »denn so etwas haben Sie in Ihrem Leben noch nicht gesehen!«

»Wohl ein Meermädchen?« rief Lady Dinwood.

»So etwas Aehnliches habe ich noch nicht auf Erden gesehen,« versicherte der Mann mit großem Ernst.

Der Gedanke, daß Bouverie eine Schönheit sehen sollte, die im Stande wäre, eine solche Menschenmasse bewundernd anzuziehen, an dem Ort, wo sie stundenlang zu gehen pflegte, ohne mehr als einen Blick der Bewunderung im Vorbeigehen zu erhalten, erfüllte Lady Marian mit solchem Entsetzen, daß sie erklärte, sich nicht von dem gemeinen Haufen erdrücken lassen zu wollen, und deshalb lieber einen Spaziergang auf dem Felsen vorschlage.

Die Damen widersetzten sich diesem Plan, und die Männer baten, ihnen nur einen Blick dieser Göttin zu gewähren, als Cornet Sykes mit einem Detaschement der Z-schen Landwehr durch das Thor kam, Lady Marian die Bitte vorzutragen, einen Musterungstag auf morgen festzusetzen, um sie sämmtlich aus einer großen Verlegenheit zu ziehen, wobei sie auf Sykes Rath weislich vermieden, Mstrß. Bouverie als Anstifterin dieses Plans zu nennen.

»Wissen Sie, wer die Zauberin ist, welche das Volk bewegungslos dort auf dem Fort festhält, Sykes?« fragte Thornley, »Sie wissen gewöhnlich Alles.«

»Ich habe die Zauberin gesehen,« erwiederte er.

»Und was halten Sie von ihr?« fragte Lady Chatterfield.

»Das darf ich nicht sagen,« entgegnete er, »sonst müßte ich gewärtig sein, von meinem Oberst hier zum Zweikampf gefordert zu werden, indem er mich für rasend verliebt in seine Frau erklären würde.«

»Wer sagt Ihnen, daß dieser Magnet meine Frau ist?« fragte Bouverie mit klopfendem Herzen und hochrothen Wangen. »Sie kommen eben erst aufs Fort.«

»Aber ich war vorher schon hier und sah den Magnet, der alle Augen und Herzen anzieht; auch muß ich offenherzig bekennen, mich nicht darüber zu verwundern, indem ich Mstrß. Bouverie noch nie so schön gesehen habe, wie am heutigen Tage.«

»Marian, meine angebetete Marian,« flüsterte Montagu kaum verständlich, »Sie müssen mir erlauben, mich einige Augenblicke zu entfernen, um – um Anstands halber ein Paar Worte mit Adelaiden zu sprechen.«

Nun flog Montagu, obgleich er das Feuer wahnsinniger Eifersucht in seiner Geliebten Augen sprühen sah, fort, Adelaiden aufzusuchen, während die erzürnte Lady Marian Oberst Lonsdales Arm ergriff, und sich trotzig an das andre verlassene Ende der Batterie begab, entschlossen, dort einen Gegenhof zu bilden durch ihre Schönheit und Lady Dinwoods excentrische Unterhaltung.

Bouverie begann sich einen Weg durch die dichte Menge zu bahnen; und als er endlich so weit vorgedrungen war, die Gesellschaft übersehen zu können, gewahrte er Adelaiden, zwischen Sir Charles und Lady Longuiville sitzend, wie Sykes sie beschrieben, blendend schön. In Bewunderung verloren, blieb er stehen, bis sie die Augen zufällig erhebend, ihn erblickte und von freudiger Bewegung ergriffen erröthete. In diesem Augenblick war Lady Marian, sein eigenes Vergehen, alles vergessen; er wußte nur, daß Adelaide seine Frau war, und er sie lange, sehr lange nicht gesehen hatte. Mit Blitzesschnelle stand er neben ihr, ihre Hand fest in der seinigen haltend. Doch kurz war die glückliche Vergessenheit; Marians Zauberbild und die Erinnerung seiner verletzten Pflicht kamen schaudernd über ihn, färbten seine Wangen mit Todesblässe, und ließen ihn die Augen schuldbewußt niederschlagen.

»Wärst Du einen Augenblick später gekommen, Montagu, würde ich Dich heute nicht gesehen haben,« sagte Adelaide, »indem wir eben im Begriff sind, fortzugehen.«

Diese Worte, der deutlichste Beweis ihres getrennten Lebens, daß sie sich wie bloße Bekannte betrachteten, er zu diesem, sie zu jenem Kreise gehörend, erfüllten Bouveries Herz mit Entsetzen, und er fragte mechanisch: ›Weshalb sie so früh ginge?‹

»Weil Sir Charles und Lady Longuiville mich zum Nachmittagsgottesdienst in meine kleine Kirche begleiten und dann freundschaftlich zu Dreien mit mir essen wollen.«

So erwartet sie mich denn gar nicht mehr und beruhigt sich, dachte er. – »Warum nur zu Dreien, Adelaide?« fragte er.

»Ach, Montagu!« erwiederte sie seufzend, »ich bin zu oft getäuscht worden, um noch auf die Vermehrung unsrer Gesellschaft zu hoffen, die ich am sehnlichsten wünsche. – Doch sage mir, ehe wir scheiden, ob Donnerstag ein Tag ist, der Lady Marian zu dem kleinen Ball ansteht, den sie von mir heischt?«

»Vollkommen. Sie hat Thornley schon beauftragt, diesen Abend nach Castle Cottage zu gehen, und Dir es zu sagen.«

Ach! dachte Adelaide mit einem zweiten Seufzer, so kehrst du wohl heute nicht zurück, sonst wäre dir der Auftrag gegeben worden.

Indem erschien Capitain Warren, Bouverie zu einer Berathschlagung am andern Ende des Forts abzurufen, in Betreff des Musterungstages, den Lady Marian gütigst veranstaltet, die Z-sche Landwehr von einem unangenehmen Engagement zu befreien.

Bouverie fühlte eine unüberwindliche Abneigung, Adelaiden zu verlassen, und obgleich gewiß überzeugt, Lady Marian durch Nichtbeachtung ihrer Befehle tödtlich zu beleidigen, verweilte er doch, bis er seine Frau an den Wagen begleitet hatte, die ihm beim Wegfahren noch ein freundliches Lebewohl zurief.

›Sie frägt mich nicht, wann ich nach Hause kommen werde! äußert keinen Wunsch, mich dort zu sehen! O, Adelaide, so habe ich den deine Liebe verloren, wie ich es verdient!‹

In solchen traurigen Betrachtungen starrte Bouverie dem Wagen nach, so lange er noch eine Falte von Adelaidens Gewand sehen konnte, ergriff dann mechanisch den Arm des erstaunten Warren, und kehrte schweigend und langsam zu der ungeduldig wartenden Marian zurück.

Nachdem diese die Demüthigung erlitten, keine bewundernde Menge um sich zu versammeln, hatte sie über die brennenden Sonnenstrahlen geklagt und die Wagen bestellt. Sie bestieg nun mit Bouverie den Currikle, aber in solchem Zorn über sein Entweichen, daß sie ihn keines Worts würdigte, welches Schweigen er auf gleiche Weise erwiederte; ja, selbst ohne den Versuch in ihren Zügen zu lesen, ob nicht mildere Gesinnungen zurückkehren würden. Da fürchtete sie plötzlich, zu weit gegangen zu sein und mit einem Ton zitternder Bewegung, dessen Einfluß auf Montagus Herz sie schon öfterer erprobt, bat sie ihn in den demüthigsten Ausdrücken, ihr die Entrüstung eines verwundeten, durch Angst fast zum Wahnsinn getriebenen Herzens zu verzeihen, indem sein langes Verweilen bei Adelaiden die quälendste Eifersucht in ihr erregt. Als der Zauber ihrer Worte seine starre Gleichgültigkeit gebrochen, rief sie Thränen zu Hülfe; denn ihre Angst, ihn zu verlieren, war nicht länger erkünstelt, und hätte sie ihm die verlorene Achtung für sie wieder geben können, würden diese Hülfsmittel erfolgreicher gewesen sein.

Adelaide stand am folgenden Morgen mit der Sonne auf, ihren Plan zur Einrichtung des Eßsaals zum Ball zu entwerfen, und die nöthigen Anweisungen zu geben, ihn während ihrer Abwesenheit auszuführen. Dann kleidete sie sich schnell an, Lady Longuiville zu den militairischen Operationen dieses Morgens zu begleiten.

Der zu diesem Manoeuvre gewählte Platz war ziemlich fern von Hastings, um das frühe Ausmarschiren der Truppen von Fairlight und die deshalb aufgegebene Abendunterhaltung für die Lichtziehers Gattin und Käsehändlers Töchter zu rechtfertigen.

Das Wetter war ausgezeichnet schön, die Gegend pittoresk und das Manoeuvre ungewöhnlich anziehend. Da es aber hauptsächlich aus Stürmen und Vertheidigen bestand, konnten Adelaidens Augen den interessantesten Gegenstand für sie, der ihr in voller Uniform und zu Pferde schöner und graziöser, wie alle andern erschien, nicht lange festhalten, und sie mußte sich mit seinen Grüßen im Vorbeireiten begnügen, die jedoch die lauernde Marian von Neuem mit Eifersucht erfüllten.

Adelaide hatte Montagu am Abend dieses Tages nicht zurückerwartet; als aber der Morgen kam, und sie zum Frühstück statt seiner ein Billet fand, ihn für den ganzen Tag entschuldigend, indem die schöne Büßende am Abend aufgeführt werden sollte, und Lady Dinwoods Laune die Einlernung einer neuen Farce und Probe derselben verlangte, seufzte sie tief und sagte: »wie heldenmüthig würde ich deine Abwesenheit heute ertragen, Montagu, wenn ich nicht wüßte, daß morgen und übermorgen neue Listen ersonnen werden, uns zu trennen.«

In diesem Augenblick stürzte Dennis herein, dem Liebling einen Brief von ihrem Vormund überreichend.

Adelaide hatte es schmerzlich empfunden, seit ihrer Verheirathung noch keine Zeile von Falkland erhalten zu haben, obgleich schon mehrere Wochen über die hierzu erforderliche Zeit verstrichen waren. Sie fürchtete, ihn beleidigt zu haben durch ihre schnelle Verbindung, zu welcher er seine Genehmigung noch nicht gegeben. Mit zitternden Händen riß sie das Siegel auf, und als sie die schönen, theilnehmenden, an sie und Bouverie gerichteten Worte ihres geliebten Vormunds las, dessen hohe Erwartungen ihres ehelichen Glücks, welches wie das seinige so früh und grausam zerstört war, sich so innig aussprach, brach sie in einen heißen Strom von Thränen aus.

Das Schiff mit der Nachricht von Adelaidens Verheirathung war durch widrigen Wind und andre Zufälle einige Wochen länger unterwegs gewesen; als es Falkland aber endlich die willkommene Botschaft von der Erfüllung seines Lieblingswunsches brachte, säumte er keinen Augenblick, seine Genehmigung, seine Glückwünsche, seinen Segen zu schicken, und den geliebten Kindern seine baldige Ankunft zu verkündigen.

Nachdem Adelaide ihre Thränen der Freude und Betrübniß getrocknet, und der treuen Norah den Inhalt des Briefes mitgetheilt hatte, begab sie sich an ihre Geschäfte zur Vorbereitung des Balls, in denen sie am heutigen Tage keine Unterbrechung befürchtete, da Montagu in Marino blieb, Lady Longuiville den Morgen in Erwartung der Geschwister ihres Mannes zubrachte, und den Abend zur Vorstellung der schönen Büßenden ging, welche, wie sie richtig vermuthete, an die Stelle von Romeo und Julie gesetzt worden war, sie von Marino zurückzuhalten.

Aber auch hinsichtlich der neuen Listen, Bouverie von ihr zu entfernen, hatte sich Adelaide nicht geirrt; denn eine große Probe zu Romeo und Julie folgte den Regimentsgeschäften mit dem General, wie ihr Montagu schriftlich berichtete.

So hatte sie also am folgenden Morgen keine Veranlassung zu Hause zu bleiben, und bestellte ihren Wagen, den beiden Miß Longuivilles ihren Besuch abzustatten, welche sie liebenswürdig, hübsch und anmuthig fand. Aber selbst wenn sie nicht so gewesen, wären sie ihr geschmückt mit allen Vollkommenheiten erschienen, da sie heute sehr geneigt war, alles im hellsten Licht zu sehen. In diese glückliche Stimmung hatte sie Bouveries Briefchen versetzt, aus welchem nicht die bloßen Strahlen einer Wintersonne, sondern die glänzendleuchtenden einer warmen Sommersonne geschienen, ihre Hoffnungen künftigen Glücks von Neuem zu beleben.

Ehe sie ihr Ankleidezimmer den nächsten Morgen verlassen hatte, war Montagu bei ihr, dort zu suchen, was er jetzt vergebens in Marino zu finden hoffte; denn Schuld hatte seine Freuden vergiftet, und das Ideal, was er mit heidnischer Anbetung verehrt, war nun zur schwachen Sterblichen herabgesunken, der Opfer nicht werth, die er deshalb gebracht.

Aber in seiner Heimath fand der Unglückliche auch die gehoffte Ruhe nicht, indem die Ueberzeugung seines eigenen Unwerths ihn in der Nähe seiner beleidigten Frau demüthigte und verlegen machte. Adelaide bemerkte die Zerstörung ihres Gatten und schrieb sie, wie seine Blässe und Niedergeschlagenheit nicht sowohl körperlicher Krankheit, als innern Kämpfen zu. Ihr Herz blutete bei dieser Bemerkung, und sie empfand das innigste Mitleid, suchte aber zu verhehlen, daß sie seinen Zustand erkannt, während sie ihn mit so viel Sanftmuth und Zartheit behandelte, daß er öfterer in Versuchung gerieth, ihr sein Herz aufzuschließen, worin nur Unruhe, Elend und gestörter Frieden zu schauen.

Nachdem er ihr bei einigen Einrichtungen zum Ball beigestanden, führte sie ihn in das neu dekorirte Eßzimmer, bei welchem Anblick er erschrocken zusammenfuhr, indem er mit Entsetzen seines Unvermögens gedachte, diese kostbaren und eleganten Dekorationen zu bezahlen.

»Hältst Du mich nicht für eine sehr unbesonnene, verschwenderische Frau, mich in solche unnöthige Ausgaben zur Ausschmückung meiner Grotte zu verstricken?« fragte Adelaide, ihn lächelnd anschauend.

Bouverie hätte Welten darum gegeben, den schönen Mund zu küssen, der ihn so schlau zum Tadel aufforderte; aber das Gefühl, wie unwürdig er dieses Lohns sei, hielt ihn davon ab, und er erwiederte mit einem schwachen Versuch zum Lächeln:

»Du weißt, daß keine Besorgnisse dieser Art Raum in meiner Brust finden, da ich Deinen Verkehr mit übernatürlichen Wesen kenne.«

»Die sich dieses Mal in Gestalt von Mstrß. Groves, der Haushälterin in Roscoville, offenbart haben, deren Beistand ich Alles verdanke. Da ich mich nämlich erinnerte, von Ambrosia gehört zu haben, daß ihre Mutter die Ballzimmer nie zwei Mal auf dieselbe Weise dekorirte, schloß ich, daß in Roscoville noch mancherlei hierzu erforderliche Draperien sein müßten. Deshalb schrieb ich gleich an Mstrß. Groves, deren Gunst ich mir durch kleine Geschenke von Fischen und andern Dingen, die ich mit den rückkehrenden Wagen zu schicken pflegte, erworben hatte; sandte ihr das Maaß von meiner Scheune, und erhielt hierauf nicht allein diese schönen Gardinen, sondern auch den dazu passenden Fußteppich und noch eine Menge Zierrathen für die Tafel, die mir viele Ausgaben ersparen.«

Bouverie war unerschöpflich in seinem Lobe ihrer genialen Erfindung und geschmackvollen Ausschmückung dieser in eine reizende Grotte verwandelten Scheune, aus welcher Adelaide auch versicherte, alle Ratten und Mäuse in der vorigen Woche verbannt zu haben.

Bis ein Uhr blieben Montagu und Adelaide ungestört in ihren Beschäftigungen; als Ersterer dann aber seinen Currikle bestellte, der fleißigen Hausfrau durch eine Spazierfahrt nach so vieler Anstrengung einige Ruhe zu gewähren, ward Major Gayville gemeldet, den Bouverie, nichts Gutes ahnend, in sein Zimmer führte.

Dieser eifrige Freund Montagus, dessen platonische Leidenschaft für Lady Marian ihm kein Geheimniß war, kam, wie er sagte, ihm etwas mitzutheilen, wozu ihn sein Gewissen aufforderte. Nämlich, daß sein Entweichen heute früh aus Marino Lady Marian so heftig erschüttert habe, daß ein ähnlicher Zufall, wie sie ihn kürzlich gehabt, zu befürchten stände; wenn nicht noch etwas Schlimmeres, Verdacht in des Generals Gemüth, ihrer Neigung zu einem Andern. ›Einer Neigung,‹ fuhr er fort, ›die, wenn gleich nicht moralisch zu entschuldigen, doch inniges Mitleid verdient, wenn man mit angesehen, wie Bouverie, der Bezauberndste seines Geschlechts, sie durch die schmeichelhaftesten Auszeichnungen erst genährt, und dann zu einer so schrecklichen Höhe gesteigert habe, wie man sie selten bei einem Weibe, und noch dazu bei einem so schönen, vollkommenen Weibe finde. Deshalb sei es nun auch nicht zu verwundern, daß diese, alle Klugheit und Moralität überspringende Liebe keine Beschränkung mehr erdulde; und die unglücklichsten Folgen für Herz und Körper ständen zu erwarten, wenn er sich durch Launen veranlaßt fühlen sollte, sie zu vernachlässigen oder gar zu verlassen; und er rathe ihm, sogleich zu ihr zurückzukehren, sie zu trösten über seine lange Abwesenheit, indem sie sonst unfähig sein würde, heute Abend auf Mstrß. Bouveries Ball zu erscheinen, welches Ausbleiben ihrem Ruf nachtheilig werden, oder noch schlimmere Folgen für ihre Gesundheit haben könnte.‹

Kein schlauer Staatsmann verstand seine betrügerischen Beweisgründe besser zu führen, als der verschmitzte Gesandte dieser unwürdigen Frau. Bouveries Ehre, Dankbarkeit und Menschlichkeit waren zu gleicher Zeit in Anspruch genommen, und er fühlte sich verpflichtet, Marian vor Entdeckung und Verzweiflung zu bewahren, sich von Adelaiden loszureißen, die ihn nicht wie Marian liebte, keine Opfer für ihn brachte, deren Existenz nicht von seiner Liebe abhing.

Er mußte zu neuen Falschheiten seine Zuflucht nehmen, Adelaiden eine Entschuldigung wegen seines abermaligen Weggehens zu geben, und entließ Major Gayville mit dem Versprechen, nach Marino zu kommen, sobald er seine verabredete Spazierfahrt mit Adelaiden beendigt.

Durch den Besuch des Satelliten auf neues Unheil vorbereitet, vernahm sie den Bericht, daß der General geschickt, Bouverie in wichtigen Regimentsgeschäften zu sich zu bescheiden, mit anscheinender Ruhe; doch wandte sie sich erblassend, mit Thränen in den Augen, ab, als Bouverie sein Bedauern deshalb aussprach, und wagte nicht eher ein Wort zu sagen, bis ihre Stimme Festigkeit gewonnen. Dann fragte sie traurig: »So wirst Du also auch wohl nicht mit mir zu Mittag essen?«

»Schwerlich.«

Adelaide seufzte tief, und verließ dann das Zimmer, sich zur Spazierfahrt anzuziehen. Es schmerzte sie, Bouverie so leicht in Marians Schlingen, ihn von seiner Frau zu entfernen, gehen zu sehen, nachdem sein Benehmen erst Spuren wachsender Zärtlichkeit verrathen; doch entschlossen, sich nicht durch die alte Gewohnheit, Marians Willen als Gesetz zu betrachten, um den neuen Hoffnungsstrahl betrügen zu lassen, nahm sie alle Geisteskraft zusammen, ihrer Unterhaltung den gewöhnlichen Reiz zu verleihen, und dieß glückte ihr so sehr, daß Montagu die einstündige Fahrt unwillkührlich auf zwei Stunden ausdehnte.

Zu Hause angekommen, konnte Adelaide sich nicht enthalten, halb ernsthaft, halb scherzend zu sagen:

»Meine Empfehlung an Deinen General und er handelte zu gewissenlos an mir; er schiene vergessen zu haben, daß Du ein verheiratheter Mann wärst, und daß ich Dich unter Vielen erwählt hätte, weil ich Dich liebte. Ehe noch unsre Honigmonate abgelaufen, riß er Dich von mir weg, und entzieht Dich immer noch tagelang, ja wochenlang Deiner traurigen Ehehälfte, bedroht uns durch diese stete Trennung mit gegenwärtiger Gleichgültigkeit, und bereitet uns auf ein Leben künftiger Unempfindlichkeit vor. Sage ihm von mir, daß, hätte er eine Tochter in meiner Lage, würde er dem Mann nicht danken, der ihm ihren Gatten auf solche Weise entzöge.«

Dieses waren die ersten, einer Klage ähnlichen Worte, welche Adelaidens Lippen gegen Bouverie entschlüpften; und die darin liegende Delikatesse, auch nicht den Schatten eines Vorwurfs auf Lady Marian zu werfen, wirkte mächtiger auf Montagus zerrissenes Herz, als wenn sie diese der Schuld angeklagt hätte. Er schien Marians Ansprüche in diesem Augenblick gänzlich zu vergessen, indem er Adelaiden in seine Arme schloß und feurig ausrief:

»Nein, meine Adelaide! uns erwartet in Zukunft kein Leben der Unempfindlichkeit! Ich will mich losreißen von meiner Verblendung, und ich – ich ich hoffe – mit der Zeit – werden wir noch glücklich sein,« fügte er stammelnd hinzu, als sein Gewissen ihm vorwarf, sich dieses reinen, engelgleichen Wesens unwürdig bezeigt zu haben.

Er wand sich sanft aus ihren Armen los, bot ihr mit leiser Stimme ein Lebewohl, und verließ mit unsäglichem Schmerz den Ort, wo ihm, wie er nun fest überzeugt war, allein das wahre Glück blühte.

 


Neuntes Capitel.

Adelaide sank erschöpft in einen Sessel, allen Qualen der Ungewißheit über Bouveries Gesinnungen Preis gegeben. Thränen kamen ihrem gepreßten Herzen zu Hülfe und gewährten ihr die einzige Erleichterung, die ihr jetzt zu Theil werden konnte. »Aber Montagu wird mit Lady Marian hierher zurückkehren; ich werde ihn heute Abend noch sehen,« flüsterte ihr die Hoffnung tröstend zu, »und ich will nicht länger verzagen, vielmehr alle Kräfte anstrengen, unser beiderseitiges Glück zu retten, indem ich Montagu aus den Fesseln dieser gefährlichen Frau zu reißen suche.«

Aber die arme Adelaide wußte nicht, wie erfinderisch die Männer im Irrthum sind, und daß ihre Anstrengung, stark zu scheinen, um Montagus Gefühl zu schonen, von ihm als Beweis mangelnder Liebe, als schon von ihrer Seite entstandene Gleichgültigkeit, betrachtet worden war.

Lady Marian empfing ihn dieses Mal nicht mit Heftigkeit und Vorwürfen, wohl einsehend, wie viel sie früher dadurch verloren, sondern mit sanften, Mitleid erregenden Klagen und tiefer Betrübniß über ihr unglückliches Loos, ihre heiße Liebe an einen Wankelmüthigen verschwendet zu haben, der ihr Herz durch seine Kälte brechen würde. Hingerissen von ihrer rührenden Trauer, ihren süßen Schmeichelworten, ihrer Schönheit, nannte er sich selbst den undankbarsten Elenden unter der Sonne, wenn er im Stande sein könnte, dieses heiße Herz für sich brechen zu lassen, während Adelaide seine Vernachlässigung mit philosophischer Ruhe ertrüge.

Nicht eher, bis seine Toilette zum Ball ihn nach Castle Cottage rief, verließ Montagu die schmachtende Marian. Adelaide war schon in ihrem Ankleidezimmer; und obgleich er sich durch Dankbarkeit und geschmeichelte Eitelkeit von Neuem zu der angebeteten Geliebten gezogen fühlte, konnte er doch einem innern Drang nicht widerstehen, der ihn augenblicklich an Adelaidens Thür, um Einlaß bittend, trieb.

Fertig gekleidet stand sie eben mit ihrer Juwelenschachtel, überlegend, welchen Schmuck Montagu wohl am Passendsten zu dem weißen Crepp finden würde, ihre schönen Perlen, oder nicht weniger schönen Smaragden. Die Freude, ihn früher zurückkehren zu sehen, als sie erwartet hatte, färbte ihre nur leicht gerötheten Wangen, welcher Umstand von Bouverie abermals fälschlich ausgelegt wurde, als ob ihr seine Abwesenheit keinen Kummer verursacht hätte, wie der interessanten, blassen Marian.

»Montagu, sagte Adelaide freundlich, »Du kommst gerade zur rechten Zeit, meinen Schmuck für den heutigen Abend zu wählen.«

»Als die Nereide Deiner Grotte würde ich Perlen, als aus Deinem eigenen Element, vorziehen,« entgegnete Bouverie, sie mit sichtlichem Entzücken betrachtend; »da ich Dich aber noch nicht in Deinen Smaragden gesehen habe, wähle ich diese, weil ich glaube, daß sie sehr gut zu Deinem Lilienhals stehen, die weiße Einförmigkeit heben, und als glänzendes Laubwerk zu den blühenden Rosen auf Deinen Wangen dienen werden.«

Adelaidens Rosen färbten sich noch höher bei dieser schmeichelhaften Anordnung, und mit einem bezaubernden Lächeln befestigte sie das Diadem von Smaragden in ihren reichen Locken und Flechten, während Norah ihr das Halsband befestigte und Montagu, wie er an Lady Marians Toilette gewohnt, die Armbänder um die schönen Hände legte; doch nicht wagend, sich den Lohn dafür zu erbitten, den Ihre Herrlichkeit ihm jedes Mal gewährte – einen Kuß auf die geschmückte Hand. Denn obgleich er hier noch einen höhern Grad von Schönheit fand, erkühnte er sich doch nicht, mit dem Gefühl seines Unwerths, den Liebhaber zu spielen. Ja, er schalt sich selbst ein Ungeheuer der Undankbarkeit, Marian einen Augenblick über die Reize und Tugenden eines Weibes zu vergessen, das kein Uebermaaß von Anbetung für ihn zeigte.

Lady Marian hatte, in der festen Ueberzeugung, daß Adelaidens weibliche Bekanntschaft beschränkter wie ihre eigene sei, nie daran gedacht, Bouverie zu fragen, welche Damen den Ball in Castle Cottage zieren würden? und sicher, daß nur die Schönen von Marino, nebst der Longuivilleschen Familie dort sein würden, hatte sie beschlossen ihre verhaßte Nebenbuhlerin durch ihr und Mstrß. Gayvilles Nichttanzen in Verlegenheit zu sehen, und den Mangel an Tänzerinnen in dem ungeheuren gothischen Ballsaal recht fühlbar zu machen. Auch war es ihre Absicht gewesen, recht spät zu erscheinen, Lady Longuiville, ihre beiden Schwägerinnen und Adelaiden allein in dem großen Männercirkel zu lassen, diesem die Erwartung eines neuen Zuwachses weiblicher Gesellschaft möglichst langweilig zu machen. Doch Bouveries frühere Rückkehr, um sich zu Hause anzuziehen, änderte ihren Plan, indem sie nicht wagte, ihn so lange ohne ihre entgegenwirkende Nähe in Adelaidens Gesellschaft allein zu lassen. Deshalb fand sie sich unter den frühesten Gästen ein, und hatte die Kränkung, eine so große Anzahl der ersten Familien aus der Nachbarschaft ankommen zu sehen, daß ihr Tanzen oder Nichttanzen dem Ball weder Vortheil noch Schaden bringen konnte.

Da Bouverie seine Zeit ausschließend Lady Marian gewidmet hatte, war seine verlassene Frau genöthigt gewesen, die Einladungen derjenigen Familien, die sie in Folge ihrer Bekanntschaft in Melcombe besucht, abzuschlagen, weshalb sie auch befürchtete, jetzt bei ihrem Ball ein Gleiches zu erfahren; aber zu ihrem größten Erstaunen erhielt sie auch nicht eine abschlägige Antwort, so daß sich mehr Jugend, Schönheit und Eleganz auf ihrem Ball vereinte, als man sonst auf dem Lande zu finden gewohnt war. Lady Marian sah dieses Alles mit kaum zu verhehlendem Ingrimm; und da sich so viele ihr im Rang gleichstehende Frauen anwesend befanden, befürchtete sie mit Recht, Bouverie, trotz aller Machinationen, nicht allein an sich zu fesseln. Aber rief ihn die Etikette von der Seite seiner Geliebten, so gestattete sie ihm auch nicht mit einer schönen Frau zu tändeln, und beide weibliche Anziehungskräfte schienen von ihm am wenigsten beachtet zu werden, obgleich seine Gedanken sich ausschließend mit ihnen beschäftigten.

Kaum wagte er den Blick zu der nachdenkenden, in Liebe verlorenen Marian, zu erheben, die eine minder brillante Versammlung erwartend, eine schmachtende Blässe erwählt hatte, des angebeteten Montagus Mitleid zu erregen; während Adelaidens, durch vieles Sprechen und Tanzen erhöhtes Colorit, so wie ihre größere Lebendigkeit, Folge der unermüdeten Aufmerksamkeit gegen jeden Einzelnen ihrer Gäste, ihn mit dem Glauben erfüllte, die Liebe in ihrem Herzen sei ein ruhiger Gefährte, nichts von dem Elend fühlend, was der unglücklichen Marian Brust bestürmte.

Diese hatte sich schlau den Herrn des Hauses als Tischnachbar zu versichern gewußt, und genoß jetzt den Triumph, von ihm in die Nereidengrotte geführt zu werden. Ein freudiges Erstaunen ergriff die ganze Gesellschaft beim Anblick dieses neuen Wunderwerks, und Ausrufungen der Bewunderung und des Entzückens lohnten Adelaidens Anstrengung. Doch nicht lange sollte sie sich dieser Anerkennung ungestört erfreuen, indem Major Gayville, aus unverschämter Neugier zu erfahren, was hinter den Vorhängen verborgen sei, ein Loch hineinschnitt, und nun stolz über das entdeckte Geheimniß laut ausrief: »Daß die Nereide eine gewöhnliche Scheune in eine Grotte umgewandelt habe!«

Lady Marian, die den ganzen Abend nach einer Gelegenheit verlangt hatte, Adelaiden einen boshaften Streich zu spielen, widerstand jetzt, trog dem Bestreben sich nur liebenswürdig in Bouveries Augen zu zeigen, der Versuchung nicht, und mit einem Schrei des Entsetzens von ihrem Sitz aufspringend, rief sie:

»Eine Scheune! O Gott! sie ist voller Ratten, die nun auf uns zukommen werden, sich dieser Speisen zu bemächtigen!«

Ehe Bouverie sie über ihre grundlose Furcht beruhigen konnte, war sie aus der schrecklichen Scheune ins Gesellschaftszimmer geflohen, wohin ihr Lady Dinwood, nicht zufrieden mit ihrer Nachbarschaft, und noch einige Damen, die sich durch Furcht interessant zu machen glaubten, folgten.

Adelaide sandte Sir Charles und Capitain Hope ab, sie von ihrer unnöthigen Auswanderung zu überzeugen; doch nichts vermochte sie zur Rückkehr zu bewegen, und als Montagu in derselben Absicht zu den schönen Flüchtlingen kam, baten sie ihn, einige Lebensmittel in diesen ruhigern Aufenthalt besorgen zu lassen, da nichts im Stande wäre, sie in die Scheune zurückzutreiben.

Sir Charles und Capitain Hope kehrten mit diesem Bescheid in die Grotte zurück, während Bouverie für ein besonderes Abendessen im Gesellschaftszimmer sorgte, und sich selbst durch Lady Marian verlocken ließ, Theil daran zu nehmen. Da Lady Dinwood. sehr witzig und ungewöhnlich sonderbar war, zog sie bald diejenigen Schönen an sich, welche keinen speciellen Magnet in der Grotte hatten. Unter diesen befand sich ein Capitain Crosby, von der Z-schen Landwehr, ein sehr reicher, eben mündig gewordener Mann, der vor Begierde brannte, sein Geld zu verthun. Ungemein lebhaft, zu allen Thorheiten aufgelegt, war ihm hauptsächlich viel daran gelegen, sich einen Namen zu verschaffen, weshalb er auf die sonderbarsten Abentheuer ausging.

Lady Dinwood, von gleichen Neigungen beseelt, erschien ihm als ein unwiderstehlicher Magnet, und sich gegenseitig in ihren Ausgelassenheiten unterstützend, wurden sie bald die Spaßmacher des kleinen Cirkels, und erndteten lautes Gelächter, nur nicht von Montagu und Lady Marian, indem Ersterer zu unglücklich und Letztere zu liebend war, sich dieser Stimmung hinzugeben. Von einer Albernheit zur andern überspringend, geriethen sie zuletzt in einen Streit, wer am längsten schwatzen könnte, ohne zu ermüden, oder den Umstehenden Langeweile zu machen.

Dieser liebenswürdige Streit konnte nur durch eine Wette entschieden werden, welche sie auch sogleich in dem wilden Flug ihrer Excentricität festsetzten. Es galt die Summe von hundert Guineen, welche zu zahlen die Schiedsrichter, drei auf jeder Seite, entscheiden sollten. Zur Belohnung des schweren Geschäfts, die Wettenden von diesem Augenblick bis zum nächsten Sonnenuntergang zu begleiten, mußte sich der Verlierer anheischig machen, den Schiedsrichtern eine Maskerade zu geben, welche der Dame, falls ihr die Kräfte ausgingen, 200 Guineen kosten mußte; doch sollte sich in ihren Rechnungen der geringste Bruch mehr oder weniger ergeben, war sie genöthigt, sich zu einem unverbrüchlichen Stillschweigen während eines ganzen Monats (doch auf besonderes Verlangen durfte es der Februar sein) anheischig zu machen. Sollte der Gentleman hingegen der verlierende Theil sein, mußten sich die Kosten seiner zu gebenden Maskerade auf 500 Guineen und 11 Heller belaufen; wenn mehr oder weniger, fiel ihm die Strafe anheim, funfzehn Paare in dem Zeitraum von funfzehn Wochen auszustatten, sämmtlich lahm, blind oder ungestaltet, oder 5000 Guineen an Lady Dinwood zu zahlen.

Die von Ihrer Herrlichkeit erwählten Schiedsrichter waren Oberst Bouverie, Capitain Warren und Capitain Thornley, die ihres fröhlichen Mitbewerbers Lady Marian Harley, Mstrß. Gayville und Mstrß. Warren.

Die Opponenten in diesem Streit um den Vorrang der Wunderlichkeit mußten versprechen, darüber zu wachen, daß die Wettenden weder zu Bett gehen, noch selbst die Augen schließen durften bis zum nächsten Sonnenuntergang; daß Beide sich von Castle Cottage nach Marino begeben, und daselbst zwei Stunden lebhaft unterhalten, dann Arm in Arm nach Hastings gehen müßten, den ganzen Weg sprechend; hierauf zu einem öffentlichen Frühstück im Hause Ihrer Herrlichkeit; von dort um zwei Uhr zu Pferde nach Fairlight, woselbst sie ihre Erzählungen und Nachmachungen im Speisesaal geben, und sich von da nach dem Gasthof zum Schwan zum Mittagsessen verfügen sollten (welches Capitain Crosby zu diesem Zweck gab), hier die Gäste bis zu Sonnenuntergang zu unterhalten.

Da ihm eine Dame die Ehre erzeigt hatte, ihn zum Schiedsrichter in ihrer Sache zu erwählen, konnte Bouverie es nicht wohl abschlagen; doch wunderte er sich, daß Lady Marian ein so angreifendes und unweibliches Unternehmen billigte. Sein Erstaunen bemerkend, wußte sie indessen eine Entschuldigung vorzubringen, die ihm sogleich Schweigen auflegte. Da er genöthigt sei, sich so viele Stunden dieser Gesellschaft zu widmen, scheue auch sie keine Anstrengung, indem nur seine Gegenwart ihrem Dasein Reiz verleihe.

Dieser neue Zärtlichkeitsbeweis seiner Marian führte Bouverie zu einer traurigen Betrachtung über den Contrast zwischen der Liebe seiner Frau und seiner Geliebten; und indem er noch beschäftigt war, Lady Marian zur Göttin der Liebe zu erheben, indem er Adelaidens Gefühl für ihn als bloße Freundschaft bezeichnete, trat diese, von Capitain Hope begleitet, in das Gesellschaftszimmer, den hier versammelten Emigranten einen Höflichkeitsbesuch abzustatten.

Im Innersten der Seele verwundet, daß Montagu wegen Lady Marian seine achtbareren Gäste versäumt und sie, schüchtern und unerfahren wie sie war, allein gelassen hatte, die Honneurs eines Balls zu machen, den sie auf seinen Wunsch zur Unterhaltung ihrer Nebenbuhlerin gegeben, kam sie in das Zimmer; und unfähig, ihr Gefühl ganz zu verbergen, äußerte sich in ihrem Benehmen gegen Montagu eine gewisse Förmlichkeit, die er in eifersüchtiger Wiedervergeltung mit kalter, fast an Abneigung grenzender Zurückhaltung erwiederte.

Kaum im Stande, ihres Gatten herzzerreißendes Betragen mit Fassung aufzunehmen, lieh sie den Erzählungen von der extravaganten Wette nur ein unaufmerksames Ohr, bis sie hörte, daß Montagu zum unpartheiischen Theilnehmer an derselben aufgefordert war. Da machte plötzlich zärtliche Besorgniß dem Unwillen Raum; sie sah ihn unglücklich und leidend, und bat ihn in den weichsten Tönen sich solchen Fatiguen nicht auszusehen. Jeder Zweifel an ihrer Liebe schwand in der Seele des entzückten Bouverie, aber die schlaue Marian erinnerte ihn, seine Hand sanft drückend, an sein gegebenes Wort; und so mußte er ihren Bitten widerstehen, konnte ihr auch nicht in den Ballsaal nachfolgen, wie die übrige Gesellschaft, Lady Dinwood, Mstrß. Gayville und Capitain Warren ausgenommen, indem Lady Marian eine Ohnmacht erkünstelte, aus welcher sie nach geraumer Zeit erwachte, Bouverie leise zuflüsternd: ›daß der Schrecken sie überwältigt, indem der auf sie gerichtete Blick seines Weibes sie überzeugt habe, daß sie Argwohn gefaßt.‹

Lady Dinwood hatte sich unterdessen, da auch Mstrß. Gayville und Capitain Warren besondere, Geheimnisse abzusprechen, ebenfalls in den Ballsaal verfügt, und unterbrach jetzt die partie carrée, indem sie mit Capitain Crosby hineingewalzt kam, dem Herrn des Hauses zu erzählen, daß sämmtliche Gäste bis auf die bei der Wette Betheiligten und einige wenige Andre, fortgefahren wären. »Selbst der Herzog von St. Kilda und Capitain Hope haben sich entfernt,« fügte Lady Dinwood mit schlauem Lächeln hinzu, »um der holden Mstrß. Bouverie nicht hinderlich zu sein, die Erquickung eines balsamischen Schlafs zu suchen.«

Voll Scham und Reue sich eine so unverzeihliche Vernachlässigung gegen seine Gäste zu Schulden kommen zu lassen, sprang Bouverie verstört auf und wollte zu Adelaiden eilen; aber Marian hielt ihn zurück, bis ein elegantes Frühstück gebracht wurde. Doch als Adelaide auch hierbei nicht erschien, riß er sich gewaltsam von der Sirene los, und stürzte in den Ballsaal, wo er sie von einer kleinen Gesellschaft umringt beim Frühstück fand.

»Liebe Adelaide!« rief er ihr zu, »warum nehmen wir dieses Mahl nicht zusammen ein?«

»Ich glaubte,« erwiederte sie ernst, »Deine Gesellschaft zöge es vor, allein zu frühstücken, wie sie allein zu Abend speis'te.«

»Das ist eine Weisung für Sie, mein junger Freund!« sagte Oberst Redoubt, den ein Unfall mit seinem Wagen hier noch festgehalten. »Und wenn die Weiber auch wie die Engel aussehen, wissen sie uns unsern Lohn zu geben. Ja, wäre Lady Anna Redoubt hier, und ich hätte mich von meinem eigenen. Tisch entfernt, einigen flatterhaften Schönheiten nachzujagen, würde ich dieß Verbrechen gewiß lange büßen müssen. Die geringste Strafe wäre, daß sie sich wenigstens vier Wochen krank ins Bett legte (aus Anstrengung, der Unterhaltung bei Tafel allein vorstehen zu müssen), und daß ich ein Paar Aerzte und eine lange Apothekerrechnung zu bezahlen hätte.« –

»Ich gedenke meinen Mann dieses Mal noch nicht so hart zu bestrafen, da es sein erstes Vergehen ist,« erwiederte Adelaide lächelnd; »ich will mich nur einige Stunden zu Bette legen; mein Arzt, Apotheker und meine Wärterin soll der Schlaf sein, und die Rechnung nur in einem Gesundheitsschein bestehen.«

Montagu, der sich durch Adelaidens erste Antwort sehr gekränkt gefühlt hatte, vernahm jetzt ihre sanfte Erwiederung auf Oberst Redoubts Tadel mit Zerknirschung. Nicht wagend, die Augen zu ihr aufzuschlagen, bat er sie leise um eine Tasse Thee, die sie ihm mit eben so zitternder Hand reichte, als er sie annahm.

»Es geschah nicht freiwillig,« sagte Bouverie, nachdem er sich etwas erholt, »daß ich die Mehrzahl meiner Gäste verließ und Mstrß. Bouverie meinen Beistand entzog; während des Essens erforderte es der Anstand, und hernach ward meine Hülfe von Mstrß. Gayville und Lady Dinwood in Anspruch genommen, um Lady Lady Marian Harley aus einer gefährlichen Ohnmacht wecken zu helfen.«

»Lady Marian in Ohnmacht gefallen?« rief Lady Chatterfield mit ungläubigem Lächeln, da diese ihre Gunst durch mehrere Versuche, sie lächerlich zu machen, verloren hatte. »O, dann vermuthe ich, daß sie zu diesem Zweck heute Abend unterließ, Roth aufzulegen.«

»Lady Chatterfield,« sagte Bouverie vorwurfsvoll, ist es nicht feindselig, eine so boshafte Vermuthung auszusprechen?«

»Nein,«rief Lady Chatterfield, »ich übertrage Ihrer eigenen Vernunft meine Rechtfertigung, lieber Oberst. Wenn Lady Marian wirklich ohnmächtig wurde, konnte sie doch unmöglich in ihrem Vorsatz beharren, die ganze Nacht aufzubleiben und meine Nichte Dinwood morgen auf allen ihren wilden Streifzügen zu begleiten. Was sagen Sie, Mstrß. Bouverie, halten Sie es für möglich?«

»Ich halte es für unmöglich, über die Fähigkeiten Anderer urtheilen zu wollen,« entgegnete Adelaide, hoch erröthend über die an sie gerichtete unpassende Frage.

»Sie hat wahrscheinlich irgend einen Plan bei ihrem blassen Aussehen und niedergeschlagenem Wesen gehabt – vielleicht Jemanden zu rühren,« fuhr Lady Chatterfield fort. »Damen, die gewohnt sind, Roth aufzulegen, haben es in ihrer Gewalt, blühend und schmachtend auszusehen, je nachdem es die Umstände erfordern. Lady Marian wählte für den heutigen Abend die Geisterfarbe, während Oberst Bouveries Gehen und Kommen das Colorit auf seiner lieblichen Frau Wangen bestimmte. Ich muß gestehen, Oberst, es wundert mich nicht, wenn Sie verzogen sind. Wie könnte es auch anders sein bei einer Frau, die von Anbetern und Bewunderern umgeben, dennoch nur Augen und Sinn für Sie behält! O, Pfui! meine liebe Mstrß. Bouverie! Sie sollten von Ihrer Freundin Lady Marian lernen, keine solche Thörin zu sein, den eigenen Mann anzusehen!«

In diesem Augenblick trat Lady Marian, auf Capitain Warrens Arm gelehnt, herein, sich zu erkundigen, wie sich die schöne Frau vom Hause nach solcher Anstrengung befinde? Bouverie sprang sogleich auf, Ihrer Herrlichkeit seinen Platz neben Adelaiden überlassend, und eilte hinaus ins Freie, ungestört über Lady Chatterfields Worte nachzudenken.

Bis die Wagen gemeldet wurden, trieben die Wettenden ihr loses Spiel mit Bonmots fort, und Capitain Crosby erbot sich als Jäger die Spur des verloren gegangenen Bouveries aufzufinden, wozu er alle auf der Jagd vorkommenden Töne ungemein treu nachahmte, und sich hierbei von Lady Dinwood als Echo begleiten ließ.

So aus seinen Träumereien aufgeschreckt, kehrte Bouverie mit dem vollen Gefühl seines unverzeihlichen Unrechts gegen Adelaiden zurück. In demüthigendem Gefühl wahrer Reue wagte er nicht, ihre Hand zu berühren, so gern er sie auch zum Abschied umarmt hätte, und sprach nur stammelnd seine Hoffnung, sie morgen so bald als möglich in Hastings zu sehen, aus.

 


Zehntes Capitel.

Thränen des bittersten Schmerzes über die Gewißheit, ihren Gatten nie aus Marians Netzen befreien zu können, entstürzten Adelaidens Augen, als sie sich endlich allein sah; und erst spät fand sie die nöthige Ruhe. Die ängstlich besorgte Norah beobachtete ihren schweren Athem; und da sie beim Erwachen über heftige Kopfschmerzen klagte, bat die treue Pflegerin sie, den Plan, nach Hastings zu fahren, aufzugeben, und noch einige Stunden liegen zu bleiben.

»Dann muß ich aber eine Entschuldigung an Lady Longuiville schreiben,« sagte Adelaide; »aber nicht, daß ich unwohl bin, sonst möchte sich mein armer Montagu ängstigen.«

Das Billet wurde geschrieben, und nachdem sie noch einige Stunden einer erquickenden Ruhe genossen, fühlte sie sich stark genug, aufzustehen. Am Abend meldeten ein paar Zeilen von Lady Longuiville, daß sie zu spät von Hastings zurückgekehrt wäre, um noch bei ihr vorfahren zu können; daß die Wettenden ihren Kappen und Schellen die größte Ehre gemacht, aber von beiden Seiten solche Vollkommenheit in der Thorheit gezeigt hätten, daß die Wette bis jetzt noch unentschieden wäre. Die nähern Umstände würde sie wohl von Oberst Bouverie erfahren.

Aber Oberst Bouverie erschien nicht, ihr diese nähern Umstände mitzutheilen; denn unbekannt mit Adelaidens Unwohlsein, fühlte er sein Herz von Eifersucht zerrissen, daß sie sich durch Müdigkeit abhalten lassen, den Ort zu besuchen, woselbst er sich nothgedrungen aufhalten mußte, und sie zu sehen gehofft hatte. Lady Marians heiße Liebe und Adelaidens Gleichgültigkeit bildeten einen gefährlichen Contrast, dem zu Folge er sich auch im beleidigten Stolz leicht bereden ließ, die Nacht nicht nach Hause zurückzukehren.

Bouverie erwachte am andern Morgen so unglücklich, wie ein Mann sich fühlen muß, der durch Ehre, Mitleid und Dankbarkeit genöthigt ist, ein bereutes Vergehen fortzusetzen, und eine Leidenschaft zu erheucheln, die seinem Herzen nicht mehr natürlich ist. Denn Marian hatte seine Achtung verloren; und seine von Stunde zu Stunde abnehmende Neigung bewies deutlich, wie schwach und unhaltbar der Grund einer bloß abgöttischen Verehrung sei. Dazu vergiftete der Anblick des Generals seinen Frieden, und jedes freundliche Wort von ihm drang wie ein Pfeil in sein Gewissen.

Sein zerrissenes, von Reue gefoltertes Herz sehnte sich nach einer unauflöslichen Wiedervereinigung mit Adelaiden, deren Vorzüge und Tugenden im hellern Licht glänzten, je tiefer Lady Marian in seiner Achtung sank. Der eifersüchtige Zorn hatte längst einer schmerzlichen Sehnsucht Raum gemacht, und dieser nachzuhängen, stahl er sich gleich nach dem Frühstück von Marino fort, auf einem einsamen Spaziergang die Möglichkeit, sich von Marian loszureißen, zu überlegen.

Doch noch nicht weit gegangen, kam ihm diese, welche seine Flucht bemerkt hatte, auf einem Seitenweg entgegen, ihn mit Thränen beschwörend, sie nicht zu verlassen, nachdem er sie vom rechten Pfad geführt, und ihr eine kurze Unterredung zu gestatten, in welcher sie seine Großmuth in Anspruch nahm und ihn um einen neuen Geldzuschuß bat, ihrem Mann die Schande des Arrestes wegen einer Schuld zu ersparen, die sie aus schwacher Vorliebe für ihren Bruder diesem gegeben, statt sie zu bezahlen.

»O, mein Bouverie! mein angebeteter Bouverie! was soll aus mir werden, wenn Du mich nicht vom Verderben errettest!« fuhr sie fort, nachdem sie ihm den drohenden Brief des zudringlichen Gläubigers vorgelesen. »Und dieser Unverschämte ist der Bruder meiner Colemann, die in alle unsre unglücklichen Geheimnisse eingeweiht, meine Ehre in Händen hat.«

Blaß vor Entsetzen stammelte Bouverie sein Bedauern, ihr auf keine andre Art helfen zu können, als indem er von Neuem seine Zuflucht zu einem Wucherer nähme.

»Ach! mein Leben! meine Seele!« rief sie, ihre Arme um seinen Nacken schlingend und laut schluchzend, »muß ich denn, die ich mein Leben opfern möchte, Dich glücklich zu machen, zu Deinem Verderben beitragen! O, daß ich Dir gestattete, so große Summen für kostbare Geschenke für mich zu verschwenden? aber es geschah doch nur, um meine Gestalt in Deinen Augen noch reizender zu machen, und deshalb mußt Du mir den Wahnsinn der Liebe verzeihen.«

»Es betrübt mich, Ihren Schmerz noch erhöhen zu müssen, Marian,« entgegnete er; »aber ich kann nicht umhin, zu bemerken, daß es klüger von Ihnen gewesen wäre, mich unter solchen Umständen nicht zu veranlassen, einen Ball zu geben, und Ihnen den kostbaren Zobelpelz zu kaufen. Doch da das Geschehene nicht abzuändern ist, so benachrichtigen Sie den Gläubiger, daß er nächste Woche befriedigt werden soll; und gleich nach dem Adelaiden zu Ehren gegebenen Ball will ich nach London reisen, das Geld zu heben.«

Die Menschlichkeit gestattete es nicht, Lady Marian in diesem Zustand allein nach Marino gehen zu lassen; und dort angekommen, mußten Berathschlagungen wegen des Briefs an den groben Gläubiger gehalten werden; dann erforderte ihr Kummer und Gram den Trost des geliebten Bouverie, um sich zur Aufführung der Julie zum Abend zu stärken – und so ward Montagu durch Marians Listen den ganzen Tag von seiner Heimath zurückgehalten.

Bleich und niedergeschlagen, doch immer noch unbeschreiblich reizend und anziehend fuhr Adelaide, ihr Versprechen zu halten, mit Longuivilles, nach Marino. Ihr Herz sagte ihr zwar, daß der Kummer sich am besten zu Hause verberge; aber eine gewisse verzweifelte Festigkeit schien sie hinzutreiben zu dem Ort, wo sie ihren Gatten finden, und sehen sollte, wie er sich gegen sie betragen würde; zu erfahren, welche Entschuldigung er für seine zweitägige Abwesenheit anführen könnte und wollte; kurz, zu erforschen, ob noch Hoffnung für sie vorhanden sei.

Lady Marians Wünschen gemäß, war das Verlangen der Nachbarschaft, die Vorstellung zu sehen, so groß, daß das kleine Theater schon überfüllt war; Adelaide und ihre Gesellschaft fanden jedoch, in Folge Bouveries Fürsorge, vortreffliche Plätze gesichert.

»O!« rief ihr klopfendes Herz, »so dachte er doch an mich!« – In diesem Augenblick trat Montagu als Romeo in einem sehr wohlkleidenden Costüm auf.

Nur einen Blick gestattete ihr die zunehmende Bewegung ihres Innern auf ihn zu werfen; dann sank ihr Haupt auf die Brust herab, die vorquellenden Thränen zu verbergen. Sie bemerkte nicht, daß seine Augen sie suchten, daß er nur ihr zu gefallen, sie zu bezaubern, zu rühren strebte; und daß ihre niedergeschlagenen Augen von ihm als untrügliche Beweise ihrer Gleichgültigkeit betrachtet wurden. Daß ihr Unwille sich so weit ausdehnte, kein Interesse für seine Darstellung zu zeigen, reizte seine nimmer schlummernde Eifersucht; und er beschloß, sie nun auch keines Blicks zu würdigen, als durch die Ritzen des grünen Vorhangs, und den leidenschaftlichen Liebhaber Juliens mit Wärme zu spielen.

Nie gelang einem Schauspieler ein solcher Vorsatz besser; denn er vereinigte in seiner Person alle Haupterfordernisse eines vollkommenen Gentlemens und feurigen Liebhabers; und während seines natürlichen Spiels hörte man manchen Mund flüstern:

»Wie Schade, daß Mstrß. Bouverie nicht die Julie spielt!«

Lady Marian dachte bei der Darstellung dieses jugendlichen, enthusiastischen, leidenschaftlichen Charakters nur an den hohen Grad der Liebe, den er aussprach; und ihr Wunsch, in Bouveries Augen eine wahre Julie zu sein, ließ sie ihr Alter, ihre Gestalt, ihren Schönheitsstyl, alles so unpassend für diese jugendliche Verehrerin romantischer Liebe, vergessen. Und sie, die in der Rolle der Calista entzückt hatte, erregte nun das allgemeine Bedauern, daß solch ein Romeo keine andre Julie gefunden.

Adelaidens Empfindungen während der ersten vier Akte überwältigten fast ihre Festigkeit. Der Gedanke an ihre eigenen Leiden nahm ihr das Interesse an der Geschichte, und mit Wehmuth erinnerte sie sich des ersten Trauerspiels, das sie gesehen. Jede Liebesscene zwischen Montagu und ihrer Nebenbuhlerin erschien ihr als Wahrheit, und sie sagte zu sich selbst: »Sicherte er mir deshalb diesen alles überschauenden Platz, um mir die Gewißheit von dem Abfall seines Herzens zu geben?«

Endlich umschloß das Grab der Capulets die Gestalt der scheinbar todten Julie, und nun erst zeigte sich Montagu im tragischen Pathos wahrhaft groß. Wäre Adelaidens Herz nicht von den eigenen Leiden zerrissen gewesen, würde sie, wie manche andre anwesende Dame, dem unglücklichen Liebespaar mitleidige Thränen gezollt haben: so aber saß sie in schweigender, bewegungsloser Verzweiflung auf die Bühne starrend, bis Romeo mit dem natürlichen Grauen des täuschend dargestellten Todes zu Boden stürzte. Unbekannt mit solchen Scenen, keine Täuschung ahnend, und wenigstens eine Ohnmacht fürchtend, bei welcher er sich verletzt haben könnte, sprang die liebende Gattin entsetzt auf, ihm zu Hülfe zu eilen, und rief mit einem Ton, der in alle Herzen drang:

»O, Montagu!« dann verließen sie ihre Sinne, und sie fiel zurück in die offnen Arme des Herzogs von St. Kilda.

Adelaidens Ausrufung und das gleich darauf erfolgte Geschrei: »sie ist ohnmächtig geworden!« erweckte den Todten, und wie ein Rasender stürzte er in den Vordergrund, wo die Zuschauer saßen, auf Adelaiden zu, nahm ihre leblose Gestalt aus des bewegten Herzogs Armen und trug sie, von Longuivilles, dem Herzog, Monro und mehreren Officieren gefolgt, schnell vom Theater weg.

Oberst Lonsdale, der aufmerksame Souffleur, ließ sogleich den Vorhang fallen und Lady Marian wegführen, deren Zorn und Gram, von Romeo in diesem Augenblick verlassen, und um den Effekt der besten Scene gebracht zu werden, ihr einen wirklichen Anfall zuzog.

Adelaidens Ohnmacht dauerte lange genug, den Zuschauern zu beweisen, daß Bouverie bei der Wiederbelebung seiner Frau eben so thätig war, wie auf dem Theater, und daß sein Herz ihr und nur ihr allein gehörte; denn Niemand konnte eine zärtlichere Sorgfalt, mehr Angst verrathen als Montagu, wie er Adelaiden ohne Leben in seinen Armen trug, und ihr voll Entsetzen in das todtenbleiche Antlitz sah.

Endlich verkündeten die sich wieder röthenden Lippen, daß das Leben zurückkehrte; und als sie bald darauf die Augen aufschlug, und Lady Longuiville erblickend, plötzlich aus ihres Mannes Armen in die Höhe fuhr, rief sie im klagenden Ton: »O, sagen Sie mir, was meinem Gatten begegnet ist? wo Montagu ist?«

»Ihm ist nichts begegnet, meine Adelaide,« erwiederte Bouverie sanft, »als daß er sich über Deine Ohnmacht erschrocken hat.«

Beim Ton seiner Stimme wandte sie sich rasch um; und nachdem sie sich überzeugt, daß er keinen Schaden bei der unglücklichen Catastrophe genommen, brach sie in einen Strom freudiger Thränen aus, und verbarg ihr Gesicht an seinem Busen. Doch sich erinnernd, daß sie viele Zuschauer hatte, erhob sie sich erröthend, trocknete ihre Thränen und entschuldigte sich, so viel Unruhe und Verwirrung hervorgebracht zu haben.

»Wenn ich mich nicht irre,« fuhr sie fort, »so war Julie nicht gestorben, als ich diesen Aufstand verursachte, und wird mir die unangenehme Unterbrechung nicht verzeihen. Deshalb bitte ich Dich, lieber Montagu, zurückzukehren und die Vorstellung zu beenden. Ich fühle mich wohl genug, bis zu Sir Charles Wohnung zu gehen, und dort meinen Wagen abzuwarten; nicht aber stark genug, Dich heute Abend, oder je wieder spielen zu sehen, indem Dein Spiel zu natürlich für meine Nerven ist.«

Indem kam Thornley vom Souffleur abgeschickt, sich zu erkundigen, ›wie sich Mstrß. Bouverie befinde? und ob der Oberst seine Rolle ausspielen, oder sie lesen lassen wollte?‹

»Sie muß gelesen werden,« entgegnete Bouverie, voll Verlangen, sich von der ganzen Welt, nur nicht von Adelaiden loszumachen.

Aber Monro versicherte, daß keine Nothwendigkeit vorhanden, die Unterhaltung des Abends zu stören, da Mstrß. Bouverie keinen Rückfall zu erwarten habe. Er rieth ihr, nach Hause zu fahren, sobald ein Wagen aufzutreiben, sich zu Bette zu legen und ein beruhigendes Mittel zu nehmen, was er ihr gleich schicken wolle. Da Bouverie wohl fühlte, daß ihr seine Begleitung die vorgeschriebene Ruhe rauben würde, indem er nach dem unzweideutigen Beweis ihrer Liebe keinen Augenblick mit ihr allein sein könnte, ohne ihr das schwer auf seinem Herzen lastende Geheimniß ihres beiderseitigen Unglücks zu verrathen, verließ er sie nach einem zärtlichen Händedruck, den sie in Folge des Irrwahns seiner Bereitwilligkeit, zu Lady Marian zurückzukehren, kalt erwiederte. Nicht erfreut über diese Laune, obgleich sich wohl bewußt, oft das böse Beispiel dazu gegeben zu haben, entfernte er sich, Toilette zum Sir Charles Racket Dies war die Hauptfigur in » Three Weeks after Marriage« (1776), einer viel gespielten Komödie des irischen Schriftstellers Arthur Murphy (1727-1805). zu machen, welche Rolle wohl nie von einem Unglücklichern gespielt worden war.

Lady Longuiville war nicht zu bewegen, zur Vorstellung zurückzukehren, so lange Adelaide noch in Marino blieb, welche jedoch bald von Ihrer Herrlichkeit Haushälterin begleitet, in Sir Charles Equipage nach Castle Cottage fuhr.

Hier angekommen, säumte sie nicht, Monros Rath zu befolgen und sogleich zu Bette zu gehen, indem sie sich sehnte, die eben erlebten Scenen ohne Unterbrechung an sich vorübergehen zu lassen. Aber Monros narkotisches Mittel unterbrach diese wachenden Träumereien, und nur im Schlaf sah sie noch den bezaubernden Romeo, die gefürchtete Julie, bis sie früh sieben Uhr die Augen aufschlug und Montagu an ihrem Bett gewahrte, der mit dem zärtlichsten Ausdruck nach ihrem Befinden forschte.

Bouverie blieb auf Monros Verordnung im Reich der Versuchung, wo ein fröhliches Abendessen, erheiternder Champagner und Lady Marians Zauberkünste ihn abermals Adelaiden vergessen machten. Aber kaum in seinem eigenen Zimmer wieder zur Besinnung gelangt, gedachte er des reinen Kindes der himmlischen Unschuld, das, vernachlässigt von ihm, zu Hause schlummerte, oder seine Abwesenheit beweinte; und dieses Bild verließ ihn nicht. Nachdem er eine volle Stunde zugebracht, einen möglichen Plan zu ersinnen, sich von Lady Marian loszureißen, und in sein verlorenes Paradies, zu Adelaiden zurückzukehren, beschloß er gleich nach dem Regimentsball mit der Postkutsche von Hastings nach London zu fahren, und dort Mellifort hinzubescheiden, mit ihm die beste Art und Weise zu überlegen, von Lady Marian loszukommen.

Erschöpft sank er endlich auf sein Lager und in einen tiefen Schlaf; doch auch hierin noch vom Elend verfolgt, indem er Adelaiden von sich weg in die Arme des Herzogs von St. Kilda fliehen sah, der mit ihr in einem Boot versank. Ein lauter, durchdringender Schrei weckte ihn; und fest überzeugt, daß Adelaiden eine Gefahr drohe, sprang er rasch auf, kleidete sich an und lief, über Hecken und Graben setzend, seiner Wohnung zu, wo er Dennis beschäftigt fand, die Fensterladen zu öffnen.

Das Aussehen des treuen Dieners war zwar ernst, aber doch nicht beunruhigend, und so wagte Bouverie, mit zitternder Stimme nach seines Weibes Befinden zu fragen.

Dennis berichtete, daß der Liebling auf Herrn Monros Arznei geschlafen, aber doch keine ruhige Nacht gehabt habe, indem sie des Herrn Obersten Namen beständig gerufen, als ob sie ihn aus den Klauen des Unglücks habe reißen wollen.

Mehr bedurfte Montagu nicht zu wissen, um sich leise an Adelaidens Bett zu schleichen, ihren Schlaf zu belauschen.

Als sie, die schönen Augen aufschlagend, ihn gewahrte, der ihren Traum beschäftigt hatte, überflog ein hohes Roth die eben noch so blassen Wangen, und sie versicherte, sich vollkommen wohl genug zu fühlen, um mit ihm frühstücken und in die Kirche zu gehen; und da Longuivilles Adelaidens kleine abgelegene Kirche auch zu besuchen pflegten, riefen sie sie jetzt auf ihren Weg dahin ab, und waren sehr erfreut, Bouverie von der Parthie zu finden. Als dieser nun nach beendetem Gottesdienst erklärte, daß er seiner Frau nicht erlauben könne, nach ihrem gestrigen Unfall heute mit aufs Fort nach Hastings zu gehen, sagte Longuiville:

»Aber Ohnmachten pflegen den schönen Damen ihre Kräfte nicht zu rauben, Oberst Bouverie; wenigstens leistete Lady Marian Harley nach ihrer schrecklichen Ohnmacht in Castle Cottage mehr als ein Dragoner von Bexhill vermocht hätte.«

Montagu erröthete; da er aber nächst der Besorgniß, Adelaiden zu sehr anzustrengen, auch noch fürchtete, mit Lady Marian in Hastings zusammen zu treffen, und von ihr wieder entführt zu werden, blieb er bei seinem Vorsatz, und beschloß sogar, ihren wahrscheinlichen Botschaften durch eine lange Spazierfahrt mit Adelaiden zu entgehen. Vorher aber nahm er dankbar Lady Longuivilles Einladung zu einem frugalen Mittagsessen en famille an, indem er versicherte, Trost in dem Gedanken zu finden, seine kleine Novize in Trauerspiel-Catastrophen den Abend in so erheiternder Gesellschaft zu wissen, während er leider genöthigt sei, Oberst Lonsdale und Capitain Warren zu einer Besichtigung militairischer Werke zu begleiten, wohin sie sich schon den Abend vorher begeben müßten, die Arbeiter mit Anbruch des Tages anzuweisen.

Adelaide konnte dem Drang nicht widerstehen, im Verlauf ihrer Spazierfahrt darüber zu klagen, daß Capitain Cliffs längeres Ausbleiben Bouverie zu so großen Anstrengungen veranlaßte.

»Wenn Du meine bisherigen Anstrengungen schon so sehr beklagst, liebe Adelaide,« entgegnete er verlegen, »thut es mir leid, Dir noch mehr Sorge zu machen durch das Geständniß, daß ich mich zu einem Ausflug nach London genöthigt sehe, wegen – wegen unserer Haushaltsausgaben, und um unsern letzten Ball zu berichtigen.«

»Der Ball ist schon berichtigt, Montagu.«

»Berichtigt!« wiederholte Bouverie erstaunt und erschrocken; »meine Adelaide war doch hoffentlich nicht so unvernünftig, ein Capital zu kündigen, um meine unverantwortliche Thorheit, die frivolen Forderungen der Damen in Marino zu erfüllen, zu befriedigen?«

»Erschrick nur nicht,« erwiederte sie lächelnd, »da es mir nichts als eine längst bereute unnöthige Ausgabe kostete. Eine ganz unwichtige Sache.«

»Warum sie vor mir verbergen, meine geliebte Adelaide?«

»O, über die neugierigen Männer. So wisse denn, daß ich gleich nach meiner Ankunft hier von Mstrß. Harper in Versuchung geführt wurde, 90 Pfund für einen wunderschönen schwarzen Zobelpelz zu geben.«

Bei Erwähnung des Zobelpelzes fuhr Bouverie so sehr zusammen, daß die Pferde sich in Folge des heftigen Anziehens der Zügel bäumten, worüber Adelaide Montagus Bewegung nicht bemerkte.

»Es traf sich,« fuhr sie fort, »daß mir Mstrß. Harper vor vierzehn Tagen sagte, wenn ich meinen Pelzhandel bereute, wäre der Kaufmann erbötig, die Waare zurückzunehmen, indem ihm so eben 100 Guineen dafür von einer Dame geboten worden wäre, die sie ihm früher nicht hätte abnehmen wollen. Da ich nun den Ball zu geben beabsichtigte, vertauschte ich den Zobel gern gegen meine willkommenen 90 Pfund, welchen der Pelzhändler jetzt für 110 Guineen an die alberne Lady verkaufte, die ihm schnell noch 10 Guineen mehr geboten hatte, mich auszustechen.«

Bouveries Verlegenheit und Verwirrung bei dieser Erzählung ward endlich so bemerkbar, daß Adelaide plötzlich errieth, wer die Dame und wer der Käufer sei; und obgleich sie aus dieser sichtlichen Verlegenheit die Hoffnung schöpfte, daß er nicht gewußt, wem der Zobel gehört, als er ihn für diese unwürdige Frau gekauft, betrübte es sie doch, zu finden, daß Lady Marian Mann und Frau zu ihrem eigenen Vortheil betrogen habe.

Zu Hause angekommen, freute sich Montagu, aus dem Wege gegangen zu sein, indem Lady Marian mit ihrem Anhang da gewesen war, Mstrß. Bouverie ihren Besuch abzustatten, hierauf Major Gayville mit einem mündlichen Auftrag und zuletzt Fitzpatrick mit einem Billet geschickt hatte, worin es hieß: ›daß der General Oberst Bouverie bei einem wichtigen Geschäft brauche, weshalb dieser in Marino zu Mittag essen müsse.‹

»Muß!« wiederholte Montagu mit Stirnrunzeln; »warum mich nicht lieber gleich als ihren Sklaven an die Kette legen?«

Während dem unterhaltenden Mittagsmahl bei Sir Charles Longuiville fühlte sich Bouverie so frei von jeglichem Zwang, und zeigte sich so ganz in seiner frühern Liebenswürdigkeit, daß die kleine Gesellschaft Thornley mit Bedauern ankommen sah, welcher meldete: ›daß der General den Oberst augenblicklich zu sprechen wünsche, wegen –‹

»Sie sind der gehorsamste Officier in ganz Europa, Bouverie!« rief Sir Charles, »Ihre Frau zu verlassen, ohne ein Dutzend Donnerwetter auf des Generals Haupt zu wünschen, nachdem Sie einen solchen bedauernden Blick erhalten! Ich erkläre, wenn Louise mich nur halb so betrübt ansähe, sie nicht zu verlassen, bis mich ein ganzes Regiment von ihrer Seite risse.«

»O,« sagte Adelaide erröthend, »mein bekümmerter Blick bezieht sich nur darauf, daß Montagu noch nicht von den Folgen seiner schrecklichen Krankheit in Malta hergestellt ist, und ich mich darüber betrübe, ihn nie ordentlich warten und pflegen zu können.«

»Befolgen Sie meinen Rath,« sagte Lady Longuiville, »und entführen Sie ihn auf irgend ein einsames Schloß. – De Moreland paßt nicht wegen seiner Nähe bei einem Badeort, und weil es nicht befestigt ist. Ich habe eins in Yorkshire, was zu Ihren Diensten steht; dort zähmte ich Sir Charles, und verwandelte ihn in das lenksame Geschöpf, was er nun ist.«

»O, ich war immer zahm und lenksam,« entgegnete Sir Charles, ihr freundlich zulächelnd.

»Du warst so wild wie ein Waldmann, und so unregierbar wie der Wind, bis ich Dich in mein entlegenes Schloß einsperrte.«

Indem verkündete Thornley, daß er Warren mit einer neuen Botschaft ankommen sähe, weshalb er dringend bäte, ihm nicht der Schande Preis zu geben, für einen erfolglosen Merkur zu gelten, worauf Montagu sich mit Widerstreben von seiner Gesellschaft trennte, und mit Thornley nach Marino zurückkehrte, Lady Marians Klagen über seine lange grausame Abwesenheit erst anzuhören, bis sie ihm gestattete, mit Oberst Lonsdale und Capitain Warren zur Besichtigung abzugehen.

 

Adelaide erwachte am folgenden Morgen, gestärkt durch einen ruhigen Schlaf und in der schönsten Erwartung künftigen Glücks. Sie zögerte mit dem Frühstück, bis Richard mit den Pferden und einem Brief seines Herrn zurückkehrte, worin dieser berichtete, daß er so eben erst von seiner Inspektion zurückgekehrt sei, über welche er dem General einen so ausführlichen Bericht abzustatten habe, daß er sich genöthigt sähe, bis Nachmittag in Marino zu bleiben.

Obgleich Bouverie durch manche Gründe verhindert worden war, seine neu aufkeimende Neigung für Adelaiden mündlich auszusprechen, hielt ihn doch nichts ab, es schriftlich zu thun; und so legte er in dieses billet-doux, das erste, was sie von ihm erhalten, so viel Zärtlichkeit, daß sie im beseligenden Gefühl seiner wiedererlangten Liebe alle frühern Beleidigungen, allen frühern Gram vergaß, und Gott inbrünstig um die Erhaltung solches Glücks bat.

Bouverie ward ganz gegen seinen Willen durch Lady Marians Künste und Listen so lange in Marino zurückgehalten, daß er nur noch so viel Zeit behielt, seine eigene Toilette zu dem Ball zu machen, und keinen Besuch in Adelaidens Ankleidezimmer abstatten konnte.

Da dieser prächtige Ball unserer Heldin zu Ehren gegeben wurde, revangirte sie sich für diese schmeichelhafte Aufmerksamkeit durch den kostbarsten Anzug, welcher in einem ihr von Montagu geschenkten Spitzenkleide, mit herrlichen Brillanten verziert, bestand. Aber ihre vor Freudigkeit glänzenden Augen überstrahlten die Edelsteine; und als sie Bouverie erröthend wie eine Braut entgegentrat, glaubte er, sie nie so schön gesehen zu haben und schloß sie, Norahs Gegenwart unbeachtend, wie ein feuriger Bräutigam an seine klopfende Brust.

 


Eilftes Capitel.

Zwei Dragoner zu Pferde begleiteten den Wagen zu dem Ort seiner Bestimmung, eine Aufmerksamkeit, welche die Wirthe dieser splendiden Fête allen weiblichen Gästen erwiesen, da die eigens zu diesem Zweck errichteten Räume, in einem romantisch abgelegenen Platz aufgeschlagen, ohne solche Hülfe wohl nicht leicht zu finden waren.

Auf dem Weg dahin fühlte sich Bouverie so zu Adelaiden gezogen, so frei von Marians verderblichem Einfluß, daß er sie darauf vorbereitete, ihr bei nächster Gelegenheit ein Bekenntniß zu machen, was alle Güte und Nachsicht ihrer Liebe erforderte, um ihm Verzeihung zu gewähren.

»Wenn diese Gelegenheit kömmt,« sagte Adelaide, »kann ich Dir das peinliche Geständniß vielleicht durch das Gegenbekenntniß ersparen, schon lange den innigsten Antheil an dem schweren Gram genommen zu haben, der Dich bedrückt, an der unglücklichen Ursache, die mir Deine Liebe entzog. Meine Vergebung ist Dir längst zu Theil geworden, Montagu; und so bleibt Dir nur zu erforschen, wie es mir gelang, Dein trauriges Geheimniß zu entdecken.«

»O, mein gütiges, barmherziges Weib!« rief Bouverie, sein vor Scham und Reue glühendes Angesicht an ihrem Busen verbergend, »ist es möglich, kannst Du mir wirklich alle meine Vergehungen verzeihen?«

»Lieber Montagu, heute will ich nichts sagen, was Dich aufregen kann. Bedenke, wohin wir fahren, daß wir als Braut und Bräutigam alle Blicke auf uns ziehen.«

»Ach!« seufzte Bouverie, »morgen kann ich nicht bei Dir sein!« und nun erzählte er ihr, daß er vom Ball gleich nach Hastings fahren müsse, dort mit dem Postwagen nach London zu gehen.

»Solche Anstrengung nach dem Ball wird Dich ganz erschöpfen,« sagte Adelaide traurig; »und muß ich Dich denn in dem Augenblick wieder verlieren, wo eine neue Sonne über mein eheliches Glück aufzugehen scheint!«

Bouverie fühlte sich mächtig ergriffen von ihren sanften Klagen; doch fest in dem Vorsatz, Lady Marian diesen letzten Liebesdienst zu erweisen, suchte er Adelaiden über ihre Sorgen hinsichtlich seiner Gesundheit zu beruhigen, und beschwor sie, ihm nach London zu folgen, sobald er sie darum bitten würde. Seine Absicht war, nachdem er Geld aufgenommen, sich Urlaub auf zwei Monate auszuwirken, und dann mit Adelaiden nach Schloß De Moreland zu fliehen, welcher Plan sie mit der höchsten Freude erfüllte.

Jetzt erblickten sie das magische Land ihrer Bestimmung vor sich; und da Montagu keine Gelegenheit voraussah, Abschied von Adelaiden zu nehmen, ehe er nach London reiste, schloß er sie zärtlich in seine Arme, und hielt sie so lange und fest umfangen, als ob er die fürchterliche Trennung geahnet, die ihnen bevorstand.

Ueber eine schöne, zu diesem Feste errichtete und mit unzähligen bunten Lampen erleuchtete Brücke, gelangten sie zu einem romantisch gelegenen Hopfenfeld, durch welches ein Fahrweg sich sanft hinaufschlängelte zwischen malerischen Bogengängen, deren Pfeiler von Hopfen umwunden, und mit den verschiedenartigsten Lampen erleuchtet waren. Dieser Schlangenweg endete in einem breiten Gang vor einem herrlichen Tempel von maurischer Bauart, glänzend von Außen illuminirt, auf jedem Minaret die Buchstaben: » A. B.«

Das Innere des Gebäudes war in dem prächtigsten Styl, übereinstimmend mit der äußern Bauart, durch eine Reihe geschmackvoller Zimmer zum Ball eingerichtet; und überall, wo es am meisten Effekt machte, sah man den Namenszug unsrer Heldin von Liebesgöttern und Grazien umgeben.

Zwölf Bedienten in reicher Livree, vom Herzog von St. Kilda zu diesem Zweck aus der Stadt verschrieben, nebst sechs aus Sir Charles Longuivilles Dienerschaft, warteten in der Vorhalle, und die sechs Haushofmeister des festlichen Abends empfingen die blühende Braut und führten sie zu Lady Longuiville, welche reich gekleidet, die Honneurs des glänzenden Festes machte.

Die ganze Gesellschaft von Adelaidens Ball so wie noch mehrere andre achtbare Familien aus der Nachbarschaft waren eingeladen, so daß sich eine sehr große Versammlung zusammen fand.

Obgleich Lady Marian Harley beschlossen hatte, spät zu kommen, verlangte Lady Dinwood doch, früh zu erscheinen, um den Triumph und das Erstaunen über ihre Excentricitäten länger zu genießen; und so fuhr sie in ihrer eigenen Equipage, von Mstrß. Warren, Capitain Crosby und Capitain Thornley begleitet, hin. Wirklich führte sie auch ihr Vorhaben, Aufsehen zu erregen, auf eine so auffallende Weise aus, daß Sir Charles ihr eine andre Beschäftigung zu geben, sich beeilte, den Ball mit der Heldin des Tages zu eröffnen.

Erst während des dritten Tanzes, als Adelaide mit dem liebekranken Herzog von St. Kilda und Montagu mit Miß Longuiville angetreten waren, erschien Lady Marian, glänzend in aller natürlichen und erborgten Schönheit, geschmackvoll und verführerisch gekleidet, sanft und schmachtend im Betragen, fest entschlossen, die Flamme wieder anzufachen, die sie einst in Bouveries Busen entzündet. Aber weder ihre Schönheit, noch Schmachten vermochten seine Aufmerksamkeit zu fesseln; der Zauber war verschwunden, der ihn gefangen gehalten; sie hatte seine Achtung durch ihr Heraustreten aus dem heiligen Tempel, worin seine Einbildungskraft sie eingeschlossen, verloren; und so wandte er den Blick von ihr weg zur Unschuld und Bescheidenheit, zu Adelaiden.

Zu spät erkannte Lady Marian ihre Unvorsichtigkeit, dem Geliebten den wahren Charakter ihrer Leidenschaft gezeigt zu haben. Der verlorene Grund und Boden mußte wieder gewonnen werden, kostete es auch noch so viel. Dieser Vorsatz stand fest, und ihn auszuführen, beschwichtigte sie den innern Sturm des Neides, der Eifersucht und Wuth, und nahm den äußern Schein stiller Ergebung und Reue an.

Bouverie, welcher nur tanzte, sich selbst zu vergessen, konnte nicht umhin, Lady Marian aufzufordern; und noch hatte sie ihren Einfluß über ihn nicht ganz verloren. Denn so unwürdig er sie auch erkannte, mit Adelaiden in die Reihen zu treten und sie, wie sie es that, freundschaftlich anzureden, wußte sie doch sein Mitleid von Neuem rege zu machen, und ihn dahin zu bringen, daß er seiner letzten Ueberzeugung von der Unreinigkeit ihres Herzens entsagte.

Adelaiden, die Hochgefeierte, Geschmeichelte, von Bewunderern und Anbetern Umringte, in seinen Augen verdächtig zu machen, war ihr Bestreben während dieses Tanzes; doch obgleich sie sein Herz durch ihre Bemerkungen und Einflüsterungen zerriß, vermochte sie seinen Glauben an Adelaidens Tugend und Liebe nicht wankend zu machen.

Der Herzog von St. Kilda hatte sein zweites Engagement schlau so einzurichten gewußt, daß das wahrhaft fürstliche, mit der größten Eleganz und selten übertroffenem Geschmack servirte Abendessen gleich darauf folgte, wodurch ihm Adelaidens Nachbarschaft während desselben gesichert wurde. Nicht so glücklich war Lady Marian, die trotz alles Manoeuvrirens nur so viel erlangte, in Montagus Nähe zu kommen, wo sie ihre ganze Beredsamkeit erschöpfte, ihre Umgebungen durch den Zauber ihrer Unterhaltung zu fesseln; aber diese Anstrengung gelang nicht; denn Adelaide war die Heldin des Tages, hatte als eine vernachlässigte Frau Mitleid erweckt, und in den Herzen der Männer den Wunsch rege gemacht, die Veranlassung dieser Vernachlässigung gänzlich unbeachtet und unbewundert zu lassen.

Montagu fühlte sich unbehaglich und traurig; er hätte unverheirathet sein mögen, um als Liebhaber neben Adelaiden sitzen zu können. Ihr Benehmen war so zart und schicklich wie möglich; demohngeachtet zürnte er jedem Mann, mit dem sie freundlich sprach; und mit großer Freude sah er die Damen aufstehen, und in den Ballsaal zurückzukehren; aber sie steigerte sich zum Entzücken, als Adelaide. anscheinend unbefangen sich ihm näherte, und so geschickt, wie es Marian kaum gekonnt, sich an seinen Arm hing und ihn, einen willigen Gefangenen, von der wüthenden Marian Seite wegführte, welche innerlich den Schwur that: dieser Abend sollte der letzte sein, den Bouverie mit Adelaiden vereint zubrächte. – »O, Montagu!« hörte sie Adelaiden flüstern, als sie dem zärtlichen Paar leise nachschlich, »wie wünsche ich, doch immer auf dem Ball unverheirathet zu sein, um mit dem Manne tanzen zu können, von welchem mich der lästige Gebrauch trennt.«

Montagu versicherte, denselben Gedanken schon gehabt zu haben.

»Leider werde ich vor. Donnerstag Morgen keine Nachricht von Dir bekommen können,« sagte Adelaide. »Welch eine Ewigkeit für meine Sorge, wie Du die Anstrengung der Reise nach einem solchen Feste bestehen wirst!«

»Du sollst durch die Post Mittwoch Abend von mir hören, geliebte Adelaide,« erwiederte er mit zärtlichem Blick und Ton; »und dann hoffe ich, Dir den Sonntag schreiben zu können, welchen Tag ich Dich in London erwarte.«

»Dieser Tag wird, Dank sei es meiner Rache, nie anbrechen!« murmelte Lady Marian, kaum fähig, ihren Zorn zu bemeistern.

»Keine Stunde werde ich säumen, wenn Du mich zum Kommen aufgefordert hast, mein theurer Montagu,« erwiederte Adelaide.

Jetzt hatten sie die schön erleuchtete Vorhalle erreicht, und Montagu führte sie in eins der Spielzimmer, sich dort ungestört mit ihr zu unterhalten, bis die Herren vom Speisesaal zurückkehrten, den Tanz zu erneuern; aber Lady Marian gestattete dieses Alleinsein nicht lange, und brachte eine Menge Damen, Lady Dinwood an der Spitze, herein, welche blieben, bis die Tänzer erschienen, sie abzuholen.

So lange Adelaide auch gezögert hatte, ein Zeichen zum Aufbruch zu geben, mahnte sie doch endlich die Stunde zur Abfahrt in die Stadt an die unvermeidliche Trennung; und nachdem sie ihren gütigen Wirthen mit der holdesten Anmuth für die ihr erwiesenen Artigkeiten gedankt, fuhr sie, von Thränen und traurigen Vorgefühlen übermannt, ihrer Wohnung zu, während Bouverie sich mit schwerem Herzen auf den Weg nach Hastings begab.

 

Nachdem Adelaide den folgenden Morgen mit Vorbereitungen zu ihrer baldigen Reise nach der Hauptstadt zugebracht, fuhr sie zu Lady Longuiville, wo sie die Haushofmeister des gestrigen Balles fand, und den Tag so vergnügt zubrachte, als es in Montagus Abwesenheit möglich war. Doch noch vor Anbruch der Dunkelheit sah die Gesellschaft mit Erstaunen Major Gayville nüchtern hereintreten.

»Wie geht es zu?« riefen ihm mehrere Stimmen zu; »ist der General krank, daß Sie so bald aufgebrochen sind?«

»Nein, aber Lady Marian;« entgegnete der Major.

»Ihre Herrlichkeit erkältete sich doch nicht auf unserm Ball?« fragten die Herren mit höflicher Besorgniß.

»Ich vermuthe, sie holte sich ihr Leiden dort,« erwiederte der Major mit schlauem Lächeln; »der General ist aber so ängstlich über die Möglichkeit, seine schätzbare Frau zu verlieren, daß er ihr nicht erlaubt hat, das Zimmer zu verlassen, und auf der Stelle einen Boten absandte, Lord und Lady Ixworth zu holen, während er sich selbst zu Allem unfähig fühlt, und mich deshalb beauftragte, die morgende Musterung abzusagen.«

Der Ton und die Mienen, womit diese Worte gesprochen wurden, verriethen etwas Verdächtiges, worüber mancherlei Vermuthungen entstanden, die jedoch aus Mitleid mit Adelaiden nicht laut wurden.

Doch selbst beunruhigt durch des Majors spöttisches Lächeln, fürchtete sie einen Ausbruch der Eifersucht des blinden Generals, welcher ihr zu feindseligen Angriffen auf Montagus Leben verleiten könnte. Von solchen Besorgnissen erfüllt, kehrte sie nach Castle Cottage zurück, woselbst sie eine schlaflose, sorgenvolle Nacht zubrachte, und mit Anbruch des Tages einen neuen Schreck erlebte, indem General Harley, einem Wahnsinnigen ähnlich, ins Zimmer stürzte, wild ausrufend:

»Wo, wo ist der Verräther, Ihr verfluchter Mann?«

Adelaide prallte entsetzt zurück, indem sie versicherte, auf eine solche Frage nicht antworten zu können.

»Keine andere Sprache werden Sie von einem beleidigten Ehemann hören,« erwiederte er, heftig mit dem Fuße stampfend; »und Sie verdienen nichts anderes zu hören, da Sie Theil an Ihres teuflischen Mannes Schuld haben, ihn durch Ihre Schwäche, Ihre unverantwortliche Nachsicht in seinem Verbrechen bestärkten. Sie konnten wissen, daß er am Ziel seiner verführerischen Absichten war.«

»Es ist eine falsche Beschuldigung, Sir!« rief Adelaide zum ersten Mal in ihrem Leben in einem fast zur Wuth gesteigertem Zorn; »Bouverie ist kein Verführer – kein Verbrecher. – Schrecklicher Mann! elender Verläumder! mit meinem Leben hafte ich für die Ehre meines angeklagten Gatten.«

»Verläumder!« wiederholte der General heftig. »Ich habe Zeugen. Eine ganze Menge Spione, aufgestellt von meinen Freunden Gayvilles, können sein Verbrechen und meine Schande bezeugen; und ist sie nicht zu ihm geflohen?«

In diesem Augenblick kamen Sir Charles und Lady Longuiville eiligst herein. »Gott!« rief Ersterer, »er ist schon vor uns hier!«

Adelaide fiel ihrer Freundin weinend um den Hals, und sagte:

»O, retten Sie mich, retten Sie mich aus den Händen dieses grausamen Mannes, der mir schreckliche Dinge von meinem Gatten sagt! Montagu beging nimmer ein Verbrechen, Lady Longuiville! und doch wird er dessen beschuldigt.«

»Ich will ihn vor der ganzen Welt einen Elenden nennen!« rief der General mit wüthender Geberde.

»Mein lieber General,« sagte Sir Charles, ihn freundlich bei der Hand fassend, »bedenken Sie, wo Sie sind; und daß, wenn sich das Gerücht bestätigt, dieses liebenswürdige junge Geschöpf eben so viel leidet wie Sie, und daß es Grausamkeit ist, seinen Gram zu vermehren.«

Dieß war das erste begütigende Wort, was der unglückliche Gatte gehört, seit ihm die Nachricht von seines Weibes Flucht hinterbracht worden, da er nur Gayvilles und Adelaiden gesehen. Er sank erschöpft auf einen Stuhl, verhüllte sein Gesicht mit den Händen, und rief laut schluchzend:

»Das Weib, was ich vergötterte! Der Freund, dem ich vertraute! Wie grausam haben sie mich betrogen!«

Lady Longuiville überredete Adelaiden, den armen General Sir Charles Obhut zu überlassen und mit ihr in ihr Ankleidezimmer zu gehen.

Hier angekommen, versiegten ihre Thränen, und im Ton des Vorwurfs sagte sie: »Ach, Lady Longuiville! ich sehe, Sie und Sir Charles zollen den schrecklichen Gerüchten Glauben; aber, ich beschwöre Sie, thun Sie es nicht. Er ist ja so gut; ich kenne ihn von seiner frühesten Jugend, und weiß, daß nie ein besseres, vollkommneres Herz die Brust eines Sterblichen schmückte. Daß er diese bezaubernde Lady Marian lange liebte, war sein Unglück; aber er besiegte endlich zu seinem Ruhme diese unglückliche Leidenschaft, und beging kein Verbrechen, wie ihn der General beschuldigt. Ach! wenn Sie wüßten, wie unaussprechlich elend ihn diese verderbliche Leidenschaft gemacht, Sie würden ihn mit mir bedauern.«

»Ich hoffe, liebe Mstrß. Bouverie, daß er Ihr Mitleid verdient, und das Gerücht ungegründet ist,« sagte Lady Longuiville theilnehmend.

»Ich stehe mit meinem Leben dafür,« rief Adelaide begeistert, »ich habe Gründe dazu, da mein armer, verläumdeter Montagu von hier wegging, Vorbereitungen zu unserer Reise nach Schloß De Moreland zu treffen. Sollte ihm Lady Marian wirklich nachgefolgt sein, so geschah es gewiß ohne sein Wissen; und was das schreckliche Verbrechen betrifft, wovon diese Zeugen sprechen, so erkläre ich alles für Maschinerie einer schändlichen Verschwörung, große Summen zu erpressen, um den General zu retten, der, wie ich Ursache zu glauben habe, ein ruinirter Mann ist.«

»Es ist nicht wahrscheinlich, daß Lady Marian sich auf Kosten ihres eigenen Rufs in eine Verschwörung einlassen sollte, des Generals Vermögen zu retten,« bemerkte Lady Longuiville traurig.

»Ich weiß nur, daß Montagu daran unschuldig ist, daß sie ihm in die Stadt nachfolgte,« schluchzte Adelaide bei der Erinnerung, daß Bouverie ihr gestanden, er habe ihr ein Bekenntniß abzulegen, welches zu vergeben, sie ihrer ganzen Güte und Nachsicht bedürfte. »Aber erzählen Sie mir Alles, liebste Freundin!« fuhr sie fort, »ich muß wissen, wessen mein Gatte beschuldigt wird.«

»Ich weiß nur,« entgegnete Lady Longuiville, daß Fitzpatrick vor einer Stunde in unser Haus stürzte und Sir Charles bat, Ihnen beizubringen, daß seine Lady mit Oberst Bouverie entflohen sei. Auf Sir Charles fernere Fragen berichtete er, daß Lady Marian Mstrß. Gayville durch schlechte Behandlung gestern gereizt habe, dem General das Verhältniß zu verrathen, worauf dieser ihr befohlen, in ihrem Zimmer zu bleiben, bis ihre Eltern angekommen, welchen er sogleich einen Boten gesandt; daß hierauf heute Morgen die Entdeckung gemacht worden, daß Ihre Herrlichkeit diese Nacht mit ihrer Kammerfrau und ihrem Bedienten entflohen sei, einen gütigen, vergebenden Brief an Mstrß. Gayville zurücklassend, worin sie berichtet, sie sei zu ihrem angebeteten Bouverie gegangen, der schon längst ein geheimes Asyl für sie bereit gehalten, auf den Fall, daß eine Entdeckung diese Flucht nothwendig machen sollte.

Sir Charles bestellte augenblicklich den Wagen, hieher zu fahren; als wir aber einstiegen, kam Fitzpatrick schon wieder zurück, zu melden, ›daß der arme, verstörte General sich von seiner Umgebung losgerissen habe, und nach Castle Cottage geeilt sei, Oberst Bouverie dort zu suchen.‹«

Adelaidens Thränen flossen reichlicher. Sie gedachte Bouveries sonderbarer Art, seine Wohnung zu verlassen, des ihr verkündeten Geständnisses; und die Möglichkeit, von Lady Marian zu so schrecklichen Vergehungen verlockt worden zu sein, erfüllte sie mit Entsetzen. Doch immer kam sie wieder zu dem Glauben zurück, daß Lady Marian diese Verschwörung angezettelt, Bouveries pekuniären Ruin zu befördern, aus Rache über sein Bereuen der begangenen Verirrung, und weil er sie verlassen. Nachdem es ihr gelungen, Lady Longuiville hiervon zu überzeugen, stellte diese Sir Charles, als er von seiner Begleitung des Generals zurückgekehrt, Adelaidens Vermuthung mit so vieler Wahrscheinlichkeit vor, daß er gleich nach London zu reisen beschloß, Erkundigungen einzuziehen, und Montagu durch Rath und That beizustehen, dem bedrohten Unglück zu entgehen.

Die dankbare Adelaide gab ihm die nöthigen Instruktionen hinsichtlich Bouveries, gewöhnlichem Aufenthaltsort in der Stadt, worauf er sogleich abreis'te, ohne jedoch die arme Verlassene bewegen zu können, Lady Longuiville zu begleiten und während seiner Abwesenheit bei ihr zu bleiben. Die Nähe von Marino erfüllte sie mit Grauen; auch hielt sie es für ihre Pflicht, in Castle Cottage zu bleiben, falls Montagu den Schlingen Lady Marians entflohen, dahin zurückkehren sollte; und dann fühlte sie wohl, daß Einsamkeit das einzige Mittel sei, ihr die erforderliche Kraft, diese härteste aller Prüfungen zu ertragen, zu verleihen. Hier konnte sie ungestört zu Gott, dem barmherzigen Gott beten, ihrem unglücklichen Gatten seine schwere Schuld zu vergeben. –

So kehrte denn Lady Longuiville zu ihren Schwägerinnen zurück, mit dem Versprechen, sie den Nachmittag zu einer Spazierfahrt abzuholen. Die neuen betrübenden Nachrichten, Folgen des unverantwortlichen Schrittes, suchte sie Adelaiden zu verbergen. Der General lag hart darnieder an einem hitzigen Fieber, welches sein Gehirn bedrohte, und seine drei Kinder hatten die Masern schon seit dem vergangenen Sonntag, ohne daß die Krankheit als solche erkannt und von der unnatürlichen, sie verlassenden Mutter für gefährlich gehalten worden wäre.

Bei ihrer Zurückkunft von der Spazierfahrt überreichte Dennis seiner Gebieterin einen Brief von Bouveries Hand, den sie in der festen Ueberzeugung, ihn gerechtfertigt zu sehen, erbrach. Doch, obgleich die zärtlichste Liebe aus jeder Zeile athmete, enthielt er zugleich so viel Selbstverdammung wegen begangener, schwer bereuter Vergehungen; so viel Bitten, ihm dieselben zu vergeben, daß sie nicht länger an Marians gelungenem Plan seiner Verführung zweifeln konnte. Mit Thränen der tiefsten Betrübniß überreichte sie Lady Longuiville den Brief, indem sie ihre Besorgniß, daß Bouverie zu schwach gewesen, Lady Marian zu widerstehen, hinzufügte.

Nachdem die theilnehmende Freundin den Brief aufmerksam durchlesen, stimmte sie Adelaidens Ansicht bei, daß Montagus Liebe unerkünstelt sei, und er nicht mehr in den entehrenden Fesseln liege, die ihn zum Irrthum verleitet, welche Erkenntniß ihr Muth verlieh, der unglücklichen Frau Worte des Trostes zuzurufen.

Nach einer schlaflosen, im Gebet verbrachten Nacht, stand Adelaide erschöpft auf, hoffend, einen zweiten, wenn auch traurigen, doch beruhigenden Brief von Montagu zu erhalten; aber dieser Tag verstrich wie sein Nachfolger, ohne die erwartete Nachricht; und erst am Abend langten ein paar Zeilen von Sir Charles an Lady Longuiville an, enthaltend den traurigen Bericht, daß Lady Marians niedrige Künste wirklich gesiegt, und der bethörte Bouverie sie in irgend einen geheimen Zufluchtsort begleitet hätte. Daß er Lee gesehen, welcher freiwillig seines Herrn Dienst verlassen, da es seinen demüthigen Vorstellungen nicht gelungen war, ihn zu bereden, der Sirene zu entfliehen, die ihm höchst unerwartet nachgefolgt war, und sein Mitleid, wie sein Ehrgefühl rege gemacht hatte durch ihre Erzählung von des Generals gerechtem Zorn, der sie als ein entehrtes Weib aus seinem Hause gewiesen; worauf sie zu ihm geflohen, seinen Schutz und Beistand anflehend, den er ihr nicht zu versagen gewagt, und sie an einen Ort begleitet hätte, welchen Lee bis jetzt noch nicht zu entdecken im Stande gewesen wäre. Daß er ungern gegangen, hatte der treue Diener an seiner Verzweiflung, seinem Zittern und blassen Aussehen bemerken können, wie er Lady Marian in den Miethwagen führte, der sie schnell Lees Blicken entzog.

Diesem Bericht fügte Sir Charles die traurige Nachricht hinzu, daß die heutigen Zeitungen schon eine detaillirte und hämische Beschreibung der unglücklichen Angelegenheit enthielten, welche des Generals gehässige und rachsüchtige Agenten wahrscheinlich veranstaltet hätten, die öffentliche Meinung gegen Bouverie einzunehmen.

 


Zwölftes Capitel.

Die Gewißheit, daß Montagu Lady Marian begleitet hätte, war ein zu harter Schlag für Adelaiden. Schweigend, mit starren Blicken, ohne Bewegung saß sie da, Lady Longuiville und Obearn mit Entsetzen erfüllend. Des eiligst herbeigerufenen Monros Bestreben, sie wieder zum Leben zurückzurufen, blieb mehrere Stunden fruchtlos, bis endlich ein Thränenstrom ihre Sinne aus der Erstarrung befreite, und Monros Besorgnisse wegen ihres körperlichen Befindens bewährte.

Der folgende Morgen fand sie in einem heftigen Nervenfieber, das ihr Leben drei Tage bedrohte, und die Herbeirufung zweier berühmter Aerzte nöthig machte. Lady Longuiville und ihre Schwägerinnen pflegten sie wie zärtliche Schwestern, und Norah wie eine sorgsame Mutter.

Nach acht Tagen kehrte Sir Charles zurück, ohne irgend eine genauere Nachricht von Bouverie mitzubringen, der weder selbst, noch durch eine fremde Hand eine Entschuldigung seines Betragens zu geben versucht hatte. Endlich erhielt Adelaide die Bestätigung ihres Unglücks durch einen an sie gerichteten Brief, dessen Aufschrift so unleserlich war, daß sie Lady Longuiville bat, den Inhalt erst durchzusehen, ehe sie ihn ihr mittheilte. Als diese ihn öffnete, fand sie nur ein weißes Blatt, als Umschlag von 300 Pfund Banknoten.

»Ach!« seufzte Adelaide, »keine Zeile von meinem Gatten, mich in dieser schweren Krankheit aufzurichten, in welche mich seine Flucht versetzt! – Aber, nein! mein armer Montagu konnte nicht schreiben; denn was hätte er mir sagen sollen?«

Hierauf schloß sie die Augen wie zum Schlaf, ungestört ihren traurigen Betrachtungen nachzuhängen; und nachdem sie sich durch ein inbrünstiges Gebet gestärkt, sagte sie ruhiger zu Lady Longuiville:

»Meine gütige, meine geliebte Freundin! Seit die schwere Last der Ungewißheit von mir genommen ist, glaube ich mein Unglück besser ertragen zu können. Dieses weiße Blatt überzeugt mich, daß ich fürs Erste keine Hoffnung mehr habe, von Montagu zu hören, daß ich mich als verlassen betrachten muß. Doch entsage ich hierdurch nicht der Aussicht, ihn künftig, wenn er aus seiner Verblendung erwacht, sich nicht mehr durch Ehre und Mitleid gebunden fühlt, zu mir zurückkehren zu sehen. Um ihn diesen Schritt zu erleichtern, will ich an ihn schreiben, und den Brief hinschicken, wo er nach Sir Charles Meinung am leichtesten den Weg zu ihm findet.«

Auf ihrem Krankenlager, von Kissen unterstützt, schrieb sie, was ihr Liebe und Mitleid eingab, ihn zugleich ihrer herzlichen Vergebung versichernd.

 

Von dem Wunsch beseelt, Sussex mit einem andern Aufenthalt zu vertauschen, und sich, ein Asyl in ihrem jetzigen verwais'ten Zustand suchend, in eine der vielen Wohnungen ihres Onkels zu verschließen, wartete sie nur ihre völlige Genesung ab, Castle Cottage zu verlassen, welchem Vorsatz sich ihre Freunde auch nicht widersetzten, wohl fühlend, daß es hier unmöglich sein würde, ihr die unglücklichen Folgen zu verhehlen, welche bereits aus Bouveries Schritt entstanden.

General Harley war immer noch in Lebensgefahr, und seine schrecklichen Phantasien hatten sich so zur Wuth gesteigert, daß man der Ketten bedurfte, ihn im Bette festzuhalten; während das jüngste Kind, der Knabe, den Lady Marian zu vergöttern vorgab, und welchen Gayvilles als Bouveries Sohn bezeichneten, der Krankheit unterlegen hatte, und als ein Opfer der Vernachlässigung seiner barbarischen Mutter gefallen war.

Adelaide erwählte ihres Onkels Haus in der Stadt zu ihrem einstweiligen Aufenthalt, in dessen hintern Räumen sie verborgener als in Schloß De Moreland oder Roscoville leben, und wo sie doch hoffen konnte, am ersten Nachrichten von Bouverie zu erhalten. Da Sir Charles Lord Beechbrook auf ihre Bitten von dem sie betroffenen Unglück benachrichtigt hatte, stand er nicht an, sie unter dem Schutz ihrer getreuen Dienstboten nach London ziehen zu lassen, wohin ihr, wie er voraussah, Mstrß. Falkland gleich nachfolgen würde.

Adelaide hatte nur wenige Vorbereitungen zu ihrer Reise zu machen. Nachdem sie die Familie Harper reichlich für alle Gefälligkeiten belohnt hatte, gab sie mit schwerem Herzen, eingedenk der zerrütteten Vermögensumstände Bouveries, ihre gemeinschaftliche Wohnung auf, und trennte ihres Gatten Sachen von den ihrigen, sie zu seinem Regimente sendend.

Endlich brach der traurige Tag des Scheidens aus Sussex an, wohin sie in banger Erwartung des ihr bevorstehenden Unglücks gekommen war, und jetzt mit dem bittern Gefühl, den Kelch geleert zu haben, daraus schied. Nach einem herzlichen Abschied von ihren theilnehmenden Freunden Longuivilles begab sie sich, von Norah und Dennis begleitet, nach London, woselbst Letzterer sich gelobte, nichts unversucht zu lassen, eine Spur von Montagu zu entdecken; doch, als ob Lady Marian sich mit ihm in das Innere eines Berges verschlossen, blieb sein Bemühen erfolglos, und auch nicht die leiseste Spur war von ihm zu finden.

Am vierten Morgen ihres Aufenthalts in Berkeley Square ward Adelaiden ein Brief, über Sussex befördert, zugesandt, der ihr Gemüth mit Trauer erfüllte. Er war von Theodor Bouverie, welcher mit vieler Theilnahme des schrecklichen, ihm aus den Zeitungen bekannt gewordenen Unfalls erwähnte, und sich entschuldigte, nicht gleich als Freund und Bruder zu ihrem Beistand herbeigeeilt zu sein, ihr sein Haus als einen bessern Aufenthalt anzubieten, als die Wohnung, welche sein bethörter, wie er fast fürchten müßte, unheilbar kranker Bruder verlassen hatte. Aber sich selbst vor Gefängnißstrafe zu bewahren, sah er sich genöthigt, Zuflucht in dem Hause eines Freundes in Southampton zu suchen, während sein eigenes von Polizeidienern in Folge von Exekution besetzt war; und daß seine Frau ihm den letzten Trost genommen, durch ihr Fortgehen mit seinem geliebten Kinde, ihre Mutter in Brighton aufzusuchen, dort in Zerstreuungen aller Art das Unglück zu vergessen, in welches sie ihn gestürzt.

Da Lady Clyde an Adelaiden geschrieben, ehe sie Sussex verließ, und sie dringend eingeladen hatte, nach Wiltshire zu kommen, sich unter ihren und ihres Gatten Schutz zu begeben, fehlte es ihr nicht an Veranlassung, sich für den armen Theodor bei seinen Verwandten zu verwenden; und so eindringlich waren ihre Bitten, daß Lord und Lady Clyde gleich nach Empfang des Briefs nach Southampton abgingen, ihrem zärtlich geliebten Schützling Trost und Hülfe zu bringen.

 

Nachdem fünf Wochen verstrichen, ohne dass Adelaide wieder eine Nachricht von Bouverie erhalten, saß sie eines Tages in trüben Gedanken verloren, als Mellifort gemeldet wurde. Sie flog dem Freunde ihres Gatten mit ausgestreckten Händen entgegen, hatte ihn aber noch nicht erreicht, als sie von Gram und Kummer übermannt, in einen Stuhl sank. Mellifort eilte auf sie zu, und indem er ihre Hand an seine Lippen drückte, fielen Thränen darauf nieder.

»O, Herr Mellifort,« rief sie erschrocken, »was kann Sie so bewegt haben, was wissen Sie von unserm theuren Montagu?«

»Ich weiß, daß er das Paradies verlassen hat, welches ihm der Himmel auf Erden angewiesen, und daß er ein unglücklicher Mann ist;« sagte Mellifort bewegt.

»Wissen Sie dieß wirklich?«

»Ich weiß es, theuerste Mstrß. Bouverie! Mein Freund, mein Wohlthäter, der Erretter meines Lebens und meines Heils ist ein unglücklicher Mann, von Reue und Vorwürfen gemartert!« sagte Mellifort, seine Thränen mit Adelaidens Thränen vermischend. – Ich weiß es aus einem Brief von seiner eigenen Hand, der mich schnell in die Stadt trieb.«

»O, Mellifort!« stammelte Adelaide kaum vernehmbar, an allen Gliedern zitternd, »schrieb er wirklich, als ob sein Herz von Reue ergriffen wäre?«

»Lesen Sie selbst,« sagte er, ihr den mit unsicherer Hand geschriebenen Brief darreichend. Sie las:

»Wenn die schmerzlichsten Leiden menschlichen Elends das Herz der Freundschaft erweichen, und milde stimmen können gegen den undankbaren Sünder, der den Himmel und einen seiner Engel beleidigte, so wirst Du, geliebter Mellifort! nicht säumen, augenblicklich zu mir zu kommen, auf daß ich das Bekenntniß aller meiner Vergehungen, und meine wohlverdiente Angst in Deinem Busen niederlege.

O, Mellifort! wenn irgend ein Balsam gefunden werden kann, ein von Liebe und Reue zerrissenes Herz zu beruhigen, so komm, ich beschwöre Dich, es in die blutenden Wunden zu gießen

Deines

Freundes
Montagu Bouverie.

Frage nach Herrn Colemann auf dem Piazza Caffeehaus; unter welchem Namen ich täglich von zwölf bis zwei Uhr dort bleiben werde, bis ich Dich gesehen habe.«

Mellifort hatte keinen Trost für die arme, laut schluchzende Adelaide.

»Sie haben ihn also gesehen?« fragte sie endlich.

»Noch nicht;« entgegnete Mellifort, bemüht, seiner Stimme Festigkeit zu geben; »etwas Unvorhergesehenes ereignete sich, es zu verhindern. – Er konnte sein Wort nicht halten.«

»So ist er krank!« rief Adelaide entsetzt. »O, ich beschwöre Sie, betrügen Sie mich nicht. Sagen Sie mir Alles!«

»Er ist nicht wohl; aber doch nicht so krank, Sie zu beunruhigen; dieß erfuhr ich von meiner Mutter Bruder, welcher als Arzt zu ihm gerufen worden war.«

»Ach, Mellifort! und haben Sie Ihren Freund nicht auf seinem Krankenlager besucht?« fragte Adelaide.

»Fünf Mal bin ich auf Lady Marians Befehl von seiner Thür gewiesen worden; und weder meine bittenden Briefe an sie, mir zu erlauben, meinen Freund zu sehen, noch meine Versuche, die Dienstboten zu bestechen, erreichten ihren Zweck. Da erfuhr ich von Bouveries Banquier, daß Sie hier wären, und eilte zu Ihnen, über die Möglichkeit, die unerbittliche Feindin zu überlisten, Rath zu pflegen.«

»Kann Ihr Onkel Ihnen nicht Einlaß verschaffen?« fragte Adelaide weinend.

»Nein; um keinen Preis dürfte Lady Marian erfahren, daß er mit einem Freunde Bouveries zusammenhängt; es wäre zu riskiren, daß sie ihn entließe und einen minder geschickten Wundarzt annähme.«

In wilder Verzweiflung rief Adelaide: »So ist er verwundet! – im Duell verwundet vom General Harley! O, Montagu! Montagu! mein verwundeter Gatte! Zehn tausend wachhabende Marians sollen mir den Eingang zu dir nicht verwehren!«

 

Bouverie war wirklich im Duell verwundet, und tödtlich; aber nicht vom General Harley, sondern von Lord Dartmoore, Lady Marians Bruder; und lag gegenwärtig an einem hitzigen Fieber, Folge der innern Qual und Angst, darnieder.

Mellifort hatte, vom eigenen Schmerz überwältigt, zu wenig Sorgfalt angewendet, Adelaiden nach und nach auf diese schreckliche Nachricht vorzubereiten, und so sah er sie jetzt im halben Wahnsinn entschlossen, von Lady Marian das Recht, ihn zu pflegen, zu fordern. Sie behauptete, allein hierzu berufen zu sein, und drang so ernstlich in Mellifort, sie augenblicklich ans Krankenbett ihres Gatten zu führen, daß er versprach, zu seinem Onkel, Herrn Probey, zu eilen, und mit ihm darüber zu berathschlagen.

Dieser widersetzte sich jedoch Adelaidens Vorsatz aus allen Kräften; erstlich wegen des übelberüchtigten Hauses (es gehörte Mstrß. Colemanns Mutter), dann wegen der Unmöglichkeit, Lady Marian zu täuschen, falls sie hierzu auch die entstellendste Verkleidung wählte, und endlich, weil die daraus entstehende unvermeidliche Gemüthsbewegung höchst nachtheilig auf den Patienten wirken könnte. Zu ihrer Beruhigung versicherte er Adelaiden, daß er Oberst Bouverie mit einer vortrefflichen Wärterin versehen habe, und daß sein Zustand nicht mehr lebensgefährlich sei, und Mellifort versprach ihr, täglich mehrere Mal Nachricht zu bringen.

So mußte sie sich ergeben, wenn gleich mit wahrer Seelenangst. Als Mellifort am Abend mit dem Bescheid kam, daß Montagu nicht schlimmer sei, beschwor ihn Adelaide, ihr das Haus zu zeigen, welches Bouverie bewohnte; was ihm jedoch gethan zu haben gereute, indem ihre heftige Bewegung sie beinahe Beide übermannt hätte. Mstrß. Colemanns Haus war ein Eckhaus, dessen Fenster sich alle übersehen ließen; und da Adelaide von Mellifort erfuhr, welche zu dem Zimmer ihres kranken Gatten gehörten, beschloß sie, jeden Morgen, ehe das Geräusch der Hauptstadt die Straßen lebendig gemacht, mit Norah hierher zu gehen, um Hoffnung oder Verzweiflung aus dem äußern Anblick des Hauses zu schöpfen.

Ein Tag nach dem andern verstrich, ohne ihr Trost zu bringen, indem die Genesung des Kranken kaum merklich vorschritt. Während dieser Zeit erhielt sie einen Brief von Mstrß. Falkland aus Irland, woraus sich ergab, daß Sir Charles Nachrichten sie nicht getroffen; da Rosalinde jedoch ihre baldige Rückkehr nach Schottland meldete, fand sie Trost in dem Gedanken, diese treuen Freunde nächstens zu sich zurückkehren zu sehen. Auch von Lady Clyde liefen Nachrichten ein, wenn gleich nicht erfreulicher Art. Lord und Lady Clyde hatten bei ihrer Ankunft in Southampton den Gram, zu erfahren, daß Theodor denselben Morgen von Ambrosias Modehändlerin arretirt worden war; und da der Freund, in dessen Hause er sich verborgen gehalten, in Geschäften nach Portsmouth gegangen war, konnte er keine Bürgschaft bekommen, und mußte sich deshalb ins Gefängniß nach Winchester bringen lassen, wohin seine Verwandten sogleich eilten, ihn zu befreien. Dort fanden sie den armen Theodor, in Folge so vieler auf ihn einstürmenden Gemüthsbewegungen, ernstlich krank, weshalb Lady Clyde zu seiner Pflege bei ihm blieb, während ihr Gatte nach New Forest ging, sein kleines Erbtheil aus Blackthorns Händen zu reißen, welcher Theodor in der dringenden Noth, worin ihn Ambrosias Verschwendung gebracht, Geld auf Handschrift geborgt hatte, wie es schien in der Absicht, sein Verderben zu befördern.

Adelaide hatte ihre täglichen Wanderungen in die bewußte Straße fortgesetzt; und obgleich dicht verschleiert, war diese Morgenpromenade zweier Damen in dem engen Raum dennoch den Bewohnern des Hauses aufgefallen, und von der Vertrauten der verächtlichen Marian richtig gedeutet worden. In die höchste Angst versetzt, daß es Adelaiden gelingen könnte, eine Zusammenkunft mit ihrem Gatten zu bewerkstelligen, gab die Wuth der Eifersucht dem teuflischen Paar einen Plan ein, zu dessen Ausführung sogleich geschritten wurde.

Als Adelaide am andern Morgen wieder auf ihrem Posten erschien, kamen zwei Männer, die ihrer geharrt, aus einem Versteck hervor und klopften sie auf die Schulter, indem sie sie für ihre Gefangene erklärten, da sie einen Verhaftsbefehl für sie hätten.

»Das ist unmöglich!« rief Norah voll Entsetzen, da die Dame minderjährig und verheirathet ist.«

So früh es auch war, fanden sich doch schon einzelne Menschen in der Straße ein, und ein Mann, der diese vorgeblichen Gerichtsdiener aus der Ferne beobachtet hatte, kam auf Norahs laute Erwiederung herbei, worauf die beiden Schufte, ärgerlich über diese Störung, ausriefen:

»Es ist nur ein verlorenes Lamm aus unsrer Heerde, Herr Ferret, das wir wieder einfangen; und wir kennen Sie zu sehr als einen Gentleman, um zu befürchten, von Ihnen in unserm Geschäft gestört zu werden.«

»Schurken!« rief Ferret, ein wohlbekannter Polizeiofficier; »glaubt Ihr, ich wollte zu Eurem höllischem Treiben den Kuppler abgeben? Wenn das Mädchen aus Eurem Hause entflohen ist, beweist es, nicht länger darin bleiben zu wollen, und deshalb sollt Ihr es frei lassen; aber ich vermuthe eher einen Streich Eures schändlichen Herrn, diese jugendliche Schönheit in Euer Haus der Schande zu verlocken.«

Adelaidens Sinne verließen sie bei diesen schrecklichen Worten; sie fiel ohnmächtig in Norahs Arme, und ward von Ferret in einen nahen Laden getragen, wo einige wenige Fragen an diese hinreichten, ihn in seiner Vermuthung zu bestärken. Er besorgte nun augenblicklich einen Miethwagen, in welchem er Adelaiden und ihre Gefährtin nach Berkeley Square begleitete. Hier angekommen, sah sich Norah genöthigt, Herrn Probeys Beistand für Adelaiden herbeizurufen; und als Mellifort, der seinen Onkel begleitete, den schändlichen Angriff erfuhr, eilte er gleich, Herrn Ferret aufzusuchen, durch dessen Hülfe die Anstifter dieses dämonischen Plans zu entdecken.

Die wirksamste Arznei brachte Probey seiner Kranken in der Nachricht mit, daß Montagu eine gute Nacht gehabt und nun außer aller Gefahr sei; und ehe der Abend hereinbrach, hatte Adelaide die Freude, ihre Freunde aus Schottland ankommen zu sehen.

Rosalindens ungestüme Heftigkeit, mit welcher sie die so zärtlich geliebte Adelaide als eine verlassene Frau an ihre Brust drückte, übermannte fast die Festigkeit unsrer armen Heldin, die ihre leidenschaftliche Freundin wiederholt anflehte, ihr Herz nicht so grausam durch die schrecklichsten Ausfälle gegen Montagu zu verwunden.

Mstrß. Aspenfield, nebst Rosalinde und deren Kinder blieben in Berkeley Square; Lord und Lady Beechbrook aber begaben sich in ihre eigene Stadtwohnung, wo sie zu bleiben versprachen, bis Adelaide über die Gesundheit Bouveries beruhigt sein würde.

 

Am andern Morgen fand eine Berathschlagung über die Mittel, Montagu aus den schlechten Händen, worin er gefallen, zu befreien, und seiner vergebenden Gattin wieder zu geben, statt, an welcher Rosalinde jedoch keinen Theil nahm, da sie bei dem bloßen Wunsch einer Wiedervereinigung dieses Paares in Zorn gerieth.

Mellifort war der Meinung, daß, wenn er nur eine Zusammenkunft mit Bouverie erlangen könnte, es ihm gelingen würde, seinen Freund von den falschen Begriffen der Ehre, hinsichtlich Lady Marians, zu überzeugen; und dieser Ansicht stimmten Beechbrooks bei. Aber wie hierzu gelangen? Endlich beschloß Mellifort, ein Zimmer gegenüber von Montagus Fenster zu miethen, und sobald dieser so weit hergestellt sein sollte, das Bett zu verlassen, sich darin auf die Lauer zu stellen, ihm seine Anwesenheit kund zu geben. Dieß geschah; doch ohne in den ersten zwei Tagen etwas von dem Kranken zu sehen. Endlich, am dritten erschien er auf Lady Marians Arm gestützt, die ihn in einen Lehnstuhl am Camin placirte. Abermals vergingen einige Tage ohne größere Fortschritte in der Genesung; und erst, nachdem er langsam angefangen, sich von seiner nichtswürdigen Pflegerin auf- und abführen zu lassen, trat er nach acht Tagen allein in das Zimmer und ans Fenster,

Vergebens bemühte sich Mellifort, Bouveries Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und erst nach zweitägigem fruchtlosen Bemühen blickte Montagu auf, fuhr erschrocken zusammen, und verließ schnell das Fenster.

Anfänglich suchte der treue Freund seine getäuschte Hoffnung durch den Trost aufzurichten, daß Montagu vielleicht nur um Lady Marians Verdacht zu entgehen, sich so schnell zurückgezogen; als aber der nächste Tag verstrich, ohne sein Wiedererscheinen am Fenster, sank sein Muth und der folgende Morgen versetzte Adelaidens Freunde in die größte Bestürzung. Es erschien nämlich in den Tagesblättern eine ausführliche Beschreibung des gerichtlichen Verhörs im Gerichtshof von Kings Bench über die Harleysche Sache gegen Bouverie, welcher angeklagt war, die Rechte der Gastfreiheit, verlegt zu haben und deshalb zu einem Schadenersatz von 20,000 Pfund verurtheilt worden zu sein.

Aber kaum war diese betrübende Nachricht der armen Adelaide durch Lord Beechbrook beigebracht, als Lord De Morelands Banquier mit der Verkündigung der baldigen Ankunft Sr. Herrlichkeit erschien, indem die Admiralität so eben durch den Telegraphen erfahren, daß das Schiff, worauf sich Lord De Moreland befunden, wohlbehalten in Plymouth eingelaufen sei.

Diese Botschaft überwältigte Adelaidens Kraft. »O, wie zerstört der verderbliche Einfluß Lady Marians meine schönsten Hoffnungen!« rief sie, in bittre Thränen ausbrechend. – »Ich sah der Rückkehr meines geliebten Onkels als einer Zeit der Freude entgegen! aber nun kömmt er, um in den Zeitungen die falschen Berichte über Montagu zu lesen, welche die schändlichen Gayvilles einrücken lassen.«

In allen Erwartungen getäuscht, beschloß Mellifort in halber Verzweiflung, möge daraus entstehen, was da wolle, den nächsten Morgen, sobald das Haus geöffnet würde, zu Montagu einzubrechen; und als er zu diesem Zweck die Straße zu einer frühen Stunde betrat, sah er einen vierspännigen Wagen mit Blizesschnelle von der Thür wegfahren. Fast ohne Besinnung gelangte er an das Haus, als eben eine Frau beschäftigt war, eine gedruckte Anzeige, daß hier elegant möblirte Zimmer zu vermiethen wären, an den Fensterladen zu kleben. Er fragte nach den frühern Bewohnern, und erfuhr, ›daß sie in Folge eines Prozesses genöthigt gewesen, sich schnell aus dem Staube zu machen; daß sie, nach Aussage der Dienstboten, im Begriff wären, außer Landes zu gehen, um den Gentleman vor Gefängnißstrafe zu bewahren; und daß Herr Leech, ihr Anwald, beauftragt worden sei, alle an die Herrschaften kommende Briefe unter Lady Marians Addresse weiter zu befördern.‹

Der Gedanke einer Seereise erfüllte Mellifort mit der größten Besorgniß, indem diese weite Entfernung mit der nichtswürdigen Marian seinem Unglück das Siegel aufdrückte, und ihm jede Aussicht auf eine Wiedervereinigung mit Adelaiden raubte. Er eilte zu Herrn Leech, den er nicht sehr aufgelegt zu Mittheilungen fand, und von ihm nur die Bestätigung der Reise aufs feste Land vernahm. Von da begab er sich zu seines Freundes Banquier, der ihm berichtete, daß der Flüchtling am Abend vorher Geld gehoben; und beim Geschäftsträger der Armee ward ihm die Nachricht zu Theil, daß von Oberst Bouverie nichts wieder gehört worden sei, nachdem er vor einiger Zeit auf den ihn übersandten Urlaub (um welchen er schon angehalten, ehe Lady Marian ihm in die Stadt nachgefolgt), geschickt habe, seine Briefe abholen zu lassen.

Ohne Hoffnung, genauere Auskunft über Montagus Zufluchtsort zu erhalten, begab sich Mellifort nun nach Berkeley Square, Adelaidens Freunden Bouveries unerwartete Flucht mitzutheilen. Als sie aber selbst gegenwärtig war und den Ausdruck der Verzweiflung in seinen Zügen las, sah er sich genöthigt, ihr Alles zu erzählen, um zu verhindern, daß sie Montagu nicht todt glaubte.

Nun war ihr der letzte Hoffnungsstrahl verschwunden, die Erde hatte keinen Trost mehr für ihr zerrissenes Herz. Sie suchte und fand neue Kraft im Gebet, und erschien äußerlich gefaßt im Kreise ihrer Freunde, deren einziges Bemühen darauf gerichtet war, sie durch Beweise der Liebe und Anhänglichkeit zu zerstreuen. Selbst Rosalinde übers wand ihren Zorn gegen Bouverie in so weit, ihn nicht mehr in ihrer Gegenwart zu tadeln; aber Falklands Kinder allein vermochten sie auf Augenblicke von ihren trüben Gedanken abzuziehen.

Mellifort kehrte noch denselben Tag nach Kent zu seiner Kirche und Schule zurück, da seiner Wirksamkeit leider fürs Erste in London ein Ziel gesetzt war; doch nicht, ohne der dankbaren Adelaide die Versicherung gegeben zu haben, daß er auf jeden Wink von ihr bereit sein würde, zurückzukehren, falls sie seiner Dienste bedürfen solle.

 

Der folgende Morgen brachte Adelaiden Briefe von den Ladys Clyde, Ambrosia Bouverie und Ellen Melcombe.

Erstere schrieb, daß sich Theodors Gesundheit endlich bessere und sie eine Reise nach Schottland mit ihm beabsichtigten, sobald er die erforderlichen Kräfte hierzu erreicht haben würde, ohne ihn vorher seiner Schwägerin zuzuführen, deren Schmerz ihm in seinem jetzigen schwachen Zustand das Herz brechen, und seinen Frieden bedrohen würde, wegen des Contrastes im Betragen seiner eigenen, und seines Bruders Frau. Lady Ambrosias Aufführung war in doppelter Hinsicht strafbar gewesen, indem sie sich nicht allein die unvernünftigste Verschwendung erlaubt, sondern auch nebenbei, aus bloßer Eitelkeit und um die Eifersucht ihres Mannes zu erregen, in einen Liebeshandel mit dem Marquis von Orton eingelassen hatte, der Theodor beinah den Tod zugezogen durch einen Zweikampf, wozu er rasend genug gewesen, den edlen Marquis zu fordern, der jedoch die Klugheit begangen, den Sherif noch zeitig genug davon in Kenntniß zu sehen, um das Duell zu verhindern.

Durch diesen Bericht nicht sehr günstig gegen ihre Cousine gestimmt, öffnete sie deren Brief und fand zu ihrem Erstaunen den Inhalt so herzlich, theilnehmend und zärtlich, wie sie ihn nimmermehr erwartet hätte.

Adelaide war nicht länger mehr ein Gegenstand ihres Neides. Mitleid hatte die Stelle der frühern Eifersucht eingenommen, und den lange schlummernden Funken der ehemaligen Freundschaft zur hellen Flamme angefacht. Sie gedachte Adelaidens Güte mit lebhafter Dankbarkeit, und ihres eigenen unverantwortlichen Betragens mit Reue. Die Nachricht von Montagus treuloser Entweichung erfüllte sie mit tiefer Betrübniß; und sobald sie Adelaidens Anwesenheit in Berkeley Square erfuhr, schrieb sie, ihr zu melden, ›daß sie erbötig sei, Brightons Herrlichkeiten aufzugeben und zu ihr zu eilen, wenn sie hoffen dürfte, ihr einigen Trost zu gewähren.‹

Lady Ellen Melcombe verkündete die völlige Herstellung Lord Woodleys, so wie seine Erfüllung des väterlichen Wunsches, um Miß Stella Price anzuhalten, deren Hand er erhalten. Die Familie wollte in Yorkshire bleiben, bis die Verbindung vollzogen. Lysander hatte endlich, nachdem er mündig geworden, geschrieben und seinen Wohnort angegeben; doch nicht eher, bis er die Trauung in Gretna Green noch einmal in aller Form an einem andern Ort wiederholen lassen, um die Möglichkeit, die Verbindung wieder aufzulösen, zu verhindern; worauf sein Vater der ganzen Familie seinen Entschluß verkündet, den Ungehorsamen wie gestorben zu betrachten, da sich noch besondere Gründe gefunden, seine Frau nie in der Familie aufzunehmen.

Adelaide beantwortete diese Briefe mit umgehender Post, dankte Ambrosia für ihr freundliches Erbieten, wovon sie keinen Gebrauch machte, und benutzte die günstige Stimmung, ihr ihr Unrecht gegen Theodor vorzustellen.

Denselben Tag noch äußerte Adelaide gegen Obearn ihr Erstaunen, in dieser ganzen, für sie so unglücklichen Zeit kein Zeichen der Theilnahme von Herrn Bellenden erhalten zu haben, welchem ihr Schicksal doch aus den Zeitungen bekannt geworden sein müsse.

Norah erröthete bei Erwähnung seines Namens, weshalb Adelaide jetzt immer aufs Schlimmste gefaßt, ängstlich forschte, »ob er todt oder gefährlich krank sei?«

»Keins von Beiden; auch hat Sie Ihr liebenswürdiger Vetter nicht vergessen, noch verlassen. Er kam nach Sussex, Sie zu besuchen, als Sie gerade im heftigsten Fieber, ohne Besinnung lagen; und auf seine dringenden Bitten, ihn in Ihr Zimmer zu lassen, weinte er über Sie, und küßte Ihre bleichen Wangen, wie ein liebender Bruder.

Hierauf folgte eine lange Berathschlagung mit Lady Longuiville, wie Oberst Bouverie aus seinen Fesseln zu befreien sei; und ich wagte, mich in das Gespräch zu mischen, und zu sagen, daß Herr Falkland der einzige Mensch sei, der dieß bewirken könne; welcher aber, trotz seines Verlangens, zu seiner Familie zurückzukehren, noch außer Landes festgehalten würde, indem die Regierung noch keinen würdigen Nachfolger für ihn gefunden.

Nachdem Herr Bellenden einige Augenblicke darüber nachgedacht, erkannte er es für das Beste, sogleich nach London zu reisen und sich als Stellvertreter für Herrn Falkland zu melden, wozu er hoffentlich angenommen werden würde, trotz seiner geringern Kenntnisse, da er die feine Politik der Regierung gut kannte.

Lady Longuiville billigte diesen Plan, den er uns jedoch zu verschweigen bat, um Ihnen zu Ihren übrigen Leiden die Sorge um Ihren auf der Seereise begriffenen Vormund zu ersparen, den er, wie er schriftlich meldete, nächstens in seine Heimath zurückzuschicken hoffte, den bethörten Bouverie mit seiner himmlischen Frau wieder zu vereinigen. Nimmermehr würde ich sein Verbot, Ihnen etwas davon zu sagen, übertreten haben, wenn Sie ihn nicht in so falschem Verdacht gehabt hätten.«

Adelaidens Erstaunen und dankbares Gefühl machten sich in Thränen Luft, die sie an der treuen Norah Busen vergoß.

Da Lord De Moreland möglicherweise noch denselben Abend ankommen konnte, lehnten Lord und Lady Beechbrook Adelaidens Einladung in Berkeley Square zu Mittag zu essen ab, nicht störend in das erste traurige Wiedersehen zu fallen; und so blieb sie denn in ängstlicher Erwartung des geliebten und gefürchteten Onkels mit Mstrß. Falkland und deren Mutter allein, welche ihre ganze Unterhaltungsgabe aufboten, den gesunkenen Muth ihrer Freundin durch mancherlei Erzählungen von ihren Reisen aufzurichten.

 


Dreizehntes Capitel.

Zehn Uhr des Abends war herangekommen, ohne den erwarteten Lord De Moreland; und Adelaide glaubte eben ihren geheimen Wunsch erfüllt, daß ihr Onkel in Roscoville abgetreten sei, dort den ersten Ausbruch seines Zorns über Bouverie vorübergehen zu lassen, als ein lautes Pochen an der Hausthür seine Ankunft meldete.

Sie konnte ihm nicht entgegenfliegen; ihre Wangen und Lippen erbleichten zur Todtenfarbe, und kraftlos sank ihr Haupt auf Mstrß. Falklands Busen, welche aufgestanden war, ihrer schnell hinauseilenden Mutter nachzufolgen.

Jetzt meldete ein Diener die Ankunft des Lords. »Adelaide! meine geliebte Adelaide!« rief Rosalinde, »blicken Sie auf! erwachen Sie! Ihr gütiger, lang erwarteter Onkel kömmt, und wird sich betrüben, Sie durch seine Ankunft in diesen Zustand versetzt zu sehen.«

Aber Adelaide blickte nicht auf und erwachte nicht, so daß Lord De Moreland schnell auf sie zu eilte und sie in seine Arme schloß. Als er ihr aber traurig und besorgt ins Gesicht blickte, übermannte ihn der Schmerz, und er brach in einen Strom von Thränen aus.

Der erschütternde Ton eines Mannes tiefes Stöhnen drang in Adelaidens Herz; sie schlug die Augen mit einem so kummervollen Blick auf, daß der Lord bewegt ausrief:

»Mein Kind! meine Adelaide! willst Du nicht mit mir sprechen? Kannst Du Deinem reuigen Onkel nicht vergeben, daß er Theil an Deinen schrecklichen Leiden hat?«

Jetzt erwachte sie aus ihrer Betrübung, schlang die Arme um seinen Hals, während heiße Thränen ihren Augen entströmten.

Rosalindens Besorgniß war nun gehoben, da sie sie weinen sah, und so verließ sie das Zimmer. Nach einer peinlichen Pause fragte Adelaide leise: ›Wie sich ihr lieber Onkel befinde? und ob er eine angenehme Reise gehabt?‹

»Angenehm?« rief er traurig. »O, nein, meine Liebe! Von Angst gefoltert über Deines unwürdigen Mannes Schweigen, sah ich nur zu klar die Veranlassung desselben. Ich kannte seine unglückliche Verblendung, und doch vertraute ich Wahnsinniger ihm Deinen Frieden, auf seine Versicherungen, wie auf Deinen unwiderstehlichen Zauber bauend; und während ich jetzt nun über meinen eigenen Irrthum erröthen muß, kann ich das unglückliche Opfer nur beweinen – nicht helfen.«

»Theurer Onkel, wir sind Alle getäuscht,« entgegnete Adelaide sanft, »indem wir Alle glaubten, diese Verbindung würde eine glückliche sein; und als eine solche würde sie sich auch bewährt haben, wenn Lady Marian nur noch einige Monate ausgeblieben wäre. Ich habe Ihnen eine lange, traurige Erzählung zu geben, wie mein armer Montagu bestürmt, belagert und endlich unterjocht worden ist; und dann werden Sie ihm verzeihn und ihn bemitleiden.«

»Nie, Adelaide! nie werde ich auch nur ein Wort zur Rechtfertigung seines ungeheuren Vergehens anhören! – Nein! Ich vertraute seiner Ehre ein theures Pfand, und er hat mich betrogen. – Er hat den vergifteten Pfeil der Selbstanklage in meinen Busen gedrückt, und von solchen nimmer ruhenden Qualen gefoltert, kann ich an keine Vergebung denken. – Welch einen Schatz übergab ich seinen Händen, ihm, dem Beneidenswerthesten des Menschengeschlechts! Und was that er, sich gegen die Angriffe der schändlichen Verführerin zu schützen? Nichts! Denn hätte er nur so lange widerstanden, die Vorzüge, die himmlischen Eigenschaften des unschuldigen, ihm geopferten Geschöpfes kennen zu lernen, würde er diesen Engel nie haben verlassen können. Aber sein Betragen ist so ehrlos, so unmenschlich, so niedrig, daß ich mich selbst mit Abscheu betrachten würde, wollte ich an Mitleid und Vergebung denken.«

»Ach!« seufzte Adelaide, »dem ärgsten Verbrecher wird ja ein Vertheidiger seiner Sache zugestanden und will denn mein gütiger Onkel dem armen Montagu nicht ein gleiches Recht zugestehen? Montagu, den Sie einst so sehr liebten! – Aber ich verlange nicht sein Advokat zu sein, bitte nur um die Vergünstigung, Ihnen die lautere Wahrheit erzählen zu dürfen.«

»Adelaide,« sagte der Lord mit strengem Ton; »meine frühere Vorliebe für Bouverie verstärkt jetzt nur noch meinen Zorn gegen ihn, indem ich einsehen gelernt, daß er sie durch Heuchelei, durch die schändlichste Verstellung erworben. Und diese Ueberzeugung, die Gewißheit betrogen zu sein, macht mich so unerbittlich, daß auch Du, wenn Du meine Gunst zu erhalten wünschest, keinen Versuch mehr wagen darfst, für diesen Mann zu sprechen, den Deine Gottesfurcht Dich zu verdammen lehren müßte. So sehr ich Dich liebe und bedauere, so hart ich mich anklage durch meine Schwäche Theil an Deinem Unglück zu haben, so muß ich Dir doch ein für alle Mal sagen, daß Du mich aus einem liebevollen Freund in Deinen strengen, unversöhnlichen Feind verwandeln wirst, falls Du fortfährst, dieses Ungeheuer der Undankbarkeit vertheidigen zu wollen! – ein Ungeheuer, das ich verachte, verabscheue, und von dem Dich zu scheiden ich alle Kräfte angestrengt haben würde, wenn ich Dich nicht von einem so entehrenden Mitleide erfaßt gefunden hätte. – Ich sehe mit Betrübniß, daß ich Dein irregeleitetes Gefühl verwundet habe. Aber es ist zum letzten Mal geschehen, da diese Unterhaltung nie wieder zwischen uns erneuert werden kann. Ich überlasse Dich Deinen Betrachtungen, und hoffe, Dich morgen früh vernünftiger, meinen Ansichten entsprechender zu finden.«

Mit diesen Worten verließ er das unglückliche Weib, dessen letzte Hoffnung an der Unerbittlichkeit des strengen Onkels gescheitert war.

 

Adelaide erschien am folgenden Morgen beim Frühstück mit möglichster Fassung, als ihr ein Brief von Bexhill mit Sir Charles Aufschrift überreicht wurde, in welchem sie einen Brief von Montagu aus Sussex eingeschlossen fand. Ein nicht zu unterdrückender Schrei verrieth ihre Bewegung. –

»Von dem elenden Abtrünnigen, vermuthe ich,« rief der Lord im Ton des Zorns.

Adelaide hatte sich in der Absicht erhoben, mit ihrem Brief in ein anderes Zimmer zu flüchten; aber unfähig sich zu bewegen, sank sie in ihren Stuhl zurück, den Lord anflehend, ihren unglücklichen Gatten nicht mit solchem schrecklichen Namen zu belegen, indem ihr Herz sonst brechen würde.

»Sehr wohl!« sagte Se. Herrlichkeit. »Laß uns hören, was der würdige Gentleman ersonnen hat, Dir seine ruinirten Vermögensumstände kund zu thun, und daß er eine kleine Ausflucht außer Landes mit einer Frau, die er Dir vorzieht, für gut befunden.«

»Lesen Sie, Mstrß. Falkland, aber laut!« rief Adelaide im Ton wilder Verzweiflung.

Rosalinde öffnete mit zitternder Hand den Brief, und fand eine Banknote von 300 Pfund in einem weißen Umschlag.

Adelaide stieß einen herzzerreißenden Schrei aus. Nun zweifelte sie nicht mehr an seiner Flucht, denn wozu ihr sonst schon wieder Geld schicken?

Lord De Moreland fragte: »Was bedeutet dieses Geld?«

»Er fürchtet, ich möchte dessen bedürfen, und hat nicht den Muth, mir dazu zu schreiben,« stammelte Adelaide.

»Glaubt der Elende, meines edlen Bruders Kind würde Unterstützung von ihm annehmen, nachdem er es so hinterlistig verlassen?« rief der Lord, mit zornsprühenden Augen. »Nein! diese Banknoten sollen sogleich wieder in seines Banquiers Hände geliefert werden, mit einem Umschlag von mir.«

»O, Mylord!« sagte Adelaide zitternd, »bedenken Sie, daß Montagu mein Gatte ist, und ich meine Pflichten nicht übertreten darf.«

»Adelaide, Adelaide! so lange Du unter meinem Schutz stehst, sollst Du nicht ferner erniedrigt werden,« erwiederte der Lord mit Nachdruck; »und zwinge mich nicht, durch diese Hartnäckigkeit Dir zu sagen, was Du vielleicht noch nicht stark genug zu hören bist, daß mein Herz keine Ruhe und keinen Frieden findet, bis ich die Banden gelös't, die Dich an diesen Elenden binden.«

»Die werden bald von selbst gelös't sein,« sagte Adelaide schwach, und sank bewußtlos nieder.

»Es ist nur eine Ohnmacht, Folge des Schreckens über meine bestimmte Erklärung,« sagte der Lord, die weinende Rosalinde zu beruhigen, dem er Adelaiden sanft in seine Arme nahm und in ihr eigenes Zimmer trug. »Sie wird sich an den Gedanken gewöhnen, und ich setze mein Leben daran, sie von dem Bösewicht zu trennen. Das Gesetz ist auf unsrer Seite, wenn gleich nicht der Gebrauch; und dieser besondere Fall wird uns Anhänger genug geben, das Ungewöhnliche zu besiegen.« Mit diesen Worten verließ er das Zimmer, nachdem er Mstrß. Falkland noch ersucht, ihm eine Unterredung zu gewähren, sobald Adelaide wieder zu sich gekommen.

»Ach!« sagte Adelaide, als sie sich allein mit Norah sah; »wer kann meinen Onkel so schrecklich gegen Montagu eingenommen haben?«

»Lady Dinwood,« entgegnete Norah, »wie ich von Baronello erfuhr, dem Ihrer Herrlichkeit Kammermädchen, seine Landsmännin, Alles erzählte. Als sie auf einer Tour durch die westlichen Grafschaften mit Capitain Crosby und anderm wilden Volk begriffen, Mylord bei seiner Landung in Plymouth traf, gab sie ihm eine detaillirte Beschreibung des Elends Ihres ehelichen Lebens, Ihrer Vernachlässigung und wie Lady Marian und der Oberst alles thäten, Sie zu kränken und zu demüthigen, und Sie zu verleiten, in ein zärtliches Verhältniß mit dem Herzog von St. Kilda zu treten. Wie Baronello sagt, war es Lady Dinwoods Absicht, Lord De Moreland noch mehr gegen Oberst Bouverie zu erbittern, um ihn in drückender Armuth zu erhalten, damit Lady Marian aus den höhern Cirkeln verbannt würde, wo sie mit Lady Dinwood um den dramatischen Preis gerungen, indem Letztere bei den theatralischen Aufführungen in Marino von Neid erfüllt über den größern Beifall, den Lady Marian erhalten, sich gelobt, nichts unversucht zu lassen, ihre Nebenbuhlerin aus der guten Gesellschaft zu vertreiben, um künftig als erste Künstlerin in dem vereinigten Königreich zu glänzen.«

»Ach!« seufzte Adelaide, »so hat denn mein armer Montagu durch Verläumdung alle seine Freunde verloren, bis auf einen treuen, dessen Liebe zunimmt, je mehr ihn die übrige Welt verläßt. Montagu, gesund und im Glück, bewundert und geehrt von Allen, war meinem Herzen nie so theuer, als der kranke Montagu, der Arme, Getäuschte, von Jedermann Getadelte und Verdammte. Das Schwerste wollte ich erdulden, mich Allem unterwerfen, nur nicht den Vorwürfen meines Gewissens, um ihm zum Nutzen und zum Trost zu sein.«

»Welch eine unversiegbare Quelle von Zärtlichkeit ist hier verschwendet!« sagte Norah in Thränen ausbrechend.

 

Lord Beechbrook versäumte nicht, Lord De Moreland gleich früh seinen Besuch zu machen; und da er schon vorher sehr erbittert gegen Bouverie gewesen, bestimmten ihn Sr. Herrlichkeit Berichte, den Plan der Scheidung zu billigen, welcher, nach Aussage einer der berühmtesten Rechtsgelehrten der Residenz, ohne Schwierigkeit oder Nachtheil ausgeführt werden könnte. Dieses Projekt zu unterstützen, beschloß Lord Beechbrook in der Stadt zu bleiben, während Lady Beechbrook Mstrß. Aspenfield nach Kent begleitete, ihren Kindern einen kurzen Besuch zu machen.

Beim Mittagsessen, dem Adelaide mit einer rührenden Trauer vorstand, fiel es ihr sonderbar auf, von Allen, selbst von Mstrß. Aspenfield, die es früher nie gethan, Adelaide genannt zu werden, als wenn der Name Mstrß. Bouverie aus dem Register gestrichen sei. Auch trug die allgemeine Unterhaltung nicht dazu bei, sie aufzurichten, indem sie sich um den Herzog von St. Kilda drehte, der gleich nach Adelaidens Abreise Castle Cottage gekauft, alles daselbst gelassen, wie sie es angeordnet, und sich häuslich darin niedergelassen hatte; doch durch dieses romantische Nähren seiner enthusiastischen Liebe in eine ernstliche Krankheit verfallen, hatte man diesen Umstand seiner Mutter nach Schottland schreiben müssen, die nun auf dem Wege nach Sussex in London eingetroffen war.

Mit einem von Qualen aller Art zerrissenen Herzen verließ Adelaide ihre Gäste, sobald es der Anstand erlaubte, und beschied Dennis zu sich, den sie beschwor, sogleich zum Goldschmied zu gehen, um ein von ihr selbst gemaltes Bild ihres Gatten dort abzuholen, welches sie fürchtete, falls es geschickt würde, in falsche Hände gerathen, und ihr genommen zu sehen, da der Onkel in seinem Zorn gegen Bouverie sogar verboten, ihr seinen Namen zu geben.

Der treue Diener that wie ihm befohlen, und überlieferte Adelaidens eigenen Händen das Bild, welches sie sorgfältig allen fremden Blicken entzog. Lady Beechbrook und Mstrß. Aspenfield reiseten den folgenden Morgen nach Kent ab, und da Adelaide einige Aufträge für Lady Longuiville zu besorgen hatte, bestellte sie ihren Wagen, statt dessen sie jedoch mit bitterm Schmerz eine Equipage ihres Onkels vorfahren sah, und hernach von Norah erfuhr, daß ihre eigene, auf Befehl Sr. Herrlichkeit, zu Bouveries Wagenmacher gesandt worden sei, dort des Obersten Bestimmung zu erwarten.

Mit Zittern verfügte sie sich in das Speisezimmer, neuen Qualen entgegensehend, die auch in Gestalt eines Gesprächs über Scheidungen eintraten; es wurden Fälle angeführt von Frauen, die glücklich und geachtet von der Welt in einer zweiten glücklichern Ehe gelebt hatten; als es aber nicht hierbei blieb und sie erfuhr, daß schon vorläufige Schritte zu ihrer Scheidung geschehen waren, konnte sie ihr Gefühl nicht länger bemeistern, und sprach mit aller schuldigen Achtung gegen den Onkel, ihren entschiedenen Entschluß, in keine Trennung zu willigen, unverholen aus.

Lord De Moreland, dessen Nerven durch bittere Täuschungen im Leben aufs höchste Höchste gereizt waren, brach jetzt, erbittert über die Zerstörung seines Lieblingsplans, in heftige Reden gegen Adelaiden aus; schilderte ihr mit lebhaften Farben ihr Loos, sollte sie auf dem Entschluß beharren, dem treulosen Verräther ferner anzugehören; und zeigte ihr auf der andern Seite die Vortheile, das Glück, den ehrenvollen Stand in der Gesellschaft, wenn sie den Wünschen des Herzogs Gehör leihen wollte, der aus hoffnungsloser Liebe zu ihr, dem Grabe zuwelkte. Er malte ihr ferner ihr Schicksal aus, wenn sie von ihm und allen ihren beleidigten Freunden verlassen, keinen Schutz und Anhalt in der Welt hätte. »Und dann,« schloß er heftig, »dann bedenke, romantische Thörin! daß ich die Hoffnungen meines Erben noch zerstören, daß ich heirathen kann! Hüte Dich, mich zu diesem Schritt zu reizen, der das Verderben Deines Abgottes, dem Du meine Gunst und Liebe opferst, besiegeln würde. Jetzt entferne Dich.«

Adelaide stand auf, ihres Onkels Befehl zu erfüllen. Lord Beechbrook ergriff ihre Hand, die er zärtlich drückte, indem er sanft sagte:

»Unsere Wünsche erscheinen Ihnen hart, und grausam die Operation, ein Glied abzuschneiden, um das Leben zu retten; aber glauben Sie nur, nie waren Sie Ihren Freunden theurer, als gerade in diesem Augenblick.«

Sie blickte ihn mitleidig zweifelnd an, und Lord Beechbrook mußte sich abwenden, ihr seine Thränen zu verbergen.

 

Der folgende Morgen brachte Adelaiden zwei Briefe; einen von Lady Ambrosia, den andern von Mellifort.

Letzterer meldete, daß er auf die von Herrn Leech durch seinen Onkel erhaltene Nachricht, daß die Flüchtlinge eine Zuflucht in Jersey gefunden, sogleich einen Prediger gebeten hätte, sein Amt für ihn zu verrichten und die Oberaufsicht über die Schule zu übernehmen, während er sich sogleich auf den Weg machen wollte, seinen unglücklichen Freund aufzusuchen, von welchem er ihr Nachricht geben würde, sobald er ihn gesprochen hätte.

Ambrosias Brief athmete Dankbarkeit für die Theilnahme, welche ihre liebe Cousine, von eigenen Leiden niedergedrückt, ihren Angelegenheiten bewiesen.

»Doch,« fuhr sie fort, »damit Sie mich nicht für schuldiger halten, als ich wirklich bin, muß ich Ihnen meine Geschichte erzählen:

Nicht gewohnt, mit Wenigem auszukommen, und jede Kleinigkeit baar zu bezahlen, sah ich mich sehr bald nach unserm Einzug in die jämmerliche Höhle, New Forest, in Verlegenheit gesetzt und zu Streitigkeiten mit meinem knickernden Mann veranlaßt. Ich wandte mich um Rath und Geld an meine Mutter, erhielt aber vom letztern nichts, und nur den guten Rath, mich nicht zu sehr nach meinem Geizhals zu geniren, und ihn durch meine Ausgaben, übereinstimmend mit meinem Rang, zu nöthigen, sich wieder um die Gunst der reichen Familie Clyde zu bewerben. Statt des Geldes kam Herr Blackthorn, mit dem freundlichen Anerbieten, mir 500 Pfund zu leihen, und bot Theodor, der nichts von meinem Darlehn wußte, so viel Geld auf Handschrift an, als er bedürfte, was er, um sich mit mir zu versöhnen (weil ich meine Niederkunft erwartete), annahm.

Hierauf lebten wir ruhig, bis mein kleiner Junge geboren wurde; aber dann begannen die Feindseligkeiten von neuem und ernstlicher, weil ich mein Kind nicht stillen wollte, wie ich versprochen, ehe ich es gesehen hatte. Die Gründe hierzu erzürnten meinen Herrn und Gebieter dergestalt, daß er mit Thränen in den Augen (ich glaube, weil er das Geschäft nicht selbst verrichten konnte) aus dem Zimmer stürzte; und sie waren doch ganz vernünftig, wie Sie hören werden. Ich war nämlich vorher noch nie mit einem neugebornen Kinde in einem Hause gewesen, und hatte mich immer nur um solche Kinder bekümmert, die sich durch außerordentliche Schönheit auszeichneten. Da nun Theodor von einem so auffallend hübschen Geschlecht abstammt, und meine ganze Familie schön ist, konnte ich mir mein künftiges Kind nicht anders als mit Lilien und Rosen auf den Wangen, blonden Locken, glänzenden Augen, Korallenlippen u. s. w. denken. Stellen Sie sich daher meinen Gram und mein Entsetzen vor, als mir ein braunes, häßliches Geschöpfe als mein Kind gebracht wird. Erst schrie ich vor Schrecken und dann vor Verdruß, und war nicht dazu zu vermögen, es anzurühren.

Endlich ward eine Amme herbeigeschafft, eine sehr hübsche, junge Person! und Theodor brachte so viel Zeit in der Kinderstube zu, wo er mich doch selten wußte, daß ich besorgt zu werden anfing. Als er nun aber gar der Person Geschenke machte, und ihr auf allen Spaziergängen nachging, unter dem Vorwand, sein Kind zu sehen, bekam ich eine so eifersüchtige Laune, daß er sie am Ende wegschicken mußte, obgleich mit Widerstreben, weil er behauptete, daß der Knabe so herrlich gedeihe.

Nun suchte ich mir das häßlichste Geschöpf zur neuen Amme aus, über deren rothe Haare und schielendem Blick Theodor einen so lächerlichen Lärm machte, als wenn das Kind etwas davon annehmen könnte. Dieß bestärkte mich in meiner Eifersucht, und da ich in dieser Zeit gerade die Eroberung des Marquis von Orton machte, munterte ich ihn, um Repressalien zu gebrauchen, etwas auf.

Das Resultat hiervon war, daß er jede Gelegenheit benutzte, sich mir zu nähern; und da es meiner Eitelkeit keinen kleinen Triumph gewährte, diesen schönen, jungen Marquis den unverheiratheten Ladys aus der Umgegend zu entziehen, und Theodor zu gleicher Zeit etwas zu demüthigen, begünstigte ich ihn einigermaßen, und ließ mich selbst zu einsamen Spaziergängen mit ihm im Mondenschein verleiten, jedoch ohne Arges dabei zu denken. Theodor aber sah nicht in mein Herz, sondern auf den äußern Schein, und forderte den edlen und mächtigen Marquis zum Zweikampf, welcher sich aber so verächtlich und mein lieber Mann so tapfer benahm, daß ich den Einen verachten, und den Andern desto mehr lieben lernte. Natürlich suchte ich mich nun wieder mit ihm zu versöhnen; doch er war so erbittert, und so unvernünftig, und ich so stolz und so thöricht, daß wir uns nicht vereinigten; als die Sachen so verzweifelt standen, kam Herr Daniel Blackthorn, Theodor in seines Vaters Namen einen Vorschlag zu thun, worauf dieser Herrn Daniel befahl, das Haus zu verlassen, und Vater und Sohn laut für Schurken erklärte.

Gleich nach dieser unpolitischen Handlung machte der alte Blackthorn Gebrauch von seiner Verschreibung, und forderte augenblickliche Bezahlung der 500 Pfund von mir, so daß ich mich genöthigt sah, meinem Mann die Sache zu erzählen, obgleich wir uns eben gezankt hatten, weil er mir die Ursache seines Streits mit Blackthorn durchaus nicht sagen wollte. Es erfolgte nun ein schrecklicher Bruch, und ich lief im ersten Zorn zu meiner Mutter, mein Kind mitnehmend, ihn zu ärgern. Hier nun mußte ich gleich die häßliche, rothhaarige Amme wegschicken, wogegen ich eine hübsche, anständige Person annahm, die meinen Knaben aufzieht; und seitdem ist er so schön, hat rothe Wangen, glänzende Augen, lockiges Haar und ist mir so zärtlich zugethan, daß ich ganz entzückt von ihm bin. Manchmal thut es mir sogar leid, ihn zu verlassen, selbst wenn ich in die bezaubernden Gesellschaften gehe, wo ich bewundert werde, wie man es vorher noch nie gesehen und gehört hat. Mir ist unbestritten die Palme der Schönheit zuerkannt worden, obgleich Cölestine vorher noch nie so schön war, wie auch Seraphine, welche immer über die gemeine Heirath schmollt, die sie gemacht hat; aber diese verdankt sie doch nur ihrer eigenen Unvorsichtigkeit, sich so weit herabzulassen, eine Verbindung mit diesem elenden Wurm, Daniel Blackthorn, nöthig zu machen.

Meine Mutter ruft mich eben ab, einen Spaziergang mit ihr und einem neuen Anbeter von mir, Lord Oglefield, zu machen, deshalb schließe ich. Sollten Sie aber nach diesem offenherzigen Bekenntniß noch etwas anderes an mir zu tadeln finden, als bloße Unvorsichtigkeit und ein Bischen eifersüchtige Gereiztheit: so stehen Sie nur nicht an, mich auszuschmälen. Ich weiß, daß Sie mich lieb haben, sonst würden Sie sich nicht um meinen Ruf und um mein Glück bekümmern, nachdem ich Sie so schlecht behandelte, wie ich mit Scham eingestehe. Darum schonen Sie mich nicht, liebe Adelaide, und Sie werden mich dennoch finden, als

Ihre

Sie verehrende, immer besser
werdende Cousine
Ambrosia Bouverie

 

Obgleich Adelaidens Gemüth von den eigenen Leiden, Ungewißheiten und Besorgnissen erfüllt war, säumte sie doch keinen Augenblick, ihrer leichtsinnigen Cousine Aufforderung zu folgen, und beschwor sie mit eindringlichen, aber zugleich freundlichen Worten, ihren Stolz und Ungehorsam zu bezwingen, und augenblicklich einen reuigen Brief an Theodor zu schreiben.

Lord De Moreland hatte seiner Nichte verkündet, daß außer Lord Beechbrook zwei fremde Herren diesen Mittag von ihm eingeladen wären; und als sie in banger Erwartung, neue Hülfstruppen gegen sich zu finden, mit Mstrß. Falkland in das Eßzimmer trat, schienen sich ihre Vermuthungen zu bestätigen, indem ihr der Eine als Lord De Morelands vertrauter Freund, Lord Wilibank, und der Andere als ein berühmter Rechtsgelehrter vorgestellt wurde.

Adelaide hatte schon öfterer von ihres Onkels und dieses Pairs Freundschaft gehört, ihn aber nie gesehen; und nun wünschte sie, es möchte das letzte Mal gewesen sein; denn der lauernde Blick, womit er sie betrachtete, verrieth einen Mangel an Zartgefühl, den sie bei Lord De Morelands Freund nicht vorausgesetzt hatte. Wie viel mehr würde er ihr mißfallen haben, wenn sie gewußt, daß er eine Haupttriebfeder des Plans ihrer Scheidung war! Nicht, um selbst Ansprüche auf ihre Hand zu machen, da er schon verheirathet, sondern um Lord De Moreland durch solche strenge Maaßregeln für immer mit Montagu zu entzweien, wodurch sich ihm, wenn diese geliebte Nichte glänzend versorgt würde, eine schöne Aussicht für seine älteste Tochter eröffnete.

Lord Wilibank hatte den viel jüngern Lord De Moreland zu einer Zeit kennen gelernt, wo dessen Scharfblick noch nicht geübt genug war, die Schattenseiten in seines Freundes Charakter aufzufinden. Später waren sie durch mancherlei Verhältnisse und des Lords langer Abwesenheit getrennt worden, und hatten sich jetzt erst wieder gefunden. Nur mit dem einen Gegenstand, der beabsichtigten Ehescheidung, beschäftigt, hatte Se. Herrlichkeit den in allen Zweigen der Intrigue bewanderten Freund, Montagus Vergehungen mitgetheilt, und in der Heftigkeit des Zorns erklärt, daß, falls er die Trennung nicht bewirken könnte, er selbst heirathen würde, um des Schuldigen Aussichten auf künftigen Reichthum zu zerstören.

Lord Wilibank rieth seinem theuren Freund, nicht zu rasch zu Werke zu gehen, um sich künftige Reue zu ersparen, schrieb dann seiner ältesten Tochter einige Verhaltungsregeln, klingelte und übergab dem Bedienten das Billet zur augenblicklichen Beförderung. Hierauf ersuchte er Lord De Moreland, nicht aus dem Hause zu gehen, ohne seine Frau und Töchter zu sehen, die höchlichst erstaunt sein würden, ihn hier zu finden, da sie ihn noch in Spanien vermutheten. Diese plötzliche Ueberraschung wirkte so mächtig auf die wohl unterrichtete junge Lady, daß sie einer Ohnmacht nahe, von Mutter und Schwestern hinausgeführt werden mußte, welcher Umstand einen sonderbaren Eindruck auf Lord De Moreland machte, indem er sich ohne Eitelkeit gestehen mußte, Lady Marie Hillersden durch seine Erscheinung in einen sehr aufgeregten Zustand versetzt zu haben.

So erzürnt Lord De Moreland auch auf Adelaiden war, konnte er doch den Gedanken eines ernstlichen Bruchs mit ihr nicht ertragen; und so oft sein Blick auf ihre leidende Trauergestalt fiel, regte sich das innigste Mitleid in seinem Herzen. Ihren Anblick so viel als möglich zu vermeiden, nahm er seines Freundes Einladung, den Nachmittag und Abend mit seiner Familie zuzubringen, dankbar an.

Am folgenden Morgen wurden die Berathschlagungen über Bouverie beim Frühstück in Lord Beechbrooks Hause wieder vorgenommen, und beim Mittagsessen in Lord Wilibanks Wohnung fortgesetzt; und wenn gleich die arme Adelaide den Zweck dieser Zusammenkünfte errieth, fühlte sie sich doch erleichtert, nicht Zeuge dabei sein zu müssen!

 


Vierzehntes Capitel.

Beim Erwachen nach einem kurzen Schlummer sah Adelaide zu ihrem größten Erstaunen Lady Ambrosia an ihrem Bette sitzen.

»Liebste Ambrosia!« rief sie, »was hat Sie hierher geführt?«

»Ihr Brief, theure Adelaide!« entgegnete sie, ihre Cousine herzlich umarmend; »Ihr lieber Brief, über den ich mehr Thränen vergossen habe, wie über die traurigsten Ereignisse meines Lebens. O! wie fangen Sie es nur an, mein Herz zu rühren, wie es noch Niemand gethan?«

»Meinen letzten Brief können Sie erst gestern erhalten haben, wie ist es möglich, daß Sie darauf schon hier sein können?«

»Indem ich die Nacht durch reiste, langte ich vor einer Stunde schon an; aber Norah wollte mir nicht erlauben, Sie zu wecken; ich konnte aber nicht zu Bett gehen, ehe ich Sie geküßt und Ihnen gedankt hatte. So übergab ich ihr meinen kleinen Jungen, der mit seiner armen Mutter gereis't ist, ohne zu schreien, obgleich er keinen andern Schutz als mich hatte.«

»Sie sind doch unmöglich von Brighton in der Nacht ohne Begleitung weggefahren?«

»Gewiß, und bin zum zweiten Mal in meinem Leben zu Ihnen in der größten Bedrängniß geflohen. – Nachdem ich mich halb todt über Ihren gestrigen Brief geweint, erzählte ich meiner Mutter, daß ich zu Ihnen reisen würde, damit Sie mir einen reuigen Brief für Theodor aufsetzten. Hierüber gerieth sie in heftigen Zorn, und verbot mir streng, keine Versöhnung mit meinem romantischen Narren von Mann zu suchen, bis er sich ihren Plänen gefügt. Diese wollte sie mir aber nicht mittheilen; und da ich Ihren Rath für besser hielt, beschloß ich, heimlich zu Ihnen zu fliehen, wozu mir eine Schmugglerfrau behülflich war. Mutter gab ein großes Concert; und als die Gesellschaft zu Tisch ging, entschuldigte ich mich durch Kopfweh, nahm mein Kind leise aus der Wiege, ohne die Wärterin zu wecken, zog es schnell an, eilte dann damit durch den Garten, an dessen Thor ich meine Schmugglerin mit einem Wagen fand; und so stelle ich mich Ihnen hiermit als eine reuige Frau vor, bereit, mich durch Ihren Rath wieder mit Theodor auszusöhnen.«

Adelaide billigte die Absicht, und tadelte nur die Art und Weise ihrer heimlichen Entweichung.

»Das ließ sich nicht ändern, weil meine Mutter mir nie erlaubt haben würde, zu Ihnen zu gehen. Das Schlimmste ist, daß man heute Morgen in Brighton sagen wird, ich sei mit irgend Jemand auf und davon gegangen; aber es kümmert mich nicht, wenn ich nur meinen Theodor wieder versöhne.«

Norah kam jetzt mit dem Kinde, welches sehnlichst nach der Mutter verlangte, die es vor Zärtlichkeit fast erdrückt hätte. Adelaide sah in dieser Liebe der leichtsinnigsten aller Mütter ein günstiges Zeichen künftigen Glücks, und stimmte freudig in das Lob des schönen, freundlichen Knaben ein.

Nachdem Ambrosia ein Frühstück zu sich genommen, legte sie sich auf Adelaidens Rath schlafen, während diese ihren Onkel aufsuchte, seine Erlaubniß zu erbitten, ihre Cousine bei sich behalten zu dürfen, bis sie sich wieder mit ihrem Mann vereinigt.

Lord De Moreland war nicht sehr erbaut von dem Gedanken, eins von Lady Leyburns Kindern als Spion in seinem Hause zu haben; da er jedoch versprochen hatte, Lord Wilibank und dessen Familie den folgenden Tag auf ihren Landsitz in Surrey zu begleiten, woselbst er einen in Rechtssachen sehr erfahrenen schottischen Edelmann kennen lernen sollte, hoffte er Ambrosias Versöhnung mit ihrem Mann und darauf folgende Abreise bewerkstelligt, ehe er zurückkehrte.

Den folgenden Morgen reis'te Lord De Moreland mit seinen falschen Freunden nach Surrey ab, und Lord Beechbrook nach Kent. Lady Ambrosia schrieb erst an ihre Mutter, und ließ sich dann von Adelaiden einen reuevollen Brief an Theodor diktiren, wobei sie bittre Thränen vergoß.

 

Zwei Tage waren dem muthlosen Kleeblatt ohne besondere Ereignisse verstrichen, als Ambrosia, die Einförmigkeit dieser traurigen Existenz zu unterbrechen, Mstrß. Falkland und Adelaiden bat, sie den nächsten Morgen zu einigen Einkaufen zu begleiten. Da aber der kleine Danvers Zahnfieber bekam, konnte ihn seine Mutter nicht verlassen, und so entschloß sich Adelaide allein mit ihrer Cousine zu fahren, unter der Bedingung, nach beendetem Einkauf noch einen Besuch mit ihr bei Mstrß. Dormer zu machen, die in der Dankbarkeit ihres Herzens mit ihrem Mann gekommen war, Adelaiden für ihre Wohlthaten zu danken, welche ihnen jedoch diesen Besuch noch nicht erwiedert hatte, wodurch der unglückliche Wahn bei den armen Leuten entstanden war, daß Mstrß. Bouverie ihnen, als Verwandte Lady Marians, ihre Achtung entzogen.

Ein Wagen Lord De Morelands erwartete Adelaidens Befehle, und nach beendeten Einkäufen gab sie dem Kutscher Mstrß. Dormers Addresse. Unglücklicherweise stieß der Wagen beim schnellen Fahren um eine Straßenecke so heftig an eine Postkutsche, daß eine Feder zersprang, und der Wagen von der herbeieilenden Menge nur vor dem Umsturz bewahrt wurde. Die Schönheit der darin sitzenden beiden Damen zog die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, und dieser sowohl, wie dem herabströmenden Regen zu entgehen, wollte Adelaide eben ihren Bedienten nach einem Miethwagen schicken, als ein Mann aus der Menge den Kutscher eines hübschen, leeren Fuhrwerks aufforderte, die Damen an den Ort ihrer Bestimmung zu bringen. Er willigte ein, und ohne daran zu denken, den Befehl zu Mstrß. Dormer zu fahren, wieder zurückzunehmen, dankte Adelaide den Umstehenden für ihre Hülfe und stieg ein. Erst als sie vor dem Hause hielt, gewahrte sie ihren Irrthum, und da Lady Ambrosia sehr neugierig war, Lady Marians Verwandte zu sehen, stieg sie mit aus. Nach einem kurzen Besuch begleitete Mstrß. Dormer ihre Gäste bis an die Hausthür, durch welche ihr Mann eben mit den Kindern, von einem Spaziergang zurückkehrend, eintrat. Nun wurden diese alle erst ihrer liebenswürdigen Wohlthäterin einzeln vorgeführt, und besonders die älteste Tochter, deren unglückliche Aehnlichkeit mit Lady Marian zu der Erklärung Veranlassung gab, daß sie nur die äußere Schönheit ihrer Tante, aber Gottlob! keine ihrer Eigenschaften geerbt hätte; worauf Mstrß. Dormer der neugierig gewordenen Ambrosia den ganzen Hergang ihrer Leiden, und Lady Marians grausame Behandlung in Sussex erzählte.

»Liebe Mstrß. Dormer!« sagte Adelaide, »meine Cousine liebt solche traurige Geschichten nicht; deshalb leben Sie wohl, und erfüllen Ihr Versprechen, mich bald zu besuchen.«

Somit eilte sie an den Wagen. Der Kutscher, welcher sich während dieser Unterredung im Vorzimmer an das Fenster desselben gelehnt hatte, sprang herbei, ihr hineinzuhelfen, wobei er ihre Hand mit einem so convulsivischen Druck ergriff, daß sie sich halb erschrocken und halb erzürnt nach dem Mann umsah, der jedoch unterdessen schon auf den Bock gestiegen war. Lady Ambrosia ließ sich von Lord De Morelands Bedienten helfen, und als sie die Gardinen aufziehen wollte, bat Adelaide sie unten zu lassen, indem sie nicht gesehen zu werden wünschte, da sie nichts Gutes von dem Besitzer des Wagens erwartete, ›dessen Kutscher wenigstens, wenn er nicht betrunken, ein sehr impertinenter Mensch sein müsse.‹

»Um dem Mann ins Gesicht zu sehen, wollte ich gerade die Gardinen aufziehen,« entgegnete Ambrosia, »weil ich ihn für den Besitzer des Wagens, für einen Gentleman halte; denn als er Sie beim Einsteigen unterstützte, bemerkte ich, trotz des großen verhüllenden Mantels, daß er eine schöne, elegante Figur hat; aber der tief in die Augen gedrückte Hut und das seidne Tuch, womit er sich Mund und Kinn zugebunden, ließen mich nicht erkennen, ob meine Vermuthung gegründet ist.«

»Für wem halten Sie ihn?« fragte Adelaide, fast athemlos vor innerer Bewegung.

»Für den Herzog von St. Kilda; denn was ich von seinem Gesicht sah, war so blaß und hohl, wie ich ihn mir jetzt, da er krank ist, denke.«

»Der Herzog von St. Kilda!« wiederholte Adelaide schwach. Doch sich plötzlich sammelnd, fügte sie fester hinzu: »Wenn dieß der Fall sein sollte, dürfen wir unsre Vermuthung durch nichts äußern, indem ich nach erhaltener Gewißheit keinen Augenblick länger im Wagen bliebe.«

Lady Ambrosia lachte sie aus, und versicherte, ruhig sitzen bleiben zu wollen, wenn auch der Marquis von Orton auf dem Bocke säße.

Indem hielt der Wagen in Berkeley Square und Adelaide beschloß, wo möglich Gewißheit über Ambrosias Vermuthung zu erhalten, da die ihrige leider an Montagus Abwesenheit scheiterte; aber der Kutscher gewährte ihr hierzu keine Gelegenheit, indem er mit abgewandtem Gesicht auf seinem hohen Bock sitzen blieb. So in ihrem Vorhaben getäuscht, beauftragte sie den Thürsteher, dem gefälligen Kutscher ein Douceur zu geben, und ihm für den geleisteten Dienst zu danken.

John kehrte jedoch gleich darauf, als Adelaide eben im Begriff war, Rosalinden ihr Abentheuer zu erzählen, mit dem Bericht zurück, daß der Kutscher, ohne auf Dank oder Lohn zu warten, wie ein Besessener fortgefahren sei.

»Der deutlichste Beweis, daß er ein Gentleman war,« rief Lady Ambrosia.

»Das ist keinem Zweifel unterworfen, Mylady,« sagte John, sich ehrfurchtsvoll verbeugend, »man merkte es schon an seiner Art zu sprechen.«

»Sprach er viel?« fragte Ihre Herrlichkeit.

»Er konnte nicht, weil er so arg zitterte; und als wir von Mstrß. Dormers Thür wegfuhren, mußte er mir die Zügel geben, weil er wie vom Fieber überfallen wurde.«

Adelaide schüttelte sich auch wie vom Fieberfrost überfallen, während Lady Ambrosia neugierig weiter fragte: ›ob John noch wüßte, was er zu ihm gesagt?‹

»O ja, Mylady! erst fragte er, wohin er fahren sollte? und als ich Herrn Carl Dormers Wohnung nannte, schien er erstaunt, und seine Stimme klang so fein, wie die eines vornehmen Herrn, weshalb ich auch nicht viel Worte zu machen wagte, und nur erzählte, wie wir den Wagen zerbrochen, und daß die Damen Lord De Morelands Nichten wären, worauf er erwiederte, daß er beide Ladys schon öfterer gesehen. Als wir zu Mstrß. Dormer kamen, lehnte er sich ganz melancholisch an einen Pfeiler, bis Mstrß. Bouverie wieder aus dem Hause trat, worauf er herbeisprang, ihr zu helfen, obgleich er eben noch wie Espenlaub gezittert hatte; und so wie ich auf den Bock kam, gab er mir die Zügel und sagte, er wäre krank gewesen und immer noch sehr schwach, weshalb er sich nicht anstrengen dürfte. Und dann fragte er gleich, ob Mstrß. Bouverie kürzlich krank gewesen, da er sie seit Kurzem sehr verändert gefunden?

Ich erwiederte, daß ich nicht viel von den Herrschaften wüßte, da Mylord erst kürzlich zurückgekehrt sei; daß aber der Kummer wohl diese Veränderung hervorgebracht, indem Mstrß. Bouverie den Verlust ihres Mannes mehr beklagte, als er verdiente; doch hoffte ich, würde alles bald wieder gut sein, und Mylord seinen Zweck erreichen, sie zu einer der größten Ladys im Lande zu machen, was sie verdiente. Als ich dieß sagte, riß er mir die Zügel aus der Hand, und fuhr so unsinnig darauf los, daß wir gleich zu Hause waren, woraus ich schließe, daß der arme, gute Mann toll ist.«

Rosalinde las in Adelaidens Zügen ihre Qual, und entließ John.

»O, es war Montagu, wie ich vermuthete; Montagu selbst! und dieser geschwätzige John hat ihn von mir getrieben, so daß ich ihn nie, nie wieder sehen werde!« rief Adelaide weinend.

»Ein Umstand, der Allen, die Sie lieben, erwünscht sein muß, so schmerzlich er Ihrem Gefühl jetzt auch erscheint,« entgegnete Rosalinde. »Uebrigens sehe ich nicht, was Sie zu dieser Vermuthung berechtigt; ich bin der Meinung, es kann eben so gut der Herzog als Montagu gewesen sein.«

Adelaide ergriff in ihrer Unruhe und Ungewißheit die erste Veranlassung, das Zimmer zu verlassen, der getreuen Norah ihre Ahnung und ihren Gram, daß John ihre Aussichten durch seine Erzählung zerstört, mitzutheilen, worauf diese nicht säumte, Dennis von Allem in Kenntniß zu sehen, der die Spur zu verfolgen beschloß.

Durch seine Bekanntschaft mit Herrn Ferret hatte er so viel von dessen Wirksamkeit, und wie seine Agenten die geheimsten Schlupfwinkel der Schuldigen aufzufinden wüßten, erfahren, daß er sie wie halbe Zauberer betrachtete. Wenn also sein Herr wirklich in London sein sollte, war Ferret der Einzige, der ihm in dem schweren Geschäft, ihn aufzusuchen, beistehen konnte. An diesen Mann wandte er sich deshalb, und da Lord De Moreland die Befreiung seiner Nichte großmüthig belohnt hatte, versprach er, sein Möglichstes zu thun, obgleich er über die Herzenseinfalt des treuen Dieners lächeln mußte, der ihm, dem bekannten Diebesfänger, das Geschäft auftrug, Oberst Bouverie einzufangen. Dennis eilte beruhigt nach Hause, das verheißene Douceur zu holen, wozu auch Norah ihre Börse öffnete; und als er zu Ferret zurückkehrte, versprach dieser ihm in acht und vierzig Stunden befriedigenden Bescheid zu ertheilen.

 

Am folgenden Morgen erhielt Lady Ambrosia einen sehr zornigen Brief von ihrer Mutter, voller Vorwürfe über ihre beabsichtigte Vereinigung mit ihrem armen Mann, statt ihm die Vortheile von Herrn Blackthorns Vorschlag begreiflich zu machen. Um ihr die Unvorsichtigkeit ihrer nächtlichen Entweichung deutlich vor Augen zu stellen, berichtete sie, daß ihre Freundin, die Schmugglerfrau, von Haus zu Haus gegangen sei, zu erzählen, daß sich Lady Ambrosia mit ihrem Kinde zu irgend einem Geliebten geflüchtet habe; welches Gerücht zu widerlegen, sie sich nun genöthigt gesehen, ihren kindischen Brief überall herumzuzeigen, und zu lachen und heiter zu scheinen, um der Welt zu beweisen, daß die Aussage der Schmugglerin erlogen sei.

Aber von Theodor kam keine Zeile an Ambrosia, die geglaubt hatte, nur sagen zu dürfen, daß sie sich über ihre Trennung betrübe, um Theodor, wenn auch nicht wegen seines Unwohlseins selbst, zu ihr zu treiben, doch mit umgehender Post, oder durch einen Expressen schreiben zu lassen, daß er ihr verzeihe und sie beschwöre, augenblicklich zu ihm zu eilen. Ambrosia weinte zwei Stunden über diese bittre Täuschung, sich selbst der Gemeinheit anklagend, solch einem herzlosen Mann gute Worte gegeben zu haben; die Weisheit ihrer Mutter preisend, und sich tadelnd, deren Rathschläge unbeachtet zu lassen. Doch nicht lange dauerte dieser leidenschaftliche Paroxismus; Herz und Vernunft gewannen wieder die Oberhand, und sie fürchtete, Theodor zu sehr beleidigt zu haben, um ihn je wieder zu versöhnen. Sie sah sich und ihr Kind verlassen, verstoßen, und Beiden keinen andern Ausweg gelassen, als augenblicklich nach Hampshire zu reisen, ihres Gatten Verzeihung fußfällig zu erflehen, oder sich sammt ihrem Knaben in den Fluß zu stürzen.

Adelaide ließ sie austoben und versuchte dann, von Mstrß. Falkland unterstützt, sie zur Geduld und ruhigen Ergebung in ihr Schicksal zu ermahnen. Rosalinde führte ihre eigene Erfahrung an, und wie sie nur durch Reue und Gebet um ernstliche Besserung auf den Punkt gelangte, Vergebung von ihrem Gatten zu hoffen.

Ach, Mstrß. Falkland!« sagte Ambrosia traurig, ich kann nicht beten, wie Sie und Adelaide, da ich nicht zur Religion erzogen worden bin. Meine Mutter denkt nie an heilige Dinge, um nicht in ihren Vergnügungen gestört zu werden; so daß ich, bis ich Adelaiden an ihrem Bette betend niederknien sah, nicht wußte, daß dergleichen Gebräuche außer der Kirche üblich wären.«

Rosalinde erschrack über dieses heidnische Geständniß, und bemühte sich, ihren so lang geschlummerten religiösen Sinn zu wecken, worauf sie sich bereit finden ließ, die morgende Post noch abzuwarten, und wenn dann wieder keine Nachricht von Theodor kommen sollte, sich noch mehr zu demüthigen und einen reuevollen Brief an Lady Clyde zu schreiben, sie um ihre Vermittlung anzuflehen.

 

Ferrets Agenten erfüllten ihr Versprechen noch früher als sie sich anheischig gemacht, indem sie schon vorher eine Spur entdeckt hatten. Einer derselben war nämlich mit zwei Gerichtsdienern zusammengetroffen, die ihm erzählt, daß sie endlich des lange nachgespürten Oberst Bouveries Fährte entdeckt, für den sie einen Verhaftsbefehl hätten. Durch Hülfe dieser Gerichtsdiener hoffte Ferret dem harrenden Dennis bald zu seinem Herrn führen zu können, und um acht Uhr desselben Abends brachte er ihm die Nachricht, ›daß Oberst Bouverie auf General Harleys Klage um drei Uhr Nachmittags auf die Seite der Schuldner in Newgate, und noch dazu in eins der allgemeinen Zimmer einquartirt worden wäre, trotz der Gegenvorstellung einer Lady, die ihm ins Gefängniß gefolgt war und darauf bestanden hatte, daß er sich besondere Zimmer geben lassen sollte.‹

Der arme Dennis erschrack heftig über diese Botschaft; sein Zorn gegen Bouverie schien zu verschwinden bei dem quälenden Gedanken, ihn im Gefängniß zu wissen. Er weinte bittre Thränen, und wußte nicht, wie er dem Liebling die Kunde beibringen sollte. Zu Norah flog er, ihren Beistand zu erbitten; aber sie war mit Ambrosias Kind beschäftigt und nicht allein. Betrübt kehrte er wieder um, und begegnete Adelaiden auf der Gallerie, die, etwas dieser Art befürchtend, so ernstlich in ihn drang, bis er ihr alles erzählte.

Zu seinem Erstaunen fiel sie weder in Ohnmacht, noch weinte sie bei diesem Bericht, obgleich ein kalter Schauer ihren Körper überlief, und Todesblässe ihr Gesicht bedeckte. Sie bat ihn, selbst Norah dieses Geheimniß einige Tage zu verbergen, und auf der Stelle ein Billet für sie zu besorgen, worauf er Antwort zurückbringen würde.

Lord Beechbrook und ihr Onkel hatten öfterer eines Anwaldes erwähnt, dessen anerkannte Rechtlichkeit alle seine Unternehmungen beförderte. Dieses Mannes gedachte sie jetzt, und bat ihn schriftlich um eine Unterredung in seinem Hause, so früh am nächsten Morgen es ihm möglich sein würde. Dennis fand ihn glücklicherweise zu Hause, und er bestimmte die neunte Stunde zu Adelaidens Empfang. Den Wunsch, seinen armen Herrn im Gefängniß besuchen zu dürfen, bat sie ihn, aufzugeben, weil sie ängstlich besorgt war, ihm ihre Kenntniß seiner Verhaftung zu verheimlichen.

Unbemerkt von ihren Freunden, nur von Dennis begleitet, gelangte sie zu dem Anwald, welchem sie sich, nachdem sie sich seiner Verschwiegenheit versichert, als Oberst Bouveries Gattin zu erkennen gab, bereit, seine Befreiung aus dem Gefängniß durch den Verkauf ihrer Juwelen zu bewirken, über deren alleinigen Besitz und beliebigem Gebrauch sie sich durch Mordaunts Testament legitimirte. Gerührt über diesen hohen Grad aufopfernder Güte, versprach Herr A., das Mögliche zu thun und den Schmuck sogleich durch seinen Juwelier taxiren zu lassen, worauf er hoffte, Bürgschaft für den Oberst zu erhalten, bis er verkauft würde.

Beruhigter kehrte Adelaide zurück, und fand ihre Freundinnen beim Frühstück, ihrer neugierig und ungeduldig harrend. Die Neugierde ward jetzt doch durch die Ungeduld überwogen, den Inhalt eines Briefs von Lady Clyde an Mstrß. Bouverie zu erfahren, indem Ambrosia sich abermals in ihren Erwartungen, von Theodor zu hören, betrogen gesehen.

Dieser Brief war jedoch nicht von der Art, ihn der ängstlich lauschenden Ambrosia mitzutheilen, da Lady Clyde berichtete, daß Theodor bei dem Gedanken schauderte, das Weib wiederzusehen, welches ihn durch List und Schmeichelei um das höchste Erdenglück, um Adelaidens Besitz, gebracht; und daß sie fürchtete, es würde einer geraumen Zeit bedürfen, ihn zu einer Wiedervereinigung mit Ambrosia zu vermögen, die einzig und allein durch das Kind zu erlangen wäre. Sie versprach der unglücklichen jungen Frau das Wort zu reden, falls Adelaide bestätigen könnte, daß ihre Reue wirklich ernstlich sei, und bat, eine scheinbare Entschuldigung für Theodors unfreundliches Schweigen zu ersinnen.

Aber in der Erfindung scheinbarer Entschuldigungen war Adelaide sehr unerfahren; und sie erröthete, wurde blaß und stockte in ihren lakonischen Antworten, bis Ambrosia, laut weinend in ihren Stuhl zurückfiel, indem sie ihren Gatten todt, oder sterbend, oder unglücklich über ein falsches Gerücht, hinsichtlich ihrer Flucht, glaubte.

Adelaide suchte sie durch die Versicherung, daß alle diese Besorgnisse ungegründet wären, zu beruhigen. »Warum zeigen Sie mir denn nicht den Brief?« schluchzte Ambrosia.

»Weil er Ihren Hoffnungen nicht entspricht, Ihrer Liebe und Eitelkeit eine Demüthigung bereitet, indem Theodor die Aufrichtigkeit Ihrer Reue bezweifelt, und deshalb nicht sogleich wieder in Ihre Vorschläge eingehen will.«

»Wenn es weiter nichts ist,« entgegnete Lady Ambrosia erröthend, »weshalb mir denn nicht den ganzen Brief zeigen, damit ich selbst beurtheilen kann, was ich von solchen kalten, herzlosen Richtern zu erwarten habe. Doch Sie haben Recht, Adelaide,« fügte sie nach einiger Ueberlegung weinend hinzu, »Theodor und seine Verwandten müssen behutsam zu Werke gehen, da sie mich nur als eine launenhafte, unüberlegte Wortbrüchige kennen.«

Adelaide beantwortete nun sogleich Lady Clydes Brief, und als sie ihrer Cousine vorlas, was sie über deren ernstliche Reue geschrieben, versicherte diese mit Thränen der Dankbarkeit, ihr Zeugniß nie Lügen strafen zu wollen.

Immer bemüht, ihre sinkenden Lebensgeister durch angemessene Beschäftigungen aufzurichten, hatte Adelaide auch in diesen Tagen des Kummers ihre gewohnten Arbeiten fortgetrieben, und unter andern einen lieblichen Umriß von Lady Ambrosia, ihr Kind auf dem Arm, und es mit mütterlicher Zärtlichkeit betrachtend, entworfen. Diesen zu vollenden und dem leidenden Theodor als Substitut für Frau und Kind zu schicken, beeilte sie sich jetzt, wofür ihr Ambrosia mit einem herzlichen Kuß dankte.

Im Laufe des Abends überbrachte Dennis Adelaiden ein Billet von Herrn A. mit der willkommenen Nachricht, ›daß sein Juwelier ihren Schmuck auf 22,000 Pfund geschätzt, daß sich bereits zwei Käufer dazu gefunden, in Folge dessen er ihr die Versicherung geben könne, Oberst Bouverie nach Verlauf von vier und zwanzig Stunden zu befreien.‹ – Ehe noch dieser Termin abgelaufen war, sagte ihr ein zweites Schreiben: ›daß ihr Gatte frei, und die Sache so eingerichtet worden sei, daß Niemand ihre Theilnahme daran errathen könne.‹

Aber Angst und Unruhe hatten so zerstörend auf ihr Aeußeres gewirkt, daß Mstrß. Falkland zum ersten Mal über ihre Gesundheit besorgt, an Lord De Moreland schrieb, ihm ihre Furcht mitzutheilen, während sie sich bei dem Sekretair der auswärtigen Angelegenheiten erkundigen ließ, wann sie ihren Gatten möglicherweise erwarten könne.

 


Funfzehntes Capitel.

Da Mstrß. Falkland die Antwort erhalten, daß sie der Ankunft ihres Gatten täglich entgegensehen könne, sprang sie am Abend desselben Tages freudig erschrocken auf, als sie einen Wagen schnell vor das Haus fahren, und gleich darauf ein lautes Pochen hörte. Adelaide, nur mit dem einen Gedanken beschäftigt, glaubte Montagu, den reuigen Montagu eintreten zu sehen, und beide Frauen fanden sich bitter getäuscht, als Herr Probey gemeldet wurde.

»Sie haben mir etwas von Oberst Bouverie zu sagen,« rief Adelaide, als sie sich wieder etwas erholt hatte.

»Ich versprach Ihnen, alles mitzutheilen, was ich hierüber erfahren würde,« entgegnete Herr Probey, und so hören Sie denn, daß Oberst Bouverie gestern Nachmittag zwei Uhr zu mir kam, nach Mellifort zu fragen; und da ich unglücklicherweise nicht zu Hause war, hinterließ er den Bescheid, daß, wenn ich meinen Neffen in den nächsten Tagen in der Stadt erwartete ich es ihm nach Hummuns sagen lassen sollte. Ich kehrte erst spät zurück, eilte aber auf diese Botschaft sogleich nach Covent Garden, wo ich jedoch den Oberst nicht mehr fand, welchen ein Brief dort aufgefunden, der ihn in der größten Eile fortgetrieben hatte, obgleich er sich in Hummuns auf eine Woche eingemiethet.«

Adelaide blickte mit thränenschwerem Blick zum Himmel; sie zweifelte nicht, daß der Brief von Lady Marian gewesen – und so war es also unleugbar, daß sie immer noch die Macht besaß, ihn zu sich zu ziehen.

»Meine theure, junge Lady!« rief Probey, ihre erstarrte Hand ergreifend, »fürchten Sie nichts. Lady Marian war nicht mit dem Oberst in seiner neuen Wohnung; und dieses günstige Omen, verbunden mit dem Umstand des Aufsuchens seines Freundes Mellifort, läßt mich das Beste hoffen, obgleich ich vermuthe, daß er seine Trennung von Lady Marian noch nicht gänzlich bewerkstelligt hat. Wie ich von einem Freund erfuhr, der genau mit Leech bekannt ist, hat es zwischen ihm und ihr ernstliche Zwistigkeiten gegeben, weshalb ich auch glaube, daß dieser, ihn schnell abrufende Brief, von Ihrer Herrlichkeit war, zu versuchen, ihn zu einer Versöhnung zu überreden durch die Nachricht einer unerwarteten ungeheuren Erbschaft, die sie erst gestern gethan. Doch bezweifle ich, daß es ihr gelingen wird, da ihn nun der Umstand, sie in Armuth zu verlassen, nicht mehr zum Bleiben bestimmt. Wir werden ihn nun als freien Agenten seines eigenen Willens handeln sehen, und nach den Bemerkungen zu schließen, die ich während der Krankheit gemacht, besitzt Lady Marian keine Gewalt mehr über sein Herz.«

Adelaide schwieg, überwältigt von ihren Gefühlen, während Lady Ambrosia ungeduldig forschte, durch welche Ungerechtigkeit dieses schlechte Weib zu solchem Reichthum gelangt wäre?

»Durch einen Anhänger des Lasters, der ihr diese Erbschaft vermachte. Der Marquis von Greenland starb gestern plötzlich im Hause einer berüchtigten Courtisane, und bei Eröffnung des Testaments ergab sich, daß er unter manchen andern Mißbräuchen seines Reichthums, Lady Marian Harley 10,000 Pfund vermacht hatte; doch in einem erst vor wenigen Tagen hinzugefügten Anhang, nachdem, wie das Gerücht sagt, Ihre Herrlichkeit einen Besuch in Greenland House abgestattet, die längst bestandene Freundschaft mit dem Marquis zu befestigen, vermachte er ihr 10,000 Pfund des Jahrs für immer, nebst 200,000 Pfund in der Bank.«

»O!« rief Lady Ambrosia unbesonnen aus, »dann wird sie die 20,000 Pfund an ihren einstigen Gatten zahlen, und meiner theuren Cousine Glück wird für immer zerstört sein!«

Entsetzt über diese unvorsichtige Rede, blickte Mstrß. Falkland in Adelaidens Gesicht, wo sie zu ihrem Erstaunen jedoch nur eine geheime Freude, den Ausdruck innern Entzückens, glänzen sah.

»Fürchten Sie nichts für mein Glück, liebe Ambrosia!« entgegnete Adelaide ruhig und würdevoll; »Montagu ist dem General Harley auch nicht einen Schilling schuldig.«

»Adelaide, wie kommen Sie zu dieser Nachricht!« rief Rosalinde, plötzlich die Wahrheit vermuthend. »Dieses Erröthen, dieser Blick sagt mir, daß Sie die kostbaren Juwelen, die Ihnen Mordaunt vermacht, hergegeben haben, diese entehrende Schuld zu tilgen.«

»Ein köstlicherer Juwel ist mir dafür geblieben,« entgegnete Adelaide sanft; »die Ehre meines Gatten! Er verdankt seine Befreiung aus dem Gefängniß nicht dem unreinen Wesen, dessen Verführungen ihn dorthin brachten.«

»War Montagu im Gefängniß wegen dieser Schuld?« fragte Ambrosia stammelnd.

Auf Adelaidens bejahende Antwort fühlte sich ihre schuldige Cousine, welche den eigenen Gatten durch ihren Leichtsinn ins Gefängniß befördert, während Adelaide Alles geopfert, den ihrigen daraus zu befreien, durch diesen Contrast so niedergedrückt, daß sie, in Thränen ausbrechend, das Zimmer verließ.

Auch Probey, von Bewunderung über solche Liebe tief ergriffen, stand auf, ihr zu folgen, als Rosalinde ihn dringend um seine Meinung, hinsichtlich Adelaidens Gesundheit befragte. Obgleich sich seine Kunst nicht auf innere Krankheiten erstreckte, verschrieb er ihr doch etwas Beruhigendes und Nervenstärkendes, worauf sie bald in einen festen Schlaf fiel, während Rosalinde selbst diese Erquickung vergebens suchte. Sie machte sich gerechte Vorwürfe, durch ihre unverantwortliche Eifersucht den ersten Grund zu Adelaidens ehelichem Unglück gelegt zu haben. Denn ohne Falklands Abwesenheit wäre die Heirath nicht so übereilt worden; und nun zitterte sie bei der herannahenden Zurückkunft ihres grausam verbannten Gatten nicht allein für das Geständniß ihrer eigenen Vergehungen, sondern auch bei dem Gedanken, ihn als ein Werk, woran sie, obgleich ohne Absicht, ebenfalls Theil hatte, das Kind seiner Pflege und Sorge, des Glücks, des Eigenthums, der Gesundheit beraubt, zuzuführen, um ihm das traurige Geschäft zu überlassen, diese Augen zu schließen, die immer nur in kindlicher Liebe zu ihm aufgeblickt.

Traurig erschien sie am andern Morgen beim Frühstück, so blaß und niedergeschlagen, daß Adelaidens Besorgnisse rege wurden; aber Mstrß. Falkland achtete deren nicht, schien zerstreut und fuhr, unter dem Vorwande, wichtige Geschäfte für ihre Mutter zu besorgen zu haben, in ihrem eigenen Wagen ohne Begleitung aus.

Der Tag verstrich den drei unglücklichen Frauen in trüber Einförmigkeit; aber der folgende Morgen brachte Ambrosia in einem Briefe von Theodor das kaum mehr gehoffte Glück. Adelaidens Kriegslist hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Anblick seines Kindes, von den zärtlichen Mutterarmen umschlungen, hatte sein Herz milder gegen Ambrosia gestimmt; er versicherte sie seiner Vergebung, versprach das Geschehene zu vergessen, und bat sie, zu ihm zu kommen, sobald sie seine verehrte, unglückliche Schwägerin verlassen könne, da er sich noch zu schwach zu einer Reise nach London fühlte.

Ambrosias freudiges Entzücken kannte keine Grenzen; sie sah ihre kühnsten Hoffnungen übertroffen; und das wohlthuende Gefühl, das Glück ihrer Cousine gegründet zu haben, verbunden mit der durch zwei ruhige Nächte neu errungenen Lebenskraft, benahmen Adelaidens Wangen die gelb und graue Farbe, und gaben ihr durch einen fieberhaften Anflug das Ansehen der frischesten Gesundheit, so daß Lord De Moreland, welcher gleich nach Theodors Brief mit heftigem Ungestüm eintrat, Adelaiden zärtlich an seine Brust drückend, ausrief:

»Aber, Mstrß. Falkland, Sie scheinen mich unnöthigerweise erschreckt zu haben. Adelaide erschien mir nie schöner und wohler aussehend, als in diesem Augenblick.«

Rosalinde berichtete, was so eben vorgegangen, und daß nur Freude und künstlicher Schlaf diesen bleichen Wangen ein hektisches Roth verliehen.

»Ich erhielt Ihren Brief erst gestern Abend,« sagte der Lord zu Mstrß. Falkland, »als ich von Roscoville zurückkehrte, wo ich zwei Tage mit Lord Wilibanks Familie gewesen, die das Haus zu sehen wünschten. Daher konnte ich nicht früher als heute Morgen abreisen, und bin nun gekommen, ärztliche Hülfe herbeizurufen.«

Adelaide bat, Herrn Probeys Vorschriften folgen zu dürfen, die ihr bis jetzt gut gethan, und da Falkland stündlich erwartet wurde, willigte der Lord ein, und verkündete Rosalinden hierauf in einer geheimen Unterredung, daß Adelaidens Trennung von Montagu nun kein Hinderniß mehr im Wege stände, als ihre romantische Halsstarrigkeit, indem er aus dem schottischen Gesetz ersehen, daß keine nachtheiligen Folgen für die Nachkommen der St. Kildaschen Titel und Güter zu befürchten wären.

Mstrß. Falkland bekannte, keine Fortschritte in dem schwierigen Unternehmen, Adelaiden für seine Wünsche zu stimmen, gemacht zu haben; und da diese ihre Gedanken und Handlungen dem Onkel nicht zu verbergen gedachte, erzählte Rosalinde Bouveries Festsetzung und die geheimen Mittel, welche Adelaide angewandt, ihn zu befreien.

Lord De Moreland, dessen Inneres schon längst durch Zorn gegen Bouverie, Mitleid und Zärtlichkeit für Adelaiden und tiefeingewurzelte Abneigung gegen eine zweite Heirath zerrissen war; während die Angriffe auf sein Herz und seine Eitelkeit durch Lady Marie Hillersden augenscheinliche, rührende Anhänglichkeit ihn im steten Kampf mit sich selbst erhielten, sah er sich durch diesen neuen Beweis der Niederträchtigkeit Montagus und der Schwäche Adelaidens in einen so wüthenden Zorn versetzt, daß Rosalinde es gerathener fand, die Unterredung abzubrechen.

Der folgende Tag verstrich, ohne Adelaiden Nachricht von Bouverie zu bringen, obgleich sein Name, in Verbindung mit Lady Marian, in den Zeitungen genannt war, in Vermuthungen, wo diese Liebenden nun ihre Residenz aufschlagen würden, nachdem die Lady sich durch die Erbschaft des Marquis von Greenland so unerwartet in großen Reichthum versetzt gesehen.

Diese Muthmaßungen und andre Paragraphen, nebst den bittern Sarkasmen Lord De Morelands, ›über das ehrenwerthe Benehmen Oberst Bouveries, der Liebling einer Courtisane des verstorbenen Marquis von Greenland zu werden,‹ verwundeten Adelaidens Gefühl; aber der nächste Tag brachte ihrem Herzen neue Qualen. Die Zeitungen meldeten, ›daß Lady Marian Harley ein köstlich eingerichtetes Haus in Gloucester Place gekauft, in welches sie am Abend vorher mit ihrer Suite eingezogen und woselbst, die öffentliche Neugierde zu befriedigen, der Name des Oberstlieutnants Montagu Bouverie angeschlagen worden sei.‹

Lord De Moreland saß mit Mstrß. Falkland und seinen beiden Nichten beim Frühstück, als ihm dieser Paragraph in die Augen fiel. Er überreichte Rosalinden das Blatt, ergriff seinen Hut und flog nach Gloucester Place, wo er die Angabe bestätigt fand. Hiermit noch nicht zufrieden, klingelte er, und fragte den Pförtner: ›Ob Oberst Montagu Bouverie hier wohnte?‹ worauf ihm bejahend geantwortet wurde, daß er jedoch noch nicht auf sei.

Im halben Wahnsinn kehrte der Lord nach Berkeley Square zurück, wo er mit der Heftigkeit eines bis zur Wuth erzürnten Mannes erzählte, was er draußen gesehen, und drinnen gehört hatte; und hierauf Adelaiden als ein Gehorsam heischender Verwandter befahl, augenblicklich eine Verbindung aufzulösen, die nun der ganzen Familie zur Schande gereichte.

Adelaide erklärte fest, aber mit von Thränen erstickter Stimme, ›daß sie nie ihre Einwilligung zur Auflösung ihrer Verbindung geben würde, obgleich ihr Wunsch einer Wiedervereinigung mit Montagu nun auch zerstört wäre.‹

Lord De Morelands Zorn gegen Bouverie wandte sich jetzt auf Adelaiden, der er unumwunden erklärte, daß, ›falls sie sich nicht vor einbrechender Nacht als eine würdige Tochter des Hauses De Moreland gezeigt, er auf der Stelle heirathen und sie auf ewig aus seiner Liebe und Gunst verbannen würde, wie er es schon mit dem Liebling der Maitresse Lord Greenlands gethan.‹ Nach diesen Worten stürzte er aus dem Hause zu Lord Wilibank, der ihm mit seiner Familie nach London gefolgt war, den günstigen Augenblick nicht zu versäumen.

Dieß war zu viel für die unglückliche Adelaide; sie fiel aus einer Ohnmacht in die andre, und erst nachdem Herr Probey alle Mittel angewandt hatte, kehrte ihr Bewußtsein zurück.

Nun, obgleich Mstrß. Falkland die zärtlichste Sorge und Theilnahme verrieth, gewahrte Adelaide doch, daß Montagus neue Vereinigung mit der verächtlichen Frau, nachdem sie in glänzende Umstände versetzt worden, ihr Verlangen, sie den Wünschen ihres Onkels geneigt zu machen, vermehrt hatte. Dieselbe Stimmung war bei Norah bemerkbar; und so sah sich denn das arme, trostlose Weib mit ihrer unbegreiflichen Anhänglichkeit an den Schuldigen auf sich selbst beschränkt, nur von Lady Ambrosia unterstützt, die, so sehr sie Adelaiden auch liebte, den Gedanken nicht ertragen konnte, sie einst noch als Herzogin zu sehen. Da diese jedoch den Wunsch, sich in ihrem neuen bezaubernden Charakter, als liebende Mutter, sobald als möglich in Hampshire zu zeigen, ausgesprochen hatte, bestand Adelaide auf ihre baldige Abreise.

Spät am Abend kehrte Lord De Moreland zurück, wo möglich noch erbitterter, als er gegangen war. Er suchte sogleich Mstrß. Falkland auf, Adelaidens Entschluß zu erfahren. »Ein Entschluß,« sagte er, »der sie entweder zur unübersteiglichsten Höhe, oder für immer zur Unbedeutendheit und zum Elend führen würde.«

Zitternd wiederholte Rosalinde die milde, aber bestimmte Antwort Adelaidens: ›nie in eine zweite Heirath einwilligen zu wollen, so lange ihr erster Gatte noch lebte;‹ worauf Lord De Moreland im höchsten Zorn die feierliche Erklärung gab, ›daß er hiermit alle Gemeinschaft mit Adelaide Bouverie aufgebe, sie nicht mehr als das Kind seines geliebten Bruders betrachte, und ihr jede Art von Beistand entziehe, selbst wenn sie durch die Schändlichkeit ihres Gatten und dessen Buhlerin verlassen, und aller Mittel beraubt umherirren sollte.‹ »Diese Nacht,« fügte er hinzu, »gestatte ich ihr in Folge der späten Stunde noch ein Obdach in meinem Hause; morgen früh aber befehle ich, daß sie es für immer verläßt. Sie, Mstrß. Falkland, werden hoffentlich meinen Wunsch erfüllen und hier bleiben, so lange es Ihnen gefällt. Meine Gegenwart soll kein Hinderniß sein, indem ich morgen mit Lord Wilibank und dessen Familie nach Surrey gehe, woselbst ich zu bleiben gedenke, bis alles zu meiner Vermählung mit Lady Marie eingerichtet ist. Mstrß. Bouverie wird sich wahrscheinlich zu ihrem würdigen Gatten verfügen, und irgend einen untergeordneten Stand in seiner neuen ehrenvollen Einrichtung einnehmen.«

»Adelaide Bouverie, Mylord, kann nie um einen ehrenvollen Zufluchtsort verlegen sein, so lange August und Rosalinde Falkland eine Wohnung haben,« rief sie, in Thränen ausbrechend. »Ich danke Ew. Herrlichkeit für Ihre gastfreie Einladung; aber von Adelaiden, der Mündel meines Mannes, dem Kinde seiner sorgsamen Pflege und Liebe, der Freundin meines Herzens soll mich keine Macht der Erde trennen; und morgen werde ich sie nach Mordaunt Priorie begleiten, woselbst es mein einziges Bestreben sein soll, ihr so viel Trost zu gewähren, als ich vermag; ihr so viel als möglich die nahen Bande zu ersetzen, deren sie das Unglück beraubt hat. Doch morgen, Mylord, ehe Sie und ich unserer fernern Bestimmung entgegengehen, hoffe ich, daß wir uns mit mehr Ruhe Lebewohl sagen.«

Mit möglichster Schonung suchte Rosalinde nun der unglücklichen Adelaide ihres Onkels harten Befehl beizubringen, dessen Sinn jedoch immer »Verbannung und ewige Trennung,« blieb. So sah sie sich denn von Allen, die sie liebte, verlassen, gleich ihrer armen Mutter von den Verwandten ausgestoßen; selbst nach ihrem Tode von dem Mausoleum ausgeschlossen, in welchem die Ueberreste ihres Gatten, als Erben der Familie, Platz finden mußten; und wie Ellen nur von einem Falkland, Dennis und Norah Obearn umgeben, ihre letzten Augenblicke zu erheitern, ihre müden Augen zu schließen.

Früh am andern Morgen nahm Ambrosia zärtlichen Abschied von ihrer unglücklichen Cousine; und Lord De Moreland ließ Rosalinden so bald als möglich um eine Unterredung bitten. Blaß und angegriffen trat er ihr entgegen und verkündete, ›daß er, obgleich nicht willens, Adelaiden je wieder zu sehen, doch nicht die Kraft in sich fühle, sie ganz aus seinem Herzen zu stoßen und sie so entfernt von aller ärztlichen Hülfe ziehen zu lassen.‹ »Ich wünsche deshalb, daß sie fürs Erste ihren Aufenthalt in meiner Villa in Twickenham nimmt, wo ihr aller Trost und Beistand aus der Hauptstadt zu Theil werden kann, bis Herr Falkland zurückgekehrt ist. Da sie darauf besteht, die Frau dieses elenden Montagu bleiben zu wollen, habe ich seine Equipage wieder für sie zurückgefordert, so wie auch von seinem Banquier die letzte Anweisung, die in meinem Umschlag dort liegen geblieben war, und die ich ihr hiermit zu ihrem Ausgaben übergebe. So lange sie in meiner Villa wohnt, ist sie natürlich mein Gast, und Lord De Moreland bleibt auch für die Folge ihr Banquier; doch darf sie nie erfahren, daß ich Theil an ihr nehme, daß mein Zorn sich auch nur im Geringsten gemindert hat. Und so leben Sie wohl, liebe Mstrß. Falkland! der Himmel vergelte Ihnen, was Sie an meinem armen, verblendeten Kinde thun. Verlassen Sie es nicht, und sorgen Sie dafür, daß es ihm an nichts gebricht.«

Er drückte Rosalindens Hand an seine bebenden Lippen, stürzte hinaus, und fuhr gleich darauf nach Surrey.

Als Adelaide sah, daß er wirklich gegangen war, Bouveries künftige Erwartungen zu zerstören, und ohne ihr ein sanftes Wort des Abschieds zu sagen, überwältigte sie der Schmerz so sehr, daß ihre überströmenden Augen kaum im Stande waren, einen Brief von Lady Longuiville zu lesen. Sie schrieb: ›daß General Harley endlich auf dem Wege der Besserung sei, und Major und Mstrß. Gayville gebietende Herren in seinem Hause und über seine Börse wären; daß die Hochzeit Lord Woodleys mit Miß Stella Price statt gefunden, und das junge Ehepaar nach Melcombe Park gekommen sei, dort die Flitterwochen zuzubringen; und daß der arme Herzog von St. Kilda seine Gesundheit durch allzugroße Schwäche und Nachgeben seines Kummers so sehr heruntergebracht habe, daß seine betrübte Mutter mit ihm nach London gereis't sei, dort ärztliche Hülfe in Anspruch zu nehmen.‹

Mit unaussprechlichem Gram vernahm Adelaide, daß sie nicht allein das Glück des Herzogs zerstört, sondern sich auch als die Veranlassung seiner leidenden Gesundheit betrachten müsse. Ihr Herz blutete bei diesem Gedanken, sie rief sich die Scenen zurück, wo er ihr Leben gerettet, ihr seine heiße Liebe gezeigt hatte; und obgleich sie bedauerte, daß er nicht der Erwählte ihres Herzens war, beschloß sie dennoch, sich nie freiwillig von Montagu zu trennen, der einst, von Lady Marian und seinen Freunden verlassen, reuevoll, mit zerrissenem Herzen zu ihr zurückkehren konnte, ihre Vergebung zu erflehen, und durch ihren Beistand seinen Frieden mit dem Himmel zu machen.

Die bittern Erinnerungen bei ihrem Eintritt in Twickenham vollendeten, was die vorigen Tage eingeleitet, und Mstrß. Falkland gewahrte eine solche Veränderung in Adelaidens Aeußerem, daß sie Herrn Dees Beistand sogleich herbeirief, welcher eine Berathschlagung mit Melliforts Onkel hielt, der gekommen war, zu melden, ›daß sein Neffe, auf einen von Bouverie nach seiner Befreiung aus dem Gefängniß in Hummuns geschriebenen Brief, wieder in London sei, ihn jedoch nicht gefunden habe, weil er bei der Ankunft des Briefes auf seiner vergeblichen Jagd nach Jersey gewesen.‹

So bedenklich die beiden Aerzte den Zustand Adelaidens fanden, erwies sich Mstrß. Falklands Vorschlag, ihr Alles zu sagen, was man von Montagu erfuhr, doch als sehr heilsam; die Möglichkeit, daß Mellifort ihren unglücklichen Gatten endlich sprechen könne, erfüllte sie mit neuen Hoffnungen, und sie sah dem folgenden Abend, an welchem Herr Probey versprochen, seinen Neffen mitzubringen, mit großer Zuversicht entgegen.

»Mein theurer, unermüdeter Freund!« rief sie ihm traurig zu, als er eintrat, »Ihr Anblick und die Begleitung Ihres Onkels verrathen mir, daß Sie keine guten Nachrichten zu bringen haben.«

Mellifort erzählte, ›daß er Bouverie zwar nicht gefunden, aber mit Gewißheit erfahren habe, daß er nicht mit Lady Marian vereint sei, sie seit dem Tage nach seiner Befreiung nicht wieder gesehen habe.‹ »Als ich von Jersey zurückkehrte,« fuhr er fort, fand ich einen Brief, der schon einige Tage auf mich gewartet hatte, und worin er mich beschwor, augenblicklich zu ihm zu kommen, und ihn von dem Elend zu erretten, in welches er sich gestürzt. Ich setzte mich auf die Post und eilte nach Hummuns, wo er nicht mehr war; wie ich aber von den Aufwärtern hörte, mehrere Abende hintereinander gekommen war, nach mir zu fragen. Bei meinem Onkel erfuhr ich nun, daß er seine Wohnung in Gloucester Place bei Lady Marian aufgeschlagen. Sogleich lief ich hin und fragte nach Oberst Bouverie, erhielt aber zur Antwort, daß er nicht zu Hause sei. Ich forschte weiter, und bekam vom Pförtner so ausweichende Antworten, daß ich neue Listen vermuthete und alles anzuwenden beschloß, seinen Aufenthalt zu entdecken. In Berathschlagungen, wie dieß am besten anzufangen, vertieft, rannte ich mit einem Mann zusammen, in dem ich augenblicklich einen alten Bekannten, einen gottlosen Buben, aus der Nachbarschaft von Dr. Birch erkannte, welchen Bouverie auf rechten Weg gebracht, und viel Gutes erwiesen hatte. Ich kannte ihn als schlau und unternehmend, lud ihn daher ein, mir in das nächste Gasthaus zu folgen und theilte ihm meine Sorge mit. Keinen passendern Gehülfen hätte ich finden können als Punnet, der schon seit zwei Tagen als Vergolder in Lady Marians Hause arbeitete, woselbst er sie mehrere Mal, aber keinen Gentleman, außer Herrn Leech, gesehen hatte. Bouveries Namen an der Thüre war von ihm angeschlagen worden, ohne etwas dabei zu denken, da er seinen Wohlthäter noch in Malta als Capitain Bouverie glaubte. Ich gab ihm nun seine Instruktionen für den folgenden Morgen, und bestellte ihn zur Mittagsstunde zu mir. Hier theilte er mir mit, was er von Ihrer Herrlichkeit Kammerjungfer erfahren, nämlich – daß Oberst Bouverie von Lady Marian aus dem Gefängniß befreit worden sei, nachdem sie so unerwartet in Besitz ihres großen Vermögens gelangt, auf welche Nachricht er sogleich zu ihr geeilt, ihr zu danken. Tages darauf zusammen zurückgekehrt, habe er sich in dem Hotel von ihr getrennt, und den entgegengesetzten Weg eingeschlagen; doch bald darauf sei er in großer Bewegung zurückgekehrt, habe seinem Bedienten befohlen, eine Miethskutsche zu besorgen und den Mantelsack darin einzupacken, während er einen Brief an Lady Marian geschrieben. Hierauf habe er seinen Bedienten, nachdem er ihn bezahlt, entlassen, und sei rasch fortgefahren.

Unmittelbar darauf,« so lautete die Erzählung, »kehrte Lady Marian zurück, und verfiel in die fürchterlichsten Krämpfe beim Lesen des Briefs; den folgenden Morgen war sie jedoch so weit wieder hergestellt, Besitz von dem Hause zu nehmen, welches Herr Leech für sie, nebst Einrichtung und Dienerschaft, von den frühern Besitzern gemiethet hatte. Kaum darin angekommen, ließ sie ein Schild mit Oberst Bouveries eingegrabenem Namen an die Thür schlagen, und befahl allen Domestiken, bei Verlust ihres Dienstes, die Abwesenheit des Obersten geheim zu halten; während sie sich selbst damit beschäftigte, Paragraphen für die Tagesblätter zu schreiben, worin sie die Orte bezeichnete, welche sie mit Oberst Bouverie besuchte, und Boten in allen Richtungen aussandte, Nachricht von dem Flüchtling einzuziehen, den sie, wie es schien, hauptsächlich in Lord De Morelands verschiedenen Wohnungen zu finden glaubte.«

Adelaide weinte bitterlich. »O, wüßte ich ihn nur gesund und in Sicherheit!« rief sie schluchzend; »aber wer weiß, wozu die Rache dieses fürchterliche Weib noch treibt! Kann er nicht, wie mein Onkel Bellenden, aus dem Bereich seiner Freunde verlockt werden? Würde er sonst gleich sein Bemühen, Sie aufzusuchen, aufgegeben haben?«

»Beruhigen Sie sich, liebste Mstrß. Bouverie,« entgegnete Mellifort; »Sie kennen sein zur Eifersucht und zum Mißtrauen geneigtes Gemüth. Er glaubt die ganze Welt gegen sich verschworen, sich von allen Freunden verlassen, und will nun auch mich nicht mehr aufsuchen, weil ich auf seinen ersten Ruf nicht kommen konnte.«

Diese Ansicht diente nicht dazu, Adelaiden zu beruhigen; und erst, nachdem Mellifort feierlich versprochen, keine Mühe zu sparen, Bouverie aufzufinden und Trost in seine leidende Brust zu flößen, zog sie sich in ihr Schlafzimmer zurück, Kräfte zu sammeln, den folgenden Morgen beim Frühstück zu erscheinen, ehe die Herren in die Stadt zurückkehrten.

Nachdem sie Abschied genommen, schrieb Rosalinde an Lord De Moreland, ihm Montagus Trennung von Lady Marian zu verkünden, und an Lee, ihn sogleich von Wiltshire herzubescheiden; während sich Adelaide schriftlich an mehrere Freunde wandte, die ihr, wie sie meinte, beistehen konnten, Bouveries Zufluchtsort auszukundschaften.

 


Sechzehntes Capitel.

Rosalinde war mit dem kleinen Danvers spazieren gegangen, und Adelaide stand, mit seinem ältern Bruder spielend, am Fenster ihres Zimmers, als sie einen vierspännigen Wagen vor das Haus fahren sah, und ihren geliebten Vormund darin erkannte.

Sie warf einen Schleier über, ihm beim ersten Anblick ihre leidenden Züge zu verbergen, und rief Norah herbei, den kleinen Friedrich seinem Vater zuzuführen, während sie Rosalinden entgegeneilte, sie auf Falklands Ankunft vorzubereiten. In diesem Augenblick hörte sie ihn aber schon auf dem Vorsaal, wie er Dennis mit ängstlichem Ton fragte: ›Ob seine geliebte Adelaide so viel schreckliches Unglück zu ertragen im Stande gewesen sei?‹

Jetzt hielt sie sich nicht länger; und von dem beruhigenden Gefühl überwältigt, endlich ein Herz gefunden zu haben, daß sie erkennen und verstehen, ihr Betragen nicht tadeln würde, sank sie mit einem Strom heißer Thränen in Falklands Arme.

»Mein Kind! mein geliebtes Kind!« rief er, entsetzt über ihren Anblick, »muß ich denn nur wiederkehren, um Dich zu verlieren? O, Adelaide, Adelaide! Mir zu Liebe mache einen Versuch, Deinen Gram zu bemeistern!«

»Ich habe gethan, was ich vermochte, mein theurer Vormund,« erwiederte Adelaide, sanft unter ihren Thränen lächelnd; »und seien Sie versichert, daß ich jetzt noch mehr an mir arbeiten werde. Doch lassen wir in diesem glücklichen Augenblick des Wiedersehens nach einer langen, schrecklichen Trennung alle traurigen Erinnerungen, und begrüßen Sie hier ihren lieblichen Knaben.«

Falkland drückte das Kind mit väterlichem Entzücken an seine Brust, während Adelaide, ängstlich bemüht, ihren geliebten Vormund wieder mit seiner reuevollen Rosalinde vereint zu sehen, den Knaben zu seiner Mutter mit der Nachricht schickte, ›der Vater wäre angekommen;‹ und nun begann sie ihrem Rosalinden gegebenen Versprechen gemäß, Falkland auf alles vorzubereiten, was er von seinem Weibe hören würde.

Doch er unterbrach ihre Einleitung schnell mit einem zärtlichen Kuß auf ihre blasse Wange, indem er lächelnd sagte:

»Glaubst Du denn, daß der großmüthige Bellenden etwas Halbes gethan hat? O, nein; denn da Dein Brief ihm gesagt, daß Rosalinde kein Geheimniß vor mir haben wollte, erzählte er mir Alles.«

»Gott segne den edlen Mann!« rief Adelaide gerührt. »So wissen Sie denn, daß Rosalinde wieder Ihre eigene, geliebte Rosalinde ist, würdig Ihrer Verzeihung. Aber von ihrer Güte gegen mich, können Sie noch nicht gehört haben, und die ist größer als meine Dankbarkeit sie Ihnen zu schildern vermag. Und nun zu ihr.«

Mit diesen Worten führte sie ihn zu Rosalinden, die fast ohne Bewußtsein seiner wartete. Falkland schloß sie bewegt an sein treu liebendes Herz, während Adelaide hinauseilte. Sie wollte zu seinen Füßen stürzen, sich Vergebung zu erflehen, aber sein Arm hielt sie fest umschlungen; sie wollte von ihren Vergehungen sprechen, aber er verschloß ihr den Mund mit Küssen, und so drückten ihre überfließenden Augen allein den Grad ihrer Dankbarkeit aus.

Von Adelaiden erlaubte er ihr zu sprechen, und sie erzählte den Beschluß der Geschichte ihres ehelichen Unglücks, die Bellenden begonnen.

Hierauf kehrten sie zu der armen Leidensträgerin zurück, und Falkland schloß sie so zärtlich an sein Herz, daß sie sich dem beruhigenden Glauben hingab, ihr Vormund billige ihr Betragen, er verdamme ihr Beharren im Ehestand nicht; obgleich Zartgefühl wegen eines fraglichen Punktes zwischen ihr und ihrem Onkel, ihre Zunge über diesen Gegenstand band.

»Aber ohne meinen Onkel zu nahe zu treten, können Sie mir Ihre Meinung über etwas sagen,« begann Adelaide nach einer Pause; »Mstrß. Falkland hat Ihnen gewiß erzählt, welche Nachrichten Mellifort uns gestern Abend gebracht. O, Sir! glauben Sie, daß Montagu durch irgend ein festes Band an Lady Marian gebunden ist, wodurch es ihr gelingt, ihn von uns entfernt zu halten?«

»Nach meiner Ansicht hält ihn sein eigenes stolzes Gefühl, keine heftigen Maaßregeln der Feindin Deines Friedens, von Dir zurück. Johns Bericht an den Kutscher, der Dich zu Mstrß. Dormer fuhr, Deines Onkels Wunsch, Eure Verbindung aufzulösen, und die in den Tagesblättern als gewiß verkündete baldige Heirath Lord De Morelands haben ihn, so sehr sein Herz ihn auch zu Dir zog, wieder zurückgescheucht, aus Furcht, seine Rückkehr interessirten Motiven zugeschrieben zu sehen.«

Dieser Ausspruch ihres Vormunds, den sie als ein authentisches Zeugniß betrachtete, beruhigte sie über das undurchdringliche Geheimniß seines Aufenthalts. Sie fühlte sich, im Vergleich mit ihren frühern Empfindungen, glücklich, lächelte wieder, und sah heiterer aus. Falkland aber war besorgt über ihren Gesundheitszustand, und theilte Rosalinden seine Furcht mit, daß sie, wie einst ihre Mutter, ein Opfer ihrer Sorgen, in ein frühes Grab sinken würde.

Ehe er am folgenden Morgen in die Stadt fuhr, Rechenschaft von seiner diplomatischen Sendung abzulegen, ließ sich Adelaide das feste Versprechen geben, London nicht eher zu verlassen, bis er Mellifort gesprochen.

Auf Herrn Probeys Rath hatte sie sich in der letztern Zeit nur mit solchen Arbeiten beschäftigt, die ihr Zerstreuung und Unterhaltung gewährten. Indem sie diese wieder hervorsuchen wollte, vermißte sie eine in London entworfene Zeichnung, die sie in der Eile ihrer Abreise in Berkeley Square hatte liegen lassen. Um sie zu vollenden, schickte sie einen Mann in die Stadt, der jedoch mit einer leeren Entschuldigung von der Haushälterin zurückkehrte.

Unzufrieden über diese Vorenthaltung ihrer Zeichnung, war Adelaide eben im Begriff, Mstrß. Falkland ihre Angst, sie in des Onkels Hände fallen zu sehen, mitzutheilen, als Mstrß. Groom, die Haushalterin, gemeldet wurde, welche ihr Auskunft über die Zeichnung geben wollte.

Adelaide erschrack über die Möglichkeit, dieses kleine romantische Gebilde ihrer Phantasie in fremdem Besitz zu wissen, was sie unfehlbar als eine in Liebe versunkene Thörin bezeichnet haben würde, da es sie selbst als eine Fischerfrau darstellte, gedankenvoll am Fenster ihrer kleinen Hütte stehend, ängstlich um sich schauend nach dem rückkehrenden Mann. Draußen Sturm und Dunkelheit; drinnen sorgfältige, zärtliche Vorbereitung auf sein Kommen; ein behagliches Feuer, ein siedender Topf, ein reinlich gedeckter Tisch, trockne Kleider für den Mann über den Stuhl gehängt, Fischergeräthschaften an der Wand. Sie selbst, zierlich gekleidet, im Profil stehend.

Bestürzt begann Mstrß. Groom ihre Entschuldigung, die Zeichnung nicht haben schicken zu können, indem sie gleich nach Mstrß. Bouveries Abreise einen armen, jungen Gentleman in ihr Zimmer gelassen, der so betrübt und krank gewesen, daß sie ihm seine Bitte nicht hätte abschlagen können.

Entsetzt fragte Adelaide, ›wer der Herr gewesen?‹ indem sie glaubte, es sei der Herzog von St. Kilda.

»Oberst Bouverie, Madame!« entgegnete Mstrß. Groom.

Mit einem Freudenschrei flog Adelaide in die Arme der erstaunten Frau, und küßte sie so herzlich, als ob sie ihre theuerste Freundin gewesen. Rosalinde suchte sie zu beruhigen, und die Haushälterin mußte weiter erzählen.

»Gleich nachdem Sie Berkeley Square verlassen hatten, hörten wir ein lautes, ungestümes Pochen an der Hausthür, worauf Nathan, der Pförtner, öffnete und einen Mann, in einen weiten Mantel gehüllt, den Hut tief in die Augen, und ein Tuch ums Gesicht gebunden, hereinließ, den er sogleich für den Oberst erkannte. Auf seine Frage: ›Ob Mstrß. Bouverie zu Hause sei?‹ antwortete er: ›Nein, Sir! sie ist mit Mstrß. Falkland und den Kindern nach Twickenham, und Mylord hat auch die Stadt verlassen, und kehrt nicht eher zurück bis –‹ Hier stockte Nathan, da er es nicht übers Herz bringen konnte, hinzuzufügen – ›bis zu Sr. Herrlichkeit Verheirathung.‹ Der Oberst aber rief stolz, indem er in des Pförtners Zimmer eintretend, den Hut abriß, seine blassen, entstellten Züge zeigte und sich zitternd in einen Stuhl warf:

›Beendige Deinen Satz, Nathan, oder ich will es für Dich thun. Se. Herrlichkeit kehrt nicht eher nach London zurück, bis Mstrß. Bouverie von ihrem Mann geschieden, und Herzogin von St. Kilda geworden ist!‹

›Gott steh uns bei! daran ist nicht zu denken, Sir!‹ entgegnete Nathan, erschrocken über die Heftigkeit und das Zähneklappern des unglücklichen Mannes. ›Die liebe junge Lady will Sie nie aufgeben, obgleich Sie sie aufgaben. Nein, Sir! weder gute Worte, noch Drohungen, noch Advokaten, noch Geistliche, noch Mylord selbst vermochten sie dazu zu bereden; weshalb Letzterer sie nun auch im Zorn von sich geschickt und geschworen hat, ihr liebes Angesicht nie wieder zu sehen, weil sie sich nicht von Ihnen scheiden lassen wollte.‹ ›Meine himmlische Adelaide wollte sich nicht von mir scheiden lassen! von mir Elenden!‹ rief der Oberst mehrere Mal; dann ließ er den Kopf auf die Brust sinken, die Arme herabhängen und stieß ein fürchterliches Lachen aus, was ich nie wieder zu hören wünsche,‹ sagte Nathan.«

Adelaide schauderte zusammen und wurde bleich. Rosalinde eilte ihr zu Hülfe; aber sie wehrte mit der Hand, und winkte Mstrß. Groom, fortzufahren.

»Nur nichts mehr von diesem fürchterlichen Lachen,« sagte Rosalinde.

»Nathan hatte sich so sehr darüber erschrocken, daß er mich herbeirief. Ich führte den armen, kranken Oberst hinauf, legte ihn auf ein Bett und gab ihm etwas ein, wornach er wieder zu sich kam, und mich inständigst bat, ihm alles genau zu erzählen. Als er hörte, wie standhaft Sie gegen Mylord gewesen, wie betrübt über seine Abwesenheit und wie krank, konnte er seine innere Bewegung nicht bemeistern. Wie ich aber unglücklicherweise Mylords baldiger Heirath erwähnte, sank er zusammen, sagte, er habe Sie zu Grunde gerichtet, und wenn er Lord De Morelands Entschluß nur einen Monat früher gewußt, würde er noch versucht haben, Ihre Vergebung zu erflehen; nun aber dürfe er nicht wagen, Sie oder Herrn Falkland je wieder zu sehen. – Er war so betrübt und unglücklich, daß ich alles versuchte, ihn aufzurichten; und endlich erzählte, daß dieses Zimmer das ihrige gewesen, und daß Sie eine Zeichnung von sich, Ihr eigenes Portrait, in der Eile hier zurückgelassen hätten. Er beschwor mich, es ihm zu geben, riß es mir aus der Hand und küßte es wie ein Besessener. Ich verließ ihn, und bat ihn, zu klingeln, wenn er etwas bedürfe; aber er klingelte nicht, sondern schnitt das Bild aus dem Rahmen und rannte damit fort, nachdem er unten ein Paar freundliche Worte mit Nathan gesprochen, und sich durch ihn bei mir hatte entschuldigen lassen.«

Ein Thränenstrom erleichterte Adelaidens gepreßtes Herz; doch nur für kurze Zeit; denn obgleich sie nun die feste Ueberzeugung erhalten, von Montagu geliebt zu sein, nahm sie zu innigen Antheil an seinem Unglück, seiner Reue, seinen getäuschten Erwartungen, um die ihr so nöthige innere Ruhe zu erlangen, und Falkland fand sie, als er spät aus London zurückkehrte, in einem sehr aufgeregten Zustand. Seine Nachrichten dienten nicht dazu, ihr Trost zu gewähren, indem der unermüdliche Punnet Bouveries Aufenthalt in einem Hause gegenüber von Mstrß. Dormer zwar entdeckt, seine Spur aber gleich darauf wieder verloren hatte. Denn als Mellifort sich auf diesen Bericht in das Haus begab, war Montagu am Abend vorher schon wieder daraus fortgelaufen, sein Bündel selbst auf den Rücken nehmend, nachdem ihm die Wirthin auf seine Fragen nach der gegenüber wohnenden Familie Dormer unter andern auch von Mstrß. Bouverie, der Wohlthäterin derselben, erzählt, und daß diese unglückliche von ihrem Mann verlassene Dame sich nächstens scheiden lassen würde, das Leben des Herzogs von St. Kilda zu retten, der nur wieder genesen könnte, wenn sie ihn heirathete.

 

Immer schwieriger wurde das Geschäft, den heimathslos herumirrenden Bouverie aufzufinden, und immer trauriger und trostloser Adelaidens Herz, das auch für den kranken Herzog blutete. Als Falkland am folgenden Morgen wieder in Angelegenheiten seiner Geschäfte nach London fahren mußte, bat ihn Adelaide, den Herzog zu besuchen, nicht allein als Freund, sondern auch als Arzt.

Er versprach es, obgleich er die Schwäche des Herzogs tadelte, eine Leidenschaft für die Frau eines Andern zu nähren, die nur möglicherweise durch die Vergehungen eines Mitmenschen ihr Ziel zu erreichen hoffen konnte.

Eine neue Hülfe erschien den trauernden Damen in Twickenham durch Lees Ankunft, der gleich nach erhaltener Nachricht abgereis't war, sich bei ihnen erst Instruktionen zu holen, ehe er in London seinen Herrn zu suchen begann, dem er sich wieder mit alter Liebe und Treue zugethan fand, sobald er erfahren, daß er sich von Lady Marian getrennt hatte. Dennis rieth, seine Nachforschungen besonders in Bow Street anzustellen, während er sich selbst auf die Umgebungen von Twickenham beschränkte, indem er richtig calculirte, daß der Dieb, welcher des Lieblings Bild entwandt, gewiß in der Nähe lauern würde, wo möglich einen Blick des Originals zu erhaschen.

Auch Adelaide hatte die Idee erfaßt, Montagu in der Umgegend zu vermuthen, weshalb sie sich so viel als möglich am Wasser aufhielt, um seine Gestalt in den vorüberfahrenden Kähnen, oder am andern Ufer zu erspähen. Gleich nachdem Lee sie verlassen, schlich sie sich, unbemerkt von Mstrß. Falkland, den Kindern und Norah, fort, und setzte sich in ein Gebüsch am Wasser, wo ihre Aufmerksamkeit bald auf zwei Fischer gerichtet wurde, die, von ihrer Arbeit ausruhend, sich über einen Gentleman unterhielten, den sie für toll erklärten. Er war drei Tage hintereinander bei sehr schlechtem Wetter gekommen, sich auf eine kleine verborgene Insel übersetzen zu lassen, von welcher er sich Abends auf ein Zeichen wieder abholen ließ. Sie erwähnten seines elenden, geisterartigen Aussehens, und da er wie ein Prinz bezahlt hatte, bedauerten sie, daß er seit zwei Tagen nicht wieder gekommen war, und meinten, er würde sich wohl an irgend einen alten Baum aufgehängt haben – vielleicht aus unglücklicher Liebe für die Köchin in Mylords Hause; denn daß er auf diese sein Augenmerk gerichtet, sei unverkennbar gewesen.

Adelaide bezweifelte nicht, daß die Fischer von Montagu gesprochen; sie sah ihn im Geist drei Tage auf der feuchten Insel liegen, ein Raub der Verzweiflung und des Todes. Von Angst erfaßt, flog sie ins Haus zurück, Dennis ihre Vermuthung mitzutheilen, und ihn zu den Leuten zu schicken, genauere Erkundigungen einzuziehen; und kaum hatte sie ihm den Auftrag gegeben, als sie von Schmerz und Kummer überwältigt auf ihr Bett und in einen fieberhaften Zustand versank.

Falkland wagte kaum mehr zu hoffen; er that, was seine Kunst vermochte, erkannte das Uebel aber für unheilbar, da es seinen Sitz im Herzen hatte, und nur durch Wiederherstellung ihres ehelichen Glücks gehoben werden konnte. Was er in der Stadt erfahren, trug auch nicht dazu bei, sie aufzurichten, weshalb Rosalinde bat, es ihr vorzuenthalten; nämlich die in den Zeitungen auf einen der folgenden Tage festgesetzte verkündete Vermählung Lord De Morelands mit Lady Marie Hillersden.

Dennis kehrte von der kleinen Insel mit der völligen Ueberzeugung, daß der melancholische Gentleman Bouverie gewesen, zurück, indem er mehrere Blätter von seiner Hand beschrieben gefunden, auf welche er inständige Bitten um Vergebung an den Himmel und an Adelaiden gerichtet.

Etwas gestärkt durch Falklands beruhigende Mittel, versuchte Adelaide, am folgenden Morgen beim Frühstück zu erscheinen, woselbst er ihr einige kleine Geschenke vorlegte, die er aus fernen Landen für sie mitgebracht. Ihre Dankbarkeit für sein freundliches Andenken äußerte sich so lebhaft, daß Falkland besorgt zu ihr sagte:

»Wenn meine liebe Adelaide ihre freudigen Gefühle bei solchen Kleinigkeiten nicht mehr bezwingen kann, wie will sie denn im Stande sein, das Glück zu ertragen, wenn Montagus Liebe seine Scham überwindet, und ihn reuevoll zu ihren Füßen zurückführt?«

Adelaidens Herz drohte bei dieser Aussicht möglichen Glücks zu zerspringen. Dankbar für die Art der Erwähnung Montagus, drückte sie ihres Vormunds Hand an die Lippen, als ein heftiges Pochen an der Hausthür sie vor freudiger Erwartung beben machte. Falkland fing ihre schwankende Gestalt in seinen Armen auf, und flüsterte ihr eben zu, ›daß dieses starke Pochen keinen reuigen Büßer verrathe,‹ als Dennis athemlos hereinstürzte, dem Liebling Lord De Morelands plötzliche Ankunft zu melden, der ihm jedoch schon auf dem Fuße folgte.

Bei Adelaidens Anblick, die bleich und leblos in Falklands Armen hing, blieb er erschrocken stehen. Dann flog er auf sie zu, preßte sie an seine Brust und rief:

»Mein Kind! mein gemordetes Kind! Muß ich Dich als ein Opfer meiner und Deines Gatten Grausamkeit finden? Nie, nie warst Du meinem Herzen theurer, als in dem schrecklichen Augenblick, wo ich Dich zu verlieren fürchte. O, mein Kind! kannst Du mir vergeben, daß ich Dich mit diesem unwürdigen Mann verband? Und wenn Du es kannst; wird Dein Vormund mir verzeihen, Dich den Händen dieses niedrigen Heuchlers anvertraut zu haben? Der Himmel in seiner gerechten Rache verlasse mich, wenn ich je –«

Adelaide, wie von plötzlicher Kraft beseelt, sprang von ihrem Sitz auf, fiel dem Lord um den Hals und preßte ihre Lippen auf die seinigen, um der schrecklichen Verwünschung Einhalt zu thun; dann sank sie erschöpft und todtenblaß zu seinen Füßen nieder.

Lord De Moreland faßte sie in seine zitternden Arme, und sagte mit unterdrückter Heftigkeit, indem er sie wieder auf das Sopha legte:

»Deinetwegen will ich mein Gelübde der Unversöhnlichkeit gegen Bouverie unausgesprochen lassen; aber vernimm, Adelaide, daß selbst Deine Zauberkraft keine Vergebung für ihn von mir erlangen soll, bis er den Beweis gegeben, eine solche Güte von mir zu verdienen. Nun blick mich nicht so traurig an, und sei versichert, daß meine Liebe zu Dir unverändert ist. Mstrß. Falklands Brief, der mir die Abnahme Deiner Gesundheit verkündete, riß mich aus meinen Fesseln und rettete mich aus dem Abgrund, in welchen mich Deines Gatten Aufführung gestürzt; und um Deinem armen, gekränkten Herzen nicht noch eine neue Last aufzulegen, enthielt ich mich der Ausführung meines Vorsatzes, Lady Marie Hillersden meine Hand anzutragen.«

Adelaide weinte Thränen der Dankbarkeit an ihres Onkels Brust, während Rosalinde im Uebermaaß ihrer Freude ausrief:

»Und doch hatten die Zeitungen gestern die Unverschämtheit, den Tag der Vermählung schon zu nennen!«

»Wozu sie berechtigt waren durch Lord Wilibank selbst, der ein bewunderungswürdiger Staatsmann ist; auch bezeigte sich Lady Marie als eine geschickte Politikerin. Doch meines Kindes trauriger Gesundheitszustand zerstörte den Zauber, der meine Sinne umnebelt hielt, und ich entschlüpfte, ehe das Netz zugezogen war.«

Die Doktoren Dee und Probey wurden jetzt gemeldet, deren Besuch sich Falkland erbeten hatte, mit ihnen über Adelaidens Zustand zu berathschlagen; und das traurige Resultat ihrer Beobachtungen war, ›daß, wenn nicht schleunigst etwas geschähe, die schwer lastende Angst von ihrem Herzen hinwegzuräumen, sehr schlimme Folgen zu befürchten ständen.‹

Aber wie diese Angst von ihr nehmen, war ein Punkt, den weder die Reichthümer Lord De Morelands, noch die vereinigte Kunst der drei geschickten Aerzte zu entscheiden vermochten. So kehrten denn die Herren wieder zurück, ohne etwas ausgerichtet zu haben. Dee versprach, in der Umgegend Nachforschungen anzustellen, und Probey seinen Neffen nach Twickenham zu schicken, um dort zu suchen, wie er in London gethan; während Lord De Moreland, von Angst gefoltert, alle Maaßregeln zu Bouveries Auffinden beförderte. »Nicht, als ob ich gesonnen wäre, ihn zu sehen, falls man ihn finden sollte,« sagte er, »oder ihn wieder in meine Gunst aufzunehmen, bevor er durch jahrelanges musterhaftes Betragen und ungetheilte Liebe und Zärtlichkeit gegen Adelaiden, seine Besserung bewiesen; auch soll er nicht erfahren, daß ich aus Rücksicht für Adelaidens Nachkommen entschlossen bin, nie zu heirathen.«

Um dem Herzog von St. Kilda sein Versprechen zu halten, ihn noch einmal zu sehen, ehe er auf seinen Rath mit Lady Aberavon nach Schottland reisete, fuhr Falkland wieder nach London, von wo er den Abend mit Mellifort zurückkehrte.

Lord De Moreland empfing den Freund und Günstling Bouveries sehr huldreich, und bat ihn, den kleinen Beweis der Dankbarkeit seiner Nichte, die vor zwei Tagen erledigte Pfründe in Roscoville, für seine vielen Bemühungen anzunehmen. Und obgleich Adelaide hieraus sah, daß Bouverie einen großen Schritt in Sr. Herrlichkeit Gunst gethan, beharrte er dennoch in der Rolle unversöhnlichen Zorns gegen Montagu, damit ihm Mellifort nicht sagen möchte, er dächte milder über ihn, wodurch er sich verleiten lassen könnte, eine zu schnelle Vergebung zu erwarten, oder wohl gar zu versuchen, den Frieden seines himmlischen, stets zum Verzeihen geneigten Weibes noch einmal zu stören.

 


Siebzehntes Capitel.

Aber ehe die Sonne am folgenden Tage aufging, schien alle Sorge für Adelaidens Frieden schnell ihrem Ende entgegen zu gehen. Die Aufregung des Tages zu beschwichtigen, hatte sie einen Schlaf bringenden Trank bekommen, der sie auch für den Anfang der Nacht beruhigte, hernach aber ihre schon erhitzte Phantasie noch thätiger machte. Sie sah Montagu auf der Insel liegen, und als sie näher hinzutrat, das geliebte Bild genauer zu betrachten, erblickte sie eine Schlange, die sich um seinen Arm wand und von da den Weg nach seinem Herzen einschlug.

Sie erwachte mit einem Schrei des Entsetzens. Norah flog an ihr Bett. »Es war nur ein Traum,« stammelte sie leise; »aber ein schrecklicher.«

Und er wirkte so störend auf ihre schwachen Lebensgeister fort, daß Falkland am andern Morgen von neuem für ihr Leben fürchtete.

Sobald Dennis, der früh an des Lieblings Thür geschlichen kam, zu erfahren, wie die Nacht gewesen, von Norah den Traum und dessen Wirkung erfuhr, flog er fort, sich auf die Insel übersetzen zu lassen, woselbst er jedoch keine andre Spur von Bouverie fand, als einen, seinen Namen tragenden Handschuh. Er lief zurück, sich eine Feder zu holen, und schrieb dann, so gut er es vermochte:

»Wenn die Person, welche einen Handschuh zwischen dem zwanzigsten und vier und zwanzigsten dieses Monats am Ufer verlor, nicht zu dem Gegenstand zurückkehrt, der den Namen dieser besagten Person trug und immer tragen wird; so wird sie bald so traurige Nachrichten, Folge ihrer unglückseligen Halsstarrigkeit hören, die das härteste Herz zu brechen im Stande wären.«

Nachdem Dennis diesen Anschlag mit vieler Mühe zusammengebracht, heftete er ihn an einen Baum auf einer Wiese nahe bei der Insel, wo er den Handschuh gefunden, und kehrte hierauf schnell zurück.

Eine traurige Gesellschaft versammelte sich zum Frühstück, bei welchem Adelaide aus Mangel an Kraft nicht hatte erscheinen können. Die übrigen Glieder zogen sich bald zurück; Rosalinde zu ihrer geliebten Kranken, Lord De Moreland in seine Bibliothek, und Mellifort begann von Neuem seine Nachforschungen, während Falkland in tiefer Bekümmerniß über den hoffnungslosen Zustand seines geliebten Pflegekinds, den Hut in die Augen gedrückt, seine hervorquellenden Thränen zu verbergen, am Rand des Wassers auf und nieder ging. Plötzlich gewahrte er einen Mann, der, mit der Strömung des Flusses kämpfend, sich aus dem Wasser erhob, seine Hand ergriff und wild ausrief: »O, Sir! Herr Falkland! meine Frau! meine Adelaide! Sagen Sie mir, ums Himmelswillen, sagen Sie mir, weshalb sind ihre Fenster verschlossen?«

Falkland erkannte sogleich, trotz des heisern, tiefen Tons der schrecklichsten Angst und Verzweiflung, Bouveries Stimme, und erhob den Blick auf ihn; aber so entstellt waren seine Züge, daß er ihn nimmermehr für Montagu gehalten hätte, wenn er nicht gesprochen. Sanft erwiederte er den Druck seiner Hand, indem er traurig antwortete:

»Als Adelaidens väterlicher Freund heiße ich Sie willkommen; auf ihren Wunsch vergebe ich Ihnen; aber weshalb ihre Fenster verschlossen sind, werden Sie, unglücklicher junger Mann, wie ich fürchte, nur zu bald erfahren.«

Montagu ließ Falklands Hand fahren, und fiel ohnmächtig zu seinen Füßen nieder. Er lös'te ihm sogleich die Halsbinde und trug ihn dann mit Hülfe einiger Gartenarbeiter, ohne Geräusch ins Haus, wo er gleich Befehl ertheilte, Lord De Moreland und Mstrß. Bouverie nichts davon zu sagen. Hierauf rief er Lee und Dennis herbei, mit deren Beistand er den vom Wasser und Schrecken erstarrten Körper entkleidete und ins Bett brachte.

»Mein theurer Montagu,« sagte Falkland, sobald Leben in ihm zurückgekehrt war; »dieß ist nicht das erste Mal, daß ich Sie zu Bett gebracht, und gegen Ihre Neigung daselbst festgehalten habe.«

»O, Sir, meine Adelaide! mein Weib!« stammelte Bouverie.

»Ihres Weibes Leben hängt in diesem Augenblick von Ihnen ab,« sagte Falkland nachdrücklich; »deshalb, wenn Sie uns Allen diese liebliche Blüthe der Vollkommenheit zu erhalten wünschen, müssen Sie sich meinem Willen unbedingt unterwerfen, und Alles thun, Ihre Gesundheit und Ihr Aussehen wieder herzustellen; denn glauben Sie mir, Montagu, der armen Adelaide Leben sowohl, wie ihr Glück liegen jetzt in Ihren Händen! Weinen Sie nur, armer Mann; aber verbannen Sie solche schrecklichen Gedanken, bei deren Ausführung ich Sie fand. Ich werde Sie jetzt der Sorge dieser beiden getreuen Diener überlassen, während ich meinem leidenden Kinde und Lord De Moreland vorsichtig mittheile, daß der lang verlorene Wandrer gefunden ist.«

»Lord De Moreland hier!« rief Bouverie ergriffen, »dann kann ich nicht bleiben; nie, nie darf ich wagen, ihn wieder zu sehen!«

»Montagu,« sagte Falkland, »sehen Sie Adelaiden; schauen Sie in ihr leidendes Angesicht, bedenken Sie, für wen sie gelitten; und dann wird Ihnen jede Aufgabe leicht erscheinen.« Mit diesen Worten verließ er ihn, um Adelaiden darauf vorzubereiten, daß Bouveries Spur endlich entdeckt sei; und wirklich hatte dieser, im ersten Schrecken über die verschlossenen Fenster, zu Dennis gesandt, der von Lee begleitet, über die Fähre zu ihm gegangen war, und ihn deshalb verfehlt hatte, welchen Umstand Falkland benutzte, ihr zu sagen, daß sie sich mit Muth waffnen sollte, bald eine direkte Botschaft von ihrem Gatten zu erhalten.

Adelaide zitterte vor innerer Bewegung, aber sie brach nicht zusammen; sondern setzte sich erwartungsvoll ans Fenster, das Ufer zu überschauen, wo die Unterredung Montagus mit Dennis, wie sie aus Falklands Reden schloß, statt gefunden, während der besorgte Vormund ging, ihm das Vorgefallene mitzutheilen.

Bouverie hatte unterdessen von den beiden Wächtern mehr gehört, als seine schwachen Sinne zu ertragen vermochten; und unfähig seine Sehnsucht länger zu bemeistern, gelang es ihm, Dennis zu bereden, ihm Kleider aus Falklands Garderobe zu bringen, damit er bereit, sei, Adelaidens erster Aufforderung zu folgen. Aber kaum im Besitz derselben, zog er sich schnell an, dieser zuvor zu kommen.

In ihren Erwartungen getäuscht, ihn vom Gestade herkommen zu sehen, zog sie sein Bild aus ihrem Busen, betrachtete es mit inniger Zärtlichkeit, und fiel dann auf ihre Kniee nieder, Gott für Montagus Errettung zu danken. Indem öffnete sich leise die Thür; er trat herein, stürzte zu ihren Füßen, und rief:

»O, Adelaide! bete für mich! bete, daß meine Zerknirschung Barmherzigkeit finden, und der Himmel Dein Herz zum Verzeihen geneigt machen möge!«

Adelaide ergriff die Hand ihres Gatten und that, wie er verlangte; und als sie sich nun mit freudestrahlendem Gesicht von ihren Knieen erhoben, und ihm mit tausend süßen Worten ihre Vergebung versichert hatte, gab er ihr die Schilderung seiner Leiden, seit er sie verlassen, die wir dem Leser in der Kürze wiederholen wollen.

 

Mit der festen Ueberzeugung von Adelaiden geliebt zu sein, verließ Bouverie den Regimentsball in Sussex, und erheiterte sich die trübe Reise durch helle Bilder der Zukunft, nachdem er mit Mellifort die besten Maaßregeln besprochen, sich von Lady Marian loszumachen, die sich den Verlust seines Herzens durch mancherlei mangelnde Vorzüge zugezogen. Von solche Gesinnungen erfüllt, erschrack er, Lady Marian, nach seiner Zurückkunft von dem Banquier, in seinem Zimmer zu finden.

Ihren Racheplan, Montagu und Adelaide zu trennen, auszuführen, erbitterte sie Mstrß. Gayville vorsätzlich, damit sie dem General Alles verriethe, und diesen in die erforderliche Wuth versetzte, ihr Veranlassung zu geben, als ein verstoßenes, entehrtes Weib zu ihrem Geliebten zu fliehen, dort Schutz vor dem Wahnsinn ihres eifersüchtigen Gatten, der Rache ihres Vaters zu suchen. Und sie übte die teuflische Kunst, seine Ehre, seine Menschlichkeit zu ihrem Besten aufzurufen, so meisterhaft aus, daß Bouverie, obgleich sein Herz sich mit Entsetzen von ihr wandte, und der Gedanke, Adelaiden wegen dieser Frau, die er beinahe verachtete, entsagen zu müssen, ihn mit Todesangst erfüllte, ihr das Versprechen gab, sie zu beschützen, ihr Gefährte, ihr Tröster zu werden.

Kaum war das unglückselige Wort ausgesprochen, als er sich aller Aussicht auf Glück, jeder Hoffnung für die Zukunft beraubt sah; und in solcher Stimmung begleitete er seine elende Verführerin in das einige Meilen von der Stadt gelegene schöne, einsame Landhäuschen, dessen Besitzerin, Mstrß. Colemann, es Ihrer Herrlichkeit schon früher einmal bei einer ähnlichen Gelegenheit überlassen hatte.

Hier nun strebte Bouverie mit aller Kraft seines Geistes, seine Sinne vor Zerrüttung zu bewahren, die ihnen, durch die Trennung von Adelaiden, und den Gedanken an ihre Leiden, drohte; während Lady Marian alle, sich sonst so wirksam erzeigten Mittel, ihn zu bezaubern, vergebens anwandte, ihn wieder zum bethörten Sclaven ihrer Leidenschaft zu machen; ja, sie nahm sogar die Gestalt jugendlicher Spielerei und kindlicher Unschuld an, ihn zur Bewunderung zu zwingen, und tändelte mit einem zahmen Lämmchen, was immer auf dem Sopha neben ihr, oder in ihren schneeweißen Armen ruhte, seine Nahrung nur aus ihrer Hand erhielt und mit bunten Bändern geziert wurde.

Doch auch diese sentimentale Operation mißglückte, wodurch Lady Marian sich im höchsten Grade gekränkt fühlte, und schlimme Folgen für ihre Gesundheit befürchtete, die ihre Schönheit zerstören, oder, was noch schrecklicher war, sie dem gefürchteten Tod in die Arme führen konnten. Diesem möglichen Unglück zu entgehen, beschloß sie nach London zu ihrem Arzt Doktor Hoodwink zurückzukehren, um zugleich auch in der Nähe ihrer dortigen Emissaire zu sein.

Bouverie, dem die ganze Welt nach seiner Trennung von Adelaiden eine große Einöde geworden war, folgte ihr mechanisch nach London, und schrieb dort an Mellifort, ein Zusammentreffen zu veranstalten, welches jedoch durch Lord Dartmoors rächenden Arm verhindert wurde; der, sobald er erfahren, daß seine Schwester mit ihrem Geliebten in der Stadt angekommen, diesem eine Ausforderung zusandte, und ihn beim ersten Schuß verwundete.

Von Doktor Hoodwink, seinem Sekundanten, (Reue und Scham hatten ihn abgehalten, hierzu einen seiner eigenen Freundes auswählen,) wurde Bouverie, zu Lady Marian gebracht deren Entsetzen und zärtliche Angst beim Anblick seiner Verwundung einigen Eindruck auf seine Dankbarkeit machte. Sie pflegte ihn mit liebevoller Sorgfalt, und überhäufte ihn mit alle den kleinen zärtlichen Aufmerksamkeiten, die Mellifort aus seinem Versteck mit angesehen.

In dieser Zeit der Hülflosigkeit bemächtigte sich Lady Marian aller der Briefe, die für Montagu bei seinem Geschäftsführer oder Banquier einliefen, unter welchen sich auch der armen Adelaide rührender Brief der Vergebung befand.

Ehe noch Bouveries so weit hergestellt war, aus seinem Käfig zu entfliehen, ging sein Prozeß, von Rache, und Geldgier getrieben, mit reißender Schnelligkeit vorwärts, und ungeheurer Schadenersatz ward ihm zuerkannt. In dem Augenblick als er hiervon unterrichtet wurde, fuhr er aus tiefen Träumereien empor, und heftete den verzweiflenden Blick, ohne etwas zu sehen, auf Mellifort, der seine Bewegung falsch auslegte.

Am Abend desselben Tages erschien Herr Leech, der Anwald, in dessen Hände er seinen Prozeß auf Marians Bitten gelegt, mit der Berechnung der Kosten, die ihn der Verzweiflung nahe brachten. Vergebens waren der Sirene Flehen, die Vorstellungen des Anwalds, das erforderliche Geld durch fernere Verpfändung seines Erbtheils, oder durch vorgreifende Anwartschaft auf das zu dem Titel De Moreland gehörende Eigenthum zu verschaffen, sich der rächenden Maaßregeln der Agenten des Generals zu entziehen, die ihn schon mit Arrest bedrohten. Nichts vermochte Montagu zu bestimmen, Adelaidens Interesse zu nahe zu treten, und das Einzige, was er herzugeben sich endlich entschloß, war seine Officierstelle, wozu er Leech die nöthigen Instruktionen ertheilte. Dann willigte er ein, dem Gefängniß durch Entfernung zu entgehen, bis sein Gemüth ruhiger geworden, über die Mittel, diese Ehrenschuld zu tilgen, ohne Adelaidens Aussichten zu schmälern, nachzudenken.

Früh am folgenden Morgen reis'ten sie deshalb nach Mstrß. Colemanns Landhaus ab, während Lady Marian durch Leech das Gerücht ihrer Flucht außer Landes verbreiten ließ, sowohl, um des Generals Agenten zu täuschen, als auch, um Bouveries Freunde von fernern Versuchen, ihn zu sehen, abzuhalten. Diesem gelang es jedoch, vor seiner Abreise der angebeteten Adelaide, ohne Wissen der schändlichen Marian, die Hälfte des Geldes zu schicken, was er von seinem Banquier gehoben, das letzte, was ihm von der Verpfändung seines Erbtheils geblieben.

Zum zweiten Mal mit Lady Marian in diesem abgelegenen Landhaus eingeschlossen, gelang es ihr, in Folge seiner Dankbarkeit für die ihm während seiner Krankheit bewiesene Zärtlichkeit, besser, einige frühere Macht über ihn zu erlangen; so daß er ihre Gesellschaft nicht allein nicht floh, sondern sie selbst zuweilen suchte, bis ein unglücklicher Umstand der abermaligen zweitägigen Verblendung für immer ein Ende machte.

Sie hatten sich zum Mittagsessen niedergesetzt, und Lady Marian, sich ihres guten Appetits schämend, während Bouverie fast gar nichts genoß, war eben wieder beschäftigt, ihr gewöhnliches Manoeuvre, alle Speisen zu kosten, nur das Vorzüglichste für den Geliebten auszufinden, zu versuchen, als sie, indem eine neue Schüssel aufgetragen wurde, ausrief: ›daß sie nun auch nichts mehr anrühren würde, wenn er ihr nicht mit gutem Beispiel voranginge.‹

»Mylady!« sagte ihr getreuer Diener John, der hinter ihrem Stuhl stand, »wollen Sie nicht von diesem Lammbraten essen? Es ist ein Nierenstück von Bobby!« (so hieß ihr Lämmchen).

»Von Bobby!« wiederholte sie erstaunt, »da muß ich allerdings ein paar Bissen kosten. Das liebe, zahme Thier, was ich eigenhändig fütterte, muß sehr fett und delikat sein! Bouverie! geliebtes Leben! Von dem armen, zahmen Bobby werden Sie doch auch ein Stückchen essen?«

Bouverie dankte schaudernd; er sah mit Entsetzen, wie sie ein Stück nach dem andern von dem Lieblingslamm verzehrte, ihm die Vortrefflichkeit desselben wiederholt anpreisend. Er gedachte Adelaidens Kindheitsscene mit dem geschlachteten Hühnchen. Und dieses himmlische Geschöpf hatte er der grausamen Cannibalin aufgeopfert! Unfähig, ihre Nähe zu ertragen, schützte er plötzliches Unwohlsein vor, und rannte, so schnell er vermochte, hinaus ins Freie.

Lady Marian fühlte den Grund seiner Flucht, ohne jedoch den Contrast zu ahnen, und zitterte vor den Folgen. Das einzige Mittel, ihn ihren Mangel an Menschlichkeit vergessen zu machen, bestand darin, seine Dankbarkeit zu bestürmen, und ihn durch ihre Theilnahme und ängstliche Sorge für seine Gesundheit von dem Vorhergehenden abzuziehen. Deshalb eilte sie ihm gleich nach; aber kein Bouverie war zu finden, und in der tödtlichen Angst, ihn auf ewig von sich gescheucht zu haben, kehrte sie zurück.

Nicht eher bis ein heftiger Regen vom Himmel strömte, dachte Montagu daran, seinen Heimweg durch die Dunkelheit der Nacht zu suchen; aber eben so gefühllos, wie sich Ihre Herrlichkeit bei dem Lämmchen bewiesen, zeigte er sich jetzt bei ihren Krämpfen und Ohnmachten, die sie sich, wie sie behauptete, aus Angst über sein Ausbleiben und sein Unwohlsein, zugezogen; bis sie von Leidenschaft und Zorn überwältigt, in einen heftigen Ton gerieth, und ihm seine Grausamkeit mit harten Worten vorhielt.

Nicht in der Stimmung, ihrer unliebenswürdigen Laune nachzugeben, sagte er ihr gute Nacht, und zog sich in sein Kämmerchen zurück. Ehe aber der Morgen graute, stand er auf, ließ anspannen und fuhr nach London, bevor Lady Marian erwacht war, welcher er schriftlich hinterließ, daß, unfähig in dieser Einsamkeit einen andern Wagen zu erhalten, er sich genöthigt gesehen, sie ihrer Equipage für einen Tag zu berauben, die er jedoch, falls seine Geschäfte ihn länger in der Stadt festhalten sollten, sogleich zurückschicken würde.

Verkleidet in einen Kutscherrock, ein seidnes Halstuch um das Gesicht gebunden, fuhr Bouverie seinen Wagen nach London, entschlossen, sich einige Tage in irgend einem kleinen Wirthshaus aufzuhalten, bis er Mellifort gefunden und mit ihm die Mittel seiner Trennung von Lady Marian besprochen hatte; als er plötzlich von einem Gentleman aufgefordert wurde, seinen Wagen dem Dienst zweier Damen zu widmen, die so unglücklich gewesen, ein Rad an dem ihrigen zu zerbrechen. Trotz der Gefahr, durch einen längern Aufenthalt den Spürhunden General Harleys in die Hände zu laufen, war er gleich erbötig, den Damen beizustehen; aber wer beschreibt seine Freude, seine Bewegung, als er Adelaiden, sein angebetetes Weib erkannte!

Des Bedienten Anweisung zu Mstrß. Dormer zu fahren, erregte seine Neugier, da er nicht wußte, was Adelaide in diesem kleinen Hause zu thun haben könne. Als er aber erfuhr, daß Herr Carl Dormer der jüngste Sohn Lord Ixworths sei, nahm sein Erstaunen zu. Er stieg vom Bock, Adelaiden besser sehen zu können, und begann eine Unterhaltung mit einer wißbegierigen Nachbarin, welche er fragte: ›Ob sie diese Equipage nicht schon öfterer vor dem Hause gesehen?‹ da ihm Lady Marian zur Zeit seiner Wiederherstellung mehrere Mal gesagt hatte, ihre Entfernung zu entschuldigen, sie sei bei ihrem armen Bruder Carl gewesen, während sie zur Ausführung ihrer schändlichen Absichten ihren frühern Anbeter, den Marquis von Greenland, besucht hatte.

Die verneinende Antwort der Frau führte ihn zu unerfreulichen Betrachtungen über Marians mangelnde Wahrheitsliebe; und während er noch an dem Pfeiler des Hauses gelehnt stand, vernahm er Adelaidens Zauberstimme, und Mstrß. Dormers ganze Erzählung ihrer Abentheuer in Sussex.

Entsetzen erfaßte den unglücklichen Mann bei dieser Enthüllung der Schändlichkeit seiner einstigen Geliebten, und der Vortrefflichkeit seiner verlassenen, vernachlässigten Frau. Kalter Schweiß floß von seiner Stirn, er zitterte an allen Gliedern; und als Adelaide an der Thür erschien, sprang er herbei, und ergriff ihre Hand, ihr in den Wagen zu helfen; aber das Gefühl seiner Vergehungen, seiner Unwürdigkeit erfaßte ihn plötzlich, und wie vernichtet stieg er wieder auf den Bock.

Nicht im Stande die Zügel zu führen, übergab er sie John, der ihm auf seine Fragen den Bericht ertheilte, den wir schon früher gehört. Der plötzlich erwachte Wahnsinn seiner lange geschlummerten Eifersucht, verlieh ihm neue Kräfte; Zügel und Peitsche den Händen des Bedienten entreißend, fuhr er im wüthendsten Galopp, der grausamen und ungetreuen Adelaide so schnell wie möglich zu entgehen, von der er nun glaubte, an Mstrß. Dormers Thür erkannt worden zu sein, weshalb sie ihm ihre Hand unwillig entzogen. Ohne sie eines Blicks zu würdigen, fuhr er rasch von Lord De Morelands Hause weg, und hielt an dem ersten besten Gasthof, wo er einen Kutscher miethete, den Wagen zu seiner Besitzerin zurückzubringen. Er selbst warf sich mit seinen wenigen Sachen in eine Miethskutsche und ließ sich in einen entfernten obscuren Gasthof bringen, wo er vor Lady Marians Verfolgungen sicher zu sein glaubte; aber den Agenten ihres Gatten war er nicht so glücklich zu entgehen, die ihn durch Nachspürung der Equipage aufgefunden und in Folge eines Verhaftsbefehls in Newgate einquartirt hatten.

Leech erhielt sogleich Kunde hiervon, und da Lady Marian sich schon, ihn aufzusuchen, in der Stadt befand, begaben sie sich augenblicklich ins Gefängniß, wo Marian alle Beredtsamkeit aufbot, ihn zu bereden, besondere Zimmer zu miethen, welche sie mit ihm theilen wollte.

Gegen diesen Vorschlag bezeigte sich Montagu jedoch unerbittlich; er versicherte, daß ihm kein Geld zu überflüssigen Ausgaben bleibe, und daß sie in ihr Landhaus zurückkehren möge, was auf drei Monate gemiethet worden. Als Ihre Herrlichkeit hierauf des Einkommens seiner Frau erwähnte, erwiederte er unwillig, ›daß er zwei Drittel seines Einkommens dem Engel, seinem Weibe, für künftige Lebenszeit bestimmt habe, während das letzte Drittel für ihn und sie hinreichen müsse, sowohl wenn sie vereint oder getrennt lebten.‹

Ein heftiger Paroxismus Marians wüthender Eifersucht folgte dieser ungleichen Vertheilung, und der Ausdruck Engel, erregte einen solchen Zorn, daß sie in Unfrieden schieden. Doch schon am andern Morgen kamen besänftigende Briefe, voll Zärtlichkeit und Anbetung von Lady Marian, worin sie ihn bat, Einrichtung zu ihrer baldigen Wiedervereinigung zu treffen.

Unterdessen hatte Adelaide ihres Gatten Befreiung bewirkt, und erstaunt verließ er das Gefängniß, ängstlich bemüht, zu erforschen, welches befreundete Wesen dieses ungeheure Opfer für ihn gebracht; denn an Lord De Moreland wagte er nicht zu denken, wohl wissend, wie dieser gegen ihn gesinnt war.

Bouverie eilte nach den Hummuns, wo er Quartier miethete, und dann in der Hoffnung, Mellifort zu finden, zu Probey ging; aber wieder zurückgekehrt, erwartete ihn ein Brief von Lady Marian, ihm aus Newgate nachgesandt, worin sie ihm die große Erbschaft von einem Freund, den sie mehrere Jahre nicht gesehen, den Marquis von Greenland, meldete, und sich erbot, ihre Reichthümer mit ihm zu theilen.

Dieser Brief, das künstlichste Werk leidenschaftlicher Liebe und edelmüthiger Aufopferung, bestimmte Bouverie, seinen ersten Plan, Mellifort aufzusuchen, aufzugeben; indem nun das entsetzliche Gefühl, Lady Marian in den entehrten Zustand, worin sie ihre Leidenschaft geführt, ungroßmüthig zu verlassen, von ihm genommen war; und er wollte keinen Augenblick zögern, zu ihr zu eilen, ihr seine Dankbarkeit und die Gefühle auszusprechen, die ihn zu einer Trennung bestimmten.

Vorher aber suchte er noch Herrn Leech auf, sich bei ihm Raths zu erholen, wie er zur Kenntniß seines großmüthigen Befreiers gelangen könne? worauf dieser würdige Gehülfe Lady Marians ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit vertraute, daß Ihre Herrlichkeit in Anwartschaft auf ihre große Erbschaft die Summe gehoben habe, eine Schuld zu bezahlen, in die sie ihn verwickelt.

Diese Nachricht überwältigte fast Bouveries Sinne; er war durchdrungen von Dankbarkeit für die Großmuth des zärtlich liebenden Weibes; doch wollte er ihm nicht für zehntausend Welten eine solche Verbindlichkeit schuldig sein, und war entschlossen, Himmel und Erde in Bewegung zu setzen, die ungeheure Summe aufzutreiben.

Lady Marian spielte ihre Rolle so natürlich, daß, wenn Montagus Herz nicht durch die Liebe zu Adelaiden geschützt gewesen wäre, er die beabsichtigte Trennung wieder aufgegeben haben würde; und durch ihre pathetischen Aufforderungen an seine Großmuth, durch zärtliche Bitten, Thränen und Beschwörungen, entriß sie ihm das Versprechen, nicht sogleich von ihr zu gehen, wie er angekündigt, ihrem Stolz den Anschein zu erlauben, als ob sie sich von ihm getrennt hätte, was sie in den nächsten Tagen durch ihren Umzug nach Gloucester Place zu thun beabsichtigte, wo sie ihn immer als ihr theureres Selbst empfangen würde.

Hinsichtlich seiner Befreiung benahm sie sich so künstlich und zweideutig unschuldig, daß er keinen Augenblick an Leechs Bericht zweifelte; und voll Bewunderung dieses außerordentlichen Edelmuths bedeckte er die vielen Mängel, die er kürzlich in ihrem Charakter entdeckt, mit einem verhüllenden Schleier.

Die bewilligte gradweise Trennung möglichst bald auszuführen, erklärte Bouverie, daß ihn wichtige Geschäfte den folgenden Morgen in die Stadt beriefen; und da auch Lady Marian in Bezug auf ihre neue Wohnung mit Herrn Leech zu verkehren hatte, begleitete sie ihn nach London, wo sie sich gleich trennten.

Montagu flog zu dem Geldjuden, der ihn früher schon aus der Noth geholfen; denn obgleich er fast die Hälfte der schuldigen Summe zu Gaben der Galanterie und zur Beschwichtigung von Marians dringendsten Gläubigern gehoben hatte, wurde ihm der Gedanke, ihr eine solche Verbindlichkeit schuldig zu sein, doch von Stunde zu Stunde unerträglicher. Der Mann war unglücklicherweise nicht zu Hause, und indem Bouverie langsam, in traurige Gedanken verloren, den Heimweg antrat, hörte er Lady Marians Stimme, die ihm aus einem Laden sanft flüsternd zurief: »Mein Leben! Sie müssen mich mit Ihrem Geschmack unterstützen bei der Auswahl meines Silbergeschirrs.«

Montagus Gedanken wanderten in einem undurchdringlichen Labyrinth von Verpfändung, Verderben und Elend herum. Er konnte kein Stück Silberzeug von dem andern unterscheiden, und wäre gern gleich wieder fortgeeilt; aber er mußte ihr noch eine Treppe hinauf folgen, wo ein Schmuck zu verkaufen war, den eine Lady in der größten Noth vor wenigen Tagen veräußert hatte.

»Die arme Frau!« sagte Bouverie bewegt; »aber darf man fragen, welches Unglück sie zu diesem Opfer vermochte?«

»Bestimmt weiß ich es nicht,« entgegnete der voraufgehende Verkäufer; »aber nach der Eile zu schließen, muß es wohl die Befreiung ihres Gatten aus dem Gefängniß gegolten haben.«

In diesem Augenblick traten sie herein, und Bouverie erblickte die unter Glas sorgfältig aufgestellten, ihm wohl bekannten Juwelen seiner eigenen Frau.

»Die Herren N. N. gaben 22,000 Pfund dafür,« sagte der Mann. Die Summe, der Tag des Verkaufs, alles vereinigte sich, ihm die Gewißheit zu geben, daß Adelaide den Schmuck verkauft, ihn aus dem Gefängniß zu befreien. Er hätte vor ihr niederfallen und sie anbeten mögen. Lady Marian, die niedrige Betrügerin, die sich Adelaidens erhabene Großmuth unrechtmäßig angeeignet, auf ewig zu verlassen, stand nun fest in seinem Sinn; und ohne eine andere Erklärung als den Blick tiefer Verachtung, den er auf die Falsche warf, stürmte er wie ein Rasender die Treppe hinunter, auf die Straße, wo er sich in einen Miethswagen warf und mit Blitzesschnelle nach dem Hotel, worin er abgestiegen, zu fahren befahl. Hier schrieb er schnell einige Abschiedszeilen an Ihre Herrlichkeit, entließ seinen Bedienten und begab sich dann in das Haus gegenüber von Mstrß. Dormer, wo ein Logis zu vermiethen war, wie er früher gesehen hatte.

Zu aufgeregt, um augenblicklich einen Plan zu fassen, hatte ihn nur die Erinnerung, Adelaiden in diesem abgelegenen Theil der Stadt gesehen zu haben, und die Hoffnung, sie einst wieder dort zu treffen, in dieses Haus getrieben, wo er sich nun durch wahre, aufrichtige Reue der reinen Liebe Adelaidens würdig zu machen vornahm; denn von ihrer Liebe hatte ihn das Opfer ihrer Juwelen überzeugt, und wer dessen fähig war, ließ sich auch nicht zur Scheidung überreden. Er ging ihr Betragen vom ersten Tag ihrer Verheirathung bis auf diese Stunde durch, und fand nichts als Großmuth, Ergebung und Nachsicht. Seine romantische Liebe steigerte sich zum höchsten Grad von Enthusiasmus; aber so unglücklich ihn auch die Trennung von ihr machte, beschloß er, es ihr an Großmuth gleich zu thun, und sie, frei vom Einfluß des Mitleids oder der Barmherzigkeit, allein entscheiden zu lassen, ob sie ihn, oder eine zweite, vornehme Heirath wählen wollte.

Doch nur in der Theorie bestand seine Großmuth; denn als er von seiner geschwätzigen Wirthin die Kunde erhalten, daß Mstrß. Bouverie sich nächstens mit dem Herzog von St. Kilda vermählen würde, erfaßte ihn wilde Verzweiflung, und entschlossen, sich selbst den strengen Vorwürfen Lord De Morelands auszusetzen, stürmte er fort, Adelaiden als sein Eigenthum, wovon ihn nur der Tod trennen könnte, zu heischen.

Der Erfolg dieses Entschlusses ist unsern Lesern bereits bekannt. Mit Adelaidens Portrait, und dem neuen Schmerz, den ihm die Gewißheit von Lord De Morelands Verbindung verursacht, im Herzen, nahm er sich vor, London und jede Aussicht künftigen Glücks zu fliehen, da er, nachdem er seine Frau auch um ihr Vermögen gebracht, nicht mehr den Muth hatte, an eine Vereinigung zu denken. Er glaubte, sich von aller Welt verlassen, auch von Mellifort, der seinen Aufforderungen, ihn zu sprechen, nicht gefolgt war.

Von solchen trüben Gedanken erfüllt, bezog er eine einsame Hütte in der Nähe von Twickenham, hoffend, Adelaiden wenigstens manchmal aus der Ferne zu sehen. Aber auch diese Freude wurde ihm nicht zu Theil, und vergebens bewachte er den Eingang ihres Hauses von der feuchten Insel, bis ein Erkältungsfieber ihn mehrere Tage ans Bette fesselte. Wieder genesen, eilte er auf seinen Posten, und fand den Anschlag von Dennis, der ihm fast die Besinnung raubte. In wilder Hast suchte er die Fähre zu erreichen, fest entschlossen, demüthig bei Lord De Moreland um Einlaß zu bitten, als er am entgegengesetzten Ufer Falkland, vom Kummer niedergedrückt, erblickte; und sich zu überzeugen, ob es keine Täuschung, ob dieser Mann wirklich sein früher, geschätzter Freund sei, blieb er zögernd stehen. Da fielen ihm die verschlossenen Fenster in die Augen; und in der schrecklichen Ungewißheit über Adelaidens Krankheit, schwamm er durch die Themse, seine Ungeduld schneller zu befriedigen. Hier fand ihn Falkland.

 


Achtzehntes Capitel.

Mstrß. Falkland kehrte endlich von Lord De Moreland und ihrem Gatten beauftragt zu Adelaiden zurück, ihr zu melden, daß Bouverie eingewilligt habe, Falkland zu sehen, der deshalb zu ihm gegangen sei, als sie beim Oeffnen der Thür den fraglichen Gegenstand von Adelaidens Armen umschlungen, neben ihr sitzen fand. Und so vertieft schien das zärtliche Paar in seiner Unterhaltung, daß sie unbemerkt die Thür wieder zumachte, und in die Bibliothek zurückkehrte, Sr. Herrlichkeit und ihrem Gatten zu verkünden, daß die gefürchtete Zusammenkunft ohne Nachtheil für Adelaidens Gesundheit statt gefunden habe.

Falkland bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen, die reichlich strömenden Thränen der Freude und Dankbarkeit über diesen glücklichen Ausgang zu verbergen; während Lord De Moreland das Zimmer mit großen Schritten maß.

»Welch ein wundersames Geschöpf ist der Mensch!« rief er aus. »Wer hätte gedacht, daß dieser nichtswürdige Landstreicher, gegen den ich erst noch vor wenigen Stunden Verwünschungen ausstieß, nun mein Herz vor Entzücken schlagend macht, meine Augen mit Freudenthränen füllt? Aber ihm gilt es nicht, dieses Herzpochen, diese Thränen. Nein, meine Freunde; nur Adelaiden, der Erhaltung meines grausam behandelten Kindes, das leider einzig in der Wiedervereinigung mit diesem Mann sein Glück sucht. – Die liebe, theure Adelaide! sie wird die Lage ihres Mannes zwischen uns Allen peinlich finden; auch er muß sich nothwendig unbehaglich fühlen, wo er in jedem ihrer Freunde einen vorurtheilsvollen Beobachter sieht. Deshalb, obgleich ich keine Rücksicht auf seine Gefühle nehme – nur in Bezug auf sie – möchte ich Ihnen, meine Freunde, vorschlagen, meinem Beispiel zu folgen, und mich nach Berkeley Square zu begleiten, wohin ich in einigen Stunden abgehe, dort bei mir zu verweilen, bis Adelaide so kräftig geworden ist, eine Reise nach Kent zu ertragen. Da wir sie hier unter Norahs und Herrn Dees Aufsicht lassen, ist nichts zu riskiren, und Sie, Herr Falkland, können sie täglich sehen. Sobald sie dann vollkommen hergestellt ist, mag sie nach Schloß De Moreland gehen, welches ihr nun eigen gehört, und wir wollen nach Kent reisen; dort aber bin ich Falklands Gast, nicht Bouveries, bis er sich des Schatzes würdig gezeigt, den ich ihm so kopflos anvertraute.«

Falkland und Rosalinde erkannten das Zarte in des Lords Vorschlag; und obgleich Ersterer vor wenigen Stunden noch nicht an die Möglichkeit gedacht hatte, Adelaiden jetzt zu verlassen, war er ihrer Genesung nun so gewiß, daß er unbedingt einwilligte. Nur sollte das wiedervereinte Paar erst davon in Kenntniß gesetzt werden, zu welchem Zweck sich Rosalinde abermals an der Thür zeigte, und scherzhaft fragte: ›Ob Montagu Bouverie ein christlicher Ritter sei, bereit, Frieden mit einem Jemand zu schließen, der sich einst seinen tödtlichen Feind genannt?‹

Montagu, der von Glück und Liebe berauschte Montagu, sprang der schönen, Friede wünschenden Rosalinde freudig entgegen, und antwortete ihr durch einen feurigen Kuß der Dankbarkeit.

»Ei, ei!« rief die erröthende Frau, »daß ist ein neues System der Politik, den Traktat zu unterzeichnen, ehe die Präliminarien abgeschlossen worden sind.«

»Adelaide ist nun meine Gesetzgeberin,« entgegnete er, »und von ihr habe ich die Erlaubniß zu friedlichen Maaßregeln erhalten.«

»Eine Thörin! Friede mit Ihnen zu schließen, ohne eine einzige Bedingung,« sagte Rosalinde lachend.

Falkland kam jetzt herein, und nachdem er Adelaiden seine herzlichsten Glückwünsche dargebracht, und ihren Gatten willkommen geheißen, verkündete er ihnen Lord De Morelands Plan, aus dem, so sehr er sie auch für den Augenblick betrübte, doch die Hoffnung einer zukünftigen Vergebung für Bouverie entgegenleuchtete. Hierauf ertheilte er Adelaiden noch einige Verhaltungsregeln wegen ihrer Gesundheit, versprach, sie den folgenden Tag zu besuchen, und folgte dann dem voraufgegangenen Lord mit Rosalinden und seinen Kindern nach Berkeley Square.

Das glückliche Paar war sich nun selbst überlassen; und obgleich der Freude trunkene Dennis noch einmal das Mittagsessen fast unberührt von dem Liebling wieder hinaustragen mußte, las er doch in Montagus Blick und Ton, daß Lady Marians Macht gebrochen war, und der schönste Juwel der Welt keine Nebenbuhlerin mehr zu befürchten hatte.

 

Am andern Morgen nach dem Frühstück schien die Sonne so einladend und warm, daß Montagu Adelaiden einen kleinen Spaziergang vorschlug; und als sie hinausging, sich dazu vorzubereiten, hörte er sie einen leisen Schrei des Entsetzens ausstoßen, und flog ihr nach. Blaß und zitternd stand sie vor Lee, der plötzlich in seiner Erzählung inne hielt, als er seinen Herrn erblickte. Er hatte ihr die Schreckensnachricht mitgetheilt, daß Lady Marian Harley das Nebenhaus gemiethet und eben Besitz davon genommen hätte.

»Adelaide!« rief Montagu, mit dem Erröthen des gekränkten, verwundeten Gefühls, »obgleich ich fühle, Verdacht zu verdienen, thut es mir doch von Dir unbeschreiblich weh.«

»Ich fürchte ihren Einfluß auf Dich nicht,« entgegnete Adelaide; »aber ich zittre, daß ihre schrecklichen Zauberkünste mich von Dir reißen könnten, Montagu.«

Er flehte um eine Erklärung dieser Worte, und Adelaide verwies ihn an Mellifort, zu erfahren, wie sie Lady Marians Rache schon einmal entgangen, als die Hausthür sich öffnete und Falkland mit Mellifort eintrat.

Beim Anblick der in ihres Gatten Armen Schutz suchenden Adelaide erschrack Falkland heftig; doch ehe er noch den Grund erfahren, zog Bouverie seinen Freund Mellifort in das anstoßende Zimmer, sich die Veranlassung ihres Entsetzens erklären zu lassen. Und als er nun erfahren, welch einen teuflischen Plan Marian ersonnen, ihre höllische Rache zu befriedigen, flog er zu Adelaiden zurück, sie zu bitten, augenblicklich mit ihm nach Schloß De Moreland abzureisen.

Falkland widersetzte sich dieser eiligen Maaßregel wegen Adelaidens schwacher Gesundheit, und versicherte, daß es in einigen Tagen hierzu noch Zeit wäre. »Doch,« fügte er hinzu, »scheint mir Lady Marians öffentliche Ankunft, sich als Ihre Nachbarin hier niederzulassen, ein Beweis, daß sie Ihren Abschiedsbrief nicht als letzten Akt Ihrer Trennung betrachtet, und vielleicht noch von Ihrer Großmuth ein pekuniäres Opfer fordert,«

»Ich habe nichts mehr mit ihr abzumachen!« rief Bouverie, die Hände in reuiger Todesangst ringend; »ich habe – – O, Adelaide! O, mein theurer Freund! vergeben Sie mir – ich habe mein Erbe für dieses raubgierige, teuflische Ungeheuer verpfändet!«

Adelaide flog in seine Arme, die brennende Röthe der Scham auf seinen Wangen, an ihren treuen, zärtlichen Busen zu verbergen.

»Montagu,« sagte Falkland sanft,« Sie sollen diese raubgierige, teuflische Verführerin nicht wieder sehen. Mellifort und ich wollen sogleich hingehen, ihr zu versichern, daß Ihr Abschiedsbrief das letzte Lebewohl enthielt; und sein Sie versichert, daß wir nichts thun werden, was Ihrer Ehre Schaden bringen könnte.«

Die Abgeordneten kehrten so schnell wieder zurück, daß Bouverie fürchtete, die Unterredung könne noch nicht entscheidend gewesen sein; Falkland lächelte jedoch so befriedigt, daß Adelaide, aus zarter Schonung für Montagu, das Zimmer verlassen wollte, woran er sie verhinderte.

»Da ich Ihre Grundsätze kenne, lieber Bouverie,« sagte Falkland, »freue ich mich, Ihnen auf Kosten Ihrer Eitelkeit die schwere Sünde vom Herzen nehmen zu können, als ob Sie Lady Marians Unschuld und Ruf zerstört hätten.«

Montagu fiel ihm mit freudiger Hast um den Hals und bat, ihm nichts vorzuenthalten.

»Da ich befürchtete, unter meinem wahren Namen, als der Vormund Ihrer Frau, bei Ihrer Herrlichkeit nicht vorgelassen zu werden, ließ ich herein sagen: Herr Mellifort und ein andrer Freund des Obersten Bouverie wünschten eine Unterredung mit Lady Marian Harley. Der Bediente, ein neuer, der den Oberst nie gesehen hatte, verwechselte die Namen, und meldete die Herren Mellifort und Bouverie, durch welchen Irrthum wir sogleich Einlaß erhielten. Wer beschreibt aber mein Erstaunen, als ich in Lady Marian eine frühere Patientin erkannte. Auf Mellifort fiel ihr Blick zuerst, und so konnte ich mich fassen; doch als sie mich gewahrte, erschrack sie und erbleichte unter dem aufgelegten Roth. Ich verrieth meine Erkennung durch keine Bewegung, weshalb sie sich täuschen ließ, und, ihre Verlegenheit zu verbergen, Mellifort mit hochmüthigen Worten zur Rede setzte, wegen der Unverschämtheit, sich unter fremdem Namen bei ihr einzudrängen.

Mellifort erklärte den Irrthum, und ich berichtete, daß, da die Versöhnung und Wiedervereinigung des Obersten und Mstrß. Bouveries unter den Augen ihrer beiderseitigen Freunde stattgefunden, ich von Ersterm beauftragt sei, ihr diesen Umstand mitzutheilen, der natürlich jedes Wiedersehen unmöglich mache.

Nun ergoß sich Ihre Herrlichkeit in einen Redestrom, eines Ciceros würdig, und brach in pathetische Klagen über Ihre Barbarei aus, sie zu verlassen, nachdem Sie sie vom Pfad der Unschuld verleitet; nachdem sie Ihnen ihren Ruf geopfert und einem geliebten, vortrefflichen Gatten ungetreu geworden, dem sie zärtlich angehangen, bis sie von Ihnen zur Untreue verführt worden sei.

›O, Madame!‹ rief ich aus, ›und wagen Sie dieß mir zu sagen, mir, der ich Sie in der schweren Krankheit nach ihrer Niederkunft behandelte, die statt fand, nachdem General Harley anderthalb Jahr vor ihnen nach Malta gegangen war? Mir, der ich ihrem dreiwöchentlichen Alleinsein mit Sir Eduard Tankerville nachspürte, dessen Aehnlichkeit mit dem auf dem Kirchhof in Seaview begrabenen, als Sprößling von Marian und Eduard Scudamore getauftem Kinde, ich mir leicht erklären konnte.‹

›Elender Verläumder!‹ rief sie vor Wuth und Zorn fast erstickt. ›Ich kenne Sie nicht! habe Sie nie vorher gesehen!‹

›Sie kennen mich nicht, Madame!‹ entgegnete ich. ›Zwingen Sie meine Dankbarkeit nicht, sich der schmeichelhaften Beweise ihrer Gunst zu rühmen, und Briefe vorzuzeigen, die ich aus Vorgefühl, sie einmal wieder gebrauchen zu können, nicht vernichtet habe.‹

Ihre Herrlichkeit verfiel nun so geschickt in Krämpfe, wie man sie auf dem Theater selten darstellen sieht, worauf ich ihr aber kaltblütig den Rath ertheilte, ihre Kräfte zu einer schleunigen Abreise von dieser entzückenden Villa zu sparen, indem Lord De Moreland mit Mstrß. Colemann der Aeltern bereits eine Unterredung gepflogen habe, über die Erfinderin des teuflischen Complotts, Mstrß. Bouverie in Mstrß. Nightshades höllische Hände zu liefern.

›Sämmtliche untergeordnete Agenten in dieser abscheulichen Sache sind bereits festgesetzt,‹ sagte ich, und Mstrß. Colemann wird morgen zum zweiten Verhör gelangen, wo Mittel angewendet werden, im Fall Lord De Morelands Geld seine Wirkung verfehlte, ihre Lippen zu lösen.

Jetzt waren Lady Marians Zufälle nicht mehr erkünstelt; sie fiel in Ohnmacht; und so sehr ich sie verabscheute, war ich doch nicht unmenschlich genug, sie zu verlassen, ehe sie wieder zur Besinnung gekommen.«

Bouverie fühlte sich so ergriffen von diesen vor seinen Blicken enthüllten Schändlichkeiten, daß Adelaide, zärtlich besorgt für seine Gesundheit, ihren Vormund und Mellifort anflehte, in Twickenham zu bleiben, bis sie mit Montagu nach Schloß De Moreland abgegangen.

Nach Verlauf von zwei Stunden brachte Dennis die erfreuliche Nachricht, daß Lady Marian sich mit ihrer ganzen Suite nach London begeben, und ein neuer Anschlag zur Vermiethung der Villa, welche Ihre Herrlichkeit auf ein ganzes Jahr genommen hatte, angeklebt worden sei.

Obgleich Lady Marian nicht wußte, daß ihre beabsichtigte Schändlichkeit gegen die unschuldige Adelaide ihr nicht das Leben kosten konnte, und daß sie reich genug war, alle Unannehmlichkeiten abzukaufen, fürchtete sie doch die Schande, wenn Mstrß. Colemann sich bestechen lassen sollte, sie zu verrathen, und benutzte daher den Wink Falklands, sich aus dem Staube zu machen. Und da sie nun die trostlose Ueberzeugung gewonnen, alle Macht auf Bouveries Herz verloren zu haben, beschloß. sie, Sir Eduard Tankerville, der ihm zunächst in ihrer Gunst stand, nach Sicilien zu folgen, wohin er aus Furcht vor seinen Gläubigern geflohen war. Sie wußte, daß ihre Reichthümer ihm willkommen sein würden, und daß er, weniger moralisch wie Bouverie, keinen Anstand nehmen würde, diese Schätze mit ihr zu theilen, wogegen sie ihn zu vermögen hoffte, ihr seinen Namen zu geben, sobald die Scheidung vollzogen war.

 

Nachdem Lady Marian das Feld geräumt hatte, fiel auch der Grund zu Bouveries und Adelaidens eiliger Abreise weg; und da Falkland noch Geschäfte in der Stadt zu besorgen, und Mellifort seinen Freund William Birch, der nun an Krücken ging, die frohe Kunde zu ertheilen hatte, daß der gütige Lord De Moreland ihn mit der Pfründe beschenkt, die Mellifort mit der von Roscoville vertauscht, blieb das junge Paar allein.

Falkland hatte Bouverie den Rath ertheilt, die Hälfte seines jährlichen Einkommens zur Wiedereinlösung seines väterlichen Erbtheils anzuwenden, indem er und Adelaide noch jung genug wären, sich kleine Einschränkungen gefallen, zu lassen; aber die Idee, Adelaiden noch mehreren Opfern auszusehen, erschien ihm zu schrecklich, und mit Thränen der bittersten Reue gestand er ihrem Vormund, in welcher unwürdigen Sache sie ihre Juwelen großmüthig geopfert hätte.

»Ich weiß Alles,« entgegnete Falkland mit freudeglänzenden Augen, »und eile, Ihnen zu melden, daß meine Rosalinde ein würdiges Gegenstück zu dieser Großmuth liefert, und ohne mein Wissen, aus eigenen Mitteln den Schmuck eingelöset hat, den sie nun Adelaiden als einen Beweis ihrer Freundschaft zu Füßen legt.«

»O!« rief Bouverie, sein Gesicht mit den Händen bedeckend, das Erröthen der Scham zu verbergen; »wie werde ich beschämt durch diese Beispiele tugendhafter Freundschaft und Liebe! – Möge Gott mir ein langes Leben schenken, meine Vergehungen zu bereuen und wieder gut zu machen!«

 

Eine Woche war dem wiedervereinten Paar in ungetrübter Seligkeit verstrichen, als Adelaide eines Morgens, glücklicherweise in Montagus Abwesenheit, einen Brief erhielt, der sie mit gerechtem Zorn erfüllte. Dieser war von Daniel Blackthorn, eine unzweideutige Liebeserklärung enthaltend, nebst der Drohung: ›falls sie seinen Wünschen nicht Gehör geben sollte, sie aus ihrem Himmel stürzen zu wollen, durch Herbeibringung eines unleugbaren Beweises, daß der Mann, mit dem sie gesetzmäßig verbunden zu sein glaubte, weder Lord De Morelands rechtmäßiger Erbe, noch überhaupt ein Bouverie sei.‹

So gern Adelaide diesen unverschämten Brief mit verdienter Verachtung bestraft hätte, wagte sie doch die schreckliche Drohung gegen Montagu nicht unbeachtet zu lassen. Als nun Falklands den folgenden Tag nach Twickenham kamen, und sie Rosalinden mit Herzlichkeit für die großmüthige Wiedererstattung des Mordauntschen Erbes gedankt hatte, suchte sie eine Gelegenheit, ihrem Vormund den Hiobsbrief zuzustecken, der ihr auch gleich darauf die Versicherung gab, ihn beantworten zu wollen.

Falklands Antwort schien den gewünschten Erfolg gehabt zu haben, da zehn Tage verstrichen, ohne daß Daniel Blackthorn etwas von sich hören ließ. Unterdessen waren Lord De Morelands Geschäfte mit seinen Rechtsgelehrten und Falklands mit der Regierung abgeschlossen, und alle Theile ungeduldig, nach Kent zu eilen. Falklands mit dem Lord nach Mordaunt Priorie, Bouverie und Adelaide nach Schloß De Moreland, mit welchem ihr Onkel ihr in einem zärtlichen Brief ein Geschenk gemacht, obgleich er dazu schrieb: ›daß er noch nicht in ihre Nähe käme, indem er ihres Gatten Anblick noch nicht ertrüge.‹

Auf dieser Reise, für das junge Paar die erste in den Flitterwochen, entlockte Montagu seiner Adelaide das Geständniß, wann und wo sie zuerst Verdacht seiner Neigung für Lady Marian geschöpft? Als sie ihm darauf bekannte, daß er so früh schon sein eigener Verräther geworden; als er erfuhr, daß sie von Anbeginn ihrer Ehe diesen Gram im Herzen getragen, und doch so himmlisch mild und vergebend bei allen seinen Vergehungen geblieben war, dünkte ihm das Maaß seiner Sünden und ihrer Barmherzigkeit voll. Und selig im Besitz dieses größten Schatzes irdischer Glückseligkeit, langte er in Schloß De Moreland an, wo ein Brief seiner Schwägerin ihn erwartete, der seinen Himmel zu trüben drohte.

Lady Ambrosia, dieses unbeständige, wankelmüthige Geschöpf, welches ihre Cousine verehrte, so lange sie im Unglück war, und ihr mit Aufopferung ihres eigenen Wohlstandes gern Trost gewährt hatte, sah sie jetzt kaum dem Leben und Glück wiedergegeben, als sie keinen Anstand nahm, ihr Herz durch eine betrübende Nachricht zu zerreißen. Sie schrieb:

»Mein theurer Freund!

Lassen Sie Adelaiden nicht wissen, daß ich Ihnen geschrieben, bis Sie sie vorsichtig auf den Inhalt meines Briefs vorbereitet haben.

Gestern erschreckte mich die unerwartete Erscheinung des verächtlichen Daniels, welcher unter der Maske der Freundschaft zu Theodor kam, ihm etwas zu entdecken, obgleich ich bald merkte, daß er sich nur aus Rache gegen Adelaiden, die ihrem Vormund eine ihr gemachte Entdeckung mitgetheilt, zu diesem außerordentlichen Bekenntniß veranlaßt gesehen. Dieses bestand denn in nichts Geringerm, als daß er Papiere gefunden, aus welchen er beweisen könne, daß Sie ein unschuldiger Betrüger wären; das Kind irgend eines Mannes im Mond, den Ihre vortreffliche Mutter, Lady Emmeline, Theodors Familie aufgehängt; mit einem Wort, daß Sie kein Bouverie wären.

Mein Mann, dem er diese Entdeckung schon früher einmal mitgetheilt hat, thut, als ob er nicht daran glaubte, um Sie nicht zu enterben, und warf Herrn Daniel abermals als einen schändlichen Erfinder solcher Falschheiten zum Hause hinaus, indem er erklärte, falls sich auch solche Dokumente in seiner Mutter schriftlichen Nachlaß finden sollten, sie als verläumderische Schmähschriften augenblicklich zerstören zu wollen, sobald sie in feine Hände kämen.

Aber, mein lieber Freund, da sich manche dunkle Anspielungen meiner Mutter erklären lassen, wenn Daniels Behauptung wahr ist; so bin ich doch der Meinung, daß Sie der Sache nachspüren, wenn Theodor es auch nicht thun will; denn im Fall Daniel Recht hätte, würden Sie doch die De Morelandschen Titel und Güter meinem armen, schönen, unschuldigen, Sie niemals beleidigenden Knaben nicht wegnehmen wollen? und sollte Alles Erfindung sein, müßten Sie der Verläumdung mit einmal Einhalt thun.

Ich muß Sie und Ihre geliebte Adelaide bitten, Theodor niemals zu verrathen, daß ich Ihnen diese Nachricht mitgetheilt. Denn nach der Wuth zu schließen, in welche ihn Daniel mit seiner Nachricht versetzte, glaube ich, er würde es mir nie vergeben.

Ihre

aufrichtige, Sie zärtlich liebende
Freundin
Ambrosia Bouverie

Ein dichter Nebel schien sich um Bouveries Augen zu legen, als er diesen Brief gelesen hatte. Sein Blick suchte Adelaiden, zu erforschen, ob sie seine Bewegung wahrgenommen; er wollte aufstehen, fiel aber kraftlos in seinen Sessel zurück.

»Ist Theodor noch immer krank?« fragte Adelaide besorgt, indem sie ihn in ihre Arme schloß.

»O, Adelaide!« rief Bouverie, sie fest an sein Herz drückend, »Du solltest mich fliehen, auf ewig meiden! Scheine ich doch dazu geboren zu sein, Dir Kummer und Verderben zu verursachen. Ambrosia fordert mich auf, Dir den Inhalt ihres Briefes vorsichtig beizubringen; aber giebt es eine Sprache, Dir zu verkünden, daß – daß –«

»Daß ich keinen Bouverie geheirathet habe, und daß Herr Daniel Blackthorn diese boshafte Erfindung in Ambrosias leichtgläubiges Ohr geflüstert hat;« unterbrach ihn Adelaide mit freundlichem Lächeln.

»Du hast also diese schreckliche Behauptung schon gehört, und sie mir verheimlicht?« rief Bouverie athemlos.

»Es war meines Vormunds Wille; und da er sie für eine Erfindung der Bosheit hielt, fanden wir es Beide gerathener, Dich nach Deinem letzten Unglück nicht mit solchem Unsinn zu quälen.«

»Möchtet Ihr Euch nicht geirrt haben!« sagte Bouverie ernst; »aber jetzt erinnere ich mich einiger Reden Lady Leyburns, nachdem Du mein zu sein versprochen, die ich damals für Aeußerungen ihres Zorns über meine Wahl hielt, deren Sinn ich aber jetzt erst verstehe. – O, meine Geliebte! Ehre und Rechtlichkeit sind streng in ihren Forderungen und verlangen eine genaue Untersuchung der Blackthornschen Behauptung, wenn gleich sie zu meinem Verderben führen kann. – Sollte es sich ergeben,« fuhr er schaudernd fort, »daß ich der legitime Sohn eines rechtschaffenen Mannes, obgleich von niederer Herkunft und ohne Vermögen wäre; so kenne ich die Seelengröße meiner Adelaide, und weiß, daß sie ihr Schicksal ohne Murren ertragen, mich nicht von sich stoßen würde. Aber ach! Entsetzen erfaßt mich bei dem Gedanken, daß ich dem Laster, der Schande meinen Ursprung verdanke –!«

»Selbst dann würdest Du bleiben, was Du bist, mein Gatte, mein Stolz, meine Wahl, von dem mich nur der Tod zu trennen vermag,« sagte Adelaide feierlich, mit dem Ausdruck der innigsten Zärtlichkeit, und Montagu weinte Thränen der Dankbarkeit an ihrer Brust.

In diesem Augenblick ward Falkland gemeldet, der sich ängstlich nach dem Vorgefallenen erkundigte, und nun von Adelaiden nicht allein den Inhalt des Briefs, sondern auch ihre eigenen Vermuthungen erfuhr, daß die Beweise von Montagus Geburt vielleicht in dem geheimen Verschlag liegen könnten, den Lady Leyburn in jener verhängnißvollen Nacht mit Blackthorn aufzusuchen kam. So fest Falkland anfänglich auch versichert gewesen, daß der elende Daniel die Drohung nur aus Rache gegen Adelaiden ausgestoßen, fand er jetzt doch nach dieser Erzählung eine Verbindung mit dem nächtlichen Besuch, und dem, was Lady Leyburn ihrer Tochter von der Grafenkrone Theodors erzählt hatte, weshalb er beschloß, Lord De Moreland Daniels Behauptungen mitzutheilen.

Früh am andern Morgen kehrte er, von Lord Beechbrook begleitet, zurück, der, obgleich noch ganz erbittert gegen Montagu, aus Liebe zu Adelaiden doch kam, ihrem Gatten seine Dienste anzubieten, ihm beizustehen, Lady Leyburns Streichen auszuweichen. Lord De Moreland hatte die Möglichkeit, eine solche absurde Behauptung mit haltbaren Gründen zu belegen, bezweifelt; demohngeachtet aber sogleich einen Boten an seine Schwester nach Brighton gesandt, zu erfahren, ›ob das Gerücht gegründet, daß sie im Besitz von Zeugnissen wäre, zu beweisen, daß Theodor, und nicht Montagu Bouverie Lord De Morelands rechtmäßiger Erbe sei?‹ worauf Lady Leyburn sogleich geantwortet: ›daß das Gerücht allerdings wahr sei, was sie mit Beweisen belegen wolle, selbst durch einen von Lady Emmeline auf ihrem Todtenbett geschriebenen Brief, in welchem sie dem verstorbenen Lord De Moreland die Sache mitgetheilt; daß aber der Schlüssel zur Entdeckung des eigentlichen Ursprungs des unschuldigen Betrügers, wie sie zu vermuthen Ursache habe, in einem geheimen Verschlag in der Schlafkammer des verstorbenen Lords in Roscoville zu finden sei, weshalb sie ihren Bruder um Erlaubniß bitte, dorthin gehen zu dürfen, um den armen unglücklichen Leuten die Pein der Ungewißheit zu verkürzen, und ihm Gelegenheit zu geben, Adelaidens Heirath aufzulösen, falls der Gatte ihrer Wahl von gemeiner Herkunft sein sollte.‹

Nachdem Se. Herrlichkeit diesen Brief gelesen, schickte er sogleich einen zweiten Boten nach Brighton, seine Schwester aufzufordern, an einem gewissen Tag in Roscoville zu sein, wo alle betheiligten Partheien sich zu einer bestimmten Stunde treffen sollten; keiner früher, um Papiere aufzusuchen, von denen das Schicksal eines Nebenmenschen abhinge. An Lord Clyde, Theodor und seinen eigenen Sachwaltern in London erging dieselbe Aufforderung, und als er diese Geschäfte beseitigt, ergriff er Falklands Arm, stieg mit ihm in den Wagen und fuhr nach Schloß De Moreland.

»Montagu!« rief er mit zitternder Stimme, als er ihn beim Eintreten in die Arme schloß, »es war mein fester Vorsatz, den Mann, der mein Kind so tief betrübt hat, in Jahren nicht zu sehen, ihm nicht zu vergeben; doch nun, in dem Augenblick, wo sich habsüchtige Feinde gegen ihn verschworen haben, bedarf er Freunde und Unterstützer, und so bin ich denn als ein solcher zu meinen armen Kindern gekommen. Lady Leyburn behauptet, Beweise von dem zu haben, was Blackthorn versichert; doch verzweifelt nicht – ich kann, ich will ihr nicht glauben. Sollte es ihr aber dennoch gelingen, Bouverie seinen Vater zu rauben, so wird er einen andern, einen zärtlichern in mir finden.«

Montagu, von Dankbarkeit, Scham und Reue überwältigt, preßte des Lords Hand an sein Herz, an seine Lippen, während Adelaide vor dem wiedervereinigten Onkel und Gatten auf die Kniee fiel, und Ersteren mit Thränen beschwor, ihr zu versprechen, »daß nichts als der Tod sie von Bouverie trennen sollte, welchen Namen er auch führen möchte.«

 


Neunzehntes Capitel.

Der wichtige Tag war angebrochen, und die handelnden Personen des aufzuführenden Schauspiels, Lord De Moreland mit seinen Sachwaltern, Lord und Lady Beechbrook, Falkland, Rosalinde, Montagu, Adelaide, Mellifort; Lord und Lady Clyde, Theodor und Lady Ambrosia, Lady Leyburn, Lady Cölestine und Blackthorn hatten sich in Roscoville eingefunden; und obgleich es des Hausbesitzers Absicht gewesen, die entscheidende Zusammenkunft erst den folgenden Tag zu halten, ließ er sich doch durch Montagus Bitten bestimmen, den Augenblick der Aufklärung zu beschleunigen. Die ganze Gesellschaft begleitete deshalb nach eingenommenem Frühstück Lord De Moreland in sein Studirzimmer, woselbst er am obersten Ende des Tisches Platz nahm, die Rechtsgelehrten zu seiner Seite. Bouverie raffte alle Kraft zusammen bei dem Gedanken, in einer Stunde vielleicht seines Namens, Vermögens und Standes in der Gesellschaft beraubt zu sein, nicht zu unterliegen. Adelaide suchte ihn durch ihre Blicke zu ermuthigen.

»Hier, Mylords,« begann Lady Leyburn, »ist der Beweis meiner Behauptung, die getreue Copie, wie die eidliche Aussage des Herrn Andreas Blackthorn bestätigt, welche er von dem Originalbrief, an den verstorbenen Lord De Moreland von der verstorbenen Lady Emmeline Bouverie gerichtet, genommen hat.«

Das Dokument ward nun Lord Beechbrook übergeben, der es laut vorlas. Es enthielt das Bekenntniß, das Kind einer andern Person in ihre Familie als ihren Sohn eingeschwärzt zu haben, und verwies Se. Herrlichkeit wegen einer Erklärung an Lord Roscoville, dem sie das beigefügte Paket zu übergeben bat.

Dieser Brief war mit ausgezeichneter Eleganz geschrieben, bis auf einige Stellen, wo der Sinn und die Zierlichkeit des Styls verstümmelt und dunkel erschien, als ob ein Wort oder Satz in der Abschrift ausgelassen worden. Sie bedauerte, die Versuchung unwiderstehlich gefunden zu haben, die sie zu dem Betrug verleitet; und schloß mit der Hoffnung, daß › alle diejenigen, denen es etwas anginge,‹ in dem ursprünglichen Grund dieser mächtigen Versuchung eine Entschuldigung finden möchten.

» Alle diejenigen, denen es etwas anginge!« wiederholte Falkland. »Dieser Ausdruck stimmt allerdings schlecht mit der übrigen Eleganz des Schreibens überein.«

»Ich erinnere mich nie,« sagte Lord Clyde mit einem Seufzer, »daß sich meine Schwester so materiell ausgedrückt hätte.«

»Und doch finden sich in diesem Brief mehrere solche Abweichungen,« bemerkte Lord Beechbrook.

»Das Original würde vielleicht unsern Ohren und unsern Begriffen besser zusagen,« erwiederte Herr Flower, der berühmteste der Rechtsgelehrten, »als diese Abschrift, die leicht von dem gelehrten Abschreiber, der die Hand der Dame nicht kannte, entstellt worden sein kann.«

»Meiner Schwester Handschrift war die schönste und deutlichste von der Welt,« sagte Lord Clyde. »Es würde für Ihre Sache vortheilhafter gewesen sein, Madame,« fuhr Flower fort, »wenn Sie das Original statt der Abschrift hätten aufweisen können, welches unserm feinen Ohr nicht als correkt erscheint; da wir aber durch dieses unglückliche Versehen Ihrer Herrlichkeit keinen andern Beweis, als die Versicherung dieses gelehrten Gentlemans haben, daß er den Originalbrief Lady Emmelinens copirt, so mögen daraus allerdings Zweifel über Oberst Bouveries Abkunft entspringen, aber keine Beweise, die hinreichend wären, ihn um Namen und Vermögen zu bringen.«

»Ich bin selbst ein Zeuge, der die Rechtheit dieser Copie beschwören kann,« sagte Lady Leyburn.

»Aber können Sie auch beschwören, kein Interesse bei Aufhebung der Ansprüche des Obersten Bouverie zu haben? Ist nicht sein Bruder Ihr Schwiegersohn, Madame?« fragte Herr Cavilsby, der andre Rechtsgelehrte.

»Finden Sie in Ihrem treuen Gedächtniß keinen Aufschluß über den Ort, wo die Originalpapiere sein könnten?« sagte Bouverie ungeduldig.

»Nein!« entgegnete sie.

»Wie geht das zu, Isabelle?« fragte Lord De Moreland; »Du sagtest doch in Deinem Brief, daß der Schlüssel zur Entdeckung des Ursprungs des jungen Mannes in einem verborgenen Platz in meines Großvaters Schlafzimmer hier in Roscoville zu finden sei. Weshalb hast Du diesen Glauben aufgegeben?«

»Weil – weil ich nur eine Vermuthung dazu hatte.«

»Aber auch eine Vermuthung darf nicht unbeachtet bleiben. Erfuhrst Du vielleicht von Herrn Blackthorn, daß die dort niedergelegten Papiere unseres Großvaters Deinen Absichten, mir einen neuen rechtmäßigen Erben zu geben, entgegen sind?«

»Herr Blackthorn hätte vielleicht Fakta aufgefunden, Bruder, wenn Du ihm erlaubt, in der Kammer nachzusuchen, wo er einen geheimen Verschlag vermuthet.«

Noch manche Fragen wurden von den Rechtsgelehrten an Lady Leyburn und Herrn Blackthorn gerichtet, worauf sie erwiederten: ›daß sie allerdings von solchen geheimen Verschlägen in der Abtei gewußt, und daß der verstorbene Lord mit Angst auf die Rückkehr des jetzigen Besitzers gewartet habe, ihm Auskunft über ein Geheimniß in seinem Schlafzimmer zu geben, worauf sie in den vielen Papieren seines Nachlasses vergeblich nach einer Anweisung, diesen vermutheten Verschlag zu finden, gesucht.‹

»Aber weshalb ward diese ängstliche Erwartung meiner Rückkehr und deren wahrscheinlicher Grund mir nicht früher mitgetheilt?« fragte Lord De Moreland erzürnt. »Und doch hat Sie Ihr Eifer, Madame, die Geheimnisse Anderer zu ergründen, nicht so weit gebracht, wie mich meine Sorglosigkeit. Ich kenne den Weg zu dem Verschlag, den Sie vergebens gesucht, und will nun eine erwählte Committée hinschicken, die Papiere herauszunehmen, die uns zu unserm gegenwärtigen Vorhaben nöthig scheinen. – Adelaide mein Stolz und meine Freude! Du bist heldenmüthig genug, dieses Unternehmen für mich zu bestehen; deshalb beauftrage ich Dich, die Lords Beechbrook und Clyde, Herrn Falkland, unsre gelehrten Freunde in der langen Robe und den ehrenwerthen Gentleman zu begleiten, der Dir helfen wird, die rechten Papiere aus dem geheimen Verschlag in Deines Urgroßvaters Schlafzimmer zu erwählen, den die Vorsehung Dir zu entdecken vorbehielt, wie ich nicht zweifle, zur Erhaltung der Rechte Deines Gatten.«

Adelaide erhob sich, zu gehorchen; und mit einem feurigen Gebet zum Himmel, ihr Glück und ihrem Gatten Stärke zu verleihen, reichte sie Lord Clyde ihre Hand und führte ihn zu dem Verschlag, den zu finden Blackthorn und seiner schändlichen Gefährtin so manche vergebene Arbeit und schlaflose Nacht verursacht hatte.

Der goldne Schlüssel öffnete ein zugezogenes Feld, so künstlich in das es umgebende Mosaik eingefügt, daß kein Auge es zu entdecken im Stande war; und in einem tiefen Verschlag fanden sie ein Kästchen von Ebenholz, worin die gesuchten Briefe, welchem ein Paket, von Lady Emmelinens Hand überschrieben, von dem verstorbenen Lord De Moreland an Se. Herrlichkeit addressirt, beigefügt lagen. Hiermit kehrten sie zurück; Blackthorn zitternd vor Angst möglicher Entdeckungen; Adelaide in heftiger Bewegung, aber Kraft erringend um Montagus wegen.

Auf Lord De Morelands Verlangen las Lord Beechbrook Lady Emmelinens Brief, nachdem Lord Clyde die Handschrift seiner Schwester für richtig erklärt hatte. Zum Erstaunen derer, die an der Wahrheit der Abschrift gezweifelt, enthielt der Brief dieselben Worte, wie Herrn Blackthorns Copie; doch erklärte Lord Beechbrook, nach genauer Prüfung einzelner Stellen, unverholen seinen Verdacht über die Rechtheit mehrerer Sätze. Eine scharfe Untersuchung begann, und man entdeckte einige ausradirte Worte, welche durch eine künstliche Nachahmung der Handschrift ausgefüllt waren.

»Aber das Paket, Mylords! könnte das nicht zu entscheidenden Beweisen dienen?« rief Montagu, von Angst gefoltert.

Lord Beechbrook öffnete das an den Grafen von De Moreland gerichtete Couvert, und fand eine neue Ueberschrift an Lord Roscoville; und da dieser Umschlag noch nie entsiegelt gewesen, überreichte er es Sr. Herrlichkeit.

»Da aber Lady Emmelinens Brief keinen Datum hat, woraus sich schließen läßt, ob er für mich oder meinen Vater bestimmt ist, indem wir Beide diesen Titel führten,« sagte Lord De Moreland, zitternd, Montagus Aussichten durch eine unglückliche Entdeckung zu zerstören, »so ersuche ich Lord Clyde, als Bruder Lady Emmelinens, und als Onkel wenigstens eines der jungen Männer, um deren Recht der Erbschaft es sich jetzt handelt, dieses Paket durchzusehen.«

Lord Clyde nahm es mit Angst; und fürchtend, etwas zu finden, was seiner Schwester Ruf beflecken, oder seiner Familienehre nachtheilig sein könnte, erbat er sich Lord Beechbrooks Begleitung, und begab sich mit ihm in ein anderes Zimmer.

Zwanzig Minuten verstrichen in peinlicher Ungewißheit; da kehrte Lord Beechbrook mit allen Zeichen innerer Bewegung zurück, und rief:

»Ich bringe keine bösen Nachrichten, Montagu Bouverie! Muth geschöpft. Adelaide, mein geliebtes Kind! Keine Erniedrigung erwartet den Abgott Ihres Herzens; – aber Falkland, Lord Clyde wünscht Sie zu sehen, um mit Ihnen zu berathschlagen, wie diese Entdeckung außerordentlicher Begebenheiten einem Individuum beigebracht werden können, auf dessen Gefühl sie einen tiefen Eindruck machen werden. Theodor Bouverie, Sie brauchen nicht über Ihre Eltern zu erröthen. Montagu Bouverie, ich gebe Ihnen die Versicherung der untadelhaften Aufführung Ihrer Eltern; wir sind im Besitz der Heiraths-, Geburts- und Taufzeugnisse, die Sie als den legitimen Erstgeborenen eines sehr achtbaren Mannes bestätigen.«

»Als den legitimen Sohn eines achtbaren Mannes!« rief Montagu, halb wahnsinnig vor Freude, indem er Adelaiden, trotz der Zuschauer, an sein klopfendes Herz drückte.

»Der legitime Sohn eines achtbaren Mannes!« wiederholte Adelaide schwach, und sank ohnmächtig an die Brust ihres Gatten.

Falkland vergaß seinen Auftrag in der Sorge über das geliebte Pflegekind; alle Freunde Adelaidens sammelten sich um die Ohnmächtige, nur nicht ihr Onkel, in dessen Busen Lord Beechbrooks Verkündigung einen solchen Tumult von Erwartung, Hoffnung und Furcht erweckt hatte, daß er nicht die Kraft fühlte, sich zu bewegen.

Nachdem einige Zeit verstrichen war, ohne daß Falkland bei Lord Clyde erschien, glaubte dieser, daß sein Abgesandter den Inhalt des Pakets schon verrathen hatte, und trat in Lord De Morelands Studirzimmer, der ihm zitternd entgegen kam, seine Hand auf Lord Clydes Schulter legte und ihm ernsthaft ins Gesicht blickend, ausrief:

»O, sagen Sie mir, Freund nicht wahr, ich bin hauptsächlich bei der Nachricht, welche diese Papiere enthalten, interessirt?«

»Allerdings; aber hat Ihnen Beechbrook die erfreuliche Entdeckung noch nicht mitgetheilt?«

»Nein,« erwiederte Lord De Moreland, mit immer schwächer werdender Stimme; »aber mein Herz flüstert mir zu, daß meine süßeste Hoffnung möglich ist, daß Sie mir zu erzählen haben, Montagu, der Gatte meiner Adelaide, ist das von mir todt beklagte Kind! mein Sohn, mein Roscoville!«

Lord Clyde drückte den glücklichen Vater an seine Brust, indem stieß Lady Leyburn einen durchdringenden Schrei aus. Die Bestätigung ihrer Furcht, den verhaßten Gatten der noch verhaßtern Adelaide als legitimen Sohn ihres Bruders, als seinen Erben anerkannt zu sehen, zerstörte mit einem Mal ihre goldnen Träume; und unfähig, die ihr durch die Politik aufgelegte Fassung länger zu behaupten, brach sie in einen Paroxismus heftiger Wuth aus, und überhäufte den neuen Lord Roscoville mit einem solchen Strom von Verwünschungen, daß ihr Verbündeter, Blackthorn, fürchtend, von ihr in dieser aller Vernunft beraubten Leidenschaft, als Theilnehmer in ihren schändlichen Plänen compromittirt zu werden, sie in seinen kräftigen Arm nahm, und unter dem Vorwand, sie der Pflege ihrer Jungfer zu übergeben, in ihr eigenes Zimmer trug; wohin ihr ihre Töchter widerstrebend folgten, da sie lieber geblieben wären, ihre Neugier, hinsichtlich Lady Emmelinens Entdeckungen, zu befriedigen.

Montagu, von nun an Lord Roscoville, überschwenglich glücklich im Besitz eines solchen Vaters, konnte kaum erwarten, bis sich die Gemüther nach dieser allgemeinen Bewegung wieder etwas beruhigt hatten, um die ersehnte Nachricht von seiner Mutter zu erhalten, die wir dem Leser nun, theils aus Lady Emmelinens Paket, theils aus Lord De Morelands Erzählungen, mittheilen.

 

Der Graf von Clyde, Vater des gegenwärtigen Lords und Lady Emmelinens, seinen einzigen Kindern, besaß ein ansehnliches Gut in Wiltshire, woselbst er einen großen Theil des Jahrs wohnte. Mit seinem nächsten Nachbar, Herrn Bouverie, Theodors Großvater, hatte er eine so innige Freundschaft geschlossen, daß er nach dem frühen Tode dieses Gentlemans die Vormundschaft über dessen beiden Waisen, einen Sohn und eine Tochter unter zehn Jahren, übernahm, und sie in seinem Hause mit seinen eigenen Kindern erziehen ließ.

Die Folge hiervon war, daß beide Knaben früh eine heftige Leidenschaft für ihre weiblichen Gefährtinnen empfanden, welche von Miß Bouveries Seite erwiedert wurde; und da sie sehr liebenswürdig und anmuthig war, beförderte Lord Clyde diese Wahl, und sie wurden ein glückliches Paar. Doch nicht so nachgiebig zeigte sich Se. Herrlichkeit den Wünschen des jungen Bouverie, dessen Charakter bei allen seinen vorzüglichen Eigenschaften, so wild und unbändig war, daß selbst die Liebe zu Lady Emmelinen dessen Heftigkeit nicht zu beugen vermochte.

Vergebens waren des Lords Verbote, seine Tochter nicht mit dieser Leidenschaft zu bestürmen; er entlockte ihr durch die schreckliche Drohung, sich selbst zu tödten, falls sie ihm kein Gehör verliehe, das Versprechen, die Seinige zu werden, sobald seine Studien beendet sein würden.

Dieselbe Schüchternheit, die Emmelinen zu einem voreiligen, von ihrem Herzen nicht genehmigten Bündniß verleitet hatte, hielt sie auch ab, es dem Vater zu entdecken, dessen Zorn sie fast eben so sehr fürchtete, wie Bouveries Drohungen; und das Verheimlichen dieser Verbindung mit einem Mann, den sie nur als Freund betrachtete, wirkte so nachtheilig auf ihre Gesundheit, daß der trostlose Vater, eine Lungenkrankheit fürchtend, die ihm seine geliebte Frau so früh geraubt, mit ihr nach dem südlichen Frankreich entfloh. Hier, wo ihr Bouverie nicht nachfolgen durfte, wurde sie kräftig an Körper und Geist, und erfüllte den liebenden Vater mit den schönsten Hoffnungen für ihre gänzliche Wiederherstellung; doch nicht lange sollte er diese Freude genießen, indem die Gicht ihm in die innern Theile trat, und seinem Leben nach wenigen Stunden ein Ende machte.

Die unglückliche, verlassene Emmeline zitterte vor der Möglichkeit, Bouverie erscheinen zu sehen, nun sie ihren Schutz verloren; und sobald die Leiche, von seinem Caplan und einem treuen Diener begleitet, nach England eingeschifft war, begab sie sich in ein Kloster bei Montpellier, wo sie zu bleiben beschloß, bis ihr Bruder, nachdem er die nöthigen Einrichtungen zur Besitznahme des väterlichen Erbes getroffen, kommen könnte, sie abzuholen.

In diesem Kloster fand sie einen Ersatz für die verspätete Ankunft ihres Bruders, im Umgang mit einem spanischen Mädchen von hoher Abkunft, das nach dem frühen Tod der Mutter hierher gesandt worden, von der Aebtissin, einer Verwandtin ihres Hauses, erzogen zu werden.

Donna Zamora von Moralina hatte eben ihr sechzehntes Jahr zurückgelegt, und war so schön, liebenswürdig, anmuthig und anziehend, daß sie alles bezauberte, was in ihre Nähe kam, und der trauernden Emmeline zum größten Trost gereichte.

Daß die Familie von De Moreland und von Theodor Bouverie Seitenlinien eines Stammes war, haben wir schon zu Anfang dieses Buchs bemerkt. Der jüngere Zweig hatte sich von jeher sehr zu dem ältern geneigt, und eine ununterbrochene Freundschaft unterhalten. Heinrich Bouverie, dieser Tollkopf der Familie, stand deshalb auch in genauer Verbindung mit dem Onkel und Vater unsrer Heldin; und da Edwin nach Frankreich ging, gab ihm sein Vetter Heinrich ein Empfehlungsschreiben an Lord Clyde (dessen Tod er noch nicht wußte), und einen andern heimlich an die geliebte Emmeline abzugebenden Brief, deren geheime Verlobung mit ihm er Sorge trug, dem jungen, hübschen, liebenswürdigen Mann zu erzählen.

Durch dieses Vertrauen gegen die Reize Lady Emmelinens gestählt, besuchte er sie täglich mehrere Wochen hindurch, als ob Montpellier das Ziel seiner Reise gewesen wäre; aber die schöne Zamora, Emmelinens stete Gefährtin im Sprachzimmer der Aebtissin, hatte sein Herz gefesselt, und dieses Geständniß offenbarte er Emmelinen, welche selbst eine heiße Liebe für ihn gefaßt, ihre frühere Verbindung ganz vergessen hatte; aber obgleich schwach, war sie doch treu und redlich, und er hätte keine bessere Vertraute finden können.

Zamora erwiederte Edwins Leidenschaft; aber ihr Vater, der Herzog von Aranda, ein bigotter Frömmler, hatte sein einziges Kind, auf Anstiften seines jüngern Bruders, Don Lorenzo, Donna Zamora in der Erbfolge der Nächste, dem Kloster bestimmt; und da Lord De Moreland ein Vorurtheil gegen Heirathen mit Ausländerinnen hatte, so wie Lord Roscoville eine entschiedene Abneigung gegen verschiedene Religionen im Ehestand, war an keine Vereinigung zu denken, weshalb die Verbindung im Geheimen vollzogen wurde. Doch, wenn gleich geheim, hatte Edwin nichts verabsäumt, seiner Ehe alle legitimen Rechte zu geben.

Kaum aber war die unglückliche Trauung vollzogen, als sie von Don Lorenzo entdeckt wurde; und während Edwin sich mit der seligen Hoffnung schmeichelte, sein künftiges Glück durch die Flucht mit Zamora nach Savoyen gesichert zu haben, ward diesem ehelichen Glück eine schreckliche Falle gelegt. Eine Abtheilung der Inquisition ergriff ihn sechs Wochen nach seiner Flucht nach Chambery und schleppte ihn nach Nizza, wo er auf ein nach England segelndes Schiff geworfen, und ihm ein Befehl dieses fürchterlichen Ordens gezeigt wurde, den spanischen Boden nie wieder zu betreten, wenn er sich nicht seiner ganzen Rache als Lohn solcher Verwegenheit aussetzen wolle.

Doch trotz dieser Drohung war er kaum in England gelandet, als er eine neue Reise nach dem Continent antrat, und unter mancherlei Verkleidungen, allen Gefahren trotzend, nach Chambery eilte, woselbst ihn eine Nachricht erwartete, die ihn fast seines Verstandes beraubte und mehrere Wochen unfähig machte, die Spur seiner Frau zu verfolgen, welche ebenfalls von der Inquisition fortgeführt, in irgend einem Klosterkerker Zeitlebens eingesperrt war. Sobald Edwin wieder so weit hergestellt war, das Bett zu verlassen, begab er sich nach Madrid, zu versuchen, ob es durch Gold nicht möglich sei, die Dienerschaft des Herzogs von Aranda zum Bekenntniß des Orts zu bewegen, wo seine Frau gefangen saß; aber es waren Castilianer, und unbestechbar. Drei ganze Jahre wanderte Edwin verzweiflungsvoll von einem Ort zum andern; aber vergebens; er konnte weder den Kerker seines Weibes entdecken, noch eine Unterredung mit Einem aus der Familie erlangen. Seine zerrüttete Gesundheit nöthigte ihn endlich, nach England zurückzukehren; und während dieser Abwesenheit vom Continent, hoffte er die Arandas glauben zu machen, er habe seine Nachforschungen eingestellt, auf daß sie nun Zamoras Gefängniß nicht mehr so geheim halten sollten.

Kaum einige Wochen in England, erhielt er einen Brief von Don Lorenzo, nun, nach dem Tode seines Bruders, Herzog von Aranda, mit der Nachricht von Zamoras Tod und Begräbniß im Kloster St. Antonio in Navarra, wo sie acht Monate nach ihrer Trennung von ihm, an einer im Kloster grassirenden epidemischen Krankheit gestorben sei, welche Umstände er erst aus den unter seines verstorbenen Bruders Papieren befindlichen Dokumenten ersehen habe. Der Brief schloß mit der Versicherung, daß er sich sehr glücklich schätzen würde, Edwin auf seinem Schloß bei Madrid zu sehen, wo er ihm die traurigen Dokumente zeigen könnte, so wie auch den Ort, an welchem Zamora begraben läge.

Auf diese herzzerreißende Nachricht flog der arme Edwin abermals nach Spanien, woselbst ihn der heuchlerische Herzog von Aranda mit vieler Güte empfing, und ihm den Bericht der Aebtissin des Klosters gab. Nachdem er das Monument besucht, was sein irdisches Glück einschloß, verließ er Madrid und wanderte wie ein ruheloser Geist von Land zu Land, bis ihn die Nachricht der heimlichen Heirath seines Bruders erreichte, und der Wunsch, diesen mit seinem Vater zu versöhnen, in die Heimath zurücktrieb.

Doch ehe er das Continent verließ, wollte er noch einmal Zamoras Grab besuchen. Drei Jahre waren seit seinem letzten Besuch auf dem Schloß Aranda verstrichen. Jetzt fand er alles in der höchsten Festlichkeit, die Vermählung des Herzogs mit einem schönen achtzehnjährigen Mädchen zu feiern. Nur durch des vornehmen Gemahls Rang und Reichthum angezogen, entbrannte die jugendliche Braut in heftiger Leidenschaft für den schönen traurigen Engländer, dessen Herz jedoch dem Andenken seiner vielgeliebten Zamora zu treu ergeben war, um der reizenden Herzogin Eroberung zu bemerken. Nachdem sie vergebens versucht, seine Rückreise nach England zu verhindern, entdeckte sie ihm in der Verzweiflung ihre heiße Liebe.

Von Entsetzen erfaßt, stellte er ihr mit möglichster Zartheit die Gefahr eines solchen Gefühls, so wie seine Abneigung, die Gastfreiheit des Herzogs durch Benutzung ihrer Leidenschaft zu verletzen, vor. Sich verschmäht, verworfen zu sehen, war mehr als das Herz einer stolzen Spanierin ertrug; und vor dem Bilde ihres gefeiertesten Heiligen schwor sie, daß kein anderes Weib das Herz besitzen sollte, was das ihrige verschmäht, und daß er seine übrigen Tage im Elend der Ungewißheit zubringen sollte.

Ohne Ahnung der Treulosigkeit seiner angebeteten Gattin gab ihr der Herzog unbeschränkte Macht über seine Reichthümer; und diese benutzte sie, sich in ihrem Beichtvater einen Beistand zu ihrer Rache zu erwerben. Pater Felix säumte nicht, sein höllisches Werk zu beginnen. Edwin ward in die dunkle Celle eines düstern Klosters berufen, das Geständniß eines sterbenden Mannes zu vernehmen. Dieses enthielt die Versicherung, daß Donna Zamoras Todtenschein aus dem Kloster St. Antonio ein Werk seiner Hand sei, auf Befehl des verstorbenen Herzogs ausgestellt, das Seelenheil seiner Tochter zu retten, indem er sie dem ketzerischen Gemahl entrisse. Doch, obgleich er gewiß wisse, daß die unglückliche junge Donna beim Tode ihres Vaters noch gelebt habe (da er sie selbst heimlich zu ihm gebracht, seine Verzeihung und seinen Segen zu erhalten), so könne er doch jetzt keine Auskunft über ihren Aufenthalt ertheilen, indem der Herzog sie vor seinem Sterben dem Obersten der Inquisition übergeben habe, mit dem strengen Befehl, ihre Existenz nicht allein dem ketzerischen Gemahl, sondern auch der Welt zu verbergen.

Dieses Geständniß bat der sterbende Felip dem unglücklichen Edwin, einem Jeden, vor allen aber dem Herzog und der Herzogin von Aranda zu verheimlichen, die zu große Vortheile durch Donna Zamoras Tod erlangt hätten, um sie jetzt ungestraft wieder unter den Lebenden erscheinen zu lassen, auch warnte er ihn vor der Inquisition, falls sie seine Nachforschungen merken sollte. Als ob das auf seinem Herzen lastende Geheimniß sein Leben bedroht hätte, erholte er sich von der Stunde an, wo er sich desselben entledigt.

Unter der Leitung des schändlichen Felix, den er großmüthig für seinen grausamen Betrug belohnte, begann Edwin seine vergebenen Nachsuchungen, von denen ihn erst die Nachricht des Todes seines Vaters und Bruders abriefen. Er kehrte nach England zurück, seinen Großvater zu trösten; und auf diesem Besuch war es, wo er seine Nichte zum ersten Mal sah. Entschlossen, jetzt in seinem Vaterlande zu bleiben, rief ihn jedoch sogleich eine neue List der rachsüchtigen Herzogin wieder nach Spanien.

Die Zeit verstrich in erfolglosen Bemühungen, in Hoffnungen und Täuschungen, wodurch das Glück und die Gesundheit Edwins gänzlich zerstört wurden. Als ihn endlich die Besitznahme seiner erblichen Würden und Güter zurückrief, fühlte er, daß die Liebe zu seinem verstorbenen Bruder noch nicht erloschen war.

Die nimmer rastende Bosheit der rachsüchtigen Herzogin gönnte ihm nur eine kurze Ruhe; und noch nicht lange in Roscoville erhielt er einen Brief vom Pater Felix, dessen Inhalt ihn so sehr überwältigte, daß Adelaide ihn den Blicken der Neugierigen entzog. Er schrieb, daß er einen Mönch gesprochen, welcher Donna Zamora in der höchsten Blüthe der Gesundheit und Schönheit als die Gattin eines ausgezeichneten französischen Generals in Paris gesehen habe. Von ihrem Beichtvater sei ihm die Kunde mitgetheilt, daß sie durch diesen General aus einem italienischen Kerker befreit worden, den sie nachher, da sie ihren ersten Gatten todt geglaubt, geheirathet habe, und sehr glücklich mit ihm lebe.

Zamora lebend, aber für ihn verloren zu wissen, erfüllte sein Herz mit Entsetzen. Genauere Ueberlegung führte ihn jedoch zu dem Glauben, daß Zamora nie glücklich mit einem andern Mann sein könnte, und zu seiner eigenen Beruhigung beschloß er, nach Paris zu reisen. In diesem Augenblick der schrecklichsten Angst und Ungewißheit war es, als Montagu ihn mit Blicken des innigsten, Mitleids betrachtete, daß Lord De Moreland, von der Aehnlichkeit mit seiner Mutter ergriffen, eine Bewegung verrieth, die so nachtheilig auf seine Gesundheit wirkte.

Der Leser erinnert sich der unglücklichen Gefangennehmung des Lords bald nach seiner Ankunft in Paris; doch hatte er vorher die völlige Gewißheit erlangt, daß Zamora mit keinem französischen Officier verheirathet sei. Endlich durch Mordaunts Beistand befreit, kehrte er nach England zurück. Hier fand er Baronello, der von einem spanischen Kaufmann, welcher Se. Herrlichkeit zu sprechen verlangt, erfahren hatte, daß ein Priester ihm wichtige Nachrichten von einer kürzlich verstorbenen Person mitzutheilen habe. Da Baronello gehört, daß Pater Felix mit Tode abgegangen, vermuthete Edwin, die Botschaft komme von ihm und betreffe Zamora, und reiste dem Priester daher nach Irland nach, wohin er in Geschäften gegangen war.

Nicht ohne Schwierigkeit verfolgte er dessen Spur, und vernahm zu seiner großen Betrübniß, daß er schon vor vierzehn Tagen in sein Kloster nach Madrid zurückgekehrt sei. Lord De Moreland eilte ihm in diese Hauptstadt nach, und fand seine Vermuthung bestätigt. Die Botschaft kam vom Pater Felix, der nun wirklich auf dem Todtenbette seinem Beichtvater unter andern schlechten Thaten auch den grausamen, von der Herzogin geleiteten Betrug mit Lord De Moreland bekannte. Er flehte den Priester an, Se. Herrlichkeit aufzusuchen und ihm zu sagen, daß seine Frau wirklich gestorben sei, wie die Aebtissin berichtet; aber nicht an der Epidemie im Kloster, sondern in Folge einer Erkältung nach ihrer Niederkunft. Sie hatte einen Sohn geboren, den sie, des Gatten Wunsch gemäß, Montagu genannt; dieser Umstand wäre ihm jedoch vom Herzog von Aranda sorgfältig verheimlicht worden, weil er Verdacht gehegt, das Kind könnte noch leben und Ansprüche auf die Erbschaft seiner Mutter machen. Endlich habe er jedoch erfahren, daß es gleich nach Donna Zamoras Tod gestorben sei.

Mit der traurigen Gewißheit, Frau und Kind verloren zu haben, kehrte Lord De Moreland nach England zurück, zu diesen Sorgen noch voll Furcht und Hoffnung, wie die rasche Verbindung seiner Adoptivkinder ausgefallen. Sehr natürlich also, daß Lady Dinwoods übertriebene Schilderungen ihn in diesem gereizten Zustand noch heftiger erschüttern mußten. In dem Maaß als er Montagu geliebt, den er durch Adelaidens Besitz glücklich zu machen gehofft, steigerte sich jetzt sein Zorn gegen ihn; als aber Lord Beechbrook ihn feierlich als keinen wirklichen Montagu Bouverie verkündigte, fühlte sich sein Herz von mächtigen Gefühlen ergriffen. Zamora hatte einen Sohn geboren, hatte ihn Montagu genannt; und dieser Montagu hatte sein Herz oft stärker schlagend gemacht durch eine unerklärliche Aehnlichkeit mit Zamora. Deshalb erkannte er ihn für seinen Sohn, ehe Lord Clyde ihn als solchen verkündet hatte.

 


Zwanzigstes Capitel

Die unglückliche Donna Zamora ward nach der Trennung von ihrem geliebten Gatten von den grausamen Dienern der Inquisition, wie schon erwähnt, in das dunkle Kloster in Navarra gesperrt; und als der unerbittliche Vater erfuhr, daß sie das Geschlecht der Ketzer fortzupflanzen im Begriff stände, schwur er, das Kind der abtrünnigen Mutter gleich nach der Geburt zu nehmen, und es zeitlebens in ein Franciskanerkloster zu vergraben.

Aber die durch Edwin und Lady Emmeline schon halb zur protestantischen Religion bekehrte Zamora, lieh den Vorschlägen ihrer Wächterin, der Donna Leonore, einer Verwandten der Familie Aranda, ihr Kind im Glauben seines Vaters er ziehen zu lassen, ein williges Ohr.

Von Lorenzo verführt und verlassen, hatte Leonore ihm bittre Rache geschworen und übte sie jetzt durch Verrath, indem sie, statt den Brüdern als treue Bewacherin Donna Zamoras zu dienen, dieser in allen Plänen beistand. So ward das Kind denn weder in ein Franciskanerkloster gesteckt, wie der Vater verlangt, noch in eine andere Welt spedirt, wie sie dem Onkel versprochen; sondern ihm eine Amme gegeben, und mit den nöthigen Zeugnissen seiner Geburt versehen, einst die erwartete Erndte von Lorenzos Geiz zu zerstören, nach England zu seinem Vater geschickt.

Nur die Aussicht, bald mit Mann und Kind vereint zu sein, vermochte Zamora zu bestimmen, sich von ihrem lieblichen Knaben, wenige Stunden nach dessen Geburt, zu trennen. Drei Wochen darauf, als sie Kräfte zu der langen Reise zu gewinnen, sich zu früh herausgewagt hatte, starb sie plötzlich in Folge einer Erkältung. Gleich nach ihrem Tode brach die ansteckende Krankheit im Kloster St. Antonio aus, und raffte unter andern auch Donna Leonore hin.

Ein beschriebenes Blatt in ihrem Schreibtisch erregte Lorenzos Verdacht gegen ihre Treue, und ließ ihn vermuthen, daß das Kind noch lebte. Deshalb sandte er Bevollmächtigte ab, Edwins Bewegungen zu beobachten, und genau nachzuforschen, ob er ein Kind erziehen lasse. Da aber nichts der Art zu entdecken war, berichtete er ihm die falsche Ursache von Zamoras Tod, und lud ihn auf sein Schloß ein, selbst zu prüfen, ob er von der Existenz des Kindes etwas wisse.

Gleich nach Donna Zamoras Flucht aus dem Kloster in Languedoc mit Edwin, langte Lord Clyde an, seine Schwester nach England abzuholen; und obgleich Lady Emmeline mehr wie je die erneuten Anträge Heinrich Bouveries fürchtete, hatte sie doch keinen Grund, ihre Abreise zu verzögern. Kaum angelangt, bestürmte sie dieser feurige Liebhaber, von ihrem Bruder und dessen Frau unterstützt, mit Bitten, den Tag ihrer Verbindung zu bestimmen; und in der Verzweiflung einer hoffnungslosen Leidenschaft, unbekümmert, wie ihr Loos ausfallen möchte, da sie nicht Edwins Frau werden konnte, willigte sie ein, und heirathete einen Mann, den sie fürchtete, während ihr Herz mit ungetheilter Zärtlichkeit dem Gatten einer Andern zugethan war.

Heinrich Bouverie fühlte nur zu bald, daß seine Neigung nicht erwiedert wurde, und entbrannte in heftiger Eifersucht gegen Jeden, der sich Emmelinen nahte, wodurch er die arme Frau unbeschreiblich unglücklich machte. Mit wahrer Freude vernahm sie daher die Nachricht des Todes eines Onkels ihres Gatten mütterlicher Seite, welcher sehr reich auf dem Vorgebürge der guten Hoffnung gestorben, seinem Neffen bedeutende Legate hinterlassen hatte, zu deren Hebung er nothwendig nach Afrika reisen mußte. Ein Jahr war der kürzeste Termin hierzu; und da Bouverie nicht gesonnen war, sich so lange von Emmelinen zu trennen, erklärte er, sie mitnehmen zu wollen, falls sich bis zu seiner Abreise keine Umstände ereignet hätten, die ein solches Unternehmen gefährlich für sie machten. Und um der Qual seiner Zärtlichkeit und Eifersucht zu entgehen; nicht an die Folgen denkend, sagte Emmeline, daß sie in freudiger Erwartung wäre.

Obgleich die enthusiastische Freude Bouveries über diese frohe Aussicht durch den Schmerz der langen Trennung getrübt wurde, schöpfte er doch Trost in der Hoffnung, durch die Geburt des Kindes der Mutter Zärtlichkeit für sich erweckt zu sehen.

Die von der einen Seite gefürchtete, von der andern gewünschte Trennung fand endlich statt; und von jedem Ruhepunkt schrieb Bouverie die zärtlichsten Briefe an seine Frau, sie beschwörend, sich und ihr Kind ihm zu erhalten, so daß sich die bitterste Reue Emmelinens Herzen bemächtigte, und sie mit Angst, der Folgen ihres leichtsinnigen Benehmens gedachte. Sie durfte weder auf ihres Gatten, noch auf Lord und Lady Clydes Vergebung rechnen, wenn sie die Wahrheit bekannte, indem sie dadurch nur zu deutlich ihren Mangel an Liebe beurkundete. Von Sorgen und Gewissensbissen gefoltert, litt ihre Gesundheit so augenscheinlich, daß sie einen schicklichen Vorwand fand, England zu verlassen, und noch einmal die mildere Luft von Languedoc zu versuchen.

Lady Clyde war zu weit in den Zustand vorgerückt, den Lady Emmeline vorgab, um sie nach Frankreich begleiten zu können; und Lord Clyde wollte seine Frau weder verlassen, noch seine Schwester allein reisen lassen. Dieses hatte Lady Emmeline vorausgesehen, und sich in ihrer Tante, Lady Margarethe Graham, einer sechzigjährigen Wittwe von untadelhaftem Ruf und vielen Vorzügen, eine Begleiterin erkoren.

Die Tante besaß ihr ganzes Vertrauen, und versprach der zärtlich geliebten Nichte, sie aus dieser dringenden Verlegenheit zu ziehen.

Nur von einem männlichen Bedienten und Emmelinens vertrauter Kammerjungfer begleitet, reiseten sie nach Montpellier, und da Ersterer nicht mit im Kloster aufgenommen wurde, brachte er die Nachricht ihrer glücklichen Ankunft nach England zurück.

Emmelinens Absicht war, sobald das vorhabende Manoeuvre vorüber sein würde, nach Savoyen zu gehen; doch ehe noch die Vorbereitungen hierzu gemacht waren, erreichte sie die Nachricht von der grausamen Trennung Edwins und Zamoras, die sie in die höchste Trauer versetzte, indem sie bis jetzt ihren einzigen Trost in dem Gedanken gefunden hatte, Edwin glücklich zu wissen.

Voraussehend, daß wenn der Verlust des Erben zu früh bekannt gemacht werden sollte, Bouverie sich beleidigt fühlen würde, wenn sie ihm nicht nach dem Cap folgte, beschwor Emmeline ihre nachgiebige Tante, diese Maaßregel so lange als möglich hinaus zu schieben. Doch endlich drängten die Umstände, eine solche Erklärung ergehen zu lassen, indem es nicht unwahrscheinlich war, daß Lord Clyde. seine durch den Tod ihres neugebornen Kindes sehr betrübte Gattin nach Languedoc bringen könnte. So wurde denn beschlossen, daß Lady Margarethe den nöthigen Brief mit der nächsten Post schreiben sollte. Doch ach! ehe sie diesen Vorsatz noch ausgeführt, starb sie an einem Herzenskrampf in den Armen ihrer trostlosen Nichte, die nun nur mit diesem Verlust beschäftigt, ihren Brief nach England mit lauter Klagen anfüllte.

Zwei Tage nach Lady Margarethens Tod langte der Abgesandte von Donna Leonore, die aus den Zeitungen ersehen, daß Lady Emmeline sich in Montpellier aufhielt, mit dem kleinen Montagu und den nöthigen Beweisen seiner Geburt an, ihn des besondern Schutzes Lady Emmelinens empfehlend.

Sie empfing das Kind des angebeteten Mannes und der geliebten Freundin mit herzlicher Freude; und da sie aus deren Brief ersah, daß sie Donna Zamora bald erwarten konnte, bereitete sie alles auf ihre Ankunft vor, als ein Schreiben von Donna Leonore ihr den Tod Zamoras meldete, und sie beschwor, wenn ihr das Leben des unschuldigen Kindes lieb sei, seinen Ursprung sorgfältig zu verheimlichen, vor Allen der Wärterin.

Dieß zu bewerkstelligen, verließ sie Montpellier, und verabschiedete die Wärterin. In Erwartung der neuen, als sie das mutterlose Kind auf ihren Armen haltend es zärtlich betrachtete, fuhr ihr der Gedanke durch die Seele, es für ihr eigenes, kurz vor Lady Margarethens Tod gebornes, auszugeben, dessen Ankunft zu melden sie über die Trauerbotschaft versäumt. Sein Vater wußte nichts von dessen Geburt; und da die Epidemie Donna Leonore so schnell hinweggerafft, war nicht zu vermuthen, daß sie Zeit oder Gelegenheit gehabt, dieses Geheimniß zu verrathen. Jenny, Emmelinens vertraute Dienerin, ein junges, leichtsinniges Mädchen, ging bereitwillig in diese Idee ein und so ward der aus einem andern Ort verschriebenen Wärterin das Kind als Lady Emmelinens übergeben. Glücklicherweise trug es die schönen Züge Zamoras, und so fiel auch die Sorge weg, daß es durch Aehnlichkeit mit Edwin seinen Ursprung verrathen könne.

Lord und Lady Clyde hatten die beabsichtigte Reise nach Frankreich aufgegeben, wodurch Emmeline unter dem Vorwand, ihre angegriffene Gesundheit erst wieder zu stärken, Zeit gewann, den kleinen Montagu etwas größer werden zu lassen, auf daß er der angegebenen Zeit seiner Geburt nicht widerspreche.

Unterdessen hatte Heinrich Bouverie mit manchen Unannehmlichkeiten zu kämpfen gehabt. Bis er auf die Nachricht des Todes seines Onkels am Cap angelangt, hatte der Compagnon des Verstorbenen Zeit gefunden, den größten Theil des Nachlasses unterzuschlagen und sich damit aus dem Staube zu machen. Vergebens blieben alle Nachforschungen; und nachdem Bouverie zwei Jahre in nutzlosen Bemühungen, sein Erbe, wieder zu erlangen, zugebracht, kehrte er endlich nur um 5000 Pfund reicher zurück, die er seiner geliebten Emmeline versicherte, ehe er, voll Hoffnung, sie durch das neue Band fester an sich zu knüpfen, in ihre Arme zurückkehrte.

Sie empfing ihn freundlich und gütig, aber nicht liebevoller als vorher; und erst die Zeit und Heinrich's eifriges Bestreben, die Heftigkeit seiner Gemüthsart zu mildern, erwarben ihm ihre Dankbarkeit und Achtung. Seinen Sohn liebte er mit schwärmerischer Zärtlichkeit.

Nach Verlauf von mehreren Jahren gelangte Lady Emmeline in den Zustand schöner Erwartung, den sie früher erdichtet hatte. Ihr Gram darüber war desto tiefer, je sorgfältiger sie ihn verbergen mußte. Jetzt erst erkannte sie den hohen Grad von Schuld, den sie durch diesen Betrug auf sich geladen. Sie fühlte, daß sie ihr eigenes Kind nie so lieben würde, wie den kleinen Montagu., Diesen hatte sie um seine Würden und Güter gebracht, während sie ihren erstgeborenen Sohn durch ihn um sein Erbtheil betrogen. Aber es war zu spät, diesen Betrug einzugestehen, er würde ihr den Zorn, die Verachtung ihres Gatten zugezogen haben, den sie endlich achten und lieben gelernt; er würde sie in den Augen des Mannes herabgesetzt haben, der immer noch einen Platz in ihrem Herzen einnahm, und vor Allen ihr die Liebe ihres Sohnes entzogen haben. Nein! diese dreifache Entbehrung ertrug sie nicht, und da Jenny, die einzige Mitwisserin dieses Geheimnisses, gestorben war, hatte sie auch keinen Verrath zu befürchten. Sie suchte ihr Gewissen dadurch zu beruhigen, daß sie einen getreuen Bericht aller Umstände niederschrieb, und mit den authentischen Beweisen von Montagus Geburt einsiegelte. Die Aufschrift dieses Pakets forderte jedoch, daß es nicht früher als nach ihrem Tode eröffnet werden sollte.

Theodors Geburt befestigte das eheliche Glück Emmelinens. Edwins Bild, den sie seit seiner Heirath nicht wieder gesehen, erlosch nach und nach in ihrem Herzen; und Heinrichs Liebe, verbunden mit der Ablegung jener sie so störenden Heftigkeit und Eifersucht, erwarben ihm endlich, wornach er so lange vergebens gerungen. Demohngeachtet fühlte sich Emmeline unglücklich. Das an Theodor begangene Unrecht quälte sie Tag und Nacht; und so liebenswürdig das Kind auch war, sah sich Montagu doch von Allen vorgezogen. Selbst von Lord und Lady Clyde, die ihr halbes Besitzthum darum gegeben hatten, den lebendigen, viel versprechenden Knaben an Kindes Statt, anzunehmen. Diesen Wunsch wagten sie jedoch nicht laut zu äußern, und erbaten sich deshalb den jüngern Theodor.

Aber ehe noch Heinrich seinen Entschluß hierüber zu erkennen gegeben, ergriff ihn eine tödtliche Krankheit, die ihn nach wenigen Tagen von Emmelinens Seite riß. Bis auf den letzten Augenblick in vollen Besitz seines Bewußtseins, übergab er Theodor der Vormundschaft Lord Clydes, während er seinem vermeintlichen Erstgeborenen Lord De Moreland als Vormund setzte, dessen Rang er auf ihn übergetragen hoffte, da Lord Roscoville und sein jüngerer Sohn im Dienst des Vaterlandes gefallen waren, und Edwin, der jetzige Lord Roscoville, wegen einer unglücklichen Liebe im Ausland niemals heirathen würde.

Lady Emmeline betrauerte den Tod ihres Gatten von ganzem Herzen, und pries sich glücklich, ihr Geheimniß zurückgehalten zu haben, was sie nothwendig in seiner Achtung herabgesetzt hätte. Aus demselben Grund verheimlichte sie auch dem Bruder, was sie so schwer drückte; und da Edwin immer noch außer Landes weilte, fügte sie ihrem längst bereit gehaltenen Paket einen Brief an Lord De Moreland zu, und beauftragte den treuen Lee, es gleich nach ihrem Tode, den sie nahe glaubte, in Sr. Herrlichkeit eigene Hände zu überliefern.

Bald darauf schied sie aus diesem Leben, und Lee bewahrte sein Geheimniß so treulich, daß selbst sein junger Herr nichts davon merkte.

Da Lady Emmeline in ihrem Brief an Lord De Moreland berichtete, daß sie Montagu ihrem Gatten als seinen Sohn ausgegeben, indem sie es Lord Roscoville überlasse, seinen Großvater über dessen wahre Eltern aufzuklären, vermuthete Se. Herrlichkeit, daß der Knabe ein Sohn Edwins und Lady Emmelinens sei. Da er selbst im Leben ein galanter Mann gewesen, auf dessen Verschwiegenheit der Ruf mancher Lady beruhte, beschloß er, auch den Inhalt dieses Pakets geheim zu halten, bis sein Enkel zurückgekehrt sein würde; und um es der unverschämten Neugier Lady Leyburns zu entziehen, nahm er sich vor, es in dem Verschlag in seiner Schlafkammer, von dessen Existenz sie nichts wußte, zu bewahren. Doch ehe er diesen Vorsatz noch ausführen konnte, drang Lady Leyburn plötzlich in das Zimmer, und in der Eile das Paket ihren scharfen Blicken zu entziehen, ließ er den Brief fallen, den sie sich unbemerkt zueignete. Mit Hülfe des schändlichen Blackthorns nahm sie eine getreue Abschrift davon, welche jedoch späterhin zur Erreichung ihrer eigenen Pläne geändert wurde; und nachdem sie fand, daß das Original nicht vermißt worden, beschloß sie, es auch zu behalten, und durch Ausradiren und Hineinschreiben als Schreckschuß für Montagu zu bewahren, ihn in Zukunft für ihre geizigen Absichten zu stimmen.

Doch endlich erinnerte sich Lord De Morelands von Alter geschwächtes Gedächtniß, worauf Lady Leyburn gebaut, des verlorenen Briefs; und da er sie unverholen anklagte, ihn genommen zu haben, und sie aus seinem Testament zu streichen, falls sie ihn nicht wiederschaffte, that sie, als ob sie ihn gefunden.

Kaum hatte der Tod Lord De Morelands Augen geschlossen, als Lady Leyburn ihre Nachsuchungen wegen des Testaments begann und zu ihrem größten Entsetzen fand, daß außer einigen unbedeutenden Legaten und 10,000 Pfund für sie, alles übrige seinem rechtmäßigen Erben vermacht war, welcher nebst Ihrer Herrlichkeit zum Vollstrecker des letzten Willens ernannt war.

Diese grausame Einrichtung zerstörte ihre goldnen Träume; doch immer noch hoffend, ein andres, für sie günstigeres Testament zu finden, welches, wie sie glaubte, mit Lady Emmelinens Paket in Verbindung stand, begann sie ihre Nachsuchungen wegen des geheimen Verschlags, dessen ihr Großvater in den letzten Augenblicken seines Lebens erwähnt hatte. Da diese jedoch fruchtlos blieben, und ein Jahr nach dem andern verstrich, ohne daß ihr Bruder den geringsten Zweifel über Montagus Herkunft geäußert, hielt sie es für gerathen, mit der Copie von Lady Emmelinens Brief hervorzutreten, um wenigstens ihren Schwiegersohn zum rechtmäßigen Erben ihres Bruders zu Stempeln; hierzu bedurfte sie jedoch des jungen Blackthorns Rath, dem sie das Geheimniß mittheilen mußte; und dieser, seine eigenen schändlichen Absichten zu befördern, beredete sie, damit hervorzutreten, ehe sie den Plan reiflich überlegt hatte.

 

Es würde ein vergebliches Unternehmen sein, Lady Leyburns Entsetzen zu schildern, als sie fand, daß sie durch ihre eigene selbstsüchtige Politik die Veranlassung gegeben, Montagu als Lord De Morelands gesetzmäßigem Erben festzusetzen, ihn, dessen Ansprüche als vermeintlichen Erben sie zu zerstören gemeint; auch ward ihr Entsetzen nicht vermindert, als sich in dem Verschlag viele Dokumente vorfanden, welche bewiesen, daß alle die von ihr selbst fabricirten Beweise der ruinirten Vermögensumstände ihres Großvaters erdichtet gewesen, ihre Unterschlagung bedeutender Summen zu verbergen. Nach dieser Entdeckung, die sie selbst bei ihres Bruders größter Nachsicht nicht vor gerichtlicher Strafe sicherte, hielt sie es nicht rathsam, im Lande zu bleiben, und fuhr von einer geheimen Thür im Park aus, mit dem ebenfalls bedrohten Gefährten ihrer Schande und Cölestinen von Roscoville fort, entschlossen, ohne Aufenthalt bis Paris zu eilen, woselbst eine Tochter Blackthorns als Maitresse des ersten Günstlings des Usurpators im hohen Styl lebte, durch deren Einfluß sie Schutz und Einführung in die Gesellschaft dieser schrecklich veränderten Hauptstadt zu finden hofften.

Die plötzliche Abreise des Kleeblatts gewährte Lord De Moreland eine große Beruhigung, so wie auch Lady Ambrosia, die sich der niedrigen Hülfsmittel ihrer Mutter innigst schämte. Wegen der getäuschten Erwartung, Theodor als rechtmäßigen Erben zu sehen, tröstete sie sich mit der Aussicht, daß er nicht allein in augenblicklichen Besitz des Eigenthums seines Vaters kommen, sondern auch bedeutende Rückstände von Lord Roscoville erhalten würde, während ihm Lord Clydes ganzer persönlicher Reichthum einmal zufiel.

Lord De Moreland säumte keinen Augenblick, den Sohn seiner vielgeliebten Zamora allen Anwesenden als solchen vorzustellen, und diese unerwartete Begebenheit durch Feste aller Arten zu feiern; es würde jedoch schwer zu entscheiden sein, selbst in den ersten Aufwallungen seines Entzückens, welcher seinem Herzen theurer war, der Sohn seiner zärtlichsten Liebe, oder die Tochter seiner Wahl.

Vierzehn Tage blieben die Freunde in Roscoville zusammen, die frohen Begebenheiten zu feiern; als sie aber endlich schieden, bat Lord De Moreland seine über alle Beschreibung glücklichen Kinder, bei ihm zu bleiben, und eine Familie mit ihm zu bilden.

Montagu beeilte sich nun, allen Freunden, die seiner Adelaide in ihrer Noth beigestanden, besonders Longuivilles, die glückliche Entdeckung mitzutheilen; und nachdem er sich selbst bitter wegen seiner frühern Vergehungen angeklagt, lud er sie ein, mit ihrem Kinde zu kommen und zu sehen, ob Montagu und Adelaide nicht auch ohne ein einsames Gefängniß in einem befestigten Schloß eben so glücklich wären, wie Sir Charles Longuiville und seine Louise.

Dann gedachte er zunächst der treuen Diener Dennis und Norah, deren Verbindung nun endlich, nachdem Adelaidens Herz von allem Kummer befreit war, vollzogen werden sollte. »Ich war die Schuld,«, sagte er, »daß Ihr diesen Augenblick habt so weit hinausschieben müssen; doch darf er kein Signal für unsre Trennung sein. Weder ich, noch meine Adelaide, können uns ohne Euch ganz glücklich fühlen; und wenn Ihr in Zukunft mehr Platz bedürft, soll er Euch zu Theil werden, und Eure Kinder sollen unsre Kinder sein.«

Lord De Moreland fügte diesen Versicherungen noch eine Aussteuer für die Braut, und ein kleines Capital für den Bräutigam hinzu. Norahs Dankbarkeit sprach sich nur in Thränen aus; Dennis aber äußerte seine Freude und seinen Dank in der ihm eigenthümlichen Redseligkeit.

Endlich brach der glückliche Tag an, der Norah Obearn den zärtlichsten Gatten, und Dennis die vortrefflichste Hausfrau geben sollte. Nach einer siebzehnjährigen treuen Liebe von beiden Seiten, war wohl lauter Gutes in dieser Ehe zu erwarten.

 

Fünf Jahre sind nun verstrichen, seit der Herzog von St. Kilda seine letzten Hoffnungen durch Adelaidens Wiedervereinigung mit Montagu zerstört gesehen; und dennoch kann er diese unglückliche Leidenschaft noch nicht besiegen, sie stets nährend durch die trügerische, nicht schuldlose Hoffnung, daß, da kein Mensch unsterblich sei, der Abgott seines Herzens noch einmal wieder frei werden, und ihn für seine Treue belohnen könnte. In der Folge hat er jedoch die Stürme seines Innern auf dem Schlachtfelde zu übertäuben gesucht, und sich Lorbeeren errungen.

Lady Leyburn, ihre zwei ältesten Töchter, ihr schändlicher Verbündeter und dessen Sohn sind immer noch in Paris, woselbst sie Zerstreuung suchen, und jede Stunde das Register ihrer Sünden vermehren; doch fühlt sich keins glücklich. Lady Leyburn und die beiden Blackthorns leben in steter Angst, ihre Thaten entdeckt und sich bestraft zu sehen; die Schwestern, unglückliche Weiber eifersüchtiger Tyrannen (Lady Cölestine heirathete gleich nach ihrer Ankunft in Paris einen französischen Revolutionsmann), erndten den Lohn für ihre frühern Schulden.

Lady Marian hat die Bemerkung machen müssen, daß der durch Schande erworbene Reichthum ihr keinen Segen bringt. Sir Eduard Tankerville willigte in ihre Wünsche, und gab ihr seinen Namen, sobald sie das Recht verloren, den von Harley länger beizubehalten. Da aber keine Rechtsgelehrten bei ihrer Verbindung gegenwärtig gewesen, ihr Eigenthum durch englische Gesetze zu sichern, maßte sich ihr Herr und Gebieter gleich nach der Heirath das Recht über ihr Vermögen an, und vergeudete es am Spieltisch und mit einer Courtisane, welche er acht Tage nach seiner Hochzeit in das von Lady Marians Geld gekaufte Schloß brachte, ihr den Vorsitz an seiner Tafel gewährte, und sie an Macht und Gunst über seine Frau stellte. Als Lady Marian über dieses Betragen in die heftigste Wuth gerieth, glaubte er, oder that als glaubte er, sie vom Wahnsinn ergriffen, und übergab sie der strengen Aufsicht gemietheter Wärter.

Lady Dinwood, ihre Busenfreundin, erfreute sich nicht lange der Gewißheit, Lady Marian aus der Gesellschaft verbannt zu sehen, indem sie, aus Sucht sich auszuzeichnen, mit Capitain Crosby durch die Welt zog, hier und da Vorstellungen und Deklamatorien zu geben, wodurch sie ihren eigenen Platz unter den Bessern verlor, und eben so wenig wie Lady Marian Tankerville mehr Anspruch darauf machen konnte, die erste Heldenrolle auf einem Privattheater vor unbescholtenen Zuschauern zu spielen.

General Harley heirathete sechs Monate nach seiner Scheidung ein schönes, aber armes Mädchen, welches, nebst ihrer Mutter und noch zwei Schwestern, die sie mitzunehmen ausbedungen hatte, sein Haus und seine Wirthschaft bald in die schönste Ordnung brachte.

Gayvilles wurden nicht allein als Bewohner, sondern auch als Günstlinge daraus verbannt.

Lord und Lady Beechbrook, Sir Charles und Lady Longuiville blieben die getreuen Freunde des glücklichen Lord Roscovilles und seiner Adelaide.

Ungefähr sechs Monate nach Falklands Zurückkunft von *** kehrte auch Herr Bellenden, nachdem seine Mission dort beendet, mit gestärkter Gesundheit ins Vaterland zurück. Er stattete seiner liebenswürdigen Cousine und Falklands einen kurzen Besuch ab, und eilte dann zur verwittweten Lady Longuiville, sich selbst und sein Vermögen zu den Füßen Miß Longuivilles zu legen, die sein Herz in Adelaidens Krankenzimmer in Sussex durch ihre zärtliche Theilnahme und Aufmerksamkeit dergestalt gerührt hatte, daß ihr Bild stets vor seiner Seele geschwebt, und er zur Ueberzeugung gelangt war, daß nur ihr Besitz ihn glücklich machen könnte. Diesen zu erlangen war sein Streben, und er wurde ihm zu Theil.

Theodor und Lady Ambrosia leben unter den Augen des liebenswürdigen Lords und der Lady Clyde friedlich, wenn auch nicht immer ganz glücklich, obgleich sie Beide aus Liebe für die Kinder so viel Zuneigung für einander fühlen, als ihre entgegengesetzten Naturen gestatten. Doch während eine peinliche Erinnerung an die schlechten Thaten der Mutter, welche seine Frau erzog, ihn lehrte, nur geringes Vertrauen in die Klugheit dieser Frau zu setzen, und immer die Entdeckung von noch etwas Tadelnswürdigerem als Leichtsinn in ihr zu fürchten, läßt ihn die schmerzliche Vergleichung zwischen ihr und dem Wesen, von welchem sie sein Herz verlockte, nicht glücklich werden. Lady Ambrosia, ihrer Seits zu launenhaft, um anhaltend liebenswürdig zu sein, seufzt oft nach der Größe und dem höhern Loos ihrer Cousine, die sie einmal haßt, wegen der allgemein ihr zu Theil werdenden Bewunderung, und sie dann wieder liebt, wegen ihrer Vorzüge, und ihr nachzuahmen strebt. Meistens nur in guter Laune, wenn es ihr nicht an Geld fehlt, ihre kindischen Wünsche auszuführen; dann wieder zufrieden, nachgiebig und gelehrig, ihren Mann vergötternd, und eifrigst bemüht, sich in seinen Augen anziehend zu machen.

Die Wolke, welche das eheliche Glück des vortrefflichen Falkland getrübt hatte, verschwand auf immer. Rosalindens Cur war hart gewesen, aber der Erfolg bewährte sich dauernd. Von Dankbarkeit erfüllt über die gütige und edelmüthige Verzeihung ihres vielgeliebten Gatten, machte sie es zum ersten Geschäft ihres Lebens, ihre Launen und Eifersucht zu bemeistern, und ihm Ersatz für die ihm bereiteten trüben Tage zu gewähren.

Weber Lord De Moreland, noch sein Sohn konnten den Gedanken ertragen, dieser liebenswürdigen Familie eine so große Verbindlichkeit, als die Auslösung der Juwelen war, schuldig zu sein. Deshalb kauften sie ein in der Nähe von Roscoville gelegenes Gut und beschenkten Falkland damit, unter dem Vorwand, sich ihn und seine Familie als Nachbarn von Roscoville zu erhalten, welches Glück ihnen in Schloß De Moreland zu schätzbar gewesen, um es nicht für die Folge dauernd zu wünschen.

Lord De Moreland begann ein neues Leben im Kreise seiner vielgeliebten Kinder. Der traurige Eindruck seines früh gestörten Liebesglücks verlor sich nach und nach; doch war er nie zu einer zweiten Heirath zu bewegen.

Doch, wer vermag eine Beschreibung von Montagus und Adelaidens vollständigem und ungetrübtem Glück, nachdem es so lange und grausam unterbrochen gewesen, zu geben? Sich dieses auszumalen bleibt der Phantasie des Lesers am Schluß des Buchs überlassen. Nur so viel sei noch hinzugefügt, daß ihre Tugenden in blühenden Kindern forterbten.

 

Ende.

 


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