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Und nun ging es zum sonnigen Süden, nach den an Wundern reichen Ländern von Südcalifornien und Arizona, nach dem Wunderthale Yosémite. Die Weltstadt am Goldenen Thore lag hinter mir und ich fuhr durch das breite, ungemein fruchtbare Thal des San Joaquin Flusses über Lathrop, Modesto und Merced nach dem 185 englische Meilen von San Francisco entfernten Madera, einer Station der Southern Pacificbahn, von wo der beste und bequemste Weg nach dem Yosémitethale führt. Madera ist ein kleines, kaum einige hundert Bewohner zählendes Örtchen, aber voll des tüchtigsten Unternehmungsgeistes, der sich wohl am glänzendsten in der Anlage der gewaltigen › Flume‹ dokumentirte, welche sofort das Interesse des Fremdlings in Anspruch nimmt. Diese › Flume‹ ist ein kleiner Gebirgsbach, der in einem aus Brettern zusammengesetzten und auf 25 Fuß hohen Holzblöcken schwebenden künstlichen Kanale 45 Meilen weit von den Vorbergen der Sierra Nevada hierhergeleitet wurde und lediglich dazu dient, die in den Gebirgen gefällten Baumstämme auf eine möglichst billige Weise nach den in Madera befindlichen Sägemühlen zu flößen. Stamm auf Stamm gleitet, von den rauschenden Wassern getragen, durch die mit einem Kostenaufwande von 375,000 Dollars erbaute hölzerne Rinne, die Sägewerke täglich mit 100,000 Fuß Holz versehend.
In aller Frühe des folgenden Morgens rasselte die sechsspännige, omnibusartige Stage heran, welche die im Laufe des vergangenen Tages auf vierzehn Personen angewachsene Gesellschaft der Yosémitepilger befördern sollte.
Da nicht mehr als acht Personen im Innern des Wagens Platz hatten, zwei weitere noch neben dem Kutscher ein Unterkommen fanden, so waren vier der Mitreisenden dazu verurtheilt, auf dem Dache des Wagens zu sitzen und sich dort, so gut es gehen wollte, gegen das Hinabgeschleudertwerden zu behaupten. Mir fiel ein Sitz im Innern des Wagens zu, da hingegen einer der vier Deckpassagiere mit seinen langen Beinen meinen Kopf als Stützpunkt zur Sicherung der eigenen unbequemen Lage ausersehen hatte, so zog ich vor, mit diesem ewigen Störenfriede den Platz zu tauschen, zumal ich an das Behaupten eines derartigen luftigen Sitzes von meinen Stagefahrten durch Montana, den Yellowstone-Park und Idaho her bereits gewöhnt war.
In scharfem Trabe ging es nun, die Madera Flume fast beständig in Sicht behaltend, über weite Ebenen, bis wir gegen Mittag an die Schlucht des Coarse Gold Gulch gelangten, wo in früheren Tagen wacker nach Gold gegraben wurde. Im Laufe des Tages passirten wir noch mehrere derartige verlassene Minenplätze, auf denen es jetzt trostlos und öde aussah. Wo ehemals Straßen gewesen waren, da wucherte jetzt Gras und Gestrüpp; zwischen den verfallenen Häusermauern, innerhalb welcher oft Goldstaub im Werthe von Millionen von Dollars gelagert hatte, begannen Bäume zu wachsen, und von den Tausenden von rüstigen Männern, die hier dem flüchtigen Glücke nachjagten, war nicht einer mehr zu sehen. So rasch die Bewirthschaftung dieser Goldgegenden sich entwickelte, ebenso rasch ist sie auch wieder vollständig eingegangen, um die Schauplätze des einstigen betriebsamen Lebens als Stätten der Verheerung und Verwüstung zurückzulassen. In den ersten Nachmittagstunden langten wir bei den Vorbergen der Sierra Nevada an, und damit setzte auch jene wunderbar mannigfaltige Vegetation ein, welche den Ländern des sonnigen Südens eigen ist.
Lorbeer- und Feigenbäume bedeckten die Abhänge; Azaleen- und Madrono-Gestrüppe wechselten mit weiten Strecken, auf denen wohlduftende Yerba-Buena-Kräuter wucherten; stacheliche Cacteen erhoben sich neben herrlichen, breitästigen Lebenseichen und neben den durch hellgrüne Belaubung und zimmetfarbene Stämme weithin kenntlichen Manzanitosträuchern. Dieser Vegetationsgürtel machte mit unserem Vor- und Aufwärtsdringen mehr und mehr den herrlichen Wäldern von Zuckerfichten Platz, welche die Kämme und Abhänge der Sierra Nevada wie mit einem prächtigen Mantel umhüllen und, frei von allen Schmarotzern, Schlingpflanzen und jeglichem Unterholz, Hallen von wahrhaft feierlicher Erhabenheit bilden.
Unter den Schatten dieser herrlichen Baummassen führte unsere Fahrstraße bis zum späten Abende dahin, kühne Kurven und Zickzacklinien beschreibend, an jählings sich aufthuenden Abgründen vorüber, bald in tiefe Thäler hinabsteigend, bald zu steilen Höhen emporführend.
Nachdem wir, durch die 68 Meilen lange Fahrt wie gerädert, die Nacht in der inmitten des Urwaldes gelegenen Clark's Ranch verbracht hatten, ging am nächsten Morgen die Fahrt in ihrer ganzen Tollkühnheit weiter durch die erhabenste Sierra-Wildniß, durch ein so großartiges Berg-, Wald- und Felsenchaos, daß nach dessen Anblick Jedermann sich unwillkürlich fragte, was denn nach diesen hochragenden Granitwänden, diesen schauerlichen Abgründen und dieser Urwaldspracht noch Größeres, Schauerlicheres und Erhabeneres kommen könne.
Aber da, als unsere Rosse das 6600 Fuß über dem Meere gelegene Plateau eines Granitkolosses erklommen hatten, leuchtete es plötzlich hell durch das dunkle Tannengrün, eine Biegung noch – und wie eine wunderbare Vision, so breitete sich zu unseren Füßen eine Welt der erhabensten Schönheit aus.
»Inspiration Point«, so haben die Entdecker des Thales die Stelle getauft, wo dem von fernher Kommenden die ganze Herrlichkeit des Yosémitethales unverhofft, mit einem Schlage sich erschließt. Da lag es zweitausend Fuß unter uns, von dem Feuerschein der sinkenden Sonne goldig übergossen und überspannt von einem zauberisch schönen californischen Abendhimmel. Nackte Granitkolosse von wahrhaft monumentaler Erhabenheit glänzten uns in mächtiger Doppelreihe entgegen; von ihren drei- bis viertausend Fuß hohen Firnen wehten silberweiße Wasserfälle in den tiefen Thalgrund hinab, um, zu einem rauschenden Flusse vereint, in weiten Schlangenwindungen durch das dunkle Grün der Pinien-, Cedern-, Eichen-, Lorbeer- und Manzanitohaine dahinzueilen.
Es war am 5. oder 6. Mai des Jahres 1851, als von hier aus eine bewaffnete Expedition von Weißen den ersten Einblick in dieses Wunderthal erhielt.
Diese Expedition war in Verfolgung von Indianern begriffen, mit denen die nach der Entdeckung des Goldes massenhaft einströmenden Goldgräber wiederholt in scharfe Conflicte gerathen waren. Übergriffe waren auf beiden Seiten erfolgt; hatten die Weißen die Indianer zu Frohndiensten gezwungen oder rücksichtslos niedergeschossen, so hatten sich die Rothhäute dadurch zu rächen gesucht, daß sie zeitweise Angriffe auf die Ansiedler unternahmen und denselben ihr Vieh raubten, mit dem sie dann stets in unzugängliche Gegenden des Gebirges verschwanden, wohin man ihnen nicht folgen konnte. Diese Schlupfwinkel aufzuspüren, hatte sich die unter dem Major Savage stehende Expedition aufgemacht.
Theilnehmer an derselben war ein Dr. Bunnell, der den Eindruck, welchen dieses Thal auf ihn machte, folgendermaßen schildert:
»Man hat behauptet, daß es nicht leicht sei, in Worten den Eindruck wiederzugeben, welchen große Objecte auf uns machen. Ich kann nicht beschreiben, wie sehr ich von der Wahrheit dieser Behauptung überzeugt wurde. Niemand als solche, die gleichfalls dies Wunderthal besuchten, vermögen sich die Gefühle zu vergegenwärtigen, die mich beim ersten Blick in das Thal überwältigten. Leichte Nebel dämpften die Formen der Gebirge, die höchsten Klippen verschwanden in niederhängenden Wolken, aber gerade dadurch wurde das Geheimnißvolle dieses Bildes verstärkt, und ich stand in sprachloses Staunen versunken und fühlte, wie sich meine Augen mit Thränen der Bewegung füllten.«
Die Angehörigen des Stammes, welcher dies Wunderthal zu seinem Zufluchtsorte erkoren hatte, nannten sich die Ehwehnidies, ›die Bewohner des Thales Ehwehni‹ (englisch Ah – wah – nee). Sie wurden hingegen von den Weißen › Yo-Sémites‹, die ›großen Grizzlybären‹ genannt, nach einer Legende, die unter dem Stamme verbreitet war, derzufolge ein junger, kühner Häuptling einst, nur mit einem Knüttel versehen, einen mächtigen Grizzlybären angegriffen und erschlagen habe. Nach dieser That erhielt der Häuptling den Namen › Yo-Sémite‹, ›der große, graue Bär‹, der später auch auf seine Kinder und den ganzen Stamm überging. Der Name Yo-Sémite ist aber bereits eine Corruption des ursprünglichen Wortes, das auf Grund genauer Untersuchungen Yo – hem – i – te ausgesprochen wurde.
Diese erste gegen die Yo-Sémite Indianer unternommene Expedition war, wie auch die nachfolgenden, im großen Ganzen wenig erfolgreich, da sich die Rothhäute stets in den Seitencañons des Thales zu verbergen wußten oder über das Gebirge zu dem Stamme der Monos flüchteten, um nach Abzug der Weißen wieder in das Thal zurückzukehren. Dieser Zustand würde wohl zweifellos noch längere Zeit angedauert haben, wenn nicht im Sommer des Jahres 1853 plötzlich Streitigkeiten zwischen den beiden bisher befreundeten Stämmen ausgebrochen wären, die zur Folge hatten, daß die Yo-Sémites eines Tages von den Monos überfallen und fast gänzlich aufgerieben wurden.
Die gegen die Yo-Sémite Indianer ausgesandten Expeditionen hatten nur wenig von den Wundern des Thales gesehen, dieses Wenige aber reichte hin, um im Jahre 1855 vier Weiße zu veranlassen, eine Entdeckungsreise dahin zu unternehmen. Einer der vier Männer war Thomas Ayres, ein Künstler; ein zweiter, Mr. Hutchings, war mit der Feder bewandert und veranlaßten, zurückgekehrt, durch farbensprühende Schilderungen weitere Partien zum Besuche des Wunderthales. Der Ruhm desselben verbreitete sich nun schnell über die ganze civilisirte Welt und heute hat die Reise nach dem Yosémitethale trotz ihrer Mühseligkeit bereits ungeahnte Dimensionen angenommen.
Das Yosémitethal ist ein tiefer Spalt inmitten der Sierra Nevada. Die Wände dieses Spaltes bestehen aus perlgrauem Granit und ragen zumeist fast senkrecht zwischen 3-6000 Fuß über die 4000 Fuß über dem Meeresspiegel gelegene Thalsohle empor. Das Thal selbst ist sieben Meilen lang, hat dagegen nur eine Breite zwischen ¾ bis 1½ englischen Meilen.
Über die Art und Weise, wie dieses merkwürdige, so einzig in seiner Art dastehende Thal entstanden sein möge, sind verschiedene Theorien aufgeworfen worden.
Die Erosion oder Auswaschung durch Wasserläufe, die in der Thalbildung zumeist den wichtigsten Faktor abgiebt, hat nach Ansicht einiger Geologen bei der Bildung des Yosémitethales keinen oder nur einen ganz geringen Antheil. Robert von Schlagintweit, welcher gleichfalls das Thal besuchte, versichert, daß er daselbst trotz emsigsten Suchens, vergebens nach einem jener vielen Zeichen (löffelförmige, gerundete Auswaschungen an den Thalwänden, ferner Geschiebe und zusammenhängende Linien von Sandconglomeraten und Süßwassermuscheln längs der steilen Thalwände) geforscht habe, welche die Thätigkeit des Wassers und der von ihm hervorgebrachten Erosion deutlich erkennen ließe. Desgleichen fehlten alle Anzeichen, die zu der Annahme berechtigten, daß etwa vor Urzeiten das Thal durch Riesengletscher ausgehöhlt worden sei.
Schlagintweit wie auch Professor Whitney kommen zu dem Schluß, daß zu der Zeit, als die Sierra Nevada sich emporhob, oder kurz nachher an der heute vom Thale eingenommenen Stelle etwa in Folge von vulcanischen Ereignissen eine Senkung der unter der oberen Granitschicht gelegenen Erdmassen längs mächtiger Spalten stattfand, die sich in verschiedenen Richtungen, aber meistentheils rechtwinkelig kreuzten. In Folge dieser Senkungen wurde die obere Granitlage, die wie eine gewaltige Brücke über dem nunmehr hohlen Innenraume schwebte, ihres Ruhepunktes beraubt, brach zusammen und stürzte in den tiefen Abgrund hinunter, der sich durch die Senkung gebildet hatte.
»An seiner Oberfläche« so meint Professor Schlagintweit, »war dieser Abgrund höchst wahrscheinlich mit Wasser bedeckt, das wohl einen der prachtvollsten Alpenseen gebildet haben mag. Nachdem die Tiefe des Sees allmählich durch die an seinem Boden sich absetzenden Sedimente verringert, nachdem ferner der See durch die vielen Anschwemmungen, wie nicht minder durch nachstürzende Gesteine, die von den ihn umschließenden steilen Felsmassen in ihn hinabfielen, vollständig erfüllt war, wurde er, wie auch manche andere ungleich größere Seen, ebenfalls trocken gelegt; sein früheres Becken bildet nun die heutige Sohle des Thales. So wie sie heute vorhanden ist, scheint sie nicht von sehr hohem Alter zu sein, da der sie durchziehende Merced Fluß kaum noch Zeit gefunden hat, sich in ihr ein richtiges Bett zu graben. Von Uferbänken, die er geschaffen hätte, ist nichts zu entdecken; im Gegentheile, er tritt in den Sommermonaten, wo das Schmelzen des Schnees in den höheren Theilen des Gebirges stattfindet, über seine flachen Ufer hinaus und richtet auf weite Strecken Überschwemmungen an, so daß man dann nur zu Pferde das Thal nach allen Richtungen durchziehen kann.«
Andere Theorien meinen, das Thal sei ein Spalt, dessen Entstehung auf eine gewaltsame Zusammenziehung der Granitmassen während der Eiszeit zurückzuführen sei, doch hat die erstere Annahme die größere Wahrscheinlichkeit für sich.
Steigen wir nun zum Thal hinab, so erhebt sich zur Linken gleich am Eingange der Schlucht als Wächter in scheitelrechter Steilheit, bar jeder Vegetation, die helle Granitwand des El Capitan, 3300 Fuß über die Thalsohle hinwegragend und einen Flächenraum von nahezu einer englischen Quadratmeile bedeckend. Tutockonula, ›der große Häuptling‹, ist der indianische Name dieser gewaltigen Felsenbastion (vergl. die linke Hälfte unseres Lichtdruckbildes), die in so imponirender Massigkeit hervortritt, wie wohl kein zweites Vorgebirge auf diesem weiten Erdenrund.
Man stelle das höchste Bauwerk der Erde, den Eiffelthurm, dreimal übereinander, so wird er noch lange nicht den Gipfel der ungeheuren Felswand erreichen, deren schöngeschnittene Contouren sich wundervoll gegen den blauen Himmel abheben.
Gerade gegenüber ragen die originellen Felshörner der ›Drei Brüder‹, empor, so genannt nach drei Brüdern, Söhnen des Häuptlings Tenaya, die im Jahre 1851 von den Weißen hier gefangen wurden. Die Indianer nannten diese Felsenmassen Pom-pom-pa-sa, ›die drei Berge, welche wie springende Frösche aussehen‹. Wie charakteristisch diese Bezeichnung ist, lehrt ein Blick auf unser Bild, wo wir den ›Drei Brüdern‹ gegenüber eine ähnliche, scheinbar mit dem El Capitan zusammenhängende Formation gewahren, welche ›die drei Grazien‹ getauft worden ist.
Weiter im Mittelgrunde des Bildes erheben sich die beiden himmelanstrebenden Thürme des Cathedral Rock, während im Hintergrunde der einer riesigen Warte ähnliche Sentinel Rock und die kolossale Halbkuppe des Süddomes die hervorragendsten Punkte der scharf gezackten Felslinie bilden. (Vergl. Illustr. S. 264.)
Die Yo-Sémite Indianer, welche auf dem Gipfel dieses weithin sichtbaren Felsens beständig einen Beobachtungsposten hatten und bei annähernder Gefahr von hier aus Warnsignale gaben, nannten den Sentinel Rock Loya, den ›Felsen der Wächter‹. Als die ersten Weißen das Thal betraten, in der Absicht, die Bewohner desselben zu vertreiben, stiegen von dem 3043 Fuß über der Thalsohle sich erhebenden Gipfel dieses Felsens in kurzen, regelmäßigen Zwischenräumen Rauchwolken empor, das unter allen nordamerikanischen Indianern übliche Signal ›Feinde im Lande!‹ Vergl. Cronau, ›Fahrten im Lande der Sioux‹, Seite 29.
Der Süddom sowie der schräg gegenüber sich erhebende Norddom bilden in ihrem Aufbau und in ihrer Form eine der größten Eigenthümlichkeiten des Yosémitethales. Aus reinem Granit bestehend, erhebt sich der erstere 4737 Fuß über das Thal, demselben eine für 1500 Fuß durchaus senkrecht abfallende Wand zukehrend, während die vollständig abgerundete und nur äußerst schwierig zu ersteigende Halbkuppel mit den Gebirgsriesen der Sierra Nevada in Verbindung steht.
An Massigkeit steht der Halbdom wohl hinter dem El Capitan zurück, nicht aber an Eigenartigkeit der Formen. Der ganze Eindruck dieses Kolosses ist der einer ursprünglich domartigen Erhebung, die etwa mit der Kuppel der St. Peterskirche in Rom eine Ähnlichkeit haben könnte. Aber die Kuppel dieses gewaltigen Naturdomes ist nur noch zur Hälfte vorhanden. Als sei sie durch einen gewaltigen Schwerthieb jählings auseinander gespaltet, und als sei die eine Hälfte in's Thal gesunken, so ragt die andere Hälfte hoch in die Lüfte, dem Thale eine absolut senkrechte Wand von 1500 Fuß Höhe darbietend, um dann in einen steilen Abhang auszulaufen, der sich bis zum Fuße des Cañons erstreckt. (Vergl. Illustr. S. 265.) Ähnlich gestaltet ist der gegenüber gelegene, 3725 Fuß hohe Norddom. Wie die Häute einer Zwiebel, so lagern hier die gewaltigen Schichten Granit über einander. Hier und da sind Bruchstücke dieser Massen herabgeglitten und eine Ersteigung wäre nur unter den größten Gefahren möglich.
Ganz am Ende des Thales erhebt sich die Kuppe Cloud's Rest, 6150 Fuß hoch über die Thalsohle, 10,000 Fuß aber über dem Spiegel des Meeres. So bilden die massiven Granitmauern eine Sackgasse von so ungeheuerlichen Dimensionen, wie sie kaum zum zweiten Male zu finden sein dürften.
Damit diesem majestätischen steinernen Bilde aber auch nicht das Leben fehle, wallen von den Kämmen dieser Klippenmassen allenthalben entzückende Wasserfälle hinab.
Neben dem El Capitan schäumt das 3300 Fuß lange Silberband des Lung-u-tu-kujah, dem die rothen Urbewohner des Thales nicht mit Unrecht diesen Namen verliehen, welcher ›der schöne, anmuthige Fall‹ bedeutet. An den Wänden der gegenüber liegenden Klippen weht wie ein leichtes Spitzengewebe der 900 Fuß herabstürzende Pohono, ›der Geist des bösen Windes‹. Fast beständig umbrausen heftige Winde den sechzig Fuß breiten Fall und drängen die schäumenden Wasser aus ihrer Bahn, so daß aus einiger Entfernung die Ähnlichkeit mit einem hin und her wehenden Schleier eine so täuschende ist, daß die Weißen ihn den ›Brautschleierfall‹ nannten. Von dem 6450 Fuß hohen Cloud's Rest kommt der Illilouette; im Hintergrunde zweier Seitencañons des Thales donnern die Vernal- und die Nevada-Fälle. Weiter wären zu nennen der Tocoy-ô, der Loya und Andere.
Der Preis aber unter all diesen rauschenden Majestäten gebührt dem Yosémitefall (vergl. die Vignette Seite 259), mit dem sich, was Schönheit und Höhe betreffen wohl kaum ein zweiter Wasserfall des Erdballs vergleichen läßt. In drei Absätzen schießt er aus seiner schwindelnden Höhe zu Thal. Da wo sich die Wasser zum ersten, 1600 Fuß tiefen Salto mortale anschicken, ist der Fluß kaum einige dreißig Fuß breit, erweitert sich aber während seines Sturzes bis aus 300 Fuß. Gleich nach diesem Falle folgt der zweite von 600 Fuß, der eher einer rasenden Stromschnelle als einem Falle ähnlich ist. Zum dritten Male endlich machen die Wasser einen Riesensprung von 450 Fuß in den Abgrund. Von einem Punkte des Thales aus gesehen, erscheint die ganze Wassermasse als ein Katarakt von nahezu 3000 Fuß Höhe.
Wie leuchtende, einander jagende Raketen, so sausen die Wasserbündel in die Tiefe hernieder, dem nimmer ermüdenden Auge stets Neues bietend. Besonders reizvoll gestaltet sich das Bild, wenn heftige Windstöße um die lothrechte Felswand schnauben, die fallenden Wassermassen weit zur Seite treiben und zu einer Wolke feinen Sprühregens zerstäuben. Dasselbe Phänomen, welches sich auch beim Brautschleierfall zeigt und welchem derselbe seinen treffenden Namen verdankt, wiederholt sich hier in noch überraschenderer Weise. Geisterhaft wehen die Wasser her und hin; bald sind sie weit zur Rechten, bald ebenso weit zur Linken getrieben, um beim Nachlassen des Windstoßes in den graziösesten Schwingungen in die natürliche senkrechte Falllinie zurückzukehren. Ebenso wechselt das Getöse des wundervollen Katarakts; bald ist es schwellend, bald sinkend, bald gleichmäßig forthallend, bald fast ersterbend, und dann wieder gewaltig brausend, als ob ein Sturmwind in den Urwaldbäumen heule.
An dem Punkte, wo der Norddom sich erhebt, die 1800 Fuß hohe Steinsäule der Washington Column in die Lüfte ragt, verzweigt sich das Yosémitethal in drei schmalere Schluchten oder Cañons, die wie riesige Stufen zum Hochgebirge hinaufführen, um sich daselbst zu verlieren. In einer dieser Schluchten, dem Tenaya Cañon, breitet sich das herabrinnende Schneewasser zu einem kleinen wundervollen See aus, dem berühmten Mirror Lake (Spiegelsee). Mehrere Acres groß, spiegelt seine nur selten von einem Lufthauch bewegte Fläche die ganze Umgebung in geradezu verblüffender Deutlichkeit und Klarheit wieder. Die kalten, ernst und schweigsam aufragenden Felswände reichen ebenso tief nach unten hinab, und zu unseren Füßen lockt ein Himmel ebenso blau und unermeßlich fern, wie er über uns sich spannt.
Die dem Tage unserer Ankunft folgende Nacht war vom Vollmonde erhellt und derselbe beleuchtete mit seinem geisterhaften Lichte die rings um uns ragenden Felsmassen, die sich kalt und bleich gegen das kleine sichtbare Stück des sternbesäten Nachthimmels abhoben. Vor uns ragte unermeßlich groß die senkrechte Wand, wo der Yosémitefall sich unaufhörlich und scheinbar ununterbrochen aus der ungeheuern Höhe in die dunkle Tiefe herniederwälzte. Wie eine Fluth geschmolzenen Silbers erschien die Wassermasse, deren Brausen in ewigem Wechsel die Stille der Nacht durchhallte.
Besonders in der Erinnerung steht mir auch das Bild, welches sich in den Abendstunden des letzten Tages unseres Aufenthaltes im Yosémitethale bot. Ein Gewitter war im Anzuge. Mißfarbige Wolkengebilde wälzten sich vom Hochgebirge hernieder, hingen in die enge Thalschlucht herein, verfingen sich in den Felsnadeln und Klippen, flatterten von Wand zu Wand und überwölbten schließlich das ganze Cañon wie mit einem Sturmdache. Unheimlich dunkel wurde es in der Schlucht; phantastischer noch erschienen die abenteuerlichen Umrisse der Gesteinsmassen; rothe Blitze zerrissen das Wolkendach und heftige Regengüsse stürzten hernieder. Allenthalben rieselten und schäumten an den Felswänden Bäche und Katarakte; dort aber, wo die Wolken in schweren Massen um die Klippenmauern hingen und unheimlich kreisten und brauten, brach aus diesem grauschwarzen Schleier ein heller silberner Strahl, der Yosémitefall, einen Eindruck hervorrufend, als ob er thatsächlich wie ein Strahl der Erleuchtung vom Himmel herniederschwebe. –
Dem Wasser, diesem in der Sierra allerorten pulsirenden Lebenselemente, hat das Yosémitethal noch einen weiteren Schmuck zu verdanken, seinen, die ganze Thalsohle bedeckenden Naturpark, der gebildet wird aus den herrlichsten Bäumen. Riesenconiferen ragen neben gewaltigen Lebenseichen empor; dunkle Lorbeersträucher neigen sich über die krystallenen Fluthen des das Thal durcheilenden fischreichen Merced, überall bemerkt man das drängende, üppige Treiben und Sprießen des californischen Sierrenwaldes.
Um des letzteren Schönheit und überwältigende Majestät aber erst ganz ver- [Druckfehler im Buch. Re] zu lernen, begaben wir uns nach mehrtägigem Aufenthalte im Yosémitethale nach jenen, mehrere Meilen von Clark's Ranch entfernten Waldesheiligthümern, wo aus dem Urwalddickicht jene zahlreichen Wunder der Pflanzenwelt aufragen, welche von den Männern der Wissenschaft mit dem Namen Sequoia gigantea bezeichnet wurden.
Die Entdeckung dieser Mammuthbäume wird dem Trapper Dowd zugeschrieben, der im Frühling des Jahres 1852 von der › Union Water Company‹ im Calaveras County angestellt war, die Werkleute dieser Gesellschaft mit den Ergebnissen seiner Jagd zu versorgen. In der Verfolgung eines angeschossenen Grizzlybären begriffen, stieß er ganz plötzlich auf einen Baum, dessen gewaltige Maßverhältnisse ihn alle weiteren Jagdgedanken vergessen ließen. Als er, nach dem Lager zurückgekehrt, daselbst seine Entdeckung vorbrachte, wurde aber dieses offenbare Jägerlatein so verlacht, daß Niemand zu bewegen war, dem Trapper zu dem ›großen Baume‹ zu folgen, um nicht das Opfer eines Aprilscherzes zu werden.
Dowd ließ die Sache für einige Tage ruhen, an einem Sonntag Morgen aber kam er mit allen Zeichen der Erregung in das Lager gestürzt und ersuchte die Arbeiter, ihm beim Transporte eines mächtigen Bären behülflich zu sein, den er einige Meilen von dem Orte entfernt im tiefen Walde erlegt habe.
Auf Wegen, die bisher nur von ihm allem betreten worden waren, führte der Trapper nun die Arbeiter bis zum Fuße des Riesenbaumes und rief, als die Leute vor Verwunderung starr standen, triumphirend aus: »Hier ist der Bär, den ich Euch zeigen wollte. Glaubt Ihr noch, daß ich Euch ein ›Garn‹ erzählt habe?«
Bald nacheinander wurden verschiedene Haine dieser › Big Trees‹ aufgefunden und nun verbreitete sich die Kunde von dem Vorhandensein der gewaltigen, alle bisher bekannten Bäume an Umfang wie Höhe weit übertreffenden › Big Trees‹ schnell und erregte in der ganzen Welt das ungeheuerste Aufsehen.
Bezüglich der wissenschaftlichen Benennung der Bäume erhob sich nun unter den Botanikern ein Conflikt, der lange nicht zum endgültigen Austrag kam. Als Professor Endlicher in Wien im Jahre 1846 seine ›Synopsis der Coniferen‹ bearbeitete, und eine Anzahl neuer Gattungen für dieselben begründete, machte ihn der schweizerische Gesandte in Wien, Dr. J. von Tschudi, auf einen merkwürdigen Indianer vom Stamme der Cherokesen aufmerksam, mit der Bitte, dem Andenken dieses bedeutsamen Mannes ein Denkmal zu stiften. Dieser Indianer hatte Sequo-yah geheißen und hatte sich derselbe dadurch ausgezeichnet, daß er nicht nur seinen Stamm in der erfolgreichsten Weise auf die Bahnen der Civilisation lenkte, sondern auch eine eigene, 86 Zeichen umfassende Schrift erfand, die bei den Cherokesen im Gebrauche war, ehe noch die Blaßgesichter eine Kunde davon hatten. Diese Schrift wurde später von den Missionären angenommen und im Jahre 1828 wurde sogar eine Zeitung in den Zeichen derselben gedruckt.
Professor Endlicher entsprach dem ihm vorgelegten Wunsche und nannte die in Californien vorkommende gewöhnliche Rothholztanne dem indianischen Sprachgenie zu Ehren Sequoia. Zu jener Zeit waren die Mammuthbäume, die gleichfalls zu den Rothhölzern gehören, noch nicht entdeckt. Als nun im Jahre 1853 der englische Botaniker Lindlay Samenzapfen und Proben des Holzes erhielt, glaubte er es mit einer ganz neuen Baumart zu thun zu haben und nannte dieselbe zu Ehren seines berühmten Landsmannes Wellingtonia gigantea, während zur selben Zeit der Präsident der californischen Akademie der Naturwissenschaften, Dr. Randall, den Baum Washingtonia gigantea taufte. Es stellte sich jedoch bereits im Jahre 1854 durch die Nachforschungen des amerikanischen Botanikers Torrey und des Franzosen Decaisne die völlige Zugehörigkeit der Mammuthbäume zu den bereits bekannten Rothhölzern, den Sequoien, heraus, und so behauptete einmal die Rothhaut ihren Platz für immer gegen zwei der berühmtesten Bleichgesichter.
Man hat im Laufe der Jahre neun verschiedene Haine dieser Sequoien aufgefunden, die sämmtlich am Westabhange der californischen Sierra Nevada liegen und zusammen mehrere tausend Exemplare dieser Riesenbäume enthalten.
Die bekanntesten und besuchtesten Haine sind diejenigen von Calaveras und Mariposa, von denen der erstere etwa 100 Meilen nordwestlich, der zweite hingegen etwa 20 Meilen südlich vom Yosémitethale gelegen ist.
Wie leuchtende, zimmtfarbene Thürme, steigen hier die californischen Baumgiganten aus dem Waldesdunkel empor, an Umfang, Höhe, Massenhaftigkeit und Alter Alles hinter sich lassend, was die Erde bisher an Pflanzenwundern kennt. Neben die Pyramiden gestellt, würden manche der noch stehenden Baumriesen mit ihren Wipfeln die Spitzen dieser Bauwerke beschatten. Und doch lassen einzelne im Dickicht modernde Baumruinen darauf schließen, daß sie dereinst noch gewaltigere Maaßverhältnisse aufzuweisen hatten. In Calaveras Grove liegt, durch sein eigenes Gewicht halb in die Erde versunken, der ›Vater des Waldes‹, an der Basis einen Umfang von 112 Fuß aufweisend. Zweihundert Fuß hat man an dem Stamme hinzuschreiten, bis man die Stelle erreicht, wo er seinen ersten Seitenast – einen Riesenbaum für sich – entsandte. Obschon der Baum seines Wipfels längst beraubt ist, lassen doch alle Maßverhältnisse erkennen, daß er zur Zeit seiner Glorie eine Höhe von gegen 450 Fuß gehabt haben muß.
Nahe diesem gefallenen Monarchen stand ein zweiter Riesenbaum, den zu Anfang der fünfziger Jahre ein speculativer Yankee zu Falle brachte. Da man den 24 Fuß im Durchmesser haltenden Baum nicht durch Sägen fällen konnte, so durchlöcherte man seinen Stamm mittelst großer Brunnenbohrer, und fünf Leute waren volle zweiundzwanzig Tage beschäftigt, um den Stamm vom Stumpfe zu trennen. Aber trotzdem stand jener noch immer fest in vollem Gleichgewichte, so daß die Arbeiter wieder drei volle Tage damit zubrachten, um auf der einen Seite Keile unter den Baum zu treiben; dann erst gelang es, den Baum umzustürzen. Das Fällen dieses einzigen Baumes verursachte einen Kostenaufwand von 650 Dollars.
Der Stumpf ward sauber geglättet und zu einem Tanzboden umgewandelt, auf welchem mehrmals 32 Personen bequem Cotillontouren abhielten, obgleich sich auch noch Musikanten und Zuschauer auf diesem sonderbaren Tanzboden befanden. Auch Theatervorstellungen fanden hier statt und eine Zeit lang befand sich hier eine Druckerei, aus welcher ein Wochenblatt, das › Big-tree-bulletin‹, hervorging.
Gleichfalls im Calaveras Haine erhebt sich ein anderer Mammuthbaum, grünend in voller Pracht, trotzdem ein Urwaldfeuer eine Höhlung in seinen Stamm hineingefressen hat, welche groß genug ist, um 16 Reitern auf einmal Obdach zu gewähren. Ein anderer niedergestürzter und durch Feuer ausgehöhlter Baum, die Arche Noah's, ist so groß, daß drei Reiter nebeneinander sechzig Fuß weit in den Innenraum hineinreiten können.
Da ein Abstecher nach diesem Calaveras-Haine vom Yosémitethale mit zu großen Schwierigkeiten verbunden war, so beschränkte ich mich auf den Besuch des ebenso großartigen Mariposa Haines, woselbst es vor Allem die kolossalen Maßverhältnisse des Grizzly Giant und des Ohio waren, welche uns in Erstaunen versetzten. Volle 93 Fuß hat der erstere der beiden wetterzerzausten Monarchen im Umfange, und erst in einer Höhe von zweihundert Fuß über dem Boden zweigt sich der erste wagerecht sich hinstreckende Ast ab, in seinem Umfange von vierzig Fuß immer noch ein › Big Tree‹ für sich, und einen Holzreichthum abgebend, hinreichend genug, um eine ganze kleine Gemeinde einen Winter lang mit Brennmaterial zu versorgen.
Hier auch passirten wir jenen sicherlich einzig dastehenden Thorweg, durch welchen unser von sechs feurigen Rossen gezogenes Gefährt wie durch einen Triumphbogen hindurchsauste.
Dieser 10 Fuß hohe, unten 9½, oben 6½ Fuß weite Thorweg ist in den Stamm eines 27 Fuß im Durchmesser gehaltenen Baumes gehauen, welcher den Namen Wawona oder ›Tunnelbaum‹ erhalten hat. Ganz in der Nähe liegt der Rumpf eines anderen Baumes, in den früher zwei Reiter nebeneinander 80 Fuß weit hineinreiten konnten, doch ist diese Passage durch einen darüber hinweggestürzten anderen Baum theilweise zusammengebrochen und bis auf 30 Fuß verringert worden. Die Gesammtzahl der im Mariposa-Haine befindlichen Riesenbäume beträgt 427, darunter zahlreiche Exemplare, die einen Umfang bis zu 90 Fuß und eine Höhe bis zu 270 Fuß erreichen. Von der Riesengröße dieser Bäume mag man einen weiteren Begriff durch eine Berechnung des amerikanischen Professors Whitney erhalten, der zufolge ein einziger Baum 537,000 Fuß zolldicker Bretter liefern würde, die einem Werthe von 25,000 Dollars gleichkämen.
Gleich allen Bäumen aus der Gattung der Taxus-Nadelhölzer sind die Sequoien der Verwitterung nur wenig unterworfen und besitzen eine Lebensfähigkeit, die geradezu erstaunlich ist. Trotzdem verheerende Waldfeuer in die Stämme mancher Bäume gewaltige Löcher gefressen haben, grünen und gedeihen dieselben lustig fort, selbst der breite Thorweg, der in den Stamm des Wawona gehauen wurde, hat auf das fernere Wachsthum des Baumes keinen nachtheiligen Einfluß gehabt.
Gleichfalls im Mariposa Haine steht ein noch grünender Baum, der › Workshop‹ genannt, in dessen Stamm ein 12 Fuß hoher, 16 Fuß tiefer Raum ausgehauen ist, in welchem der Reisende allerhand kleine, daselbst angefertigte Andenken an sein Verweilen unter den Riesenbäumen erstehen kann. Im Calaveras Haine wird ein Baum gezeigt, den im Jahre 1854 ein unternehmender Yankee, in der Absicht, Geld zu verdienen, bis zu einer Höhe von 116 Fuß seiner Rinde berauben ließ, die gegen Eintrittsgeld in verschiedenen Städten Amerikas zur Schau ausgestellt und schließlich dem Crystal Palace zu Sydenham bei London verkauft wurde. Dort fand sie aber bei einer Feuersbrunst ihren Untergang. Der Baum selbst bewährte jedoch eine so große Lebenskraft, daß er ungeachtet der ihm beigebrachten, scheinbar tödtlichen Verwundung bis heute noch nicht abgestorben ist. Wohl das wunderbarste Exempel dieser außerordentlichen Lebenskraft giebt aber der ›Telescope Baum‹ im Mariposa Haine ab, ein 120 Fuß hoher, aufrecht stehender Stamm, der durch Feuer so vollständig ausgehöhlt ist, daß man, in den ausgebrannten Innenraum hineintretend, wie durch ein Fernrohr zum Himmel empor blicken kann. Und trotz dieser fürchterlichen Verstümmelung trägt der Baum immerfort sein grünes Nadelkleid und erzeugt jahraus, jahrein unzählige Samenzapfen.
Dieser außerordentlichen Lebensfähigkeit steht das äußerst langsame Wachsthum der Sequoien gegenüber. Die Botaniker versichern uns, daß der Holzstamm eines solchen Riesenbaumes zwanzig Jahre brauche, um zwei und einen halben Centimenter im Durchmesser zuzunehmen, die Rinde sogar volle vierzig Jahre, um nur die Breite eines Messerrückens anzusetzen. Und doch bildet diese, aus einem bräunlichrothen, weichen Fasergewebe bestehende Rinde an einem ausgewachsenen Exemplare eine den ganzen Stamm überziehende, weit durch das Urwalddickicht leuchtende Filzmasse von ein bis anderthalb Fuß Dicke, zwischen deren Ausbuchtungen und Rinnen sich ein schlanker Mensch ebenso verbergen kann, wie ein Käfer in den Rissen der Rinde einer gewöhnlichen Tanne.
Durch die genaue Beobachtung des Wachsthums, durch die Zählung der Jahresringe des Holzes, sowie durch die Feststellung verschiedener anderer Merkmale, sind die Pflanzenkundigen dahin gekommen, das Alter der noch stehenden größeren Sequoien auf mindestens 3000 Jahre zu veranschlagen. Hutchings, der Einsiedler des Yosémitethales, der über diese Wunderwelt ein sehr zuverlässiges, zumeist aus eigenen Beobachtungen beruhendes Werk zusammengetragen hat, berechnet nach vielen angestellten Untersuchungen, daß durchschnittlich auf der Fläche eines dem Stamme einer Sequoie entnommenen Querschnittes in der Breite von einem Zoll 24 Jahresringe zu zählen seien. Hiernach würde das Alter solcher Bäume, die einen Durchmesser von 25 Fuß hätten (wovon die Hälfte vom Herz des Baumes bis zur Rinde also 12½ Fuß betrüge), mit 3600 Jahren, und solcher Bäume, deren Durchmesser 30 Fuß ausmache, mit 4320 Jahren anzusetzen sein.
Was sind im Vergleiche zu solchen Zeiträumen, neben welchen die Dauer eines Menschenlebens zu kaum momentaner Bedeutung herabsinkt, die Werke der Menschenhand? Mit Recht konnte daher Friedrich Bodenstedt, als auch er zu den Riesenbäumen pilgerte, die Worte gebrauchen:
»Ich ging, die Wunderbäume zu sehn.
Die im Hain von Mariposa stehn
Und ihr immergrünes Kleid schon getragen,
Eh' David, der König, die Harfe geschlagen,
Eh' Salomo weise Sprüche geredet
Und Simson die Philister befehdet.«
Älter sind diese Bäume, als alle gegenwärtig bestehenden religiösen Bekenntnisse der Menschen, älter als die Religion der Buddhisten, 1000 Jahre älter als die Religion der Juden, 2-3000 Jahre als die Religion der Christen.
Wie die amerikanische Regierung im Jahre 1871 den weltberühmten Yellowstone-Park in Wyoming als unantastbares Nationaleigenthum erklärte, so hat sie auch das Yosémitethal und die Sequoienhaine von jeder Besiedlung ausgeschlossen, damit der ursprüngliche Reiz dieser Gebiete unvermindert sich bis auf späte Geschlechter erhalten möge.